Decoding China: Peking und Moskau demonstrieren Schulterschluss

Wer in China Gesprächspartner beeindrucken will, sollte das mit imposanten Zahlen tun. "Mit Ihnen traf ich in den letzten Jahren schon mehr als 40-mal zu bilateralen Gesprächen zusammen", sagte Chinas Präsident Xi Jinping (70) seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin (71). "China und Russland haben schon seit einem drei Viertel Jahrhundert diplomatische Beziehungen. Sie sind krisenbewährt und verdienen unsere Wertschätzung und intensivste Pflege."

Die erste Auslandsreise nach seiner Vereidigung führt den alten und neuen russischen Präsidenten, der letzte Woche die fünfte seiner Amtszeiten zu je sechs Jahren angetreten hat, nach China. Dem Kreml ist der enge Schulterschluss mit dem kommunistischen China außerordentlich wichtig. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist Russland international isoliert. Die Sanktionen der EU und der USA treiben das Land in eine wirtschaftliche Flaute. Putin berief vor einer Woche den Wirtschaftswissenschaftler Andrej Beloussow zum Verteidigungsminister. Er ist auch mit Putin in China dabei. Der oberste Kremlchef weiß es zu gut, wie wichtig dessen Expertise ist. Für die Rüstungsproduktion werden dringend Rohstoffe benötigt, die China liefern könnte.

Treffen mit Symbolkraft

Nun reicht Putin seinem "geliebten alten Freund" Xi die Hand. Russland und China sind auf einem "beispiellos hohen Niveau der strategischen Partnerschaft", sagte er. Und Xi ehrte den Gast mit einem opulenten Bankett mit Peking Ente, Seegurke und Wolfsbarsch in Garnelen-Creme.

Die Frage steht im Raum, ob China es ernst meint. Es gehe jetzt nicht darum, ob beide Länder uneingeschränkte Einigkeit demonstrieren wollen, sagt Peter Qiu, Präsident des Zentrums für Globalisierung Hongkong (CGHK). "Sie müssen es tun."

Als Putin am 7. Mai um 12 Uhr Ortszeit offiziell in seine fünfte Amtszeit in Kreml eingeführt wurde, war kein hoher Gast aus China in Moskau anwesend. Zeitgleich saß Chinas Präsident Xi in seinem Präsidentenflugzeug des Typs Boeing 747-800 mit der Flugnummer CA57 und war auf dem Weg von Paris nach Belgrad. Zuvor hatte mit dem französischen Präsident Emmanuel Macron über den Ukraine-Krieg gesprochen. Dann war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu gekommen. Sie forderte für Europa faire Wettbewerbsbedingungen.

Helena Legarda MERICS | Mercator Institute for China Studies
Helena Legarda, Lead Analyst des Berliner China-Instituts MERICSnull Marco Urban/MERICS

"Dieser Besuch, der unmittelbar nach Xis Rückkehr aus Europa stattfindet, vermittelt die klare Botschaft, dass sich China und Russland weiterhin als bevorzugte Partner betrachten und nach Möglichkeiten suchen, ihre Beziehungen zu vertiefen, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich", sagt Helena Legarda, Lead Analyst des Berliner China-Instituts MERICS, "und dass dies auch weiterhin der Fall sein wird, trotz des zunehmenden Drucks durch den Westen infolge des Ukraine-Kriegs oder der US-Sanktionen."

Politischer Riese, wirtschaftlicher Zwerg

Für Peking ist Russland ein politischer Verbündeter, da Moskau einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat. Außerdem hat Russland dieses Jahr die Präsidentschaft des BRICS übernommen, einer Allianz von Schwellenländern des Globalen Südens.

Wirtschaftlich ist das größte Land der Welt allerdings ein Zwerg im Vergleich zu China. Das russische Bruttoinlandsprodukt 2023 lag mit geschätzten zwei Billionen US-Dollar knapp über dem BIP der wirtschaftsstärksten Provinz Guangdong.

Gleichzeitig wächst der bilaterale Handel. 2018 lag die Handelsbilanz noch bei einer Summe von 100 Milliarden US-Dollar. 2024 war sie mehr als verdoppelt so hoch. Bis 2030 sollen Waren mit einem Wert von 300 Milliarden US-Dollar zwischen China und Russland ausgetauscht werden, berichtet die russische Agentur Sputnik unter Berufung auf das Moskauer Wirtschaftsministerium nach dem Putin-Xi-Treffen am Donnerstag.

China Peking 2024 | Besuch Wladimir Putin | mit Xi Jinping
Chinas Präsident Xi (2.v.r.) lud Putin zu einem Konzert ein und feierte 75 Jahre diplomatische Beziehungen mit Russlandnull Sergei Guneyev/AFP/Getty Images

"Russland hätte schon gerne ein klares Bekenntnis aus Peking, dass China zu einen vertieften wirtschaftlichen Austausch steht", sagt der Hongkonger Experte Qiu, der an der deutschen Universität Tübingen promoviert wurde. Auf seiner zweiten Station der Chinareise besucht Putin am Freitag (17.05.24) eine Handelsmesse in der nordchinesischen Stadt Harbin. Dort will Russland unter anderem ein Zentrum für Großhandel von Agrarprodukten neu einrichten: Fleisch, Süßigkeiten, Fisch sowie Milchprodukte. Der Name: "Good Food Russia".

Das zunehmende Potenzial für den Handel ergebe sich nicht allein aus der Partnerschaft mit China, sagt Wan Qingsong, Russland-Experte an der Shanghaier East China Normal University dem britischen Sender BBC. "Der Antrieb kommt vom Druck der westlichen Länder. Die Unternehmen in China und Russland haben deswegen eine noch größere Leidenschaft für mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit." 

Russische Milizen kämpfen auf Seiten der Ukraine

Keine Bewegung im Ukraine-Krieg

Wer sich dabei erhoffte, dass Xi Druck auf Putin im Krieg gegen die Ukraine ausüben würde, wird enttäuscht. Die Floskel dazu in der Abschlusserklärung kennt die Welt schon seit der russischen Invasion. Beide Staatschefs seien gegen eine weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine und bekundeten ihr Interesse an einer "politischen Lösung". China bleibe neutral, bekräftigte Xi. Ein ausgeglichenes, effektives und nachhaltiges Sicherheitskonstrukt müsse aufgebaut werden.

Allerdings wird Bezug auf ganz Europa genommen. "China erwartet, dass Frieden und Stabilität auf dem europäischen Kontinent so früh wie möglich wieder hergestellt werden. Dafür leistet China gerne seine konstruktiven Beiträge."

Peking hat diesen Krieg zwar nicht verurteilt, aber sich klar von einem Einsatz von Atomwaffen distanziert. Xi und Putin haben am Donnerstag eine Pufferzone von Atommächten gegenüber anderen Militärbündnissen gefordert. In der Abschlusserklärung hieß es: Auf eine "Expansion von Militärbündnissen und -koalitionen und die Schaffung militärischer Brückenköpfe direkt an der Grenze anderer Atommächte" sei zu verzichten.

Die Erklärung dürfte sich vor allem gegen den geplanten NATO-Beitritt der Ukraine richten. Schon 2008 erhielt die Ukraine, zusammen mit Georgien, eine grundsätzliche Beitrittsperspektive. Unter anderem hat Russland die Invasion in der Ukraine auch mit der NATO-Osterweiterung begründet.

Putin macht Druck: Neue Führung für die Kriegswirtschaft?

China sei für die Ukraine und deren Verbündete ein schwer zu akzeptierender Vermittler, sagt Expertin Legarda. "Seine Bereitschaft, sich tatsächlich in einen Vermittlungsprozess einzubringen und die mühselige Arbeit der Moderation von Gesprächen, der Ausverhandlung von Zugeständnissen und des Vorschlags möglicher Lösungen zu übernehmen, war bisher sehr begrenzt. Chinas Führung räumt geopolitischen Belangen Vorrang ein und scheint kein ernstes Interesse daran zu haben, diese Rolle zu übernehmen."

Und Russland werde bestimmt nicht alles tun, was China sage, meint Legarda. "Peking hat zwar einen gewissen Einfluss auf Russland, vor allem jetzt, da Russland wirtschaftlich stärker von China abhängig geworden ist. Xis Fähigkeit, Putins Entscheidungen in Bezug auf die Ukraine stark zu beeinflussen, ist wahrscheinlich viel begrenzter, als manche denken." Eine wirksame Vermittlung erfordere zwar keine völlige Neutralität. Aber sie setzt voraus, dass beteiligte Konfliktparteien den Vermittler als "ehrlich" ansehen. Das sei bei China bisher nicht der Fall.

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

Flut in Afghanistan: Langfristige Hilfe dringend nötig

Bei den schweren Überschwemmungen im Norden Afghanistans sind vergangene Woche mindestens 315 Menschen ums Leben gekommen. Noch immer wird im Schlamm und unter den Trümmern nach Vermissten gesucht. Nach Angaben der Taliban-Regierung wurden mehr als 1600 Menschen verletzt. Tausende Häuser wurden beschädigt.

Auf die Wassermassen folgte die Hitze. "Die Temperaturen sind in einigen Gebieten auf über 30 Grad gestiegen. Viele Orte sind mit Schlamm bedeckt. Der trocknet, wird fest und ist nur schwer zu beseitigen. Einige Gebiete sind aufgrund zerstörter Straßen nur schwer erreichbar", berichtet Thomas ten Boer in einem Telefonat mit der DW aus der afghanischen Hauptstadt Kabul. Thomas ten Boer ist der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Afghanistan. "Wir versuchen, die Überlebenden mit Essen und Trinkwasser zu versorgen", sagt er und fügt hinzu, dass derzeit nicht mehr möglich sei.

Afghanistan Samangan | Sturzflut
Einige Gebiete sind aufgrund zerstörter Straßen nur schwer erreichbarnull Atif Aryan/AFP/Getty Images

Die Naturkatastrophen haben die Lebensgrundlage vieler Familien, die vor allem von der Landwirtschaft leben, völlig zerstört. Die Menschen benötigen dringend langfristige Hilfe. "Nach unseren ersten Schätzungen wurden bei den schweren Sturzfluten mehr als 10.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche zerstört", sagt Latif Nazari, stellvertretender Wirtschaftsminister der Taliban-Regierung, im Gespräch mit der DW. "Humanitäre Hilfe darf nicht an politische Forderungen geknüpft werden", fordert er und fügt hinzu, dass die Regierung in Kabul die UN und internationale NGOs kontaktiert und alle internationalen Geber um finanzielle und technische Unterstützung gebeten habe.

Wegen Klimawandel immer mehr Naturkatastrophen  

Die jüngste Naturkatastrophe hat die seit Jahren andauernde humanitäre Notlage in Afghanistan weiter verschärft. Schwere Erdbeben und Überschwemmungen suchten das Land bereits zu Beginn des Jahres heim. Afghanistan ist auf extreme Wetterereignisse wie Dürren oder plötzlich einsetzenden Starkregen nicht vorbereitet. Die aber haben in den letzten Jahren zugenommen. Das Land ist von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen, zugleich aber auch besonders schwach aufgestellt, um diese Folgen abzumildern. Dabei sind laut Afghanistan-Experten bis zu 80 Prozent der Bevölkerung auf die Landwirtschaft angewiesen.

Hinzu kommen andere Notstände, wie zum Beispiel die erzwungene Rückkehr von mehr als einer halben Million Afghanen aus Pakistan und regelmäßige Ausweisungen von größeren Gruppen Geflüchteter aus dem Iran,  sowie der Wegfall vieler Einkommensmöglichkeiten nach dem Rückzug internationaler Organisationen seit der Machtübernahme der Taliban.

Nach Angaben der Vereinten Nationen leben 97 Prozent der afghanischen Bevölkerung in Armut. Etwa 23,7 Millionen der 40 Millionen Einwohner sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, um zu überleben; sechs Millionen Menschen stehen am Rande einer Hungersnot. Allein für die Unterstützung der Grundbedürfnisse, insbesondere der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie etwa Kinder, werden in diesem Jahr Mittel in Höhe von 3,06 Milliarden US-Dollar benötigt.

Investieren in Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft

"Bis April waren nur knapp acht Prozent der für 2024 geschätzten Bedarfe für humanitäre Not- und Katastrophenhilfe in Afghanistan gedeckt", schreibt Katja Mielke, Afghanistan-Expertin vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) auf Anfrage der DW. Den Geberländern unter Federführung der Vereinten Nationen ist bewusst, dass in die Resilienz und die Widerstandfähigkeit der afghanischen Gesellschaft investiert werden muss. Es gibt Maßnahmen zur Ernährungssicherung, Wasserversorgung und Gesundheitsversorgung, die vor Ort über internationale und lokale Organisationen umgesetzt werden könnten.

Afghanistan Überschwemmungen durch Starkregen
Extreme Wetterereignisse zerstören die Lebensgrundlage vieler armer Familien in Afghanistannull EPA

"Aufgrund der Unterfinanzierung können aber nur wenige der Bedürftigen erreicht werden", betont Mielke weiter und fügt hinzu: "Auf strategischer Ebene ist es notwendig, die Sanktionen zeitnah aufzuheben und die eingefrorenen Staatsdevisen freizuschalten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dadurch könnten Anreize gesetzt werden, damit afghanische Unternehmer langfristig strukturbildend wirtschaften und investieren können."

Auf operativer Ebene könnte das Prinzip der staatsfernen, aber bevölkerungsnahen Unterstützung, das von vielen Geberländern, einschließlich Deutschland, angestrebt wird, am besten durch direkte Zusammenarbeit mit den Gemeinden umgesetzt werden. "Vertreter und Vertreterinnen der lokalen Gemeinden kennen ihre eigenen Bedürfnisse am besten und können idealerweise sicherstellen, dass die Verteilung bedarfsgerecht erfolgt und auch Frauen nicht ausgeschlossen werden", so die BICC-Expertin.

Lage der Frauen in Afghanistan verschlechtert sich stetig

Indien: Klimawandel kein Thema im Wahlkampf

In der Niederung der Yamuna-Ebene vor den Toren der indischen Hauptstadt Neu Delhi betreibt Bhagwati Devi eine kleine Gemüsefarm. Der Yamuna ist der wichtigste Nebenfluss des Ganges und durchfließt unter anderem die Hauptstadtregion Delhi. Als der Strom im vergangenen Jahr über seine Ufer trat, musste die Gegend um Devis Farm evakuiert werden: "Wir verbrachten die gesamte Nacht auf einem Baum und warteten darauf, gerettet zu werden", erzählt sie.

Wochenlang, sagt die 37-Jährige, hätten sie unter miserablen Bedingungen auf einer Autobahn hausen müssen, mitten im größten Ballungsraum Indiens. Ihre Hütte und die meisten ihrer Habseligkeiten hatten die Fluten weggespült. Weil das Hochwasser außerdem ihre Ernte vernichtet habe, hätten sie monatelang kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Umweltexperten machen die mangelhafte Stadtplanung, aber auch die starken Regenfälle im Norden Indiens für die Katastrophe verantwortlich. Überschwemmungen sind in Zeiten des Monsun, der sommerlichen Regenzeit, keine Seltenheit. Doch Wissenschaftler gehen davon aus, dass steigende Durchschnittstemperaturen auf der Erde das Ausmaß verstärken.

Devi hat vom Phänomen des Klimawandels, der ihr Leben auf so katastrophale Weise verändert haben könnte, noch nie gehört. Und es wird keinen Einfluss darauf haben, wem sie bei den laufenden Parlamentswahlen ihre Stimme gibt. Doch damit ist sie nicht allein. Der Klimawandel spielt im indischen Wahlkampf kaum eine Rolle.

Warum spricht niemand über den Klimawandel?

Es sei nicht so, dass man in Indien nicht über den Klimawandel diskutiere, meinen Experten, es werde nur anders darüber gesprochen: "In Indien wird Klimaschutzpolitik nicht unbedingt unter der Überschrift 'Klimawandel' diskutiert, aber das heißt nicht, dass der Klimawandel nicht auch die Politik in Indien beeinflusst", versichert Aditya Valiathan Pillai vom Sustainable Futures Collaborative, einer unabhängigen Organisation mit Sitz in Neu Delhi, die zum Klimawandel forscht.

Indien: Die größte Wahl der Welt

Klimaschutzpolitik beschäftige sich meist damit, Wege zu finden, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen, erläutert Pillai. Deutlich werde das zum Beispiel bei den Themen Bewässerung und Zugang zu Trinkwasser, bei der Forderung, Bauern Kreditschulden zu erlassen, und so weiter. "In vielen Parteiprogrammen werden Versprechungen gemacht, die mit dem Klima im Zusammenhang stehen, sie werden aber nicht unter dem Punkt Klimawandel aufgeführt."

Was bedeutet der Klimawandel für indische Wähler?

Aarti Khosla ist Gründerin von Climate Trends, einer indischen Initiative für forschungsgestützte Beratung. Sie bestätigt, dass Ursachen und Gegenmaßnahmen des Klimawandels für viele Menschen nicht im Vordergrund stünden. Wichtig sei die Erderwärmung nur, wenn sie andere Probleme verschärfe: "Wir denken noch immer, dass Klimaschutzpolitik nur gemacht wird, wenn es eine grüne Partei gibt wie im Westen oder wenn der Begriff 'Klimawandel' in den Parteiprogrammen erwähnt wird", führt Khosla aus. In Indien sei dies jedoch nicht absehbar.

Nur neun Prozent der Menschen in Indien sagen von sich, dass sie "viel" über die globale Erwärmung wüssten, so eine Studie aus dem Jahr 2022. Doch wenn sie eine kurze Definition hören, sind 84 Prozent überzeugt, dass sie stattfindet, und 81 Prozent sind darüber "sehr besorgt". Khosla glaubt: "Die Menschen sind sich dessen sehr viel bewusster, als wir ihnen zugestehen."

Wie reagieren Politiker auf den Klimawandel?

Selbst im indischen Parlament findet der Klimawandel kaum Beachtung. Laut einer anderen Studie aus dem Jahr 2022 befassten sich zwischen 1999 und 2019 nur 0,3 Prozent der von Politikern gestellten Fragen mit dem Klimawandel.

"Reden zum Klimawandel finden in der Bevölkerung nur Resonanz, wenn es ein aktuelles Problem gibt", sagt Rajeev Gowda, der in Bengaluru für die Kongresspartei kandidiert. Die südindische Stadt leidet unter einer Wasserkrise.

"Wir verprellen eine Menge Leute, wenn wir sagen, es geht um Klimawandel", sagt Khosla. "Wenn wir den Klimawandel in Verbindung mit besser greifbaren Ereignissen des täglichen Lebens ansprechen, erreichen wir die Menschen damit besser." Die jüngsten Überflutungen könnten ein solches Ereignis sein.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Iran; Regimekritiker Zibakalam muss mehrmonatige Haftstrafe antreten

Nach Angaben des iranischen Justizportals "Misan" sitzt Sadegh Zibakalam seit Sonntag, dem 12. Mai, im berüchtigten Evin-Gefängnis im Norden der Hauptstadt Teheran. Gegen ihn waren in den letzten Jahren drei Anklagen erhoben worden, darunter wegen "Verbreitung unbewiesener Angaben in sozialen Medien sowie Propaganda gegen das islamische System".

Der 75-Jährige wurde in drei Prozessen, zuletzt im Juli 2023, schuldig gesprochen. Er wurde zu je 18, 12 und 6 Monaten Haft verurteilt. Laut "Misan" muss er alle seine Haftstrafen verbüßen.

In einem Interview mit der DW im Jahr 2022 berichtete er über eine umfangreiche Akte, die ihm vorgelegt worden sei. Darin seien seine öffentlichen Äußerungen der letzten Jahre dokumentiert gewesen, von Beiträgen und Posts in sozialen Netzwerken bis hin zu Diskussionsrunden in der interaktiven Social-Audio-App Clubhaus. Nach der Frauenbewegung und den Massenprotesten 2022 trat er noch öfter in Erscheinung und verfasste regimekritische Analysen in den sozialen Medien.

Zibakalam hatte kürzlich ein Buch mit dem Titel "Warum verhaften sie dich nicht und was passiert am Ende?" geschrieben. Am Samstag, dem 11. Mai, sagte Zibakalam in einem Interview mit dem iranischen Nachrichtenportal Khabar Online: "Ich habe dieses Buch geschrieben, weil ich ständig gefragt werde, warum ich nicht verhaftet werde. Ich weiß es auch nicht. Vielleicht lohnt es sich nicht, mich zu verhaften.".

Zibakalam gehört zu den wenigen Kritikern der Islamischen Republik, die es weiterhin wagen, öffentlich Missstände anzusprechen und das politische System zu kritisieren. Für seine Haltung verlieh ihm die Deutsche Welle im April 2018 in Bonn den DW Freedom of Speech Award. Zibakalam widmete den Preis allen politischen Gefangenen in seiner Heimat.

Zibakalam war bereits im Jahr 2018 zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden, die er bis jetzt nicht antreten musste. Im Jahr 2019 wurden Fotos im Netz veröffentlicht, die Zibakalam bei einem Treffen mit religiösen und politischen Führern der Islamischen Republik im Mai 2019 zeigen. Er war nicht zum ersten Mal zu diesem exklusiven jährlichen Treffen eingeladen. "Ich nehme alle Einladungen an", hatte er 2016 in einem Video gesagt, das er in seinem Büro aufgenommen hatte. "Ich habe etwas zu sagen, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir den Dialog brauchen", meinte er damals.

Verfasst mit Material der Nachrichtenagentur dpa 

Iran baut eine Mauer an der Grenze zu Afghanistan

74 Kilometer lang soll die Betonmauer werden - vier Meter hoch und zusätzlich mit Stacheldraht versehen. Gebaut werden soll sie im Nordosten des Irans; dort, wo die Grenze zu Afghanistan besonders häufig illegal übertreten wird. Der Nationale Sicherheitsrat hat dafür ein Budget von umgerechnet etwa drei Milliarden Euro bereitgestellt. Damit soll die Armee in den nächsten drei Jahren diesen Teil der östlichen Grenze zum Nachbarland Afghanistan sichern. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA umfasst der Auftrag den Bau einer Betonmauer und eines Grenzzauns in der nordöstlichen Provinz Chorasan-Razavi.

Den iranischen Behörden zufolge ist Chorasan-Razavi neben den Provinzen Nord-Chorasan und Süd-Chorasan im Nordosten des Irans eines der wichtigsten Ziele für illegale Einwanderer.

Die Grenze zwischen dem Iran und Afghanistan ist etwa 950 Kilometer lang. Sie verläuft teilweise über hohe Berge und ist schwer zugänglich. Viele Menschen, die seit 40 Jahren vor Bürgerkrieg, Armut und nun vor den Taliban aus Afghanistan fliehen, überqueren die Grenze illegal.

Sorge um weitere IS-Anschläge im Iran

Die Sicherheitslage an der Grenze zu Afghanistan hat sich nach der Machtübernahme der Taliban verschlechtert. Für die Ableger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Afghanistan scheint es leichter geworden zu sein, Attentäter in den Iran zu schicken. In den letzten knapp drei Jahren haben sie mehrere Anschläge im Iran verübt.

Iran Kerman Bombenanschlag
Gehen auf das Konto von IS: Bombenanschläge in der iranischen Stadt Kerman am 3.1.2024null Mahdi K. Ravari/Mehr News/AP/dpa/picture alliance

Anfang Januar 2024 wurden bei zwei Explosionen in der Stadt Kerman 89 Menschen getötet. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat den Anschlag für sich reklamiert, ebenso im Oktober 2022: Bei einen Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum in der Kulturmetropole Schiras kamen damals mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben. Der IS betrachtet die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Iran als Abtrünnige des Islam.

Die Bodentruppen der iranischen Armee haben seit der Machtübernahme der Taliban ihre Präsenz an der Grenze zu Afghanistan verstärkt. Trotz dieser verschärften Sicherheitsmaßnahmen gibt es in dem häufig unwegsamen Gelände noch viele Möglichkeiten, diese lange Grenze illegal zu überqueren.

Fast 4,5 Millionen Geflüchtete aus Afghanistan 

Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge leben bereits fast 4,5 Millionen Afghanen im Iran. Mindestens eine Million von ihnen sind nach der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 dorthin geflohen. Nur rund 50.000 dieser Menschen sind als Geflüchtete registriert.

Bildergalerie Afghanistan - Flucht zu den Landesgrenzen
Allein seit der Machtübernahme der Taliban sind mindestens eine Million Afghanen in den Iran geflohen. null Majid Asgaripour/WANA/REUTERS

Viele Geflüchtete im Iran lassen sich aus Angst vor Abschiebung nicht registrieren. Aufgrund von Gemeinsamkeiten in Kultur und Sprache können sie vergleichsweise leicht in der Gesellschaft untertauchen. Oft werden sie als billige Arbeitskräfte illegal beschäftigt und ausgebeutet. Viele von ihnen möchten nicht im Iran bleiben. Für sie ist der Iran die erste Station auf der Fluchtroute nach Europa.

Wer es schafft, genug Geld zu sparen, kontaktiert gut organisierte afghanische, iranische oder türkische Schlepper und macht sich mit ihrer Hilfe auf den Weg nach Europa.

Um Flüchtende aufzuhalten, hat die Türkei entlang dieser Grenze eine drei Meter hohe und 170 Kilometer lange Betonmauer errichtet. Die Türkei teilt eine 560 Kilometer lange Grenze mit dem Iran.

Grenze Türkei - Iran
Die Türkei hat entlang seiner Grenze zum Iran eine Mauer erichtetnull Ozkan Bilgin/AA/picture alliance

Eine Mauer im Südabschnitt der Grenze schafft nur Probleme

Schon seit mehr als dreißig Jahren beabsichtigt der Iran, die Grenze zu Afghanistan mit Mauern zu verstärken. Erste Schritte dazu wurden im Jahr 1992 unternommen. Damals wurde entlang der Grenze in der Provinz Sistan-Belutschistan eine 30 Kilometer lange Mauer errichtet. Diese sollte nicht nur illegale Einwanderung verhindern, sondern auch den Schmuggel von Benzin aus dem Iran nach Afghanistan und von Drogen aus Afghanistan in den Iran unterbinden.

Der Mauer wurde aber auf dem Territorium des Iran und nicht genau entlang der Grenze gebaut. Zwischen der Mauer und der Grenze liegen knapp 2.000 Hektar Ackerland, das iranischen Bauern gehört. Sie dürfen die Mauer passieren, um an ihre Felder zu gelangen. Seit der Machübernahme der Taliban kommt es dort aber zu Übergriffen. Aus Sicht der Taliban verläuft der Grenze entlang der Mauer. Bauern, die auf der anderen Seite der Mauer auf ihren Feldern arbeiten, werden von den Taliban immer wieder angegriffen und geschlagen, ihre Maschinen werden beschlagnahmt.

"Diese Mauer ist weder eine Grenzmauer noch eine Sicherheitsmauer" beschwerte sich Mohammad Sargazi, Parlamentsabgeordnete der Provinz Sistan-Belutschistan in mehreren Interviews mit iranischen Medien. "Sie macht nur das Leben der iranischen Bauern schwer", betont er weiter. Andere Abgeordnete aus der Region verlangen sogar den Abriss der Mauer. 

Gwadar: Darum stagniert Chinas Seidenstraßen-Hafen in Pakistan

Im November 2016 symbolisierte der Hafen in Gwadar Stabilität, Frieden und Wohlstand für Pakistan – zumindest laut dem damaligen Premierminister Nawaz Sharif. "Das ist der Beginn einer neuen Ära", sagte er in der Eröffnungszeremonie in Gwadar, als eine Reihe chinesischer Lastwagen eintraf, um Fracht auf das erste Container-Schiff im Hafen zu verladen. 

Das war zum offiziellen Betriebsbeginn des Hafens, rund zehn Jahre nachdem er fertig gebaut worden war. Die Zeremonie markierte auch den Beginn des prestigeträchtigen chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors (China-Pakistan Economic Corridor, CPEC), ein wichtiger Teil von Chinas weltweitem Infrastruktur- und Handelsnetz, der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI)

Heute jedoch, acht Jahre später, ist diese neue Ära noch immer nicht angebrochen. Eine DW-Analyse zeigt, was schief gelaufen ist. 

"Die Investoren dachten, Gwadar wird das nächste Dubai” 

Die Idee hinter CPEC war, Chinas westliche Xinjiang Provinz mit dem Meer zu verbinden – über Pakistan. Für China würde das Handelsrouten verkürzen und helfen, den umstrittenen Engpass in der Straße von Malakka zu vermeiden, der zwischen Malaysia und Sumatra liegt und den Indischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet. Pakistan wiederum würde von zunehmendem Handel, Infrastruktur und Industrie entlang des rund 2000 Kilometer langen Korridors profitieren, der komplett von China finanziert wird. 

Zusätzlich zum bereits florierenden Hafen in Karatschi, sollte Gwadar den Korridor an das globale Schiffsnetz anschließen. Die kleine Fischerstadt liegt nahe der iranischen Grenzen, rund 500 Kilometer von Karatschi entfernt. Der neugebaute Tiefseehafen in Gwadar wurde 2007 fertiggestellt und 2013 an die chinesische Betreiberfirma übergeben. Dieser Tiefseehafen sollte das Herzstück von CPEC werden, umgeben von einer Sonderwirtschaftszone, die aus Gwadar eine lebhafte Hafenstadt machen sollte. 

Der Hafen habe Potenzial, sagt Azeem Khalid, Assistenz-Professor für internationale Beziehungen an der COMSATS Universität Islamabad, wo er zu chinesischen Investitionen in Pakistan forscht. "Es ist ein natürlicher Tiefseehafen, der größere Schiffe aufnehmen kann als Karatschi. Er liegt am Knotenpunkt des globalen Ölhandels. Und es würde Chinas Interessen in der Region festigen", so Khalid zur DW. 

Im eigenen Land hat China bereits bewiesen, dass es verschlafene Fischerdörfer in starke Wirtschaftszentren verwandeln kann. Shenzen, Chinas erste Sonderwirtschaftszone, ist das beste Beispiel: In nur vier Jahrzehnten wuchs die Stadt von rund 60.000 Einwohnern auf heute 17 Millionen an.

"Damals glaubten die Investoren, Gwadar werde das nächste Dubai", sagt Khalid.

Neue Seidenstraße: Chinas Anteil in Häfen in der ganzen Welt 

Pakistan ist nicht das einzige Land, das diese Vision verfolgt. Rund um die Welt hoffen Regierungen darauf, ihre Wirtschaft mit neuen oder ausgebauten Häfen und anderen Infrastrukturprojekten anzukurbeln. Und chinesische Banken leihen bereitwillig das Geld dafür. Oft sind es auch chinesische Firmen, die die Häfen bauen oder später betreiben. 

Mindestens 38 Häfen wurden mithilfe chinesischer Investitionen seit dem Jahr 2000 gebaut. Weitere 43 sind geplant oder werden derzeit gebaut. 78 fertige Häfen haben außerdem chinesische Anteilseigner, wie DW-Recherchen anhand mehrerer wissenschaftlichen Quellen ergaben.  

Diese Abkommen seien lukrativ für China, sagt Jacob Mardell, Journalist und ehemaliger Analyst bei der deutschen Denkfabrik Mercator Institute for China Studies. "Dieses Modell subventioniert im Prinzip chinesische Unternehmen", so Mardell. Chinesische Banken geben Kredite an Regierungen, die mit diesem Geld chinesische Baufirmen bezahlen, und den Kredit über die Zeit an die Bank zurückzahlen, erklärt Mardell. Unterm Strich verlasse das Geld China gar nicht, "während Steuerzahlende in anderen Ländern letztlich die Rechnung zahlen". 

Ein häufiges Muster scheint es zu sein, einen neuen Hafen relativ nahe zu einem bereits etablierten zu bauen – wie im Fall von Gwadar und Karatschi. Neue Häfen sollen dabei oft die älteren, weniger effizienten Häfen ergänzen oder langfristig ersetzen. 

Dieses Muster zeigt sich auch in Kamerun und Nigeria. In Kamerun soll der neugebaute Hafen in Kribi den oft überfüllten und zu seichten Haften von Douala ersetzen. In Nigeria wird der Hafen in Lagos ergänzt um den gerade eröffneten Tiefseehafen in Lekki, der weniger als 100 Kilometer entfernt ist. Beide Häfen werden finanziert und gebaut von chinesischen Firmen, die dem Staat gehören. 

Ähnlich auch 2017 in Sri Lanka: Die Regierung vergab einen 99-Jahre geltenden Pachtvertrag und eine Mehrheitsbeteiligung an China für den recht neuen Hafen in Hambantota, der ursprünglich den Haupthafen in Colombo entlasten sollte. 

Gwadar läuft schlechter als andere Häfen 

Im Hafen von Lekki legten im ersten Betriebsjahr 2023 rund 26 Schiffe an, laut Daten von Marine Traffic, einem Anbieter für Schifffahrtsdaten und –analysen.

Und obwohl Gwadar bereits 2007, also weit vor Lekki, fertiggestellt wurde, sind in Gwadars bestem Jahr nur 22 Schiffe angelandet. Bisher hat der Hafen auch keine Hochseeschifffahrtslinien, die regelmäßig dort anlanden würden. 

So wird in Gwadar fast keine Fracht umgeschlagen, die Einkommen für Pakistan generieren könnten – oder auch für die chinesische Betreiberfirma. Für Experten ist das nicht überraschend: Gwadar hat derzeit eine nur sehr geringe Kapazität. Seine drei Liegeplätze, an denen Schiffe be- und entladen werden, können nur 137.000 Standardcontainer von 20 Fuß Länge pro Jahr umschlagen. Zum Vergleich: Karatschi kann mit seinen 33 Liegeplätzen rund 4,2 Millionen solcher Container pro Jahr verladen. 

Und obwohl Häfen wie Kribi oder Lekki vergleichsweise klein sind, stellen sie Gwadar, das vermeintliche Herzstück des Handels mit Süd- und Zentralasien, in den Schatten. 

Obwohl Gwadar letztendlich das Potenzial habe, Karatschi zu überholen, seien es fehlende Investitionen, die das verhindern, so Khalid. Eine Erweiterung für 1,5 Milliarden Euro war für 2015 versprochen, aber seitdem hat sich nur sehr wenig getan. Große Teile der benötigten Infrastruktur, etwa Straßen und Schienen, um Güter von und nach Gwadar zu transportieren, fehlen. 

Satellitenbild Hafen von Gwadar
Luftbild vom Tiefseehafen in Gwadar im April 2023null Airbus via Google Earth

Öffentlich verkünden Investoren wie die China Pakistan Investment Corporation nach wie vor, dass Gwadar "sich zum Knotenpunkt für Handel und Investment in der Region entwickelt". Aber der leere Hafen legt das Gegenteil nahe. Mardell und Khalid sagen, dass hinter den Kulissen sowohl Pakistan als auch China desillusioniert sind, was das Projekt betrifft.

"Versprechen zu Arbeitsplätzen wurden nicht erfüllt. Versprechen für die Industrie wurden nicht erfüllt. Geschäftsmöglichkeiten für Pakistaner haben sich nicht verwirklicht", sagt Khalid. "[China] hat neun Sonderwirtschaftszonen versprochen. Heute funktioniert nicht eine davon vollständig."

Politische und wirtschaftliche Instabilität verhindern Erfolg 

Der Zustand der Entwicklungen in Gwadar spiegelt grob die Situation des restlichen Wirtschaftskorridors zwischen China und Pakistan wider. "CPEC hatte schon von Beginn an Probleme", sagt Mardell. 

Einige dieser Probleme sind spezifisch für die Grenzregion Belutschistan, in der Gwadar liegt. Es ist eine der ärmsten Regionen Pakistans und hat starke separatistische Milizen, die häufig Anschläge verüben, darunter auch einige gezielt gegen chinesische Staatsangehörige. Die Milizen wiederum werden vom pakistanischen Militär gewaltsam unterdrückt. 

Auf nationaler Ebene hat Pakistan in den letzten Jahren eine schwere Wirtschaftskrise durchlebt. Und nach dem Sturz des ehemaligen Premierministers Imran Khan im Jahr 2022 hat sich das Land noch nicht wieder komplett politisch stabilisiert.

"Da sich die politische und sicherheitspolitische Lage in Pakistan in letzter Zeit verschlechtert hat, wird das CPEC-Projekt dadurch noch mehr behindert", erklärt Mardell. 

China lernt aus seinen Fehlern in Pakistan 

Mardell glaubt, dass die chinesischen Entscheidungsträger verkalkuliert haben. "Wenn es um Entscheidungen über Investitionen geht, sind die Chinesen berühmt dafür, Risiko nicht zu scheuen", sagt er. Prinzipiell unbegrenzte staatliche Unterstützung für staatliche Investitions- oder Baufirmen, verbunden mit dem politischen Willen, schnell wettbewerbsfähig zu westlichen Volkswirtschaften zu werden, haben dazu geführt, dass China auch risikoreiche Projekte in weniger stabilen Ländern weltweit finanziere. 

"Ich glaube nicht, dass sie zu Beginn die Situation in Pakistan vollständig verstanden haben", sagt Mardell. Wobei sich das für andere Projekte in der Zukunft sicher ändere: "Ich denke sie haben aus ihren Fehlern mit der Neuen Seidenstraße und CPEC gelernt, und sind heutzutage wahrscheinlich zurückhaltender, Kapital zuzusagen."

In den letzten Jahren, insbesondere während der COVID-19-Pandemie, haben sich Chinas Ausgaben für Seidenstraßen-Projekte verlangsamt. Aber obwohl das Land heute womöglich selektiver ist bei der Auswahl von Projekten, haben die Investitionen insgesamt wieder zugenommen. Seidenstraßen-Investments liegen heute auf ähnlichem Niveau wie vor der Pandemie. 

 

Nicht rentable Investments treiben Länder in Schuldenfalle 

Dennoch: Länder wie Pakistan müssen jetzt hohe Schulden an chinesische Geldgeber zurückzahlen. "Pakistan muss Milliarden von Dollar an Krediten zurückzahlen, weil es bei CPEC leichtsinnig investiert hat", sagt Khalid. 

Ähnliche Fälle haben bereits zu Kritik geführt, dass China eine "Schuldenfallen-Diplomatie" betreibe, Partnerländern also erlaube, höhere Schulden aufzunehmen als diese realistisch abbezahlen können – mit dem Ziel, politischen Einfluss zu gewinnen. 

Über die Kreditzahlungen hinaus fließt auch ein Teil der Einnahmen aus neugebauten Projekten zurück an China. "China bekommt den Löwenanteil von allem", sagt Khalid mit Bezug auf die CPEC-Investitionen. Beim Hafen von Gwadar beispielsweise, gehen 90% der – noch begrenzten – Einnahmen an die chinesische Betreiberfirma. Die pakistanische Regierung erhält 10%, nichts geht an Landesregierung in Belutschistan.

Trotz all dieser Probleme werde CPEC, und damit auch Gwadar, wohl weiterverfolgt, sagt Mardell: "Auf gar keinen Fall wird China sein Gesicht verlieren und zugeben, dass es eine Katastrophe ist. Sich aus CPEC zurückzuziehen und Pakistan allein zu lassen, ist keine Option. China ist zu tief involviert und Pakistan ist als Bündnispartner zu wichtig."

Stattdessen hält er es für wahrscheinlich, dass China große Investitionen in Pakistan weiterhin hinauszögern werde, aber dennoch symbolische Bemühungen zeigt, um das Projekt am Leben zu halten.

Dennoch gebe es noch Hoffnung für Gwadar, sagt er: "Wenn sich die Situation in Pakistan verbessert, dann wird auch CPEC vielleicht wieder Fortschritte machen." 

Daten, Quellen und Code hinter dieser Analyse finden Sie in diesem Repository. Mehr datenjournalistische Geschichten der DW finden Sie hier.

Chinas Präsident Xi in Europa: Ein Erfolg, der keiner war

Jede Station ist ein Erfolg. Es musste einfach so sein, als Chinas Staatspräsident Xi Jinping diese Woche mit Gattin durch Europa tourte: Fahrt über den Champs-Élysées mit Eskorten von Motorrädern und Reiterstaffeln in Paris, Dining in einem Bergrestaurant in den französischen Pyrenäen und anschließend Empfang mit militärischen Ehren, zuerst vor dem neoklassizistischen Parlamentsgebäude in Belgrad, der Hauptstadt Serbiens, und später vor dem Burgpalast an der Donau im ungarischen Budapest.

Seine Gespräche in Frankreich mit Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen waren nicht einfach. Bei strittigen Fragen wie fairen Handelsbedingungen und dem russischen Krieg in der Ukraine konnten die Beteiligten offenbar keine Einigung erzielen.

Xi Jinping und Gattin im Elysee-Palast in Paris
Großer Empfang: Xi Jinping und Gattin im Elysee-Palast in Parisnull Thibault Camus/AP/picture alliance

Auf seinen weiteren Stationen in Serbien und Ungarn gab es weniger Streitthemen. Beide Länder versprachen, ihre Partnerschaften mit Peking auf die nächste Stufe zu heben. Xi selbst bekräftigte im Gegenzug, dass er die bilaterale Kooperation ausbauen und damit die China-EU-Beziehungen insgesamt verbessern wolle.

Peking: Teilen und herrschen

Die drei Länder seien mit größter Sorgfalt ausgesucht worden, sagt Bertram Lang, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der zu Chinas Außenpolitik forscht. Frankreich, Serbien und Ungarn seien alle "besondere" Partner.

Frankreich sei die erste Industrienation, die diplomatische Beziehungen zu China aufnahm, und genau wie China ist sie Ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Serbien als EU-Beitrittskandidat und Ungarn als EU-Mitglied hätten sich in den vergangenen Jahren ausdrücklich gegen die Brüsseler Kritik an China gewandt.

Peking sehe Europa nämlich in zwei Blöcken: Chinafreunde und der Rest, so Lang. "Diese Reise jetzt zielt darauf ab, ihre Beziehungen zu den Ersteren zu betonen." Nach Ansicht von Zsuzsa Anna Ferenczy, Assistenzprofessorin an der Nationalen Dong Hwa Universität in Taiwan, versucht China, die Einheit der EU zu untergraben und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern.

Peking wolle trotz einheitlicher EU-Handelspolitik bevorzugten Ländern in Europa besondere Zugänge zu ihren Märkten gewähren, "um ihnen das Gefühl zu geben, dass sie eine privilegierte Beziehung zu China haben". Und so steuert China seine Auslandsinvestitionen gezielt in die Länder, die Peking genehm sind.

Ungarn | Treffen Xi und Orban in Budapest
Handschlag: Xi Jinping mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in Budapestnull Xie Huanchi/Xinhua/picture alliance

So sagte Xi nach dem Treffen mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orban zum Beispiel, China werde Ungarn dabei unterstützen, "eine größere Rolle in der EU zu spielen".

Mit seinem Besuch in Serbien wolle Xi zeigen, dass er nicht nur in der EU, sondern auch in der unmittelbaren EU-Nachbarschaft großen Einfluss habe, so Ferenczy, die früher das Europäische Parlament beraten hat. Auch Jean-Philippe Béja, emeritierter Senior Researcher am Zentrum für internationale Studien und Forschung der Universität Sciences Po in Paris, bezeichnete die Kurztrips in die beiden mitteleuropäischen Länder als besonders "erfolgreich".

Vertrauensverlust: Russland und der Ukraine-Krieg

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatten Hoffnungen gehegt, Xi könne in Sachen Ukraine-Krieg seinen Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin geltend machen. Sie erfüllten sich nicht. Xi ließ keine Bereitschaft erkennen, in dem Konflikt eine vermittelnde Rolle zu spielen. Er verkündete lediglich, die Initiative eines "olympischen Friedens" an allen Kriegsschauplätzen während der Pariser Sommerspiele anstoßen zu wollen.

"Dies ist ein äußerst belastender Faktor in den chinesisch-europäischen Beziehungen", sagte Béja gegenüber der DW. Die europäischen Gastgeber in Paris hätten klargestellt, dass der russisch-ukrainische Krieg "eine Frage von Leben und Tod für Europa" sei.

Die Angst vor dem Ende der E-Mobilität

"Ich glaube nicht, dass dieser Besuch zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und China insgesamt beiträgt", sagt Ferenczy im DW-Interview. "Die Beziehungen zwischen beiden Seiten hängen in hohem Maße davon ab, wie China mit Russland umgeht. Da besteht ein großes Vertrauensdefizit." Denn kommende Woche wird der russische Präsident Wladimir Putin in Peking erwartet.

EU: Selbstbewusstere Handelspolitik

Auf der anderen Seite haben die Macron und von der Leyen China für seine Überkapazitäten und die wettbewerbsverzerrende Handelspraxis mit stark subventionierten Produkten in der EU verantwortlich gemacht. Alles überhaupt kein Problem, erwiderte Xi laut amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua. So etwas wie ein "Überkapazitätsproblem" sehe er nicht.

Die Europäische Kommission lässt bereits untersuchen, ob chinesische Elektrofahrzeuge unangemessen subventioniert werden, um festzustellen, ob sie gegebenenfalls Strafzölle auf diese Produkte erheben soll. Europa werde "nicht davor zurückschrecken, harte Entscheidungen zu treffen, die zum Schutz seiner Wirtschaft und Sicherheit notwendig" seien, wenn der Handel mit China "unausgewogen" bleibe, sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen gegenüber Xi. In der EU gebe es "eine hohe Übereinstimmung von Positionen unter den Mitgliedsstaaten", so Ferenczy gegenüber der DW, und eine Kommission, "die sehr entschlossen ist", die Bedingungen für den Handel mit China anzugleichen. 

Allerdings ist Deutschland gegen mögliche protektionistische EU-Schutzmaßnahmen gegen chinesische E-Autos. Die deutschen Autobauer befürchten größere Verluste auf dem chinesischen Markt, falls Peking dann Gegenmaßnahmen ergreifen sollte.

Und China selber werde sich gegen Sanktionen wehren, glaubt Ferenczy, indem es den einzelnen Mitgliedsstaaten die Hand reicht. So will es die Brüsseler Strategie der Risikominimierung, des De-Risking gegenüber China, umgehen.

Mitarbeit: Miao Tian

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan.

Im Innern des "Killerkommandos" - DW Doku gewinnt Human Rights Press Award

Nur schwer auszuhalten sind einige der Szenen, die der Film schildert. In leicht abstrahierten Zeichnungen stellen sie die Exekution eines Mannes dar, der zuvor von einer Eliteeinheit der bangladeschischen Armee abgeholt worden war. Es ist die Ermordung eines Oppositionspolitikers, die im Film "Inside Bangladesh's Death Squad" von Chris Caurla, Naomi Conrad, Arafatul Islam und Birgitta Schülke minutiös nachgezeichnet wird.

Erstmals gezielte Exekutionen und Folter nachgewiesen

Die Dokumentation, die von DW Investigations in Zusammenarbeit mit DW Bengali und dem Exilmedium Netra News produziert wurde, weist einer Elite-Einheit in Bangladesch zum ersten Mal gezielte Exekutionen und Folter nach. In Taipei wird sie nun mit dem Human Rights Press Award ausgezeichnet, einem der renommiertesten Journalistenpreise in Asien.

"Investigativer Journalismus braucht Mut, Ausdauer und journalistische Exzellenz. Das DW Team hat dies eindrücklich gezeigt. Ich bin stolz, dass die DW für diesen qualitativ hochwertigen Journalismus steht. Ich gratuliere herzlich”, sagt DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge.

Das Rapid Action Battalion (RAB) wurde von der Regierung nach dem 11.September 2001 als Anti-Terror-Einheit mit Unterstützung westlicher Partnerländer gegründet. Mit den Jahren wuchs der Kreis derer, die ins Visier der Eliteeinheit gerieten. Neben militanten Islamisten verschwanden auch mutmaßliche Kriminelle und Oppositionspolitiker nachdem sie von der Truppe abgeholt wurden. Gerüchte über Exekutionen durch die Eliteeinheit kursieren schon länger.

Offiziere bestätigten die Verbrechen

Das DW-Team konnte sie nun zum ersten Mal nachweisen. Detailliert schildert der Film das Vorgehen der Truppe bei solchen Exekutionen, die im Nachhinein meist als Schießereien unter Kriminellen vertuscht werden. Das Team konnte erstmals ehemalige Offiziere der Truppe sprechen, die die Verbrechen bestätigten. Mit Hilfe von Dokumenten und Zeugenaussagen konnten sie Verantwortliche bis an die Spitze des Staates identifizieren.

DW Mitarbeiter | Arafatul Islam, Naomi Conrad und Brigitta Schülke in Bangladesch
Arafatul Islam, Naomi Conrad und Brigitta Schülke bei den Dreharbeiten in Bangladeschnull DW

"Die vielen mutigen Menschen – Quellen und andere – die uns vor Ort geholfen haben, diese Geschichte zu erzählen, haben diese Auszeichnung mindestens genauso verdient ", sagt Autorin Birgitta Schülke.

"Vergehen ans Licht bringen"

Film, Onlinetext und Social Media Beiträge erreichten zusammen an die 10 Millionen User, einen Großteil davon in der Landessprache Bengalisch. In Bangladesch selbst ist die Pressefreiheit eingeschränkt. Inländische Medien berichten kaum über die hunderten gezielten Tötungen, die der Einheit angelastet werden. "Diese Auszeichnung zeigt, dass es wichtig ist, dass wir als internationale Medien die Geschichten erzählen können, die Journalisten und Journalistinnen dort in Gefahr bringen würden", sagt Autorin Naomi Conrad.

Auf dem Pressefreiheits-Index ist Bangladesh in den letzten Jahren massiv zurückgefallen. "In einer solchen Situation berichten lokale Medien kaum über schwere Menschenrechtsverletzungen oder die Vergehen der Mächtigen", pflichtet ihr Co-Autor Arafatul Islam bei. "Investigationen Internationaler Medien wie unsere RAB-Doku sind deshalb wichtig, um diese Vergehen ans Licht zu bringen."

Rücken Nordkorea und Iran noch näher zusammen?

Nordkorea ist gerade dabei, neue Kontakte zu gleichgesinnten Nationen aufzubauen und bereits bestehende Allianzen zu festigen. Diese Bestrebungen gehen nun weit über die Beziehungen zu seinen mächtigen Nachbarn Russland und China hinaus. In jüngster Zeit scheint das iranische Regime für den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un von besonderem Interesse zu sein.

"Genau wie im Kalten Krieg bilden sich zwei Blöcke heraus. Nordkorea sieht dies als eine gute Gelegenheit, sich an die Seite des Iran zu stellen und damit seine Opposition gegen die USA zu bekräftigen", sagte Kim Seong-kyung, Professorin für nordkoreanische Gesellschaft und Kultur an der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul.

Ende April entsandte Nordkorea eine hochrangige Delegation von Wirtschafts- und Handelsexperten nach Teheran. Der neuntägige Besuch war die erste derartige Mission seit 2019. Da sich beide Länder zu den Details des Treffens bedeckt hielten, spekulieren Analysten, dass es bei den Gesprächen um Militärtechnologie gegangen sein könnte; einschließlich Atomwaffen und ballistische Raketen.

"Der Norden sieht dies wahrscheinlich auch als eine gute Gelegenheit, Waffen- und Militärtechnologie an Teheran zu verkaufen und im Gegenzug eine Art wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, da es gegen beide Länder harte Sanktionen gibt, die ihre Möglichkeiten einschränken", glaubt die Expertin Kim.

Iran dementiert Gespräche über Atomprogramm

Teheran wies jedoch die Vermutungen zurück, dass die Delegierten über eine Zusammenarbeit in der Nukleartechnologie diskutiert hätten. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanaani, kritisierte ausländische Medien für "voreingenommene Spekulationen durch die Veröffentlichung unwahrer und unbegründeter Nachrichten".

Die Nähe zum Iran erscheint aber überdeutlich. In der Folge des Treffens verurteilten die nordkoreanischen Staatsmedien eine neue Runde von Sanktionen, die Washington gegen den Iran verhängt hatte, als "unfair".

Die jüngste Sanktionsrunde soll verhindern, dass der Iran unbemannte Luftfahrzeuge herstellen und einsetzen kann.

Es wird angenommen, dass Teheran Tausende von Drohnen an Russland für den Einsatz im Krieg gegen die Ukraine geliefert hat.  Der Iran selbst unternahm am 13. April Drohnen- und Raketenangriffe gegen Israel. Die Regierung in Teheran rechtfertigte diese Luftschläge als Vergeltung für den Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien, für den nach Auffassung der iranischen Regierung Israel verantwortlich ist.

Scharfe Reaktionen auf iranischen Angriff auf Israel

Die nordkoreanische staatliche Nachrichtenagentur behauptet, die USA hätten neue Sanktionen gegen den iranischen Stahl-, Automobil- und Drohnensektor verhängt, nachdem sie die Fakten verdreht hätten, so "als ob der Iran für die Verschlechterung der regionalen Situation verantwortlich wäre".

Bündnis zwischen Kommunisten und Theokraten?

"Teheran und Pjöngjang haben eine langjährige Beziehung, die in vielerlei Hinsicht paradox ist, da das eine ein theokratisches islamisches Regime und das andere ein kommunistischer Personenkult ist", sagte Dan Pinkston, Professor für internationale Beziehungen am Campus der Troy-Universität in Seoul.

"Aber obwohl sie sehr unterschiedlich sind, haben sie auch einige Gemeinsamkeiten. Sie sind beide autoritäre Regime, die intolerant gegenüber anderen sind und tiefe Ressentiments gegen die USA und den Westen im Allgemeinen teilen", sagte er im Gespräch mit der DW. Die iranische Führung bezeichne die USA häufig als "den großen Satan", während Pjöngjang einen "US-Imperialismus" ins Zentrum seiner Propaganda stelle.

Nordkorea konzentriert sich auf engste Verbündete

Während Nordkorea versucht, seine Beziehungen zum Iran und zu Ländern wie Russland, China, Syrien und Weißrussland zu vertiefen, hat Pjöngjang seine Botschaften anderswo geschlossen. Im vergangenen Jahr wurden die diplomatischen Vertretungen in Spanien, Angola, Uganda, Hongkong und Nepal außer Dienst gestellt. 

Einige vermuten, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass Pjöngjang einfach Schwierigkeiten hat, sich den Betrieb der diplomatischen Außenposten zu leisten. Analysten vermuten aber auch, dass die nordkoreanische Führung das Risiko verringern möchte, dass ihre Diplomaten im Ausland überlaufen.

Gleichzeitig scheint sich Pjöngjang auf Verbündete zu konzentrieren, die es wirtschaftlich und militärisch unterstützen.

Nordkorea supergroßer Sprengkopf
Raketentechnik aus Nordkoreanull AFP

Möglicher Erfahrungsaustausch zu Nuklear- und Drohnentechnik

Es sei zu erwarten, dass der Iran und Nordkorea mehr politische und diplomatische Unterstützung füreinander demonstrieren werden. So könnte Pjöngjang den Iran gegen Israel und die USA unterstützten, sagte Pinkston.

"In der Vergangenheit hat Nordkorea den Iran mit Nukleartechnologie versorgt, was die Israelis verärgert hat. Es ist wahrscheinlich, dass der Norden wieder in der Lage sein wird, Daten aus den von ihm durchgeführten Atomtests zur Verfügung zu stellen", sagte Pinkston. Nordkorea könne „Best Practices zu seinem Raumfahrtprogramm und Informationen aus seinem eigenen Satellitenprogramm weitergeben."

Iran kurz vor der Atombombe?

Die Drohnentechnologie werde mit ziemlicher Sicherheit für beide Seiten von großem Interesse sein, ist Pinkston überzeugt. Nordkorea und der Iran würden versuchen, die Fähigkeiten eines Waffensystems zu erhöhen, das relativ neu, aber, wie sich in der Ukraine gezeigt hat, verheerend effektiv ist. Der Austausch von Daten zur Bewertung der Schäden, die Drohnen im Gefecht anrichten können, zu effektiven Technologien und möglichen Gegenmaßnahmen würden sie in die Lage versetzen, "Entwürfe zu vergleichen".

Pjöngjang braucht iranisches Öl

Nordkorea ist zudem verzweifelt auf der Suche nach Öl, das unter die wichtigsten Produkte fällt, die von internationalen Sanktionen betroffen sind. Der Iran könnte in der Lage sein, die Überwachung dieser Sanktionen zu umgehen und trilaterale Handelsabkommen mit Russland zu nutzen, um den Norden mit Treibstoff zu versorgen, sagte Pinkston.

Etwas mehr als 22 Jahre, nachdem der damalige US-Präsident George W. Bush den Begriff "Achse des Bösen" geprägt hat, in der er Nordkorea, den Iran und den Irak verortete, warnen die Analysten nun, dass ein weitaus mächtigerer Block entstehen könnte.

"Es gibt Staaten, die sich 'gekränkt' fühlen und sich daher gegen die von den USA geführte Weltordnung richten", sagte Pinkston. "Ihre nationalen Interessen mögen nicht perfekt übereinstimmen, aber sie teilen eine gemeinsame Zielsetzung - die Gegnerschaft zum Westen."

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

Indien: Wasserkrise im Technologiezentrum Bengaluru wird zum Wahlthema

Einmal in der Woche stehen Chitra Jayaraju und ihre Kinder frühmorgens auf, um an einem Gemeinschaftswasserhahn in der Nähe eines Wohnkomplexes im Süden von Bengaluru Schlange zu stehen. "Früher bekamen wir zweimal pro Woche Wasser, jetzt bekommen wir es nur noch einmal", klagt sie im Gespräch mit der DW. "In den letzten drei bis vier Monaten hat sich auch der Preis für Trinkwasser verdoppelt", fügt sie hinzu.

In Bengaluru leben mehr als 13 Millionen Menschen. Die Metropole ist die Landeshauptstadt des südindischen Bundesstaates Karnataka und gilt als das Zentrum der indischen Hightech-Industrie. Die Stadt bezieht ihr Wasser hauptsächlich aus dem Fluss Kavery und aus Brunnen, die in den Boden gebohrt wurden. Allerdings trocknen diese nun aus. Der Grundwasserspiegel ist aufgrund anhaltender Dürreperioden drastisch gesunken. Viele Bewohner sind mittlerweile auf teures Wasser aus Tankwagen angewiesen.

Ein Anwohner, der nicht namentlich genannt werden möchte, sagte der DW, dass das Grundwasser in seiner Nachbarschaft durch zu viele Brunnen abgeschöpft sei. Er berichtete, dass ein privates Wasserversorgungsunternehmen in seiner Gegend mehrere Brunnen gegraben habe, um Wasser zu gewinnen, was sich auf die unterirdische Versorgung des Gebiets ausgewirkt habe. Schließlich sei er gezwungen worden, Wasser von derselben Firma zu kaufen.

Kann Modi Indiens Wirtschaftswunder aufrechterhalten?

In den letzten Monaten ist der Preis für Wasser aus den Tankern weiter gestiegen. Es kam sogar so weit, dass die Regierung eingreifen und die Preise für Wassertanker begrenzen musste.

Im März 2024 sagte der Ministerpräsident des Bundesstaates Karnataka, Siddaramaiah, dass die Stadt mit einem täglichen Wasserdefizit von 500 Millionen Litern konfrontiert sei. Das entspricht fast 20 Prozent ihres Gesamtbedarfs.

Der Klimawandel wird politisch

Umweltthemen spielten bislang bei Wahlen in Indien selten eine zentrale Rolle. Da Indien jedoch immer mehr den  negative Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt ist, werden Probleme, die die Wähler direkt betreffen, wie die Wasserknappheit, nun politisch instrumentalisiert.

Als Bengaluru am 26. April in die zweite Phase der Parlamentswahl ging, war die Wasserknappheit in der Stadt ein zentrales politisches Thema. Im Fokus des Wettbewerbs stehen die beiden führenden Parteien Indiens, die Bharatiya Janata Party (BJP), die Partei von Premierminister Narendra Modi, und der Indian National Congress, kurz Kongress.

Die BJP hat den amtierenden Kongress im Bundesstaat Karnataka bereits dafür kritisiert, dass er die Wasserknappheit in Bengaluru angeblich schlecht gehandhabt hat.

Malavika Avinash, eine Sprecherin der BJP in Karnataka, bezeichnete die Wassersituation als "ein Werk der Kongressregierung". Im Gespräch mit der DW betonte sie, dass die amtierende Regierung "völlig schlecht darauf vorbereitet sei, mit den [fehlenden] Regenfällen in diesem Sommer umzugehen".

"Das Scheitern der Kongressregierung bei der Bewältigung der Wasserkrise wird die Anti-Kongress-Stimmung in Bengaluru nur verstärken", fügte sie hinzu.

Indien: Die größte Wahl der Welt

Der stellvertretende Ministerpräsident Karnatakas, D.K. Shivakumar von der Kongresspartei, macht die Zentralregierung Indiens unter der Führung der BJP unter Modi dafür verantwortlich.

Shivakumar behauptete, dass die Modi-Regierung die Krise verschärft habe, indem sie Projekte wie Mahadayi und Mekedatu blockiert habe. Das sind Flussumleitungs- und Wasseraufteilungsprogramme in der Planung, die Karnataka mit mehr Wasser versorgen sollen. "In Bengaluru gibt es keine solche Wasserknappheit, es ist die BJP, die die Wasserknappheit verursacht hat", sagte Shivakumar im März gegenüber indischen Medien.

Wohlhabende haben einen besseren Zugang zu Wasser

Die Debatte um die Wasserkrise in Bengaluru sei "politischer und nicht in erster Linie ökologischer Natur" sagte Malini Ranganathan, Professorin an der American University in Washington, D.C. im Gespräch mit der DW. Ranganathan ist Expertin für politische Ökologie und untersucht Umweltfragen im Kontext politischer, sozialer, ökonomischer und ökologischer Faktoren. "Es ist zweifellos wahr, dass die Stadt und der Bundesstaat Karnataka regelmäßig in eine Wasserkrise geraten, unabhängig davon, wer auf Landesebene die politische Macht hat" betont Ranganathan.

Die Wasserknappheitskrise werde durch unkontrollierte Immobilienentwicklung und korrupte Praktiken verschärft. Ranganathan wies auch auf die Klassenpolitik hinter der Wasserverteilung in Bengaluru hin. "Wasser ist nicht nur geografisch differenziert, sondern in der Stadt auch stark nach Klassen und Kasten geschichtet".

Mitglieder der Ober- und Mittelschicht, die in der Regel den oberen Kasten angehören, leben in genehmigten Wohngebieten und werden vom Fluss Kavery mit Wasser versorgt. In anderen Gebieten sind die Bewohner fast ausschließlich auf Grundwasser und Tanker angewiesen, sagte Ranganathan.

Und im Stich gelassen werden Leute wie Chitra Jayaraju, die sagt, dass die Wasserprobleme bestehen bleiben werden, unabhängig davon, wer das Sagen hat. "Meine Nachbarn und ich haben uns an die Lokalpolitiker der BJP und der Kongresspartei gewandt", sagte sie, "aber es ist uns nicht gelungen, unsere Wasserprobleme in den Griff zu bekommen."

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

Ungleichheit in Indien

Chinas Präsident Xi in Europa: Schwieriger Dialog

"Es wird kein Jota an Änderungen in Xi Jinpings Haltung zu internationalen Fragen geben." Diese Vorhersage zum Besuch des chinesischen Machthabers in Paris traf Emmanuel Lincot gegenüber der DW, bevor Xi französischen Boden betrat.

Emmanuel Lincot ist China-Experte am Internationalen Institut für Strategische Beziehungen in Paris. Und er hat Recht behalten. Zumindest öffentlich ließ Xi Jinping, der Chef der kommunistischen Partei und Präsident Chinas, nicht erkennen, dass er auf die Sorgen und Vorwürfe seiner europäischen Gesprächspartner eingeht.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mahnten bei ihrer Begegnung mit Xi im Elyséepalast zum Beispiel an, dass China faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen bieten müsse. Chinesische Elektro-Autos dürften nicht hoch subventioniert werden, um sie dann auf dem europäischen Markt abzusetzen.

Der chinesische Präsident Xi Jinping und seine Frau Peng Liyuan halten Händchen. Neben ihnen geht der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron. Die Vier verlassen das Hotel National des Invalides in Paris. Xi Jinping und seine Frau lächeln Macron an, dieser grinst zurück.
Etwas lockerer: Offizielle Begrüßung des Staatsgastes mit First Ladies im Invalidendom in Paris. Am Dienstag ist ein Abstecher in die Pyrenäen geplantnull Yoan Valat/AP/picture alliance

Die EU-Kommission hat eine Untersuchung der mutmaßlichen Auto-Subventionen vorgenommen. Sollten die Ergebnisse, die wahrscheinlich im Juli veröffentlicht werden, entsprechend ausfallen, könnte die EU Strafzölle oder Abgaben auf Fahrzeuge aus China erheben.

Der chinesische Gast ließ über seine amtliche Nachrichtenagentur Xinhua in Paris nur verbreiten, dass es die von der EU-Kommission vorgeworfene "strukturell bedingte Überproduktion" nicht gebe und deshalb auch keine subventionierten Produkte nach Europa gebracht würden, um Überkapazitäten in China auszulasten.

Der Autofrachter "BYD Explorer No.1" liegt mit 3000 Neuwagen an Bord in Bremerhaven im Auto-Terminal der BLG an.
Ein neuer Exportschlager aus China kommt in Bremerhaven an: Chinas Marktanteil bei E-Autos wird dieses Jahr in Europa inklusive Großbritannien bereits bei 20 Prozent liegennull Lars Penning/dpa/picture alliance

Chinas Handesüberschuss wächst

Xi Jinping kann relativ gelassen bleiben, weil Elektroautos aus China beim gesamten Handelsvolumen der beiden größten Handelspartner der Welt ein derzeit noch eher kleiner Posten sind. Im vergangenen Jahr importierten die EU-Staaten aus China Waren im Wert von 514 Milliarden Euro.

Die EU exportierte Waren im Wert von 223 Milliarden Euro in die Volksrepublik. China erzielte also einen satten Exportüberschuss von fast 300 Milliarden Euro.

Chinas Exportvolumen in die EU hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind eng. Und das soll auch so bleiben, meinte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron.

Als Bekräftigung wurden Lieferverträge für europäische Airbus-Flugzeuge von der chinesischen Delegation unterschrieben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erinnerte an die offizielle Linie der Europäer, die da lautet: Das Risiko, von einem autokratisch regierten China abhängig zu sein, vermindern, aber sich nicht von guten wirtschaftlichen Beziehungen zu China abkoppeln. Im EU-Jargon "Derisking, no decoupling" genannt.

"Die Beziehungen zu China sind komplex. Wir gehen sie mit klarem Blick, konstruktiv und verantwortlich an, weil ein fair agierendes China gut für uns alle ist", sagte von der Leyen nach ihrem Dreiertreffen mit Präsident Xi und Macron. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor dem Treffen erklärt, die Zukunft Europas hänge von seiner Fähigkeit ab, ein ausgewogenes Verhältnis zu China zu entwickeln.

China sieht sich im Ukraine-Krieg als "neutral"

Eine konstruktive Rolle wünscht sich die EU von China auch im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. China solle seinen Einfluss auf Moskau nutzen, fordern die EU-Vertreter, und vor allem die Lieferung von Waren unterlassen, die von der russischen Armee bei Angriffen auf die Ukraine benutzt werden könnten.

Xi ging auf die Forderung nicht direkt ein, sondern sagte, China habe die Ukraine-Krise weder geschaffen noch ergreife es Partei. Vielmehr arbeite China "unermüdlich" an einem Weg, um Friedensgespräche zu ermöglichen.

Als systemischen Rivalen, wirtschaftlichen Konkurrenten und Partner beim Klimaschutz wolle man China behandeln, lauten die Ansagen von Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz, der erst vor drei Wochen in Peking zu Gast war. Das beeindruckt den chinesischen Machthaber Xi Jinping wenig. Er möchte ein gutes Verhältnis zu Europa, sagte er in Paris.

Janka Oertel, Asien-Expertin bei der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECRE) in Brüssel, erklärte hingegen: "Xi ist nicht hier, um die Beziehungen zu reparieren". Seiner Ansicht nach sei alles in Ordnung.

Xi argumentiere, dass es keine Überkapazitäten gäbe und dass chinesische Lieferungen an Russland ganz normaler Handel seien. Xi Jinping sagte in Paris, in einer "turbulenten Welt" sei ein partnerschaftlicher Dialog zwischen Europa und China nötiger denn je.

China baut E-Autos in Ungarn

Dabei ist China darauf bedacht, die unterschiedlichen Haltungen in Europa zum eigenen Vorteil zu nutzen. Nicht zufällig fährt Xi Jinping von Frankreich aus weiter nach Ungarn, wo der zunehmend Russland-freundliche Autokrat Viktor Orban regiert. In Ungarn wird China ein erstes eigenes Werk für Elektroautos in der EU bauen.

Ungarn freut sich über die Investition und Xi Jinping kann mit einem eigenen Werk elegant mögliche Importzölle für Autos umgehen, die die EU im Rahmen ihrer Anti-Dumping-Untersuchung erhöhen könnte. Ungarn hat sich bereits eindeutig gegen Strafzölle positioniert und die chinesische Haltung übernommen.

Der deutsche Bundeskanzler Scholz ist auch nicht unbedingt Fan von höheren Zöllen gegen chinesische Autos. Denn dann müsste er mit chinesischen Gegenmaßnahmen gegen deutsche Unternehmen rechnen. Die meisten Exporte von E-Autos aus Deutschland, nämlich rund 20 Prozent, gingen letztes Jahr an chinesische Kunden.

Innenansichten einer Reise - Scholz auf Werbetour in China

Menschenrechte, die Lage der uigurischen Minderheit in China oder die Spannungen im südchinesischen Meer mögen bei den Gesprächen unter vier bzw. sechs Augen zwischen Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und Xi Jingping zur Sprache gekommen sein, öffentlich wurden die heiklen Themen allerdings nicht kommentiert.

Nur so viel von Ursula von der Leyen: "Wir hatten eine offene und ehrliche Diskussion über die Punkte, bei denen wir uns einig sind, und solche, wo wir Unterschiede haben." Das heißt in klaren Worten: Man hat sich gegenseitig die Meinung gesagt, ohne Fortschritte zu erzielen.

Hildegard Müller: "Deutsche Autoindustrie nimmt Wettbewerb an"

Deutsche Welle: Kann sich die deutsche Autoindustrie vor der chinesischen E-Mobility-Offensive in Europa und weltweit behaupten?  

Hildegard Müller: Die deutsche Autoindustrie nimmt den Wettbewerb an - in allen Märkten. Gerade im Heimatmarkt sind wir stark, sechs von zehn E-Auto-Käufern in Deutschland entscheiden sich für das Modell eines deutschen Herstellers. In China haben sich deutsche Hersteller bereits frühzeitig Marktanteile gesichert und eine starke Position erarbeitet. Etwa jeder sechste neue Pkw dort trägt das Logo einer deutschen Konzernmarke. Aktuell stehen sie durch die Transformation zur Elektromobilität vor großen Veränderungen, gehen diese aber mit großem Engagement und hohen Investitionen an. Klar ist, dass das Marktwachstum in China extrem dynamisch ist und wir daran teilhaben wollen. Übrigens sollte man aufgrund des Marktwachstums hier nicht nur auf die prozentualen Marktanteile, sondern auch auf die absoluten Zahlen schauen.
 
Ich haben vor Kurzem die Automesse in Peking besucht und bin noch immer beeindruckt von den Auto-Modellen und den Innovationen, die auch die deutschen Automobilhersteller dort präsentiert haben. Die Messe hat deutlich gezeigt, dass sie die Herausforderung angenommen haben. Und ich bin mir sicher, dass sie im Wettbewerb bestehen können. Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft.
 
Wie schätzen Sie die Wettbewerbsbedingungen für deutsche Automarken in China ein?
 
Grundsätzlich gilt: Konstruktiver Dialog ist wichtig. Das gilt auch im Verhältnis zu China. Herausforderungen beim Namen zu nennen, gehört dazu. Und einer der Punkte ist das Thema faire Marktzugangsbedingungen. Natürlich kritisieren wir gegenüber unseren Gesprächspartnern in China klar die Tendenzen zu einer Abschottung des chinesischen Marktes und die Ungleichbehandlungen von deutschen und chinesischen Unternehmen. Es braucht gleiche Voraussetzungen.

Chinas Autohersteller BYD bereit zur Eroberung Europas

Für uns ist jetzt wichtig, dass wir schnell Produktionslinien umstellen können und entsprechende Genehmigungen bekommen. Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie – Hersteller und Zulieferer – investieren bis 2028 rund 280 Milliarden in Forschung und Entwicklung und weitere 130 Milliarden in den Neubau und Umbau von Werken. Deshalb sind schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren für uns entscheidend, um die Autos, die wir technologisch entwickelt haben, auch in Serie und auf die Straße zu bringen.
 
Sie hatten in Peking Gespräche mit dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao geführt.  Wie hat Chinas Regierung auf die Einleitung der Untersuchung wegen staatlicher Subventionen durch die EU-Kommission reagiert? 
 
China hat genau wie wir ein Interesse am gemeinsamen Handel. Unser Hauptgesprächsthema mit den chinesischen Ansprechpartnern - egal ob Politik, Verbände oder Unternehmen - war daher genau das Thema der wechselseitig fairen Marktbedingungen. Die Frage, inwiefern Europa als Reaktion auf chinesische Subventionen für die heimische Industrie mögliche Gegenmaßnahmen ergreifen wird, muss gut überlegt werden. Die Exportquote für Pkw aus chinesischer Produktion beträgt 16 Prozent. Von uns werden wiederum drei von vier Autos in den Export gegeben. Was es jetzt braucht, sind kritischer Dialog und Verhandlungen auf Augenhöhe. 

"Demokratisiert" China die E-Mobilität?

Die Antisubventionsuntersuchung der EU-Kommission sehen wir kritisch. China spielt eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung. Ein Handelskonflikt würde also auch diese Transformation gefährden. Antisubventionsmaßnahmen wie zusätzliche Zölle würden die Herausforderungen für die europäische und deutsche Automobilindustrie nicht lösen. Im Gegenteil: Der von der EU-Kommission beabsichtigte Zweck von Ausgleichszöllen könnte sich bei einem Handelskonflikt entsprechend schnell negativ auswirken.

Was es statt einer Protektionismusspirale braucht, ist eine Stärkung des eigenen Standortes. Entscheidend dafür ist eine aktive Industriestrategie von Brüssel und Berlin, einschließlich einer aktiven Handelspolitik. Ein starker Heimatstandort ist die Grundlage für eine erfolgreiche Strategie im zunehmenden internationalen Wettbewerb und insbesondere im Umgang mit China. Nur als globale Wirtschaftsmacht können wir auf Augenhöhe mit China kommunizieren, selbstbewusst auftreten, unsere Interessen international deutlich machen und Verhandlungen in unserem Sinne führen.

Aufholjagd für deutsche E-Autos in China

 
Sehen Sie weiterhin Potenzial für eine vertiefte Zusammenarbeit mit China?
 
Die Unternehmen prüfen fortlaufend, wo Kooperation und Zusammenarbeit sinnvoll sind. Und erst vor zwei Wochen haben Deutschland und China eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichnet. Ziel ist es, bei der Entwicklung von internationalen Normen und Standards für das assistierte und automatisierte Fahren eng zusammenzuarbeiten. Wir unterstützen das sehr. Denn weltweit gleiche Sicherheits- und Umweltanforderungen an das Produkt helfen, Ressourcen in Entwicklung und Produktion zu sparen. Außerdem definieren weltweit einheitliche Normen und Standards gleiche Marktzugangskriterien für alle und vermeiden nationale Abweichungen. Das ist gut für alle.
 
Ich bin überzeugt, dass es noch mehr Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen der chinesischen und der deutschen Automobilindustrie gibt. Ein Beispiel: Mit dem Übergang zur Elektromobilität rücken die Emissionen entlang der Wertschöpfungskette in den Fokus der Unternehmen. Denn ein Großteil der Emissionen von Verbrennungsmotoren entsteht während der Nutzung des Fahrzeugs. Bei Elektroautos hingegen entstehen die Emissionen eher bei der Produktion, insbesondere der Batterie. Diese Emissionen müssen reduziert werden, um mehr Klimaschutz zu erreichen. Der sogenannte Product Carbon Footprint ist hier ein wichtiges Instrument, bedarf aber einer internationalen Harmonisierung. Auch hier sollte der Austausch mit China weiter intensiviert werden.

Das Interview führte Dang Yuan.
 

Indiens Premierminister Modi auf Stimmenfang

Mitten in den Parlamentswahlen, die sich in Indien über mehrere Wochen ziehen, wird Premierminister Narendra Modi vorgeworfen, mit anti-muslimischen Parolen um hinduistische Wähler zu werben.

Ende April hielt Modi auf einer riesigen Wahlveranstaltung in Banswara, im Bundesstaat Rajasthan im Westen des Landes, eine Rede, die gleich in mehrfacher Hinsicht polarisierend war. Käme die wichtigste Oppositionspartei, die Kongresspartei, an die Macht, behauptete er, würde sie den Reichtum Indiens unter "Eindringlingen" verteilen. Seine provokanten Äußerungen werden von vielen als Versuch gewertet, die mehrheitlich hinduistische Wählerschaft der Partei zu mobilisieren.

Wahlkampf mit den Spannungen zwischen Hindus und Muslimen

"Als sie (die Kongresspartei) an der Macht waren, sagten sie, die Muslime hätten als erste Anspruch auf den Reichtum des Landes", sagte Modi in seiner Rede. "Sie werden all euren Wohlstand nehmen und ihn unter denen verteilen, die mehr Kinder haben, unter den Eindringlingen." 

"Sollte euer schwer verdientes Geld Eindringlingen gegeben werden? Würdet ihr das akzeptieren?", fragte Modi seine Zuhörer.

Trotz der Empörung, die auf seine Äußerungen folgte, wiederholte Modi seine Aussagen wenige Tage später bei Wahlkampfveranstaltungen in Malda in West-Bengalen und Araria in Bihar. Die Spaltung zwischen Hindus und Muslimen ist damit wieder Teil des politischen Diskurses.

Die Bharatiya Janata Party (BJP), die Partei des Premierministers, wird voraussichtlich an der Macht bleiben. Doch viele Beobachter sind schockiert über Modis aggressive Polemik und die Behauptung, die Kongresspartei plane eine Umverteilung sozialer Güter an Muslime.

Die Rhetorik gegen Muslime sei Teil einer Strategie, Hindu-Wähler zu mobilisieren, glauben politische Analysten, denn die Führung der BJP ist beunruhigt: Bislang war nicht nur die Wahlbeteiligung in den ersten beiden Wahlphasen mäßig, auch die allgemeine politische Stimmung richtet sich momentan gegen die gegenwärtigen Machthaber.

Indien: Die größte Wahl der Welt

Die Wahlen, die am 19. April begannen und bis zum 1. Juni dauern werden, finden in sieben Phasen statt. Die Wahlergebnisse sollen drei Tage später veröffentlicht werden. Modi hofft darauf, zum dritten Mal in Folge Premierminister zu werden.

Seine Reden seien ein Zeichen dafür, dass die BJP sich Sorgen mache, potentielle Wähler zu verlieren, vermutet die erfahrene politische Kommentatorin Neerja Chowdhury im Gespräch mit der DW. "Auf meinen Reisen kann ich nicht feststellen, dass es bei diesen Wahlen um Hindus gegen Muslime geht. Aber angesichts der Wahlbeteiligung hat die BJP einen Gang hochgeschaltet. Sie hatten das Gefühl, es müsse etwas geschehen, um die Wähler zu begeistern. So sind wir bei diesem politischen Thema angelangt", stellt sie fest.

Verletzt Modi die Regeln des Wahlkampfs?

Immer mehr Oppositionsführer und Angehörige der Zivilgesellschaft reagieren auf Modis Polemik. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die Regeln der indischen Wahlkommission (ECI).

Der Verhaltenskodex der ECI verbietet es Politikern, auf der Grundlage von "Kasten" oder dem Gefühl kommunaler Zugehörigkeit um Wählerstimmen zu werben. Wahlkampagnen sollen außerdem Differenzen zwischen den Gemeinschaften nicht verschärfen oder gegenseitigen Hass oder Spannungen schüren.

Doch die ECI hat es bisher abgelehnt, sich zu äußern oder zu handeln.

Indien: Pop gegen Muslime

Mallikarjun Kharge, Präsident der Kongresspartei, beschreibt Modis Äußerungen als "Hassrede" und eine "gut durchdachte Strategie". Er drängt die ECI, "diese neueste Beschwerde zur Kenntnis zu nehmen und umgehend ein Verfahren gegen Narendra Modi und die Bharatiya Janata Party einzuleiten".

Der Generalsekretär der marxistisch-kommunistischen Partei Indiens CPI (M), Sitaram Yechury, forderte, offiziell Klage gegen Modi zu erheben wegen der "Anstiftung zu Ablehnung und Hass zwischen den Gemeinschaften".

Mehr als 90 ehemalige Beamte haben ebenfalls beim ECI Beschwerde eingereicht. Sie fordern Maßnahmen gegen Modi, weil seine Aussagen Feinseligkeiten gegen Minderheiten provozieren würden. Und sie warnten, weitere Äußerungen würden das Umfeld für eine freie und faire Wahl beeinträchtigen.

Die Hindu-nationalistische Agenda der BJP

Seit die BJP im Jahr 2014 an die Macht kam, verfolgt sie eine hinduistisch-nationalistische Politik, die religiöse Minderheiten isoliert. Hassreden und Gewalt gegen die 210 Millionen Muslime des Landes haben seitdem stark zugenommen.

Seit 1989 lautet die zentrale Ideologie der BJP "Hindutva". Ihr zufolge bilden die Werte des Hinduismus die Eckpfeiler der indischen Gesellschaft und Kultur. Kritiker beklagen, dass Angehörige religiöser Minderheiten durch die aggressive Hindutva-Politik der BJP als "Bürger zweiter Klasse" behandelt würden.

Wie Modis Politik Indien verändert hat

"Eine anti-muslimische Rhetorik gehört schon lange zur BJP, aber während des aktuellen Wahlkampfs wurde ein neuer Tiefpunkt erreicht", kommentiert Journalistin und Autorin Saba Naqvi im Gespräch mit der DW.

Der politische Kommentator und Schriftsteller Salil Tripathi verfolgt die Wahlen von seinem Wohnort New York aus. Er ist der Meinung, die "Verzweiflung" habe die BJP dazu getrieben, es mit der alten Strategie der Polarisierung zu versuchen und die Angst vor einer muslimischen Übernahme Indiens zu schüren. "Die Äußerungen nähren die Ängste und sollen die Hindus aufschrecken. Sie sind gefährlich und offen spalterisch", sagt Tripathi zur DW.

Die ersten beiden Phasen der Wahlen sind abgeschlossen, es bleiben noch fünf weitere. Ob sich die Wähler von Modis Worten beeinflussen lassen, ist noch nicht klar. In der Vergangenheit haben Versuche, die Wählerschaft zu polarisieren der BJP keine Wahlvorteile gebracht.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Decoding China: E-Auto als Datenschatz auf Rädern

"Wollen Sie nicht mal in den Macan EV einsteigen und Probe sitzen?", lud Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und der Porsche AG, einen potentiellen Käufer persönlich ein und führte ihn zu dem Sportwagen. Der grau-violette Schlitten auf der Automesse in Peking, die am Samstag (4.5.2024) endete, ist vollelektrisch. Der Hersteller definiert die Farbe als "Provence" - in Anlehnung an die Lavendelfarbe, die typisch für die Provence ist. Die südfranzösische Region ist in China ein sehr beliebtes Touristenziel. "Das Design ist außerordentlich hochwertig!" Blume war nicht sparsam mit Lob für seine Firma.

"Schick!", bejahte der Eingeladene. "Aber ist es nicht vielleicht zu teuer für die Kunden? Ich weiß es nicht." Umgerechnet 125.000 Euro beträgt der Grundpreis dieses Stromers, zu dem die Firma des Hoffierten selbst beigetragen hat . "Für dieses Modell haben wir die beste Batterie der Welt geliefert, die sicherste", sagte der umworbene Kunde, der Zeng Yuqun oder Robin Zeng heißt.

Zulieferer, Kunde und Partner

Zeng ist der Chef des chinesischen Batterieherstellers CATL, einer der größten Zulieferer für die deutschen Autobauer mit einem Riesenwerk im thüringischen Arnstadt. Mit einem Privatvermögen von geschätzten 44 Milliarden US-Dollar ist er einer der reichsten Männer Chinas.

"Wollen Sie nicht für Ihre Firma eine Macan-Flotte bestellen?", bemühte sich der VW-Chef persönlich um den ersten Großauftrag, seit der Macan auf der Automesse vorgestellt worden ist, "I will do that!" (Das werde ich tun), antwortete Zeng auf Englisch.

Blume strahlte, klopfte Zeng auf die Schulter. Seine Mimik zeigte, wie glücklich und zufrieden er war. Die erste Großbestellung läuft. Diese Szene ist sinnbildlich für die Abhängigkeit zwischen der Autoindustrie, dem Stolz Deutschlands, und ihren Zulieferern und Kunden im Fernost.

Wenn es um den chinesischen Automarkt geht, ist Oliver Blume ein Insider. 2001 promovierte er am Institut für Fahrzeugtechnik an der Shanghaier Tongji Universität. Sein Doktorvater war Wan Gang, der spätere Forschungsminister Chinas. Wan, der wiederum an der deutschen Universität Clausthal promovierte, hatte zehn Jahr lang bei der VW-Tochter Audi in der Forschung gearbeitet. Er gilt als Vater der chinesischen E-Mobilität.

Blau-weißes Firmenschild CATL vor Gebäude
CATL-Werk in Thüringen mit einer Investition von bis zu 1,8 Milliarden Euronull Martin Schutt/dpa/picture alliance

Preisverhandlungen als Chefsache

In China seien trotz gesamtwirtschaftlicher Herausforderungen immer mehr Autos verkauft worden, so der Verband der Automobilindustrien (VDA) in seiner jüngsten Studie vom Ende April. "Auf dem chinesischen Pkw-Markt wurden im ersten Quartal 4,8 Millionen Neufahrzeuge verkauft, 13 Prozent mehr als im Vorjahr."

"Unsere Zusammenarbeit ist sehr positiv", sagte Blume. "Wir beziehen die Batterien vom CATL-Werk in Deutschland. Die hochwertige Batterie wird von uns beiden zusammen entwickelt, speziell für dieses Modell, das wir nun den chinesischen Kunden anbieten."

"Mit Porsche arbeite ich sehr gut zusammen, auch persönlich mit Oliver", sagte Zeng. Er und Blume sind beide Jahrgang 1968. "Das Gute daran ist: Ich kann ihn direkt um einen großen Preisnachlass für die Großbestellung bitten!" Zeng lachte und reichte Blume die Hand. Blume streckte auch seine Hand aus und erwiderte: "Und ich erhoffe mir einen großen Rabatt für Ihre Batterien!" So wird in China ein Gentlemen-Agreement geschlossen.

Die Angst vor dem Ende der E-Mobilität

Mobilität der Zukunft

Die Automesse Peking ist inzwischen die wichtigste Schau für die Autobranche weltweit. Die Messe ist zugleich eine Begegnungsstätte für Chefs von Autoherstellern, Lobbygruppen und Spitzenpolitikern, die den Rahmen für die Industrie- und Handelspolitik sowie für technische Innovationen setzen, wie zum Beispiel für die Digitalisierung eines Autos.

Was früher nur aus Schrauben, Zahnrädern und Dichtungen bestand, ist heute bei Weitem nicht nur ein Elektromotor mit Steckdose. Ein modernes E-Auto besteht heute aus Steuergeräten und Apps. Es kommuniziert mit dem Smartphone des Fahrers. Seine Hersteller treiben die neuesten Innovationen wie autonomes und vernetztes Fahren voran. Somit wurde auch schon die komplette Wertschöpfungskette neu geformt. Und China steht dabei im Zentrum dieses Wandels.

Der Volkswagen war der erste ausländische Autobauer in China mit einem Gemeinschaftsunternehmen in Shanghai in den 1980er Jahren. Später dominierte der Wolfsburger mit den Modellen Santana und Jetta das Straßenbild in chinesischen Städten. Inzwischen sind aber mehrere konkurrenzstarke inländische Autohersteller auf dem Markt, die nicht nur preiswerte Stromer an die wachsende Mittelschicht verkaufen. In den Metropolen wie Peking und Shanghai erhalten die E-Autos sofort eine Zulassung, weil sie umweltfreundlich sind. Chinesische Firmen exportieren die günstigen und umweltfreundlichen Fahrzeuge auch in die ganze Welt, inklusive Europa.

Chinas Autohersteller BYD bereit zur Eroberung Europas

EU-Untersuchung zu möglichen Subventionen

Zu günstig, geradezu wettbewerbsverzerrend günstig, glaubt die EU. Im März hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Verfahren zu Importen von Elektrofahrzeugen aus China angekündigt. Es soll zunächst festgestellt werden, ob chinesische E-Autos von staatlichen Subventionen profitieren und somit den europäischen Autobauern Schaden zufügen. "Wo immer wir Hinweise darauf finden, dass die EU-Firmen durch Marktverzerrungen und unlauteren Wettbewerb behindert werden, werden wir entschlossen handeln", sagte von der Leyen.

Jedoch hat kein europäischer Autobauer eine solche Untersuchung von Brüssel gefordert. "Wir sehen die Antisubventionsuntersuchung der EU-Kommission kritisch", sagt Hildegard Müller, VDA-Präsidentin im DW-Interview. "China spielt eine entscheidende Rolle für eine erfolgreiche Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung. Ein Handelskonflikt würde also auch diese Transformation gefährden. Antisubventionsmaßnahmen wie zusätzliche Zölle würden die Herausforderungen für die europäische und deutsche Automobilindustrie nicht lösen. Im Gegenteil: Der von der EU-Kommission beabsichtigte Zweck von Ausgleichszöllen könnte sich bei einem Handelskonflikt entsprechend schnell negativ auswirken."

VDA-Präsidentin Hildegard Müller (2.v.l.) neben Bundeskanzler Scholz auf der IAA im September 2023 in München. Im Hintergrund stehen VW-Chef Oliver Blume und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (4.v.l.)
Eröffnung der Automesse IAA im September 2023 in München mit Bundeskanzler Olaf Scholznull Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Auch Chinas Handelsminister Wang Wentao positionierte sich im Gespräch mit Müller gegen mögliche protektionistische Maßnahmen durch die EU. Er bekannte sich zu freien und fairen Marktbedingungen und warf der EU-Kommission "Doppelmoral" im Kampf gegen den Klimawandel vor: "Die EU hält in der einen Hand das Transparent für grüne Transformation, in der anderen die Keule des Protektionismus gegen chinesische E-Autos."

Tesla geht seinen eigenen Weg

Der US-Hersteller Tesla war auf der Automesse Peking 2024 nicht präsent. Der Konzernchef Elon Musk war aber zeitgleich in China zu Besuch. Im Gästehaus Diaoyutai, wo vor zwei Wochen Bundeskanzler Olaf Scholz mit Staatspräsident Xi Jinping spazierte, traf sich Musk mit Premier Li Qiang zusammen. "Wir nehmen auch nicht an den Messen in den USA teil", begründet Musk die Abwesenheit seines Unternehmens. 

Und pünktlich am Tag seiner Ankunft am 28. April verkündete der Chinesische Verband der Autobauer (CAAM), dass zwei Modelle, die Tesla in Shanghai baut, die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in China erfüllt haben. Es geht um die Anonymisierung der Gesichtsdaten des Fahrers, aktive Vorabzustimmung vor Datensammlungen, aktive Vorabzustimmung bei Datentransfer vom Auto zu anderen Endgeräten und die Mitteilungspflicht über die gesammelten und verarbeiteten Daten an den Halter.

Tesla Fabrik in Shanghai mit dem typischen Tesla-Schriftzug
Tesla-Werk Shanghainull Xiaolu Chu/Getty Images

Damit ist Tesla zusammen mit anderen chinesischen Konkurrenten der erste ausländische Autohersteller, der für ein vernetztes Fahren im chinesischen Straßenverkehr zugelassen ist. Und der Aktienkurs von Tesla stieg am ersten Börsentag nach Bekanntgabe dieser Zulassung direkt um elf Prozent.

Brancheninsider berichten, dass Elon Musk in Peking auch über die Zulassung der autonomen Fahrassistenz FSD (Full Self Driving, vollautomatisiertes Fahren) verhandelt hat. Sein Konzern benötigt die Daten aus dem Echtzeit-Straßenverkehr, um die Algorithmen der FSD-Software zu trainieren und zu kalibrieren.

Flaute bei E-Autos: Tesla streicht Stellen

Weiteres Potenzial für Zusammenarbeit

Wo bleibt die chinesisch-deutsche Antwort? Laut Handelsminister Wang ist die Autoindustrie ein "Leuchtturm" der Industriekooperation zwischen China und Deutschland/Europa überhaupt. "Die deutsche Autoindustrie nimmt den Wettbewerb an - in allen Märkten", unterstrich VDA-Chefin Müller. "Klar ist, dass das Marktwachstum in China extrem dynamisch ist und wir daran teilhaben wollen." Die Unternehmen würden fortlaufend prüfen, wo Kooperation und Zusammenarbeit sinnvoll seien. "Ich bin überzeugt, dass es noch mehr Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen der chinesischen und der deutschen Automobilindustrie gibt."

Als Beispiel nennt Müller die umweltschädlichen Emissionen bei der Batterieproduktion. Der Produkt CO2-Fußabdruck (PCF) sei als die etablierte Methode zur Ermittlung der Klimawirkung ein wichtiges Instrument. Während des gesamten Lebenszyklus eines E-Autos entsteht Treibhausgas von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. "Der PCF bedarf nun einer internationalen Harmonisierung. Auch hier sollte der Austausch mit China weiter intensiviert werde." 

"Demokratisiert" China die E-Mobilität?

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

Vatikan: Bemühung um engere Beziehungen zu Vietnam

Anfang dieses Monats kehrte Erzbischof Paul Richard Gallagher, der Außenbeauftragte des Vatikans, von einer sechstägigen Arbeitsreise nach Vietnam zurück. Dort hatte er mit hochrangigen Politikern, so etwa Premierminister Pham Minh Chinh und Außenminister Bui Thanh Son, über einen möglichen Besuch von Papst Franziskus im Laufe dieses Jahres gesprochen.

Gallagher brachte die "Dankbarkeit" des Vatikans für die Fortschritte in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten zum Ausdruck. Dazu gehört auch die Entscheidung Hanois aus dem vergangenen Jahr, der Entsendung des ersten päpstlichen Vertreters nach Vietnam seit Jahrzehnten zuzustimmen.

Die Entscheidung geht auf das Jahr 2009 zurück: Damals richteten beide Seiten eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein, die die 1975 abgebrochenen Beziehungen wiederherstellen sollte. Die nominell atheistische Kommunistische Partei Vietnams hatte nach dem Ende des Vietnamkriegs die Herrschaft über das gesamte Land übernommen. Seitdem fährt sie einen höchst restriktiven Kurs gegen sämtliche Religionsgemeinschaften.

Der Dialog gipfelte im vergangenen Juli in einem Besuch des damaligen vietnamesischen Präsidenten Vo Van Thuong beim Heiligen Stuhl. Dort traf er auch mit Papst Franziskus zusammen. Im Dezember ernannte der Vatikan seinen ersten ständigen Vertreter in Vietnam seit Jahrzehnten. Umgekehrt hatte die vietnamesische Regierung Papst Franziskus zu einem Besuch eingeladen.

Der Rücktritt von Präsident Vo Van Thuong im letzten Monat infolge einer landesweiten Anti-Korruptionskampagne könnte die Verhandlungen über den Papstbesuch allerdings erschwert haben. Dennoch soll er noch in diesem Jahr stattfinden.

Der damalige vietnamesische Präsident Vo Van Thuong zu Besuch im Vatikan, Juli 2023
Der damalige vietnamesische Präsident Vo Van Thuong (M) zu Besuch im Vatikan, Juli 2023null Gregorio Borgia/AP Photo/picture alliance

Besorgnis über religiöse Rechte

Zwar machen die Katholiken nur sechs Prozent der vietnamesischen Bevölkerung aus. Dennoch stellen sie der Volkszählung 2019 zufolge rund die Hälfte aller religiösen Vietnamesen.

Immer wieder wird Vietnam vorgeworfen, die Rechte religiöser Organisationen und Gruppen in eklatanter Weise zu verletzen, und zwar insbesondere die der ethnischen Minderheiten des Landes. Dazu gehören Buddhisten, Christen und Anhänger weiterer Glaubensgemeinschaften.

Im Dezember 2022 setzten die USA auch Vietnam auf ihre Beobachtungsliste zum Status der Religionsfreiheit weltweit. Die Begründung: Das Land habe "schwere Verstöße gegen die Religionsfreiheit begangen oder geduldet ". Monate später veröffentlichten die kommunistischen Behörden ein Weißbuch zur Religionspolitik, dass eine angeblich "umfassende" Politik zur Gewährleistung der Religionsfreiheit skizzierte.

Anfang 2018 verabschiedete Vietnam ein Gesetz, das Religionsgemeinschaften dazu verpflichtet, ihre Organisationen und Gebetsstätten bei der Regierung zu registrieren. Erst dann dürfen sie Gottesdienst abhalten.

Allerdings heißt es in einem Bericht des US-Außenministeriums aus dem Jahr 2022, die vietnamesischen Behörden hätten in den vergangenen vier Jahren weder neue religiöse Organisationen noch Untergruppen größerer, zuvor zugelassener Gruppen anerkannt.

Hartes Durchgreifen gegen ausländischen Einfluss

Im März enthüllte die Menschenrechtsorganisation "Projekt 88" aus Bangkok die sogenannte Direktive 24, ein vom Politbüro der Kommunistischen Partei erstelltes Dokument zur "nationalen Sicherheit". Dieses dokumentiert Analysten zufolge die Absicht des vietnamesischen Staates, Institutionen und Ideen, die von ausländischen Regierungen beeinflusst werden könnten, stärker zu unterdrücken.

Der Schwerpunkt des Dokuments liegt auf religiösen und ethnischen Identitäten. An die Behörden ergeht zudem die Empfehlung, "die Gründung von Arbeitsorganisationen auf der Grundlage von ethnischer Zugehörigkeit und Religion zu verhindern".

Nun könnte die Annäherung an den Vatikan dazu führen, dass der vietnamesische Staat künftig zumindest die Angelegenheiten der Katholiken im Lande weniger stark kontrolliere, sagt ein vietnamesischer Aktivist für religiöse Rechte, der namentlich ungenannt bleiben möchte. 

Der Schneider des Papstes

Doch selbst, wenn sich die Rechte der Katholiken verbesserten, spreche wenig dafür, dass dies auch auf andere unterdrückte religiöse Gruppen wie die Theravada-Buddhisten der Khmer Krom, einer Minderheit im Süden des Landes, oder die Dega-Protestanten im zentralen Hochland Vietnams zutreffe, so der Aktivist.

Ein anderer prominenter Rechtsaktivist ist der Ansicht, der Vatikan nutze seinen Beziehungen zu Vietnam dazu, der katholische Kirche den Zugang zu anderen kommunistischen Staaten, allen voran China, zu ebnen. Mit China führt der Vatikan ebenfalls Annäherungsgespräche.

Im vergangenen Dezember hatte Papst Franziskus erklärt, der Vatikan müsse stärker Behauptungen entgegentreten, die Katholische Kirche akzeptiere die chinesische Kultur oder deren Werte nicht. 

Vietnam: Wie der Verkehr Städte zu ersticken droht

Religion bleibt im EU-Fokus auf der Strecke

Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Vietnam werfen zudem die Frage auf, wie ernst es Europa mit religiösen Rechten in autoritären Staaten wie Vietnam nimmt.

"Traurige Tatsache ist, dass die Europäische Union und die meisten ihrer Mitgliedstaaten es verpasst haben, sich für die Religionsfreiheit in Vietnam einzusetzen", sagt Phil Robertson, stellvertretender Direktor der Asien-Abteilung von Human Rights Watch.

Die EU solle sich gemeinsam mit den USA und anderen gleichgesinnten Ländern dafür einsetzen, dass die vietnamesische Regierung ihrer restriktiven Kontrolle der Religion beendet, so Robertson. "Auch sollte sie religiösen Führern und ihren Anhängern die Ausübung ihres Glaubens ohne ständige Einmischung zu ermöglichen."

Anders als die USA mit ihrem Religious Freedom Act führt die EU keine spezielle Beobachtungsliste zur religiösen Freiheit weltweit. 

Zwar beziehen sich EU-Erklärungen häufig auch auf religiöse Rechte. Auch der Bundestag veröffentlichte 2021 einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Vietnam insgesamt. Die meisten europäischen Regierungen konzentrieren sich Analysten zufolge jedoch vor allem auf politische Rechte und Arbeitsrechte in Vietnam.

Deutsch - vietnamesische Beziehungspflege: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch in Ho-Chi-Minh-Stadt, Januar 2024
Deutsch - vietnamesische Beziehungspflege: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch in Ho-Chi-Minh-Stadt, Januar 2024null Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Das 2020 ratifizierte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam widme sich vor allem den Arbeitsrechten, sagt Udo Bullmann, Mitglied des EU-Parlaments und Vorsitzender von dessen Unterausschuss für Menschenrechte. Er hat Vietnam im April letzten Jahres besucht. Aktivisten wenden allerdings ein, Hanoi habe sich nicht an sein Versprechen gehalten, unabhängige Gewerkschaften zuzulassen.

"Wir hoffen sehr, dass parallel zur wachsenden Partnerschaft in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht das kontinuierliche Beharren der EU-Akteure zu erheblichen Verbesserungen bei der Einhaltung der Menschenrechte in Vietnam führen wird", so Bullmann weiter. Allerdings sollte die EU die Menschenrechte in Vietnam "unabhängig von Initiativen anderer internationaler Akteure" unterstützen.

Ein EU-Sprecher sagte, in Brüssel sei man "besorgt über die Berichte hinsichtlich der Verletzung der Religions- und Glaubensfreiheit in Vietnam." Diese sei beim letzten Menschenrechtsdialog der EU mit Vietnam im vergangenen Juni in Hanoi diskutiert worden. "Wir werden die vietnamesischen Behörden beim kommenden Menschenrechtsdialog 2024 erneut auffordern, die Schikanen und willkürlichen Verhaftungen von Angehörigen religiöser Minderheiten zu beenden", so der Sprecher weiter.

 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp

Deutschland: Pflegekräfte aus der Ferne

Taliban und Pakistan: Auf die Hoffnung folgt Zerknirschung

Im August 2021 fiel die afghanische Hauptstadt Kabul an die Taliban. Das hatte auch Folgen für die Beziehung der nun an der Regierung befindlichen Fundamentalisten zum Nachbarland Pakistan:  Sie hat sich seitdem immer weiter verschlechtert. 

Viele Experten führen die aktuellen Spannungen auf die Zunahme des von Afghanistan ausgehenden grenzüberschreitenden Terrorismus zurück.

Allerdings haben umgekehrt auch einige Maßnahmen Islamabads das Taliban-Regime verärgert: So hatte Pakistan im vergangenen Jahr einige Handelsbeschränkungen für das Nachbarland erlassen. Zudem hatte es rund  500.000 afghanische Migranten ohne Papiere ausgewiesen sowie strengere Visabestimmungen an den Grenzübergängen eingeführt.

Im vergangenen Monat attackiert die pakistanische Luftwaffe wiederholt Orte in Afghanistan, an denen sie die Verstecke militanter pakistanischer Gruppen vermutete. Dabei wurden acht Menschen getötet. Der Angriff veranlasste die afghanischen Streitkräfte, das Feuer an der Grenze zu erwidern.

Von Hoffnung zu Zerknirschung 

Ursprünglich hatte Pakistan gehofft, nach der Machtübernahme durch die Taliban von der bisherigen Zusammenarbeit mit ihnen profitieren zu können, sagt Naad-e-Ali Sulehria, Südostasien-Experte beim Think Tank PoliTact in Washington, im Gespräch mit der DW.

So habe Islamabad etwa darauf gehofft, die Taliban würden gegen die Gruppe Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und andere militante pakistanische Organisationen vorgehen und deren Zufluchtsorte auf afghanischem Boden zerstören.

Doch diese Hoffnungen haben sich verflüchtigt, ja mehr noch: Pakistan registrierte einen Anstieg des Terrorismus. Der Grund: Die Rückkehr der Taliban an die Macht ermutigte und stärkte die TTP.

Einem Bericht des in Islamabad ansässigen Zentrums für Forschung und Sicherheitsstudien zufolge stieg die Zahl der Todesopfer infolge militanter Angriffe im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent. Über 1500 Menschen wurden getötet, darunter 500 Sicherheitskräfte.

Erst in der vergangenen Woche wurden bei zwei Anschlägen in zwei unruhigen Bezirken der Provinz Khyber Pakhtunkhwa zwei Polizisten getötet und sechs verletzt.

Afghanische Mädchen sehnen sich nach Schule

Pakistan und die Taliban: eine komplexe Beziehung

Die seit langem bestehenden Beziehungen Pakistans zu den Taliban sind komplex und vielfach widersprüchlich. Infolge historischer Ereignisse und strategischen Kalküls haben sie zudem zahlreiche Wandlungen durchlaufen.

Die beiden Länder haben, vor allem im paschtunisch geprägten Grenzgebiet, enge kulturelle Verbindungen, liegen miteinander aber wegen der 1893 von den Briten gezogenen 2640 Kilometer langen Grenze, der sogenannten Durand-Linie, im Streit.

Die Linie teilte das Land der paschtunischen Stämme. Darüber entstand die Idee eines unabhängigen Staates "Paschtunistan", der die paschtunischen Gebiete auf beiden Seiten der Grenze umfassen sollte. Doch dieser Staat kam nie zustande. Der Streit aber schwelt bis heute weiter.

Infolge der sowjetischen Invasion in Afghanistan im Jahr 1979 knüpfte Islamabad enge Beziehungen zu muslimischen Extremisten jenseits der Grenze.

"Aus Sorge vor dem sowjetischen Einfluss wurde Pakistan zu einem wichtigen Durchgangsland für die westliche Hilfe für die afghanischen Mudschaheddin, also jene Rebellengruppen, die gegen die Sowjets kämpften", sagt der in Islamabad lebende Historiker Ubaidullah Khilji.

Nach dem Abzug der Sowjets stürzte Afghanistan in einen Bürgerkrieg. Der brachte eine neue islamistische Gruppierung hervor: die Taliban. Pakistan erkannte 1996 zusammen mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten das Taliban-Regime an und gewährte ihm militärische Unterstützung und weitere Hilfen.

Als die USA und ihre Verbündeten Afghanistan nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 besetzten, brach das Regime der Taliban Ende des Jahres zusammen.

Einige Mitglieder der Gruppe fanden Zuflucht in Pakistan, insbesondere in den Grenzregionen. Zwar kooperierte Islamabad nach dem 11. September 2001 mit den USA. Doch gilt es als ausgemacht, dass Teile der pakistanischen Elite die Taliban heimlich unterstützten - ein Umstand, der sich als entscheidend für deren Überleben und ihre Rückkehr an die Macht im August 2021 erwies.

"Die Taliban nutzten Pakistan als sicheren Zufluchtsort, um ihren Aufstand in Afghanistan zu unterstützen. Diesen Umstand wertete Pakistan als Möglichkeit, dem indischen Einfluss in Afghanistan entgegenzuwirken", sagt ein Taliban-Beamter im Kabuler Bildungsministerium, der anonym bleiben möchte. "Es war eine Beziehung zum beiderseitigen Nutzen."

Pakistan droht 1,7 Millionen Afghanen mit Ausweisung

Neue Ära in Kabul

Mit der Rückkehr der Taliban an die Macht hat sich diese Dynamik erheblich verändert. Die Taliban seien auf Pakistan nicht mehr länger angewiesen, sagt Adam Weinstein, Nahost-Experte am Think Tank Quincy Institute. "Vielmehr behaupten ihre Unabhängigkeit und weigern sich, sich Pakistan unterzuordnen oder dessen Forderungen zu erfüllen."

Die Taliban-Führer sind sich der früheren Unterstützung durch Pakistans zwar bewusst. Dass Pakistan Taliban-Führer nun schikaniert, verhaftet und an die USA ausliefert, sehen sie als Beweis für die Doppelzüngigkeit Islamabads.

"Ein hartes Vorgehen gegen die TTP, wie von Pakistan gefordert, könnte eine Gegenreaktion innerhalb der Taliban selbst auslösen", so der anonyme Taliban-Vertreter. Einige TTP-Mitglieder könnten womöglich zur Gruppe "Islamischer Staat Khorasan" (ISIS-K) überlaufen. Diese bekämpft die Taliban innerhalb Afghanistans.

Taliban auf der Suche nach neuen Verbündeten

Während die Beziehungen zu Pakistan abkühlen, sind die Taliban bereits dabei, neue Partnerschaften zu schmieden. Die westlichen Mächte zögern noch, auf entsprechende Angebote der Taliban einzugehen. Russland, Iran, Indien und einige zentralasiatische Staaten hingegen gehen vorsichtig auf das Regime zu.

Bereits jetzt erhalte die Taliban-Regierung erhebliche Einnahmen aus ausländischen Investitionen, sagt Sulehria vom Think Tank PoliTact. Dies gelte insbesondere mit Blick auf China, dass die reichhaltigen Bodenschätze Afghanistans abbaut.

"Zudem wenden sich die Taliban an Iran, um Zugang zum internationalen Handel zu erhalten. Das deutet darauf hin, dass sie bestrebt sind, ihre Partnerschaften zu diversifizieren", so Sulehria zur DW. 

"Tatsächlich unterstützten Afghanistans Nachbarn und die internationale Gemeinschaft die Taliban sowohl direkt als auch indirekt", sagt Weinstein vom Quincy Institute im Gespräch mit der DW. "Dies geschieht durch Handel, Hilfe und diplomatische Kanäle."  Der Grund für die Unterstützung liege auf der Hand: "Alternativen zur Herrschaft der Taliban sieht die Welt mit Sorge entgegen. Man fürchtet einen Bürgerkrieg, eine noch stärkeren ISKP sowie allgemeine Instabilität."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Trauma und Trauer: Geflüchtete aus Afghanistan in den USA

Bürgerkrieg in Myanmar: "Viele gegen viele"

Der Bürgerkrieg in Myanmar steht im vierten Jahr. Nach einer Offensive im nordöstlichen Shan-Staat vom Oktober 2023 hat die Militärregierung, der State Administrative Council (SAC), die Kontrolle über große Gebiete an der Grenze zu China verloren. Anfang April fiel die Grenzstadt Myawaddy, ein Knotenpunkt für den Warenverkehr zwischen Thailand und Myanmar, in die Hände der ethnischen Minderheit der Karen. Diese kämpfen seit Jahrzehnten gegen die Zentralregierung. Inzwischen ist das Militär zwar wieder zurück in Myawaddy, aber die Situation bleibt volatil. Im Westen, an der Grenze zu Bangladesch, setzt die Arakan Army (AA) dem Militär zu.

Infografik Karte Vielvölkerstaat Myanmar DE

Das Militär ist in den Grenzregionen des Landes auf dem Rückzug und steht massiv unter Druck. Es ist nur noch in der Lage, Vergeltungsangriffe mit der Luftwaffe oder mit weitreichender Artillerie auszuführen. Doch ein Experte aus Yangon, der aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt werden kann, sieht das Militär noch nicht vor einer Niederlage:  "Der Bürgerkrieg geht weiter und wird so schnell nicht enden."

Fragmentierung

Im Grunde genommen ist die aktuelle Situation Myanmars nicht völlig neu. Das heutige Myanmar, ehemals Birma, ist seit der Unabhängigkeit 1948 weder ein Staat noch eine Nation. Keiner Zentralregierung ist es je gelungen, das ganze Land zu regieren. Und noch viel weniger hat sich in dem Vielvölkerstaat jemals eine gemeinsame nationale Identität herausgebildet. Dabei wechselten sich in den letzten 76 Jahren Phasen hoher und verminderter Konfliktintensität mit entsprechender weniger oder mehr zentralstaatlicher Kontrolle ab.

Der Militärputsch vom Februar 2021 gegen die Regierung um Staatsrätin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi haben das Land in eine neue Phase der Fragmentierung gestürzt. Im Unterschied zu früher ist der Prozess aber heute viel augenfälliger, wie der Experte in Yangon sagt: "Früher war das Land auch fragmentiert, aber es war nicht so sichtbar. Heute sehen es die Menschen, wegen der sozialen Medien und wegen der Vernetzung." Darum werde die Frage nach dem Zerfall des Landes vermehrt diskutiert.

Flickenteppich aus bewaffneten Gruppen

Die ohnehin unübersichtliche Konfliktlandschaft Myanmars hat sich seit dem Putsch nochmal verkompliziert. Vor dem Putsch gab es in Myanmar etwa 24 bewaffnete ethnische Armeen und mehrere hundert Milizen. Die Truppenstärke der Gruppen variierte von einigen Hundert Kämpfern bis zu schätzungsweise 30.000 Kämpfern etwa der United Wa State Army (UWSA), aber auch der Arakan Army.

Seit dem Putsch sind nochmals etwa 250 bis 300 sogenannte People's Defense Forces (PDF) hinzugekommen, die insgesamt über etwa 65.000 Kämpfer verfügen sollen. Die PDFs stehen zum Teil unter Kontrolle der Gegenregierung (dem National Unity Government, NUG), agieren teilweise unabhängig und teilweise in enger Abstimmung mit der ein oder anderen ethnischen Armee. Hinzu kommt eine Vielzahl krimineller Kartelle, die im Chaos der letzten vier Jahre an Einfluss gewonnen haben und bei denen es Überschneidungen mit dem Militär, aber auch einigen ethnischen Gruppen gibt.

Zum Wehrdienst gezwungen: Massenflucht aus Myanmar

Auch zwischen den ethnischen Gruppen gab und gibt es Konflikte, auch wenn zurzeit die Bekämpfung der Militärregierung im Vordergrund steht. "Der Konflikt ist nicht einfach einer gegen viele, sondern viele gegen viele. Es ist nicht nur einfach das Militär gegen den Rest", bestätigt der Experte aus Yangon.

Zerfall des Landes

Die Frage, ob das Land in der aktuellen Lage endgültig auseinanderbricht, gewinnt also an Bedeutung und wird auch bei den Vereinten Nationen und unter Diplomaten diskutiert, wie Charles Petrie, der ehemalige UN-Koordinator für Myanmar im Interview mit der DW bestätigte.

Richard Horsey, Senior Advisor der International Crisis Group und langjähriger Beobachter des Landes, hat im Gespräch mit der DW keinen Zweifel daran, dass die Fragmentierung zunehme. Er glaube aber nicht an einen totalen Zerfall mit einer massiven Ausweitung der Gewalt, wie es sie etwa in Ländern Libyen oder in Somalia gegeben hat, "weil Myanmar kein gut funktionierender, zentralisierter Staat ist, sondern schon immer auf die eine oder andere Weise zersplittert war." Das Chaos und der Zerfall betreffen seit dem Putsch vor allem das Zentrum des Landes.

 

Ein thailändischer Soldat schiebt an der Grenze zu Myanmar Wache. Thailand beobachtet die Lage im Nachbarland genau
Ein thailändischer Soldat schiebt an der Grenze zu Myanmar Wache. Thailand beobachtet die Lage im Nachbarland genaunull Sakchai Lalit/AP/picture alliance

Ist Föderalismus ein Ausweg?

In der Vergangenheit wurde immer wieder diskutiert, wie das multiethnische Land zu einer angemessenen politischen Struktur kommen kann, in der alle ethnischen Gruppen repräsentiert sind. Das Schlagwort lautete: Föderalismus und föderale Demokratie. Deutsche Stiftungen, vor allem die Hanns-Seidl-Stiftung, waren beim Thema Föderalismus sehr aktiv. Auch jetzt gibt es Bestrebungen, eine föderale demokratische Verfassung zu schaffen. Aber der Prozess gestaltet sich schwierig. Immer wieder brechen Gruppen die Verhandlungen ab, andere haben gar nicht erst teilgenommen.

Die Nachbarländer fürchten die Auswirkungen einer weiteren Desintegration des Landes. Indien baut einen Zaun an der Grenze zu Myanmar, Thailand bereitet sich auf den Zustrom weiterer Flüchtlinge vor, China hat im April diesen Jahres Militärmanöver an der Grenze zu Myanmar abgehalten und Bangladesch wird auf absehbare Zeit die Rohingya versorgen müssen. Der Experte in Yangon stellt fest: "Die Nachbarländer befassen sich mehr mit den Folgen als mit den Ursachen der Fragmentierung."

Horsey beobachtet einen "eigennützigen und zynischen" außenpolitischen Ansatz, der alle Optionen offen hält. Die Nachbarn wissen, "dass in Myanmar fürchterliche Dinge geschehen, aber sie halten aus Eigeninteresse die Beziehungen zum Regime aufrecht."

Krypto-Falle - Zwangsarbeit in Asiens Betrugsfabriken

Decoding China: Innovationsbedarf umschifft die Politik

Als die weltgrößte Industrieschau ist die Hannover Messe der Trendsetter. Hier erfährt die ganze Welt, wie die industrielle Zukunft aussieht und was die wegweisenden Themen sind. Dass China dabei ein unentbehrlicher Akteur ist, lässt sich direkt an der Zahl der Aussteller ablesen. Fast jeder Dritte der circa 4.000 Teilnehmenden kommt dieses Jahr aus Fernost. Dass die Bundesregierung in ihrer Chinastrategie vom Sommer 2023 das Reich der Mitte als "Partner, Wettbewerber", aber auch "systemischen Rivalen" definiert, schreckt die Aussteller nicht ab.

"Mir ist die Position Deutschlands nicht bekannt", sagt der chinesische Unternehmer Jiang, der auf seinem Standardmessestand von neun Quadratmetern in der Halle 4 Kugellager unterschiedlicher Größen ausstellt. "Das macht aber nichts. Wir wollen Geschäfte machen. Und meine Produkte sind gut, preiswert und für die Industrie unverzichtbar."

Eine kleine Zahl von Ständen bleibt in der Halle 4 leer. Die an der Außenwand angeklebten Firmennamen deuten darauf hin, dass auch diese für Unternehmen aus China vorgesehen waren. Vermutlich haben die Geschäftsleute kein Visum für Deutschland erhalten, murmelten die Nachbarn. Ansonsten spürt man auf dem Gemeinschaftsstand für den chinesischen Mittelstand deutliche Aufbruchsstimmung. Der Messeauftritt in Hannover gibt den Unternehmen die Möglichkeit für mehr Exportgeschäfte, um die nachlassende Nachfrage im chinesischen Inland auszugleichen. "Wir hoffen auf große Bestellungen aus dem Ausland", sagt Jiang. Er räumt aber ein, dass es "überall schwierig" sei.

Zukunft mit KI-getriebener Industrie "Made in China"

Das Logo des Chinastands Make Things Better (Mach die Dinge besser) liest sich dabei wie ein selbstbewusster Slogan. In einigen Bereichen haben sich chinesische Unternehmen schon heute weltweit an die Spitze gesetzt. Themen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) wären ohne chinesisches Engagement nicht denkbar. Die Zukunft liegt in der so genannten "Industrie 4.0" - der vernetzten Produktion mit automatisierter Zuteilung der Ressourcen durch KI.

Die Zukunftsfabriken, auch Smart Factories genannt, brauchen dafür schnelle Funknetze und Cloud-Services. Über diese "Daten-Wolken" werden sämtliche Industriedaten in Echtzeit von der Produktion an den Server übermittelt. Nach vorgegebenen Rechenmodellen, den Algorithmen, ermittelt die künstliche Intelligenz über Cloud-Computing die bestmöglichen Lösungen und erteilt den Maschinen die Anweisungen für die nächsten Schritte.

China | Smart Factory in Huzhou
"Smart Factory" in Huzhou, Chinanull Costfoto/NurPhoto/picture alliance

Beim Messerundgang am Montag (22.04.24.) betonte Bundeskanzler Olaf Scholz noch die Stärke Deutschlands, "um die Zukunft für unsere Volkswirtschaft und für gute, sichere Arbeitsplätze auch in 10, 20, 30 Jahren und für die weitere Zukunft zu gewährleisten." Das gehe nur mit technologischen Innovationen, für die Unternehmen aus Deutschland und viele andere, die in Hannover dabei sind, besonders geeignet seien, so Scholz weiter.

Symbiose durch Globalisierung

Wichtige Innovationen kommen dabei aus China. "Wir sind von den Fortschritten durch die Globalisierung überzeugt", sagt Zhiqiang Tao, Vize-Präsident von Huawei Cloud. Der chinesische Telekommunikationsausrüster baut in Europa den Cloud-Service kräftig aus und betreibt Server für europäische Kunden in Irland und der Türkei. "In Deutschland bieten wir unseren Industriekunden zum Beispiel über die Deutsche Telekom zuverlässigen Cloud-Service an. Nur durch Zusammenarbeit werden wir künftig vom Erfolg gekrönt bleiben."

China - der mächtige Konkurrent

Allein in China nutzten laut Tao schon mehr als 8.000 Industrieunternehmen mit globalem Footprint den Cloud-Service von Huawei. Diese dann mit den internationalen Partnern zu vernetzen, würde dann die Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette beschleunigen. "Wir schaffen für alle einen Mehrwert. Und es entsteht eine Symbiose."

Aber genau mit dieser Symbiose hat Deutschland ein Problem. Zwar fordert die deutsche Chinastrategie keine komplette Entkopplung, aber eine Diversifizierung und ein "De-Risking".

"Wir halten es für nachvollziehbar, wenn Deutschland bei wichtigen Vorprodukten und Rohstoffen versucht, zu große Abhängigkeiten zu reduzieren", sagt Volker Treier, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Hannover. "Das ist ein normales kaufmännisches Gebot. Das füllt den Begriff des De-Riskings etwas mit Inhalten. In China sind weiterhin die Themen wie der Schutz geistigen Eigentums und der erzwungene Technologietransfer noch nicht ganz von der Tagesordnung verschwunden."

Investitionsrekord trotz De-Risking-Strategie

Die Statistiken sprechen aber eine andere Sprache. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank investierte die deutsche Wirtschaft 2023 trotz De-Risking mit knapp zwölf Milliarden Euro in China - inklusive der Sonderverwaltungszone Hongkong - so viel wie nie zuvor. Laut der Geschäftsklimaumfrage der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) wollen 54 Prozent der deutschen Firmen ihre Investitionen in China erhöhen, um dort wettbewerbsfähig zu bleiben.

Abkoppeln von China? - Lieber nicht ganz

"Das zeigt, dass trotz der bestehenden Herausforderung eben doch ein Vertrauen in die Stabilität und in das Potenzial des chinesischen Marktes besteht," sagt Thomas Scheler, Geschäftsführer der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung (DCW) in Düsseldorf. Die Komplementarität der beiden Volkswirtschaften sei "ein wesentlicher Treiber" in dem gegensätzlichen Phänomen von politischer Lenkung und wirtschaftlichem Handeln.

Die Chance liege nun darin, dass die Globalisierung weg vom Warenhandel in Richtung Dienstleistungshandel, Dienstleistungsexporte und vor allem auch in Richtung Direktinvestitionen voranschreite, sagt Wirtschaftsjournalist Dieter Beste. "Direktinvestitionen bedeuten, dass man marktnah produziert, und zwar im Markt für den jeweiligen Markt. Das sind Tendenzen, die sich weltweit abzeichnen, insbesondere auch im Verhältnis zwischen Deutschland und China."

Berichte über Wirtschaftsspionage

Die Debatten, ob eine Innovationspartnerschaft mit chinesischen Firmen sinnvoll ist, werden während der Messewoche von Berichten über chinesische Wirtschaftsspionage überschattet.

Eine deutsche Firma soll im Auftrag des chinesischen Sicherheitsministeriums bei deutschen Universitätseinrichtungen Technologien abgefasst haben, die in China militärisch genutzt werden könnten. Zwei Deutsche sitzen seit Dienstag in Untersuchungshaft. Seit der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste 1989 auf dem Tiananmen-Platz darf aufgrund des EU-Waffenembargos grundsätzlich keine Ausfuhrgenehmigung für Waffen an China ausgestellt werden.

"Ganz offen gesagt: Die Beziehungen waren schon mal besser", sagt Volker Treier von der Industrie- und Handelskammer. "Die volatile Weltlage hat sich auch auf die wirtschaftspolitische Beziehung zu China ausgewirkt. Trotz starken Gegenwinds: Wir müssen Kooperationsfelder ausbauen und systematisch weiterentwickeln", fordert Treier.

"Decoding China" ist eine DW-Serie, die chinesische Positionen und Argumentationen zu aktuellen internationalen Themen aus der deutschen und europäischen Perspektive kritisch einordnet.

 

Automesse Peking: Letzte Chance für deutsche Hersteller?

In keinem anderen Land werden so viele Elektroautos verkauft wie in China. Und in keinem anderen Land tobt derzeit ein vergleichbar erbitterter Preiskampf, um dabei die Nase vorn zu haben oder vorn zu halten. "Im April haben wir eine weitere Runde von Preissenkungen gesehen, der heftige Preiswettbewerb wird in den nächsten Jahren anhalten", sagte VW-Vorstandsmitglied Ralf Brandstätter vor der am Donnerstag beginnenden Automesse in Peking.

Dabei will sich Volkswagen laut Brandstätter in den kommenden beiden Jahren auf den anhaltenden Preiswettbewerb vorbereiten – und das Geschäft mit seinen E-Autos mit den nach wie vor gut laufenden Verkäufen von Verbrenner-Autos finanzieren. Das bedeute für Volkswagen allerdings auch zwei schwere Jahre. Dem stimmt der unabhängige Auto-Analyst Jürgen Pieper zu. "Der Volkswagen-Konzern steht in China gewaltig unter Druck und wird sich diesem sehr harten Preiswettbewerb stellen müssen. In rund zwei Jahren sollte man die Kurve kriegen. Aber das ist im Moment mehr Hoffnung als fester Glaube."

VW-Chef Oliver Blume auf der Automesse 2024 in Peking
VW-Chef Oliver Blume: Entscheidet sich in China das Schicksal des Konzerns? null Johannes Neudecker/dpa/picture alliance

BYD verkauft in China mehr Autos als VW

China ist der wichtigste Absatzmarkt der deutschen Autohersteller Volkswagen, Mercedes und BMW. Ein Absatzmarkt, den sie in der Vergangenheit mit ihren Verbrennern dominiert haben. Chinesische Hersteller konnten nie mit der historisch langen Tradition und der ausgereiften filigranen Technik von Autos "Made in Germany" mithalten. Nur sieht die Sache bei E-Autos nun anders aus. So hat etwa BYD Volkswagen als den Konzern, der im Reich der Mitte die meisten Autos verkauft, abgelöst.

BYD steht für "Build Your Dreams". Erwachsen sind die Träume auf der grünen Wiese der E-Mobilität. Ausgemalt und vergrößert wurden die Träume auch mithilfe staatlicher Subventionen. Doch mit mindestens ebenso viel Erfindergeist haben sich die Träume mittlerweile tatsächlich auf Chinas Straßen materialisiert. Softwareentwicklung und Technik treffen offenbar den Geschmack: BYD hat mittlerweile einen Marktanteil von 25 Prozent bei Elektroautos. Zum Vergleich: Der E-Auto-Pionier Tesla bringt es auf knapp 12 Prozent, Volkswagen bringt es nicht einmal mehr auf fünf Prozent. Und BYD hat technologisch mit seinen Batterien einen deutlichen Vorsprung.

Besucher betrachten einen Denza D9 am Stand des chinesischen Herstellers BYD auf der Automesse IAA 2023 in München
Wollen Europa und Deutschland erobern: Fahrzeuge von BYD, hier auf der Automesse in München im September 2023null Matthias Balk/dpa/picture alliance

Dabei ist diese Entwicklung in ihrer Brisanz kaum zu unterschätzen. Denn bereits in diesem Jahr erwartet man in China, dass der Anteil von E-Autos an allen verkauften Fahrzeugen bei rund 40 Prozent liegen wird. Im kommenden Jahr soll jedes zweite Auto, das in China verkauft wird, bereits ein Stromer sein.

Schwache Nachfrage nach E-Autos weltweit

Nicht nur für deutsche Autohersteller kommt erschwerend hinzu, dass in jüngster Zeit auch der vorher boomende Automarkt in China an Fahrt verloren hat. Dabei treffen die Auswirkungen dieser Entwicklungen die deutschen Hersteller unterschiedlich. Während Volkswagen derzeit am meisten zu kämpfen hat, sind Hersteller wie BMW oder Mercedes weniger betroffen. Sie sind eher im Markt für hochpreisige Modelle unterwegs - und da können sie, soweit abzusehen, mit anderen Herstellern mithalten.

Besucher drängen sich in den Hallen der Automesse Peking.
Gut besucht: Besucher drängen sich in den Hallen der Automesse Peking. null Johannes Neudecker/dpa/picture alliance

Beim E-Auto-Pionier Tesla warten dagegen mittlerweile viele produzierte Autos auf den Höfen auf Kaufinteressenten. Die vergleichsweise schwache Nachfrage in China und die Konkurrenz chinesischer Autobauer, die auch preiswertere Modelle in ihrem Angebot haben, führt zu Rabattschlachten bei den Herstellern, was die Margen stark eingrenzt.

Dabei schwächelt aber auch in Deutschland der Verkauf von Elektroautos. Im Nachgang der hohen Inflation halten sich Verbraucher mit dem Kauf von Neuwagen zurück, die Ladeinfrastruktur ist gelinde gesagt lückenhaft und dann sind E-Autos im Vergleich zu Verbrennern noch sehr teuer. Hinzu kommt die zuletzt schwächelnde Konjunktur, die die Nachfrage bremst und vergleichsweise hohe Zinsen, die die Finanzierung neuer Autos erschweren. Nach jüngsten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) ist die Zahl an Neuzulassungen reiner Elektroautos im ersten Quartal dieses Jahres um mehr als 14 Prozent zurückgegangen.

Der SU7 des chinesischen Handyherstellers Xiaomi steht auf der Automesse in China
Neuester Konkurrent: Xiaomi, eigentlich ein Smartphone-Hersteller, stellte unlängst sein E-Auto vor, den SU7. Er ist auch in Peking ein Blickfang. null Jörn Petring/dpa/picture alliance

Tesla und VW straffen Kosten

Auf den schleppenden Absatz seiner Fahrzeuge hat Tesla in den vergangenen Tagen reagiert: Sein exzentrischer Chef Elon Musk hat angekündigt, weltweit jede zehnte Stelle im Konzern abbauen zu wollen. Am Vorabend der Automesse in Peking hat Tesla den ersten Umsatzrückgang in einem Quartal seit vier Jahren ausgewiesen. Die Gewinne haben sich halbiert. Auch die Auslieferungen an neuen Fahrzeugen lagen im ersten Quartal dieses Jahres um knapp neun Prozent unter dem Vorjahr. Am vergangenen Wochenende hatte Tesla nochmals die Preise für einige seiner Modelle gesenkt.

Auch in Wolfsburg sieht man Handlungsbedarf im Unternehmen. So hat Volkswagen vor wenigen Tagen eine interne Mitteilung verschickt und angekündigt, die Personalkosten in der Verwaltung um 20 Prozent senken zu wollen. Erreichen will man das etwa durch eine Ausweitung von Altersteilzeit oder Abfindungen für jüngere Beschäftigte in der Verwaltung.

Die Neuordnung des Automarktes nimmt weiter Fahrt auf. Nächster Stopp: Die Automesse in Peking.

Studierende aus Indien gegen Fachkräftemangel in Deutschland

Deutschland kämpft mit einem kritischen Arbeitskräftemangel, der sich mit der alternden Bevölkerung immer weiter verschärft.  Prognosen gehen davon aus, dass 2035 bis zu sieben Millionen Fachkräfte fehlen würden.

Mit derzeit rund 700.000 unbesetzten Stellen ist das Wachstum in Deutschland von etwa zwei Prozent in den 1980er Jahren auf derzeit etwa 0,7 Prozent gesunken . Es würde weiter auf 0,5 Prozent fallen, wenn die deutsche Wirtschaft keine ausreichenden Fachkräfte finden würden, sagte der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Er betonte, dass die Zuwanderung von Fachkräften helfen könne, diese wachsende Kluft zu überbrücken.

Ein Teil der Lösung könnte dabei sein, den Studierenden aus Indien  die Erwerbstätigkeit in Deutschland zu ermöglichen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes studieren derzeit rund 43.000 junge Menschen aus Indien andeutschen Hochschulen.

"Internationaler Talentpool"

Indische Studierende in Deutschland sind dabei überdurchschnittlich häufig in IT- und Ingenieurstudiengängen eingeschrieben. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist neben Pflegeberufen der Bedarf an IT- und Ingenieurberufen besonders groß.

Deutschland stehe bei den Ingenieurwissenschaften traditionell international mit an der Spitze. Der hohe Anteil indischer Studierender der Fachrichtungen Informatik und Ingenieurwesen könne dem Land helfen, "diesen Vorsprung im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb zu halten", sagt Enzo Weber, Professor für Arbeitsmarktforschung an der Universität Regensburg.

"Der Staat kann den qualifizierten Einzelpersonen Perspektiven aufzeigen und gleichzeitig einen Pool an Talenten für den Arbeitsmarkt aufbauen", sagt Weber im Interview mit der DW. Dieser Schritt sei angesichts der alternden Bevölkerung und des Fachkräftemangels in Deutschland unerlässlich.

14 Prozent aller Studierenden in Deutschland kommen aus dem Ausland, sagt Michael Flacke vom Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Im DW-Interview sagt er, dass diese Gruppe von Studierenden die beste Chance auf eine dauerhafte Beschäftigung habe, weil sie bereits in Deutschland leben und die Sprache gelernt hätten. "Wir wissen aber auch, dass das Erlernen der deutschen Sprache, das Zurechtfinden im deutschen Hochschulsystem, das sehr stark auf Selbstständigkeit ausgerichtet ist, und der Übergang in den Arbeitsmarkt für internationale Studierende besonders herausfordernd ist."

Bundestag beschließt neues Einwanderungsrecht

Das deutsche Fachrkräfteeinwanderungsgesetz trat im November 2023 in Kraft. Bis zum Juni 2024 wird die Zuwanderung aus den Drittstaaten stufenweise vereinfacht.  Aber diese Herausforderungen würden weiter bestehen, so Arbeitsmarktforscher Weber. "Die Wirksamkeit des Gesetzes hängt daher auch von der praktischen Unterstützung bei der Integration ab."

Studienbegleitend arbeiten

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz erlaubt es internationalen Studierenden nun, 20 Stunden pro Woche zu arbeiten – doppelt so lang wie bisher.

Suryansh promoviert in Computational Materials Science und theoretischer Nanophysik an der TU Dresden. Im Gespräch mit der DW sagt der 35-Jährige, dass die neuen Gesetze die Arbeit für Studierende erleichtern würden.

"Wer Kompetenzen und Qualifikationen hat, bekommt ein anständiges Gehalt. Das Leben wird auch einfacher. Außerdem gibt es dann die Option, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten", sagte er und fügte hinzu, dass sich Möglichkeiten in einer Reihe von Bereichen erschließen würden, darunter High-Tech-Sektoren wie Halbleiter- und Quantencomputer-Technik.

"Nach dem, was ich gesehen habe, ist die Vermittlungsquote recht gut", und viele Leute in seinem Labor würden innerhalb von zwei bis drei Monaten ein Jobangebot erhalten.

Deutschland TU Dresden Suryansh
Suryansh aus Indien promoviert an der TU Dresdennull Pooja Yadav/DW

IT- und Ingenieurstudenten könnten der Industrie zum Erfolg verhelfen

Mohammad Rahman Khan, ein 26-jähriger Student aus Indien, hat sich für die Universität Hannover entschieden, um dort Mechatronik und Robotik zu studieren.

In Deutschland "gibt es nach meinen Beobachtungen im Vergleich zu anderen Branchen eine erhebliche Nachfrage bei technischen Berufen und Angeboten im Zusammenhang mit Programmierung", sagte er.

Professor Weber von der Universität Regensburg sieht ebenfalls, dass der deutsche Maschinenbau einen hohen Bedarf an Fachkräften erlebe, insbesondere angesichts des Wandels, der durch die Digitalisierung in Bereichen wie Maschinenbau und Energie vorangetrieben werde.

Neue Heimat Berlin - Die indische Community in Deutschland

"Angesichts des drohenden Arbeitskräftemangels wird der Zustrom internationaler Talente zu einem entscheidenden Faktor für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit", erklärt Weber und betont, wie wichtig es sei, Fachkräfte im technischen Sektor zu gewinnen und zu halten, um den Arbeitskräftebedarf der deutschen Industrie zu decken.

Deutschland muss noch viele Hürden überwinden

Riya Joseph ist 2023 aus dem südindischen Bundesstaat Kerala nach Deutschland gezogen, um an der TU Dresden im Fachgebiet Krebsforschung zu promovieren. Der Weg von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin zur Postdoc-Stelle in Deutschland sei "vielversprechend", sagt die 24-Jährige im Gespräch mit der DW.

"Dazu gehört es, von Ländern wie Kanada zu lernen, klare Kommunikationswege zu etablieren, rechtliche Formalitäten effektiv zu erledigen und Klarheit über den Verbleib nach dem Studium zu schaffen", so Professor Weber.

Darüber hinaus müsse Deutschland angesichts globaler Trends wie der alternden Erwerbsbevölkerung in den USA "die Einwanderungsgesetze konkurrenzfähig machen, Prozesse rationalisieren, vielfältige Visaoptionen anbieten und eine nahtlose Integration für internationale Studierende und Arbeitnehmer fördern", fügt Weber hinzu.

Aus dem Englischem adaptiert von Florian Weigand

 

Mount Everest: Klettersaison mit neuen Regeln und vielen Fragezeichen

Nicht umsonst nennen die Bergsteigerinnen und Bergsteiger am Mount Everest die heikle Passage "Ballsaal des Todes". Einem Damoklesschwert gleich bedroht von der westlichen Flanke ein mächtiger Hängegletscher die Route durch den Khumbu-Eisbruch. Vor zehn Jahren, am 18. April 2014, löste sich von dort eine Eislawine. 16 nepalesische Bergsteiger, die Material für die kommerziellen Expeditionen in die Hochlager tragen sollten, kamen bei dem Unglück ums Leben. Seitdem versuchen die "Icefall Doctors" - eine Gruppe von Sherpas, die auf den Eisbruch spezialisiert sind -, die Aufstiegsroute so weit wie möglich von der Westflanke entfernt zu legen. In diesem Frühjahr zwang sie jedoch der Klimawandel in den Ballsaal des Todes.

Es gab einfach keine Alternative. Zwei Versuche, einen weniger risikoreichen Weg zu finden, waren gescheitert. Der schneearme Winter in Nepal hatte in dem Eislabyrinth zu instabilen Eistürmen und Schneebrücken geführt. Außerdem hatten sich so breite Gletscherspalten gebildet, dass sie nicht mit Leitern überquert werden konnten. 

Jahr für Jahr richten die Icefall Doctors die Route durch den gefährlichen Eisbruch ein, sichern sie mit Seilen und halten sie während der Klettersaison bis Ende Mai instand. Erst wenn die Route bis hinauf nach Lager 2 auf 6400 Metern fertiggestellt ist, können die kommerziellen Teams aufsteigen. Die Zeit drängte. Rund zehn Tage später als ursprünglich geplant meldeten die acht Sherpas endlich Vollzug. Die Icefall Doctors warnten jedoch davor, dass es mindestens fünf gefährliche Stellen gebe, die man möglichst schnell passieren sollte. Das erinnert an Russisch Roulette.  

"Berg gewinnt an Dynamik"

Im vergangenen Winter waren sogar zwei über 5800 Meter hohe Pässe im Everest-Gebiet komplett schneefrei. Das sei "besorgniserregend", sagt der nepalesische Glaziologe Tenzing Chogyal Sherpa. "Die Daten zeigen, dass die Zahl der Schneetage, die Schneemenge und die Schneebedeckung abnehmen. Es gibt einen negativen Trend. Diese 'nackten‘ Pässe und Berge veranschaulichen, was gerade passiert." Die Gletscher schmelzen immer schneller, werden dünner und kürzer. Es bilden sich immer größere Gletscherseen, deren natürliche Dämme zu bersten drohen. Das geschah in dieser Woche am Achttausender Manaslu. Die anschließende Flutwelle richtete nur Sachschäden an. Glück gehabt.

Infografik Karte die 14 Achttausender.

Auch im Tal zu Füßen des Everest bilden sich immer mehr Tümpel aus Schmelzwasser. Bis hinauf zum Gipfel auf 8849 Metern sind Schnee und Eis auf dem Rückzug. Die Folge: erhöhte Steinschlaggefahr. Auch das Lawinenrisiko steigt, weil es immer wärmer wird. "Viele Menschen verlieren ihr Leben durch Lawinenabgänge. Der Berg gewinnt immer mehr an Dynamik", warnt Glaziologe Sherpa.

20 Prozent weniger Permits

"Die momentanen Schwierigkeiten am Khumbu-Eisbruch, um zu den höheren Camps zu gelangen, könnten einen Einfluss auf die gesamte Saison haben und womöglich Vorboten eines großen Unheils am Everest sein", fürchtet Norrdine Nouar. Der deutsche Bergsteiger aus dem Allgäu hat gerade - ohne Flaschensauerstoff - die 8091 Meter hohen Annapurna im Westen Nepals bestiegen, seinen zweiten Achttausender. Jetzt will er sich am höchsten Berg der Erde ohne Atemmaske versuchen. "Ich hoffe sehr, dass wir den letztjährigen traurigen Rekord an Toten am Everest nicht erneut brechen", sagt der 36-Jährige gegenüber dem Blog "Abenteuer Berg". Im Frühjahr 2023 waren am Mount Everest 18 Menschen - sechs Nepalesen und zwölf Kunden kommerzieller Teams - ums Leben gekommen, so viele wie noch nie zuvor in einer Saison. Die nepalesische Regierung hatte jedoch auch noch niemals so viele "Permits", Besteigungsgenehmigungen, für den Everest ausgestellt: 478. In diesem Jahr liegt die Zahl der Permits im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt 2023 gut 20 Prozent niedriger.

Basislager auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest.
Basislager auf der tibetischen Nordseite des Mount Everestnull Xiao Mi/dpa/picture alliance

Das kann, muss aber nicht auf ein nachlassendes Interesse am Everest hindeuten. Zum einen könnte es daran liegen, dass sich viele Everest-Kandidatinnen und Kandidaten inzwischen daheim in Hypoxie-Zelten vorakklimatisieren und deshalb später anreisen. Zum anderen dürfte auch eine Rolle spielen, dass der höchste Berg der Erde erstmals seit vier Jahren auch wieder von der tibetischen Nordseite aus bestiegen werden kann. Wegen der Corona-Pandemie hatten die chinesischen Behörden die Berge Tibets für ausländische Expeditionen gesperrt. Noch warten die Teams, die in diesem Frühjahr von Norden aus den Everest besteigen wollen, auf ihre Einreisegenehmigungen nach Tibet. Dem Vernehmen nach soll die Grenze erst am 7. Mai geöffnet werden. Die Everest-Saison auf der Nordseite endet am 1. Juni. Die chinesischen Behörden haben die Zahl der Permits auf 300 gedeckelt. Aufstiege ohne Flaschensauerstoff sind ab einer Höhe von 7000 Metern untersagt.

Tracking-Chips und Kotbeutel

Auch auf der nepalesischen Südseite gibt es neue Vorschriften. So müssen alle Bergsteigerinnen und Bergsteiger elektronische Tracking-Chips in ihren Daunenjacken eingenäht haben. Sie sollen die Suche erleichtern, sollte jemand am Berg vermisst werden. Das System hat sich bei Lawinensuchen in den Alpen bewährt. Experten bezweifeln allerdings, dass damit auch im Gipfelbereich des Mount Everest die Sicherheit erhöht werden kann. Bei Eislawinen, so Lukas Furtenbach, Chef des österreichischen Expeditionsanbieters Furtenbach Adventures, reduziere sich die Reichweite des Systems erheblich. "Besser wäre, die Guides [Bergführer - Anm. d. Red.] würden ihre Kunden nicht alleine lassen", sagt Furtenbach. "Dann wäre das Problem gelöst."

Pflicht ist in diesem Jahr erstmals auch, "Poo bags" auf den Berg mitzunehmen, zu benutzen und wieder herunterzubringen. Die speziell für den Outdoor-Bereich entwickelten Kotbeutel sind dicht verschließbar. Ihre Innenseite ist mit einer Mischung aus Geliermitteln, Enzymen und geruchsneutralisierenden Substanzen beschichtet. Diese sorgen dafür, dass die Fäkalien gebunden und der Gestank reduziert wird. Die nepalesische Umweltschutzorganisation Sagarmatha Pollution Control Committee (SPCC), die für das Management des Everest-Basislagers zuständig ist und auch die Icefall Doctors beschäftigt, soll dafür sorgen, dass die Regel eingehalten wird. Das SPCC schätzt, dass zwischen Lager 1 auf 6100 Metern und Lager 4 am Südsattel auf knapp 8000 Metern insgesamt rund drei Tonnen Exkremente liegen - die Hälfte davon am Südsattel, dem letzten Lager vor dem Gipfel des Mount Everest. Da die Schneeauflage zunehmend schwindet, stinkt es dort buchstäblich zum Himmel. Der Südsattel läuft Gefahr, zum "Ballsaal des Kots" zu werden.

Vertuschter Dopingskandal in Chinas Schwimmsport?

Ein möglicher weiterer großer Dopingskandal erschüttert den Weltsport, weniger als 100 Tage vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August).

Was ist geschehen?

Nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion und der US-Zeitung "New York Times" wurden bei einem Schwimmwettkampf im Januar 2021 in Shijiazhuang, der Hauptstadt der nordchinesischen Provinz Hebei, 23 chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet. Die chinesische Anti-Doping-Agentur CHINADA stufte das Ergebnis jedoch nicht als konkreten Verdachtsfall ein, die Aktiven durften weiter starten. Begründung: Es habe sich um niedrige Konzentrationen und schwankende Werte gehandelt, so die CHINADA. Die chinesischen Schwimmerinnen und Schwimmer seien Opfer einer "Massenkontamination" in der Küche des Teamhotels geworden, so die offizielle Erklärung der CHINADA.

Die ARD-Dopingredaktion ließ die chinesische Version in einem Experiment in einem deutschen wissenschaftlichen Fachlabor nachstellen und überprüfen. Ergebnis: Es hätte so sein können, ist aber extrem unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher sei, dass die Aktiven die Dopingsubstanz bereits Wochen vorher eingenommen hätten.

Um welche Schwimmerinnen und Schwimmer geht es?

Die 23 betroffenen Aktiven gehörten zum Schwimm-Nationalkader Chinas, einige von ihnen zählen inzwischen zur Weltelite. Drei von ihnen gewannen 2021 bei den Olympischen Spielen in Tokio Gold: Zhang Yufei wurde sogar Doppel-Olympiasiegerin (200 Meter Schmetterling, 4x200-Meter-Freistilstaffel), Wang Shun gewann Einzelgold (200 Meter Lagen der Männer), Yang Junxuan Staffel-Gold (4x200-Meter-Freistilstaffel der Frauen). Ebenfalls betroffen war Qin Haiyang, Vierfach-Weltmeister 2023.

Chinas Schwimmer Qin Haiyang feiert seinen Sieg über 200 Meter Brust bei der WM in Fukuoka, indem er mit den Armen ins Wasser schlägt.
Qin Haiyang wurde nach seinen vier WM-Titeln von Fukuoka zum "Weltschwimmer des Jahres 2023" gekürtnull Zhang Xiaoyu/Xinhua News Agency/picture alliance

Drei der positiv getesteten Aktiven waren zum Zeitpunkt der Dopingkontrolle in Shijiazhuang noch minderjährig, zwei von ihnen - damals 15 Jahre alt - wurden später Staffelweltmeisterinnen: Wang Yichun (2023) und Yu Yiting (2024).

Um welches Dopingmittel handelt es sich?

Trimetazidin ist ein Wirkstoff, der in Medikamenten gegen die Herzkrankheit Angina Pectoris verwendet wird. Die Substanz sorgt dafür, dass die Muskeln besser mit Energie und Sauerstoff versorgt werden, sie begünstigt zudem den Muskelaufbau. Trimetazidin ist bei der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA seit 2014 als verbotene Substanz gelistet. Sie wird als Dopingsubstanz vor allem in Ausdauer- und Kraftsportarten genutzt.

2014 wurde der damalige chinesische Schwimmstar Sun Yang, Doppe-Olympiasieger von London 2012, positiv auf Trimetazidin getestet und drei Monate gesperrt. Auch im Dopingskandal um die damals erst 15 Jahre alte russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking ging es um diesen Wirkstoff. Der Internationale Sportgerichtshof CAS sperrte Walijewa 2024 rückwirkend für vier Jahre. Russland verlor deswegen die Goldmedaille im Team-Wettbewerb, weil die junge Eiskunstläuferin damals zur siegreichen Mannschaft gehört hatte.

Hat die WADA den Fall vertuscht?

Normalerweise werden Athletinnen und Athleten, die unter Dopingverdacht stehen, umgehend suspendiert, bis die Vorwürfe geklärt sind. Im aktuellen Fall durften die chinesischen Aktiven jedoch weiterhin an Wettkämpfen teilnehmen. Die WADA erklärte, sie sei im Juni 2021 von der CHINADA über den Vorgang informiert worden und habe ihn mehrere Wochen lang "sorgfältig überprüft". Wegen der Corona-Pandemie habe sie dies nicht vor Ort tun können. Am Ende, so die WADA, habe man die Theorie der Kontamination im Teamhotel nicht widerlegen können und konstatiert, "dass sie mit den analytischen Daten in der Akte vereinbar war". Den Athletinnen und Athleten habe "keine Schuld oder Fahrlässigkeit" angelastet werden können.

Die WADA sah zunächst keine ausreichenden Beweise, um neue Ermittlungen einzuleiten. Sie behielt sich wegen der so wörtlich "irreführenden Informationen" rechtliche Schritte gegen die beteiligten Medien vor.

Inzwischen aber hat der Weltdoping-Agentur einen unabhängigen Staatsanwalt eingeschaltet, um ihren Umgang mit den Vorfällen untersuchen zu lassen. Darüber hinaus kündigte die globale Aufsichtsbehörde an, ein "Compliance-Team" nach China zu entsenden, um "den aktuellen Stand des Anti-Doping-Programms des Landes" zu bewerten. Ein Schuldeingeständnis ist das freilich nicht. 

"Wir weisen die falschen Anschuldigungen weiterhin zurück und freuen uns, dass wir diese Fragen in die Hände eines erfahrenen, angesehenen und unabhängigen Staatsanwalts legen können", sagte WADA-Präsident Witold Banka in einer Erklärung. Der ehemalige Schweizer Staatsanwalt Eric Cottier soll die Vorfälle untersuchen und dazu "vollen und uneingeschränkten" Zugang zu allen Akten und Dokumenten zu dem Fall erhalten.

Wie reagiert die Sportwelt?

Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA, spricht in der ARD-Dokumentation von "schockierenden Enthüllungen" und einem "Messer im Rücken aller sauberen Athleten". Er wirft der WADA und der CHINADA vor, die positiven Tests unter den Teppich gekehrt zu haben. Nach seiner Meinung hätten die Aktiven zumindest vorläufig suspendiert werden müssen.

Das sehen die Athletenvertretungen "Global Athlete" und "Fair Sport" genauso und fordern eine rasche Aufklärung. Wenn die Vorwürfe zuträfen, handele es sich um "ein weiteres katastrophales Versagen des globalen Anti-Doping-Systems und unterstreicht die Notwendigkeit, die WADA-Struktur aufzulösen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Organisationen.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser, in der deutschen Regierung zuständig für den Sport, sieht die WADA in der Pflicht. "Wenige Monate vor den Olympischen Spielen muss der im Raum stehende Verdacht des Wegschauens oder gar Vertuschens schnellstens umfassend aufgeklärt werden", sagte die SPD-Politikerin. Christian Hansmann, Leistungssportdirektor des Deutschen Schwimmverbands (DSV), sprach von "beunruhigenden" Nachrichten aus China und forderte "gegebenenfalls auch Konsequenzen - nur so kann die Integrität des Sports gewahrt werden".

Das chinesische Außenministerium wies den ARD-Bericht als "Fake News" zurück. Es habe "weder ein Verschulden noch Fahrlässigkeit" vorgelegen.

Was bedeutet der Fall für die Olympischen Spiele in Paris?

Solange sich die WADA weigert, neue Ermittlungen einzuleiten und damit einen begründeten Dopingverdacht einzugestehen, können alle 23 betroffenen chinesischen Schwimmerinnen und Schwimmer theoretisch bei den Spielen in Paris starten.

Chinas Schwimmern Zhang Yufei mit ihren vier Olympia-Medaillen von Tokio
Zhang Yufei könnte, Stand jetzt, ihre Titel von Tokio verteidigen - wenn sie sich für Paris qualifiziertnull Xu Chang/Xinhua News Agency/picture alliance

Noch bis zum kommenden Samstag (27. April) laufen in der Stadt Shenzhen im Südosten des Landes die chinesischen Schwimm-Meisterschaften. Dabei werden nicht nur die nationalen Titel vergeben, sondern auch die Olympia-Tickets für Paris.

Was macht europäischer Müll auf südostasiatischen Deponien?

Länder in Südostasien, darunter Malaysia, Vietnam, Thailand und Indonesien, haben mit illegalen Abfalllieferungen aus den Industrienationen zu kämpfen. Ein großer Teil davon kommt aus Europa.

In einem neuen UN-Bericht werden die Wege des Abfallhandels von Europa nach Südostasien nachgezeichnet. Kriminelle Akteure nutzen demnach Schlupflöcher und legale Unternehmensstrukturen und machen den Handel mit Müll so zu einem der wichtigsten Verbrechen gegen die Umwelt. Eine oft wirkungslose Umsetzung gesetzlicher Regelungen und die geringen Strafzahlungen im Fall einer Entdeckung ermutigen die Händler. Somit ist die Versuchung groß, schnelle Gewinne zu machen.

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission sind 15 bis 30 Prozent der Abfalllieferungen aus der EU illegal. Die illegalen Einnahmen daraus bewegen sich jährlich in Höhe mehrerer Milliarden Euro. "Sobald Abfall unrechtgemäß entsorgt wurde, wird er das Problem von uns allen", sagt Masood Karimipour, Regionalrepräsentant für Südostasien und Pazifik des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, der DW. "Die Dringlichkeit, mit der gegen den Abfallhandel vorgegangen werden muss, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden."

Gegen Plastikmüll: Nachfüllen statt Wegwerfen

Dem UN-Bericht zufolge importierten die ASEAN-Länder in den Jahren 2017 bis 2021 mehr als 100 Millionen Tonnen Metall-, Papier- und Plastikabfall mit einem Wert von fast 50 Milliarden US-Dollar (47 Milliarden Euro).

Indonesien, Epizentrum des Abfallhandels

Global hat sich der Handel mit Abfällen in den vergangenen Jahren stark verändert. China hatte im Jahr 2018 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Einfuhr unerwünschten Mülls in das Land zu unterbinden. Das führte zu einer Umlenkung der weltweiten Abfallströme, insbesondere nach Südostasien.

Länder wie Indonesien wurden so zu bevorzugten Zielländern sowohl für legalen, als auch für illegalen Abfall. "In Indonesien besteht kein Umfeld, das Nachhaltigkeit bei Konsum, Produktion und Recycling fördert", erläutert Yuyun Ismawati, leitender Berater bei der regierungsunabhängigen Organisation Nexus3 Foundation, der DW.

Papier- und Plastikmüll wurde seit 2018 hauptsächlich aus westeuropäischen Ländern nach Indonesien verschifft, so die indonesische Statistikbehörde. Wie Nexus3 herausfand, ist das Altpapier häufig mit Plastikabfällen verunreinigt. In Regionen wie Java oder Sumatra stellt das eine alarmierende Bedrohung für Umwelt und Gesundheit dar.

Blick auf qualmende Fabrikschornsteine vor Feldern
Hier werden Plastikabfälle als Brennstoff genutzt; die Giftstoffe gelangen ungefiltert in die Luftnull Yuyun Ismawati/2024

Problematische Kunststoffe werden häufig weggeworfen oder von den Unternehmen, die Altpapier importieren, den Gemeinden vor Ort überlassen, die dann das Plastik unreguliert sortieren und verbrennen. Bei der Verbrennung werden Dioxine und gefährliche Chemikalien in alarmierender Konzentration freigesetzt, die letztlich auch ihren Weg in die menschliche Nahrungskette finden.

Bei vielen Dorfbewohnern führen der Rauch und die vergifteten Nahrungsmittel zu Erkrankungen der Atemwege und des Verdauungssystems bis hin zu Krebserkrankungen. Oft sehen sie sich gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen.

Ein profitables Geschäft

Trotz seiner negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt bleibt der Abfallhandel in Südostasien ein äußerst lukratives kriminelles Geschäft, dem nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wie Serena Favarin, Kriminologin an der Universita Cattolica del Sacro Cuore in Italien ausführt, umgehen die Händler mit ausgeklügelten Methoden und Lieferketten die Kontrollen, um die Abfälle in andere Länder zu verbringen, in denen die Vorschriften weniger streng und die Strafen für die illegale Abfallentsorgung deutlich niedriger sind.

"Dieses Verbrechen wird nicht in allen Ländern gleichermaßen verfolgt. Das führt zu einem unterschiedlichen Umgang mit den Abfällen", sagt sie der DW. In vielen Zielländern fallen die Regelungen zum Abfallhandel nicht unter das Strafrecht, sondern unter zivil- und verwaltungsrechtliche Vorschriften. Selbst wenn illegale Abfallhändler die Vorschriften unverhohlen und wiederholt umgehen, sind die Strafen häufig gering. Für die Händler bleibt es also ein lohnendes Geschäft.

Es fehlen internationale Regelungen

In vielen Gemeinden führt der illegale Abfallhandel zu zahlreichen Problemen. Experten sind sich einig, dass die Abfallverwertung gut reguliert werden muss. So könnten Umweltschäden vermieden und die Kreislaufwirtschaft durch Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling gestärkt werden.

In Asien und Europa bemühen sich daher einzelne Länder und internationale Strafverfolgungsbehörden, die Lücken zu schließen, in denen kriminelle Unternehmer agieren und den Wirtschaftskreislauf stören können.

Ein Strand voller Plastikmüll
Illegal deponierte Abfälle werden auch an die Strände in Touristenregionen gespültnull Johannes Panji Christo/Anadolu/picture alliance

"Es ist wichtig, die transnationale Dimension zu stärken und die Regelungen der einzelnen Länder aneinander anzugleichen. Das erleichtert die Diskussionen", meint Favarin. Eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen würde die Verabschiedung strengerer Gesetze und die Verhängung härterer Strafen für Verbrechen im Zusammenhang mit dem Abfallhandel erleichtern.

Gegenwärtig überarbeitet die EU ihre Regelungen zur Abfallverbringung, um die Zahl problematischer Exporte zu verringern und die Durchsetzung der Regelungen zu verbessern. Voraussichtlich werden diese Änderungen Ende des Monats verabschiedet.

Auch neue Technologien können beim Schutz der Umwelt nützlich sein, wie Favarin erklärt: "Drohnen- oder Satellitenaufnahmen können dabei helfen, große Abfallmengen oder Abfallberge in bestimmten Regionen zu erkennen und illegale Deponien oder Feuer in geschützten Gebieten zu identifizieren."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Wahlen in Indien: Parteien werben um Expats

"Wenn ich könnte, würde ich die BJP (Bharatiya Janata Party) wählen", erklärt der 26-jährige Robin S. Aufmerksam verfolge er, was in seiner Heimat Indien passiere, sagt der derzeit in Würzburg lebende Luftfahrttechniker der DW. "Denn ich bin Inder, wo immer ich lebe."

Gefragt, warum er die BJP unterstütze, hält Robin S. kurz inne. Dann nennt er die Initiativen der hindu-nationalistischen Partei zur Verbesserung der nationalen Sicherheit, der wirtschaftlichen Digitalisierung und der Infrastruktur in seinem Heimatland.

"Trotz Krisen wie der COVID-19-Pandemie und des Russland-Ukraine-Krieges hat die BJP die Inflation wirksam unter Kontrolle gebracht", sagt Robin S. Gleichzeitig, räumt er ein, gebe es noch Raum für Verbesserungen.

 Portraitfoto von Robin S., hier vor der alten Mainbrücke in Würzburg
Kritischer Sympathisant des Premiers: Robin S., hier vor der alten Mainbrücke in Würzburgnull Shristi Mangal Pal/DW

Wahlhelfer aus dem Ausland

Am 19. April haben im bevölkerungsreichsten Land der Welt, die sich über Monate hinstreckenden Parlamentswahlenbegonnen. Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Premierminister Narendra Modi, der Frontmann der BJP, hofft auf eine dritte Amtszeit.

Modi wie auch seine Rivalen hoffen auch auf die Unterstützung der indischen Gemeinden im Ausland. Allerdings dürfen nicht ortsansässige Inder (NRI) wie Robin S. nach indischem Recht nicht im Ausland wählen. Sie müssen sich für die Wahl registrieren lassen und am Wahltag physisch in Indien präsent sein.

Nur um der Wahlen willen in die Heimat zu reisen, stellt für viele Inder einen enormen Aufwand dar. Viele seien allerdings bereit, in ihrem jeweiligen Aufenthaltsland Kundgebungen, Gemeindeversammlungen oder religiöse Aktivitäten wie Gebete für Modis dritte Amtszeit zu organisieren, sagt Vijay Chauthaiwale, der BJP-Chefkoordinator für Auslandsangelegenheiten.

"Indische Gemeinschaften mobilisieren derzeit Autokorsos in Frankreich, London sowie in zehn Städten in den USA", so Chauthaiwale zur DW. "Durch London sind rund 250 Autos gezogen, geschmückt mit der indischen Flagge und Bildern von Premier Modi."

Einige NRIs seien auch bereit, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich am Wahlkampf der BJP zu beteiligen, so der Politiker. "Die meisten von ihnen haben immer noch eine starke Bindung an das Mutterland. Sie glauben, dass eine Machtübernahme durch die BJP gut für das Land und damit auch für sie selbst ist", fügt er hinzu. 

Wahlkampf: Indiens Parteien setzen auf Influencer

Nationalisten gewinnen an Einfluss

In der Wahlsaison sei die indische Diaspora von mehr als nur symbolischer Bedeutung, sagt Sanjay Ruparelia, Professor an der Universität von Toronto.

"In der Diaspora lebende indische Staatsbürger können etwa eine Finanzierungsquelle für Parteien sein", sagt er im DW-Gespräch.

Zwar sei der Einfluss der Diaspora über lange Zeit marginal gewesen, räumt der Politologe ein. Das habe sich allerdings seit der Machtübernahme durch Modi im Jahr 2014 geändert. Denn inzwischen erhielten die BJP und die "Sangh Parivar" - ein Netzwerk nationalistischer Hindu-Organisationen - politische und finanzielle Unterstützung von Gruppen in der Diaspora.".

"Darüber hinaus steuert die Diaspora jährlich Milliardenbeträge an Überweisungen bei", so der Analyst. Ein erheblicher Teil dieser Gelder fließ in kulturelle, von politischen Parteien gesponserte Initiativen.

Modi beliebt bei Auslandsindern

Chauthaiwale von der BJP hingegen bestreitet vehement, dass die Partei nennenswerte Mittel von im Ausland lebenden Indern erhalte.

"Die BJP organisiert keine Spendenkampagnen für die NRIs", sagt er. Akzeptiert würden nur individuelle Kleinstspenden. "Die größten Beiträge, die die Diaspora-Inder der BJP zukommen lassen, sind Zeit, Energie und Fachwissen".

Auf die indische Diaspora hat Modi erheblichen Einfluss. Die im Ausland lebenden Inder kämen häufig zusammen, um Modis Reden während der diplomatischen Reisen des Premierministers persönlich zu hören, sagt Ruparelia.

"Modis internationalen Reisen, seine Treffen mit ausländischen Staatsoberhäuptern und großen Versammlungen tragen dazu bei, sein Image als beeindruckender Staatsmann innerhalb und außerhalb Indiens zu festigen."

Der indische Premier Narendra Modi bei einer Wahlkampfrede, März 2024
Im Wahlkampf: der indische Premier Narendra Modi, März 2024null Altaf Qadri/AP Photo/picture alliance

Indien "ausgesprochen polarisiert"

Kritiker werfen dem indischen Premier vor, er verfolge eine hindu-nationalistische Agenda. Diese drohe Indiens säkulares Fundament zu untergraben, den Raum für religiöse Minderheiten, insbesondere Muslime, zu verkleinern und das Land näher an eine hinduistische Nation heranzuführen.

Indiens "lebendige Demokratie" werde im Westen oft einer unfairen Prüfung unterzogen, sagt demgegenüber die in Hamburg lebende Politologin Amrita Narlikar. Dadurch werde auch die Diaspora in die Defensive gedrängt.

Junge und gebildete indische Auswanderer wie Robin S. sind sich der Kritik, die die BJP im Westen erfährt, durchaus bewusst. Doch Robin bleibt ein BJP-Anhänger und hofft, dass seine Familie, die ebenfalls die BJP unterstützt, in Indien wählen geht. Denn bei den Wahlen stehe viel auf dem Spiel.

Dennoch hat er jetzt einige Vorbehalte gegenüber der Regierungspartei. "Mir ist klar geworden, dass die Partei nicht ohne Fehler ist", sagt Robin S. "Seit der BJP gibt es einen Anstieg extremistischer Stimmungen religiöser ebenso wie auch politischer Art. Unsere Gesellschaft ist im Moment ziemlich polarisiert."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Afghanische Flüchtlinge und ihr Problem mit Indien