Flut in Afghanistan: Langfristige Hilfe dringend nötig

Bei den schweren Überschwemmungen im Norden Afghanistans sind vergangene Woche mindestens 315 Menschen ums Leben gekommen. Noch immer wird im Schlamm und unter den Trümmern nach Vermissten gesucht. Nach Angaben der Taliban-Regierung wurden mehr als 1600 Menschen verletzt. Tausende Häuser wurden beschädigt.

Auf die Wassermassen folgte die Hitze. "Die Temperaturen sind in einigen Gebieten auf über 30 Grad gestiegen. Viele Orte sind mit Schlamm bedeckt. Der trocknet, wird fest und ist nur schwer zu beseitigen. Einige Gebiete sind aufgrund zerstörter Straßen nur schwer erreichbar", berichtet Thomas ten Boer in einem Telefonat mit der DW aus der afghanischen Hauptstadt Kabul. Thomas ten Boer ist der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Afghanistan. "Wir versuchen, die Überlebenden mit Essen und Trinkwasser zu versorgen", sagt er und fügt hinzu, dass derzeit nicht mehr möglich sei.

Afghanistan Samangan | Sturzflut
Einige Gebiete sind aufgrund zerstörter Straßen nur schwer erreichbarnull Atif Aryan/AFP/Getty Images

Die Naturkatastrophen haben die Lebensgrundlage vieler Familien, die vor allem von der Landwirtschaft leben, völlig zerstört. Die Menschen benötigen dringend langfristige Hilfe. "Nach unseren ersten Schätzungen wurden bei den schweren Sturzfluten mehr als 10.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche zerstört", sagt Latif Nazari, stellvertretender Wirtschaftsminister der Taliban-Regierung, im Gespräch mit der DW. "Humanitäre Hilfe darf nicht an politische Forderungen geknüpft werden", fordert er und fügt hinzu, dass die Regierung in Kabul die UN und internationale NGOs kontaktiert und alle internationalen Geber um finanzielle und technische Unterstützung gebeten habe.

Wegen Klimawandel immer mehr Naturkatastrophen  

Die jüngste Naturkatastrophe hat die seit Jahren andauernde humanitäre Notlage in Afghanistan weiter verschärft. Schwere Erdbeben und Überschwemmungen suchten das Land bereits zu Beginn des Jahres heim. Afghanistan ist auf extreme Wetterereignisse wie Dürren oder plötzlich einsetzenden Starkregen nicht vorbereitet. Die aber haben in den letzten Jahren zugenommen. Das Land ist von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen, zugleich aber auch besonders schwach aufgestellt, um diese Folgen abzumildern. Dabei sind laut Afghanistan-Experten bis zu 80 Prozent der Bevölkerung auf die Landwirtschaft angewiesen.

Hinzu kommen andere Notstände, wie zum Beispiel die erzwungene Rückkehr von mehr als einer halben Million Afghanen aus Pakistan und regelmäßige Ausweisungen von größeren Gruppen Geflüchteter aus dem Iran,  sowie der Wegfall vieler Einkommensmöglichkeiten nach dem Rückzug internationaler Organisationen seit der Machtübernahme der Taliban.

Nach Angaben der Vereinten Nationen leben 97 Prozent der afghanischen Bevölkerung in Armut. Etwa 23,7 Millionen der 40 Millionen Einwohner sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, um zu überleben; sechs Millionen Menschen stehen am Rande einer Hungersnot. Allein für die Unterstützung der Grundbedürfnisse, insbesondere der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie etwa Kinder, werden in diesem Jahr Mittel in Höhe von 3,06 Milliarden US-Dollar benötigt.

Investieren in Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft

"Bis April waren nur knapp acht Prozent der für 2024 geschätzten Bedarfe für humanitäre Not- und Katastrophenhilfe in Afghanistan gedeckt", schreibt Katja Mielke, Afghanistan-Expertin vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) auf Anfrage der DW. Den Geberländern unter Federführung der Vereinten Nationen ist bewusst, dass in die Resilienz und die Widerstandfähigkeit der afghanischen Gesellschaft investiert werden muss. Es gibt Maßnahmen zur Ernährungssicherung, Wasserversorgung und Gesundheitsversorgung, die vor Ort über internationale und lokale Organisationen umgesetzt werden könnten.

Afghanistan Überschwemmungen durch Starkregen
Extreme Wetterereignisse zerstören die Lebensgrundlage vieler armer Familien in Afghanistannull EPA

"Aufgrund der Unterfinanzierung können aber nur wenige der Bedürftigen erreicht werden", betont Mielke weiter und fügt hinzu: "Auf strategischer Ebene ist es notwendig, die Sanktionen zeitnah aufzuheben und die eingefrorenen Staatsdevisen freizuschalten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dadurch könnten Anreize gesetzt werden, damit afghanische Unternehmer langfristig strukturbildend wirtschaften und investieren können."

Auf operativer Ebene könnte das Prinzip der staatsfernen, aber bevölkerungsnahen Unterstützung, das von vielen Geberländern, einschließlich Deutschland, angestrebt wird, am besten durch direkte Zusammenarbeit mit den Gemeinden umgesetzt werden. "Vertreter und Vertreterinnen der lokalen Gemeinden kennen ihre eigenen Bedürfnisse am besten und können idealerweise sicherstellen, dass die Verteilung bedarfsgerecht erfolgt und auch Frauen nicht ausgeschlossen werden", so die BICC-Expertin.

Lage der Frauen in Afghanistan verschlechtert sich stetig

Sommerwärme für den Winter: Welche Speicher gibt es?

Einige saisonale Wärmespeicher sind schon in Betrieb. In Marstal in Dänemark zum Beispiel wird ein großes Wasserbecken im Sommer mit solarthermischen Kollektoren aufgeheizt. Dieser Speicher deckt im Winter die  Hälfte des Heizbedarfsder rund 2000 Einwohner. Immer mehr Varianten solcher Wärmespeicher werden derzeit gebaut, nicht nur in Europa. Welche Techniken gibt es und wie funktionieren sie?

Große Wasserbecken als Speicher: Praktisch für Fernwärme

Für Erdbecken-Wärmespeicherwerden große Gruben im Boden ausgehoben und mit Folien abgedichtet. Bei rund einem Hektar Fläche werden dann etwa etwa 70.000 Kubikmeter Wasser eingefüllt.

Das Wasser wird auf bis zu 90 Grad erwärmt durch solarthermische Anlagen,Abwärme aus Fabriken oder Müllverbrennungsanlagen. Eine gedämmte Abdeckung sorgt dafür, dass im Jahr nur rund zehn Prozent der gespeicherten Wärme verloren geht. Im Winter fließt das warme Wasser aus dem großen Speicher ins Fernwärmenetz und heizt Wohnungen. 

Bisher gibt es sechs große Erdwärmespeicher in Dänemark, einen in Tibetund drei werden derzeit in Deutschlandund Polengebaut. Das Interesse an der Speichertechnik wächst.

Neben Becken an der Erdoberfläche können beispielsweise auch stillgelegte unterirdische Kohlebergwerke als Wasser-Wärmespeicher genutzt werden. Im Ruhrgebiet in Deutschland wird schon ein Grubenwärmespeicher in einem alten Bergwerksschachterprobt.

Vor- und Nachteile: Große Erdbeckenspeicher speichern günstig überschüssige Wärme für den Winter. Sie eignen sich gut für Fernwärmenetze. Die Baukosten sind relativ niedrig, allerdings braucht man genug Platz für die Becken.

Energieeffizienz: Hoch. Nur rund zehn Prozent der Wärme geht pro Jahr verloren. 

Wo einsetzbar? Überall.

Großer Wärmetank: Speicher direkt im Haus

Auch große Wassertanks in Gebäuden können Wärme über Monate speichern. Dafür werden beim Neubau in die Gebäudemitte Stahltanks mit bis zu 260 Kubikmeter eingebaut. Sie können mehrere Stockwerke hochsein und sind sehr gut isoliert.

Im Vergleich zu den Erdwärmespeichern sind die Investitionskosten rund zehn Mal höher. Denn Stahltanks sind teurer und die Gebäude müssen speziell dafür gebaut werden. Ein Speicher mit 50 Kubikmeter kostet inklusiver großer Solaranlage etwa 170.000 Euro.

 

Neubausiedlung mit großen Solarthermiekollektoren auf dem Dach. Frankfurt am Main
Sehr günstig wohnen in Frankfurt: Solare Wärme wird hier in großen Wassertanks im Haus für den Winter gespeichertnull DW/G. Rueter

Dieser Gebäudekomplex (Foto) in Frankfurt hat mehrere Tanks für insgesamt 50 Kubikmeter Wasser. Durch die Solarthermieanlage auf dem Dach werden die Speicher im Sommer auf bis zu 80 Grad aufgeheizt. Im Winter werden damit 56 Wohnungen mit Wärme versorgt.Als zusätzliche Heizung gibt es noch eine Wärmepumpe.

Vor- und Nachteile: Wärmespeicher im Haus sind praktisch, gut isoliert und sparen zusätzliche Leitungen. Die Gebäude können so weitgehend nur mit der Sonnenkraft beheizt werden. Das Heizen wird so sehr preiswert. Doch die Mehrkosten schrecken viele Bauherren ab.

Energieeffizienz: Sehr hoch: Der Wärmespeicher ist mitten im Haus und es geht kaum Wärme verloren.

Wo einsetzbar:  In neuen Gebäuden weltweit.

Erdwärmespeicher am Gebäude: Gut für Wärmepumpen

Statt in Wasser kann auch Erdreich die Wärme speichern. Das geht auch bei bestehenden Gebäuden. Dazu werden Wasserrohre in der Erde verlegtund das Erdreich an den Seiten und nach oben gedämmt.

Im Sommer wird die Erde durch heißes Wasser aus einer Solarthermieanlage aufgewärmt. Im Winter nutzt dann eine Wärmepumpe diese gespeicherte Erdwärme zum Heizen.

Mehrfamilienhaus in Berlin aus den 1920er Jahren. Unten in der Erde befinden sich Rohre. Die sind grafisch eingezeichnet.
Die Erdwärme-Speicherung vor einem alten Berliner Mietshaus (schematische Darstellung) funktioniert auch im kalten Winter. Diese Speicher können nachträglich gebaut werdennull BWP/eTank

Dieser Berliner Wohnkomplex aus den 1920er Jahren (Foto) heizt mit einem solchen Erdwärmespeicher. 

Vor- und Nachteile: Der Einbau ist nachträglich möglich. Neben dem Haus wird allerdings etwas Platz gebraucht, um Rohre in die Erde zu verlegen: Etwa 40 Quadratmeter Fläche reicht für ein Einfamilienhaus, entsprechend mehr Platz braucht man für größere Gebäude.

Energieeffizienz: Hoch. Wärmepumpen arbeiten auch an sehr kalten Wintertagen sehr effizient mit dieser Erdwärme. 

Wo einsetzbar? Überall wo es genügend Platz neben dem Gebäude gibt.

Saisonaler Speicher mit Wasserstoff: Eine Option für Stadtwerke

Auch mit Hilfe von Wasserstoff kann Wärme gespeichert werden. Die Technik gibt es bereits in einigen Gebäuden. Der Wasserstoff kann zum Beispiel durch überschüssigem Solarstrom erzeugt werden. In Mitteleuropa etwa produzieren Photovoltaikanlange im Sommer bis zu sieben Mal mehr Strom als im dunklen Winter. 

Mit überschüssigen Solarstrom wird im Sommer in einer Elektrolyse Wasserstoff erzeugt. Der wird in Druckflaschen gespeichert. Im Winter wird der Wasserstoff dann per Brennstoffzelle wieder zu Strom und Wärme, um Gebäude zu versorgen.

In Zukunft könnte Wasserstoff knapp neun Prozent im deutschen Fernwärmenetz ausmachen, das zeigen langfristige Szenarien, die im Auftrag der Bundesregierung berechnet wurden. Gespeichert werden soll der Wasserstoff dann vor allem in großen unterirdischen Salzkavernen. Derzeit wird dort noch Erdgas für den Winter gespeichert.

Gewerbehaus für Bad und Heiztechnik. Auf dem Dach und an der Fassade sind Solarkollektoren. Das energieautarke Haus bei Bonn nutzt Wasserstoff als saisonaler Energiespeicher.
Wasserstoff als Speicher: Mit Solarstom vom Firmendach wird im Wasserstoff erzeugt. Im Winter wird der für Strom und Heizung genutztnull Josef Küpper Söhne GmbH

Vor- und Nachteile:  Für Energiesysteme und Stadtwerke kann Wasserstoff in Kombination mit anderen Speichern eine gute Ergänzung sein, um den Strom- und Wärmebedarf das ganze Jahr über klimaneutral zu decken. Doch für einzelne Häuser sind solche Anlagen sehr teuer, etwa 550.000 Euro kostete der Einbau in diesem  Gebäude bei Bonn (Foto). 

Energieeffizienz: Schlecht bis gut. Bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff und der Rückgewinnung zu Strom im Winter entsteht rund 40 Prozent Abwärme. Diese Abwärme sollte zeitnah verwendet werden, um Energieverluste zu verringern. Andere saisonale Speicher-Systeme sind meist effizienter.

Wo einsetzbar? Überall.

Fazit

Saisonale Energiespeicher werden für die klimaneutrale Wärme- und Stromversorgung zunehmend wichtig. Sie nutzen effizient überschüssige Energie und sparen so Wärme- und Stromkosten.

Wasser- und Erdwärmespeicher funktionieren bereits gut. Auch die saisonale Speicherung mit Wasserstoff läuft an. Bisher wird grüner Wasserstoff allerdings nur in kleineren Mengen erzeugt. Für die künftige Wasserstoffnutzung soll im großem Umfang weltweit eine neue Infrastruktur aufgebaut werden.

Redaktion: Anke Rasper

Quellen:

Homepage zu Saisonalspeichern  https://www.saisonalspeicher.de/

Erdbeckenspeicher: Wie funktionieren sie und wo werden sie eingesetzt? https://www.aalborgcsp.com/business-areas/thermal-energy-storage-tes/pit-thermal-energy-storage-ptes

Wie erreichen wir die Energiewende konkret? https://jenni.ch/fachbuecher.html

 

Südbrasilien und die zahlreichen Umweltdesaster

Die schweren Regenfälle im Süden Brasiliens haben bislang mindestens 83 Todesopfer gefordert. Weitere 111 Menschen werden vermisst, teilte der Zivilschutz des brasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul am Montag (06.05.) mit.

Mindestens 345 der 497 Gemeinden des Bundesstaates sind von den massiven Regenfällen und Überschwemmungen, die vor einer Woche begonnen haben, betroffen. Im ganzen Bundesstaat sind mehr als 121.000 Obdachlose bei Verwandten oder Freunden untergebracht, weitere 19.000 in Notunterkünften. Hunderttausende Häuser sind ohne Wasser oder Strom.

Das historische Zentrum der 1,4-Millionen-Einwohner-Landeshaupststadt Porto Alegre, die am Fluss Guaíba liegt, ist völlig überflutet. Der Guaiba erreichte nach Angaben der örtlichen Behörden einen neuen Höchststand von 5,32 Metern – weit über dem bisherigen Rekordwert von 4,7 Metern aus dem Jahr 1941.

Der Gouverneur von Rio Grande do Sul, Eduardo Leite, verglich die Situation mit einem "Kriegsszenario" und bezeichnete die Überschwemmungen als die schlimmste Katastrophe in der Geschichte des Bundesstaats. Er forderte einen "Marshallplan" mit großen Investitionen, um den Wiederaufbau vorantreiben zu können.

Überschwemmte Gegend in Canoas-RS
Überflutete Häuser in der Stadt Canoas, in der Metropolregion Porto Alegrenull Amanda Perobelli/REUTERS

An Sonntag hatte sich Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor Ort in Rio Grande do Sul persönlich ein Bild von den Rettungsarbeiten gemacht. Gemeinsam mit Gouverneur Leite und den Präsidenten der beiden Parlamentskammern besuchte er das Katastrophengebiet und sagte den Betroffenen die Hilfe der Regierung zu.

Blockierte Kaltfronten

Zwar waren die Behörden auf intensive Niederschläge während der gesamten Woche vorbereitet, so der Meteorologe Marcelo Seluchi von der brasilianischen Behörde für die Überwachung und Warnung vor Naturkatastrophen, Cemaden. Allerdings hatte man nicht mit Wassermassen in dem verzeichneten Ausmaß gerechnet.

Die zentrale Region von Rio Grande do Sul ist von zwei sich überschneidenden klimatischen Phänomenen getroffen worden. Zum einen sorgte im Zentrum Brasiliens ein Hochdruckgebiet für eine für den Monat  Mai außergewöhnliche Hitzewelle.

Diese verhinderte, dass die aus dem Süden kommenden Kaltfronten vorankamen. Durch die Blockade der Kaltfronten staute sich das gesamte Wasser über Rio Grande do Sul und verursachte stundenlange Regenfälle. Hinzu kamen noch die Nordwinde, die über die so genannten fliegenden Flüsse Feuchtigkeit aus dem Amazonasgebiet herantragen.

"Wahrscheinlich gibt es auch den Einfluss von El Niño, der jetzt im Mai nachlässt. Die Hitzewellen sind deswegen immer noch stark", sagt der Klimaexperte Tércio Ambrizzi, von der Universität von São Paulo (USP).

Für Seluchi könnte kein Ort auf der Welt einer solchen Situation standhalten. "Vielleicht sollte es Notfallpläne geben, Präventionspläne, die während der Trockenzeit erstellt werden. Aber das macht man nicht von einer Woche auf die andere. Das ist es, was fehlt", sagte er.

Vorausgesagte Tragödie

Die aktuellen Überschwemmungen sind bereits die vierte Klimakatastrophe in Rio Grande do Sul in weniger als zwölf Monaten.  2023 gab es Überschwemmungen im Juni, September und November, die insgesamt 80 Todesopfer forderten.

Laut Umweltschützerin Miriam Prochnow, von der Nichtregierungsorganisation Apremavi, werden Warnungen vor extremen Wetterereignissen von den Behörden in Rio Grande do Sul nicht ernst genommen.

"Die Städte ignorieren die Tatsache, dass dies bei der Stadtplanung berücksichtigt werden sollte. Sie denken nicht daran, die Menschen aus den Risikogebieten umzusiedeln, sondern erlauben die Besiedlung von Gebieten, in denen es bereits Hochwasserereignisse gegeben hat. Sie ignorieren einfach die Klimakrise", so Prochnow gegenüber der DW.

Die Geografin Karina Lima, die an der Bundesuniversität von Rio Grande do Sul über Wetterextreme und Klimawandel forscht, weist darauf hin, dass der Bundesstaat in einer Zone liegt, die stark von El Niño und La Niña beeinflusst wird. La Niña symbolisiert ein gegenüber El Niño völlig diametrales Wettergeschehen, welches mit einer Verstärkung der normalen tropischen Passat-Ostwinde einhergeht.

"Mathematische Modelle sagen seit langem voraus, dass in Rio Grande do Sul der Trend zu steigenden durchschnittlichen jährlichen Niederschlägen und zu extremen Niederschlägen anhalten wird. Im Bundesstaat, der so anfällig für Extremereignisse ist, müsste mehr in Prävention investiert werden", sagt Lima.

Überschwemmungen in Rio Grande do Sul
Mit Schlamm bedeckte Autos in der Stadt Encantado, Rio Grande do Sulnull Diego Vara/REUTERS

Für den Umweltschützer Clóvis Borges, Geschäftsführer der nichtstaatlichen Gesellschaft für Wildtierforschung und Umwelterziehung (SPVS), hat Rio Grande do Sul schon vor vielen Jahrzehnten seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaextremen verloren.

"Es war der erste brasilianische Bundestaat, der sein gesamtes Territorium mit landwirtschaftlichen Nutzflächen überzog. Naturbelassene Flächen wurden praktisch vernichtet", sagt Borges und weist darauf hin, dass in Rio Grande do Sul nur noch sieben Prozent des ursprünglichen Waldes vorhanden sind.

"Ein wesentlicher Teil der Todesfälle und des wirtschaftlichen Schadens, den wir jetzt erleben, ist auf die Nichteinhaltung der Umweltvorschriften zurückzuführen. Wenn die politische Klasse dies weiterhin verdrängt, werden wir noch härtere Zeiten erleben", sagt Borges.

"Wir müssen die Leugnung des Klimawandels bekämpfen, denn die Katastrophen werden immer schlimmer", sagt der Umweltschützer Heverton Lacerda von der Umwelt-NGO Agapan. "Die derzeitigen Regierungen, sowohl im Bundesstaat als auch in der Hauptstadt und anderen Städten im Landesinneren, haben Klimaleugner an ihrer Spitze. Das zeigt sich dann auch in der Politik, die sie machen", so Lacerda gegenüber der DW.

Lacerda führt als Beispiel einen Gesetzentwurf eines Bundesabgeordneten an, der im vergangenen März vom Abgeordnetenhaus in der brasilianischen Hauptstadt Brasília verabschiedet wurde.

Das Gesetz erlaubt die Abholzung der einheimischen Vegetation, die nicht zu den Wäldern gehört. Dazu gehören die Pampa, da Pantanal sowie Teile des Cerrado, Feuchtsavannen im Inland Südost-Brasiliens. Damit könnte die Vegetation eines Gebietes, das doppelt so groß ist wie der Bundesstaat Rio Grande do Sul, verschwinden. Das Gesetz muss noch vom Senat, dem Oberhaus des brasilianischen Parlaments, verabschiedet werden.

Der Text wurde aus dem Portugiesischen adaptiert. 

Wetter extrem: Was El Niño und La Niña bewirken

Südostasien erlebt derzeit eine extreme Hitzewelle und die Behörden warnen. In Thailand sind Berichten zufolge bisher 30 Menschen an einem Hitzeschlag gestorben.

Schulen mussten in der gesamten Region schließen. In Bangladesch sind davon schätzungsweise 33 Millionen Kinder betroffen. Auf den Philippinen leiden mehr als die Hälfte der Provinzen des Landes unter Dürre. 

Dieser El Niño-Zyklus begann laut Wissenschaftlern im Juni und erreichte im Dezember seinen Höhepunkt, bevor er nachließ. Er ist die Ursache für extreme Hitze und Dürre in der Region. Asien erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt und war im Jahr 2023 die Region der Welt, die am stärksten von Wetter- und Klimaereignissen heimgesucht wurde. 

Aber El Niño richtet auch in ganz Afrika verheerende Schäden an. Am 4. April hat Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa den Katastrophenzustand für sein Land ausgerufen. Der Grund für die aktuelle "Dürrekatastrophe" mit "ernster Ernährungslage"ist das Klimaphänomen El Niño, das im Pazifischen Ozean beginnt und immer wieder Dürren und Ernteschäden im südlichen Afrika verursacht.

Sambia und Malawi hatten bereits kurz zuvor den Katastrophenzustand ausgerufen.

Woher kommt der Name El Niño für das Wetterphänomen?

Südamerikanische Fischer beschrieben im 17. Jahrhundert das Klimaphänomen erstmals und nannten es "El Niño de Navidad", spanisch für das Christkind, denn das Phänomen erreichte seinen Höhepunkt um die Weihnachtszeit.

Auch die globalen Rekordtemperaturen 2023, dem wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, werden mit El Niño in Verbindung gebracht. 

Das gegenläufige Phänomen, La Niña (spanisch: das Mädchen), bringt dagegen Wetterlagen mit mehr Feuchtigkeit, heftigen Stürmen und Hurrikans.

Wie genau verursacht El Niño Wetterextreme?

El Niño bildet sich alle zwei bis sieben Jahre. Es gehört zur sogenannten El Niño-Southern Oscillation (ENSO), einem Klimamuster, das im Pazifischen Ozean ausgelöst wird. 

Meist wehen die sogenannten Passatwinde nach Westen über den Pazifik. El Niño entsteht wenn diese Winde schwächer werden und sich manchmal sogar in die Gegenrichtung umkehren.

Normalerweise wehen diese Winde entlang des Äquators und sie treiben warmes Wasser von Südamerika in Richtung Südostasien und Australien.

Doch wenn die Winde abflauen, wird das wärmere Wasser nicht mehr nach Westen getrieben sondern bleibt im Ostpazifik nahe Südamerika. Die Wärme verhindert dort, daß kaltes Wasser an die Wasseroberfläche steigt. Und die zusätzliche Wärme in der Atmosphäre bindet mehr Feuchtigkeit, das führt zu verstärkten regionalen Regenfällen und Überschwemmungen in Ländern wie Bolivien im nördlichen Südamerika.

Zwei Männer transportieren einen Tischkicker durch eine überflutete Region in Cobija/Bolivien. Im Hintergrund Gebäude.
Überschwemmung im bolivianischen Cobija (Aufnahme vom 28. Februar)null AFP/Getty Images

Gleichzeitig fehlt warmes Wasser im westlichen Pazifik, was dort an Land zu mehr Dürre und extremen Temperaturen führen kann.

Zwar blieb Australien im Sommer 2023-24, auf dem Höhepunkt des El-Niño-Zyklus, von besonders schlimmen Feuern verschont, die man befürchtet hatte. Doch die Monate von August bis Oktober 2023 waren dort die trockensten seit 120 Jahren.

Die durch El Niño verursachte Störung der Ozeanwärme kann die starken Winde in großer Höhe verändern, den sogenannten Jetstream. Damit kann sich auch der sonst übliche Regen weltweit verändern. Dies führt zu weitreichenden Klimastörungen, wie z. B. dem Abflauen des Monsuns in Indonesien und Indien. Gleichzeitig entstehen so zeitweise weniger Wirbelstürme als sonst üblich im Atlantik.

Außerdem war der jüngste El Niño Zyklus mitverantwortlich für die schweren Regenfälle und Überschwemmungen in Ostafrika Ende 2023. In Kenia kamen Ende letzten Jahres bei Überschwemmungen mehr als 120 Menschen ums Leben, 700.000 Menschen verloren ihre Häuser. 

Zwar haben Forscher festgestellt , dass die direkten Auswirkungen von El Niño auf die Niederschläge in Ostafrika relativ gering sind. Doch sie haben herausgefunden, dass El Niño den sogenannten Indisch-Ozeanischen Dipol auslösen kann, ein weiteres Klimaphänomen, das der Region extreme Überschwemmungen beschert.

La Niña verstärkt Stürme und Hurrikane

La Niña gehört ebenfalls zur sogenannten El Niño-Southern Oscillation (ENSO) und hat die gegenteilige Wirkung von El Niño. La Niña entsteht, wenn die vorherrschenden Ost-West-Winde über dem Pazifik stärker werden als üblich. Damit erreicht auch mehr wärmeres Meerwasser den Westpazifik. In Australien und Südostasien gibt es dann mehr Niederschläge als sonst.

Gleichzeitig können La-Niña-Phasen im östlichen Pazifik mehr Trockenheit und Waldbrände auslösen, das betrifft den Südwesten der Vereinigten Staaten, Mexiko und Südamerika. Durch regionale Schwankungen sind jedoch die nordöstlichen US-Bundesstaaten und Kanada in La-Niña-Wintern tendenziell feuchter und kälter.

La Niña verstärkt häufig auch die Hurrikane im Atlantik - ein Phänomen, das durch die derzeit rekordwarmen Oberflächentemperaturen im Atlantischen Ozean noch verschärft wird.

Auswirkungen der zyklischen Wettermuster sind schwer vorherzusagen

La Niña und El Niño sind natürliche Wetterphänomene. Die Auswirkungen variieren und sind abhängig vom Zeitpunkt, von der Dauer und komplexen Klimaeinflüssen, zu denen auch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung gehört.

Es gibt einige Hinweise darauf, dass ENSO-Ereignisse durch den Klimawandel häufiger und intensiver geworden sind.Wissenschaftler sagen, dass die El-Niño- und La-Niña-Zyklen mit der Erwärmung des Planeten wahrscheinlich stärker ausfallen werden. Heißere Luft speichert mehr Wasser und das führt zu extremeren Niederschlägen.

Doch die Forscher sagen auch: Wenn es gelingt, durch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen Klimaneutralität zu erreichen und die globale Erwärmung zu begrenzen, kann das auch die Auswirkungen von EL Niño und La Niña vermindern.

Der Beitrag erschien erstmalig am 10.4.2024 und wurde am 26.4. aktualisiert. Redaktion Tamsin Walker. Der Artikel erschien in Englisch. Adaption: Gero Rueter

Quellen:

US National Environmental Education Foundation: "El Niño und La Niña: What's the Difference?"

https://www.neefusa.org/story/climate-change/el-nino-and-la-nina-whats-difference

Welternährungsprogramm: "WFP drängt auf weltweite Unterstützung, da Malawi vor einer drohenden, durch El Niño ausgelösten Nahrungsmittelkrise steht" 2. April 2024

https://www.wfp.org/news/wfp-urges-global-support-malawi-faces-looming-food-crisis-triggered-el-nino

Climate Council: "Spring Heatwave and Sweltering El Niño Summer Ahead Reignites Call for Net-Zero Emissions By 2035," September 20, 2023

https://www.climatecouncil.org.au/resources/spring-heatwave-and-sweltering-el-nino-summer-ahead-reignites-call-net-zero-emissions-2035/

Copernicus-Bericht: 2023 - Jahr der Klima-Extreme in Europa

Europa ist keine Ausnahme, wenn es um die Folgen des Klimawandels geht - das wird schnell klar, wenn man die Klimadaten betrachtet, die der EU-Klimawandeldienst Copernicus Climate Change Service (C3S) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ihn ihrem jüngsten Bericht zusammengetragen haben. Die drei wärmsten Jahre in Europa wurden alle seit 2020 aufgezeichnet, die zehn wärmsten seit 2007.

Auch 2023 brach wieder Negativrekorde: Gemeinsam mit dem Jahr 2020 war es das wärmste Jahr in Europa mit etwa einem Grad über dem Referenzzeitraum 1991 bis 2020. Insgesamt sei 2023 in Sachen Klimagefahren in Europa ein komplexes und vielschichtiges Jahr gewesen, fasst Copernicus-Direktor Carlo Buontempo die Ergebnisse der Klimabeobachtungen zusammen. "Im Jahr 2023 gab es in Europa die größten jemals aufgezeichneten Waldbrände, eines der feuchtesten Jahre, schwere marine Hitzewellen und weit verbreitete verheerende Überschwemmungen."

Fast 11 Milliarden Euro Schaden durch Überschwemmungen

Insgesamt fielen in Europa 2023 etwa sieben Prozent mehr Niederschläge als üblich. Ein Drittel der Flüsse führte Hochwasser, teilweise sogar schweres Hochwasser.

Von Überschwemmungen in Europa waren nach vorläufigen Schätzungen der Internationalen Katastrophendatenbank etwa 1,6 Millionen Menschen betroffen, mindestens 40 verloren dabei ihr Leben. 63 Menschen starben durch Stürme, 44 kamen durch Waldbrände ums Leben. 13,4 Milliarden Euro - so hoch war der Schaden, den wetter- und klimabedingte Ereignisse in Europa verursachten - mehr als 80 Prozent davon durch Überschwemmungen.

Luftaufnahme von Überschwemmungen in der Region Karlowo im September 2023
1000 Häuser unter Wasser: Bulgarien war eines der Länder, das 2023 von schweren Überflutungen betroffen warnull Impact Press Group/NurPhoto/IMAGO

"Die Klimakrise ist die größte Herausforderung für unsere Generation. Die Kosten für Klimamaßnahmen mögen hoch erscheinen, aber die Kosten der Untätigkeit sind viel höher", so Celeste Saulo, Generalsekretärin der WMO.

Immer mehr Tage mit extremer Hitze in Europa

Auch die gesundheitsschädlichen Folgen extremer Wetter- und Klimaereignisse in Europa nähmen zu, so die Forschenden. Die Zahl der Menschen, die an Folgen von Hitze starben, stieg in letzten 20 Jahren um etwa 30 Prozent. In ganz Europa gibt es immer mehr Tage mit starker Hitzebelastung - und das Jahr 2023 brach den Rekord von Tagen mit extremer Hitzebelastung.

Auf dem Höhepunkt einer Hitzewelle im Juli litten 41 Prozent des südlichen Europas unter starker, sehr starker oder extremer Hitze - und viele Menschen unter Hitzestress.  Dieser Begriff beschreibt die Auswirkungen, die hohe Temperaturen in Kombination mit anderen Faktoren wie Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit, Sonnen- und Wärmestrahlung auf den menschlichen Körper haben.

Risiko durch Hitzestress in Europa oft noch unterschätzt

Längerer Hitzestress kann gesundheitliche Probleme verschlimmern. Zudem erhöht er das Risiko für Erschöpfung und Hitzschlag, insbesondere bei Kleinkindern, alten Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.

Dennoch, so die Autorinnen und Autoren des Klimadaten-Berichts, werde das Gesundheitsrisiko in der Öffentlichkeit, in den gefährdeten Gruppen, wie teils auch von Gesundheitsdienstleistern als zu gering eingeschätzt.

Starker Eisverlust in den Alpen und brennende Wälder

Die Hitze in Europa machte 2023 auch den Gletschern des Kontinents zu schaffen. Überall verloren sie Eis - und in den Alpen sogar außergewöhnlich viel. Das lag auch daran, dass dort im Winter sehr wenig Schnee gefallen war. In den letzten beiden Jahren zusammen haben die Alpengletscher rund zehn Prozent ihres verbleibenden Volumens verloren, so der Copernicus-Bericht.

Wie sehr Hitze, Schnee und Dürre zusammenhängen, wird genau hier deutlich: Durch die geringe Schneedecke lag beispielsweise die Wassermenge des Alpenflusses Po das ganze Jahr über unter dem Durchschnitt. Dieses Wasser fehlte dann in Norditalien, wo schon zuvor Dürre herrschte.

Griechische Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis
Flammeninferno: Griechische Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis null Achilleas Chiras/AP/picture alliance

Hitze und Dürre treiben auch Waldbrände an. Diese gab es 2023 in ganz Europa. Im Laufe des Jahres verbrannte eine Fläche so groß wie London, Paris und Berlin zusammen. Den größten jemals in der EU verzeichneten Waldbrand gab es in Griechenland: Er hatte die doppelte Fläche von Athen.

Warum erwärmt sich Europa so extrem?

Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt, wobei die Temperaturen etwa doppelt so schnell steigen wie im globalen Durchschnitt. Das liegt laut Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess unter anderem an Europas Nähe zur Arktis. Sie erwärmt sich etwa viermal so schnell wie der Rest der Welt. Auch die Verbesserung der Luftqualität in Europa hat laut Burgess dazu geführt, dass weniger Partikel in der Luft vorhanden sind, die das Sonnenlicht zurückwerfen und zu einer Abkühlung beitragen.

Positives zum Schluss: Rekord an erneuerbaren Energien

Noch nie gab es in Europa so viel Strom aus erneuerbarer Energie wie 2023: insgesamt machte sie 43 Prozent an der Stromerzeugung aus. Zum Vergleich: 2022 waren es noch 36 Prozent. Die Herbst- und Winterstürme sorgten für überdurchschnittlich viel Windenergie und die hohen Pegelstände der Flüsse für mehr Strom aus Wasserkraft.

Damit wurde das zweite Jahr mehr Strom aus Erneuerbaren als aus klimaschädlichen fossilen Brennstoffen erzeugt. Doch die Autorinnen und Autoren mahnen: Auch 2023 seien dieTreibhausgas-Emissionen weiter angestiegen, die für die beobachteten Folgen der Erderhitzung verantwortlich waren.

Kleiner Ausblick auf 2024: Licht und Schatten

Leider, so Copernicus-Direktor Buontempo, sei es unwahrscheinlich, dass diese Klimafolgen kleiner werden, zumindest in naher Zukunft. Und so sei damit zu rechnen, dass man solange immer weitere Rekorde sehen werde, bis das Netto-Null-Ziel erreicht sei und das Klima stabilisiert werde, ergänzt Co-Direktorin Samantha Burgess.

Immerhin aber sei es wahrscheinlich, so Burgess, dass es im kommenden Sommer keine weiteren Temperaturrekorde in Europa geben werden. Das liege vor allem daran, dass der El-Niño-Effekt dieses Jahr auslaufe.

Quellen:

Nature-Studie zur Erwärmung der Arktis (https://www.nature.com/articles/s43247-022-00498-3)

Was macht europäischer Müll auf südostasiatischen Deponien?

Länder in Südostasien, darunter Malaysia, Vietnam, Thailand und Indonesien, haben mit illegalen Abfalllieferungen aus den Industrienationen zu kämpfen. Ein großer Teil davon kommt aus Europa.

In einem neuen UN-Bericht werden die Wege des Abfallhandels von Europa nach Südostasien nachgezeichnet. Kriminelle Akteure nutzen demnach Schlupflöcher und legale Unternehmensstrukturen und machen den Handel mit Müll so zu einem der wichtigsten Verbrechen gegen die Umwelt. Eine oft wirkungslose Umsetzung gesetzlicher Regelungen und die geringen Strafzahlungen im Fall einer Entdeckung ermutigen die Händler. Somit ist die Versuchung groß, schnelle Gewinne zu machen.

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission sind 15 bis 30 Prozent der Abfalllieferungen aus der EU illegal. Die illegalen Einnahmen daraus bewegen sich jährlich in Höhe mehrerer Milliarden Euro. "Sobald Abfall unrechtgemäß entsorgt wurde, wird er das Problem von uns allen", sagt Masood Karimipour, Regionalrepräsentant für Südostasien und Pazifik des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, der DW. "Die Dringlichkeit, mit der gegen den Abfallhandel vorgegangen werden muss, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden."

Gegen Plastikmüll: Nachfüllen statt Wegwerfen

Dem UN-Bericht zufolge importierten die ASEAN-Länder in den Jahren 2017 bis 2021 mehr als 100 Millionen Tonnen Metall-, Papier- und Plastikabfall mit einem Wert von fast 50 Milliarden US-Dollar (47 Milliarden Euro).

Indonesien, Epizentrum des Abfallhandels

Global hat sich der Handel mit Abfällen in den vergangenen Jahren stark verändert. China hatte im Jahr 2018 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Einfuhr unerwünschten Mülls in das Land zu unterbinden. Das führte zu einer Umlenkung der weltweiten Abfallströme, insbesondere nach Südostasien.

Länder wie Indonesien wurden so zu bevorzugten Zielländern sowohl für legalen, als auch für illegalen Abfall. "In Indonesien besteht kein Umfeld, das Nachhaltigkeit bei Konsum, Produktion und Recycling fördert", erläutert Yuyun Ismawati, leitender Berater bei der regierungsunabhängigen Organisation Nexus3 Foundation, der DW.

Papier- und Plastikmüll wurde seit 2018 hauptsächlich aus westeuropäischen Ländern nach Indonesien verschifft, so die indonesische Statistikbehörde. Wie Nexus3 herausfand, ist das Altpapier häufig mit Plastikabfällen verunreinigt. In Regionen wie Java oder Sumatra stellt das eine alarmierende Bedrohung für Umwelt und Gesundheit dar.

Blick auf qualmende Fabrikschornsteine vor Feldern
Hier werden Plastikabfälle als Brennstoff genutzt; die Giftstoffe gelangen ungefiltert in die Luftnull Yuyun Ismawati/2024

Problematische Kunststoffe werden häufig weggeworfen oder von den Unternehmen, die Altpapier importieren, den Gemeinden vor Ort überlassen, die dann das Plastik unreguliert sortieren und verbrennen. Bei der Verbrennung werden Dioxine und gefährliche Chemikalien in alarmierender Konzentration freigesetzt, die letztlich auch ihren Weg in die menschliche Nahrungskette finden.

Bei vielen Dorfbewohnern führen der Rauch und die vergifteten Nahrungsmittel zu Erkrankungen der Atemwege und des Verdauungssystems bis hin zu Krebserkrankungen. Oft sehen sie sich gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen.

Ein profitables Geschäft

Trotz seiner negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt bleibt der Abfallhandel in Südostasien ein äußerst lukratives kriminelles Geschäft, dem nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wie Serena Favarin, Kriminologin an der Universita Cattolica del Sacro Cuore in Italien ausführt, umgehen die Händler mit ausgeklügelten Methoden und Lieferketten die Kontrollen, um die Abfälle in andere Länder zu verbringen, in denen die Vorschriften weniger streng und die Strafen für die illegale Abfallentsorgung deutlich niedriger sind.

"Dieses Verbrechen wird nicht in allen Ländern gleichermaßen verfolgt. Das führt zu einem unterschiedlichen Umgang mit den Abfällen", sagt sie der DW. In vielen Zielländern fallen die Regelungen zum Abfallhandel nicht unter das Strafrecht, sondern unter zivil- und verwaltungsrechtliche Vorschriften. Selbst wenn illegale Abfallhändler die Vorschriften unverhohlen und wiederholt umgehen, sind die Strafen häufig gering. Für die Händler bleibt es also ein lohnendes Geschäft.

Es fehlen internationale Regelungen

In vielen Gemeinden führt der illegale Abfallhandel zu zahlreichen Problemen. Experten sind sich einig, dass die Abfallverwertung gut reguliert werden muss. So könnten Umweltschäden vermieden und die Kreislaufwirtschaft durch Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling gestärkt werden.

In Asien und Europa bemühen sich daher einzelne Länder und internationale Strafverfolgungsbehörden, die Lücken zu schließen, in denen kriminelle Unternehmer agieren und den Wirtschaftskreislauf stören können.

Ein Strand voller Plastikmüll
Illegal deponierte Abfälle werden auch an die Strände in Touristenregionen gespültnull Johannes Panji Christo/Anadolu/picture alliance

"Es ist wichtig, die transnationale Dimension zu stärken und die Regelungen der einzelnen Länder aneinander anzugleichen. Das erleichtert die Diskussionen", meint Favarin. Eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen würde die Verabschiedung strengerer Gesetze und die Verhängung härterer Strafen für Verbrechen im Zusammenhang mit dem Abfallhandel erleichtern.

Gegenwärtig überarbeitet die EU ihre Regelungen zur Abfallverbringung, um die Zahl problematischer Exporte zu verringern und die Durchsetzung der Regelungen zu verbessern. Voraussichtlich werden diese Änderungen Ende des Monats verabschiedet.

Auch neue Technologien können beim Schutz der Umwelt nützlich sein, wie Favarin erklärt: "Drohnen- oder Satellitenaufnahmen können dabei helfen, große Abfallmengen oder Abfallberge in bestimmten Regionen zu erkennen und illegale Deponien oder Feuer in geschützten Gebieten zu identifizieren."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Was bringt ein Autobahn-Tempolimit in Deutschland?

"Freie Bürger fordern freie Fahrt" - mit diesem Motto protestierte 1973/1974 der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) gegen das Tempolimit von 100 Stundenkilometern (km/h) auf deutschen Autobahnen. Das hatte die damalige Bundesregierung wegen der Öl-Krise angeordnet, um Benzin zu sparen. Obwohl es nur ein paar Monate lang galt, war die Empörung im Land groß. 

Seitdem sind in den letzten 50 Jahren diverse Versuch gescheitert, ein generelles Tempolimit einzuführen.

Dabei ist inzwischen mehr als die Hälfte der Deutschen - und auch der ADAC-Mitglieder - für ein Tempolimit. Doch viele Gegner lehnen es weiter strikt ab. Die bayrische Partei CSU startete sogar eine Unterschriftenaktion dagegen. 

Tempolimits auf Autobahnen: (fast) überall - außer in Deutschland

Anders als fast überall sonst auf der Welt gibt es in Deutschland kein Tempolimit auf Autobahnen. Zwar ist die Geschwindigkeit auf einigen Strecken begrenzt. Doch auf 70 Prozent aller Autobahnkilometer gilt nur eine freiwillige "Richtgeschwindigkeit" von 130 km/h. Schneller fahren ist also erlaubt. Und so wird das Rasen auf deutschen Autobahnen sogar von Sportwagen-Verleihern im Ausland als Touristenattraktion beworben.

Was bringt ein Tempolimit?

Je langsamer ein Auto fährt, desto weniger Kraftstoff verbraucht es - und desto weniger Schadstoffe stößt es aus, etwa klimaschädliches Kohlendioxid (CO2), Stickoxide oder Feinstaub. 

Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen würde 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen, so jüngste Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA). Verglichen mit den Emissionen von 2018 wären das 2,9 Prozent weniger.

Geht man davon aus, dass Menschen wegen des Tempolimits auf die Bahn umsteigen, kürzere Routen über Land wählen oder auf Fahrten verzichten, dann könnten laut UBA sogar 6,7 Millionen Tonnen oder 4,2 Prozent eingespart werden.

Und wenn zusätzlich auf Landstraßen Tempo 80 eingeführt, wären es sogar acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalente weniger.

Ein weiterer Vorteil: Es könnte weniger Unfälle geben. Denn langsamer fahrende Autos bremsen schneller. Allerdings würde es erst bei einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen rund 70 Prozent weniger Unfälle geben. 

Wer langsamer fährt, macht auch weniger Lärm: So ist das Fahren bei 100 km/h etwa um die Hälfte leiser als bei 130 km/h. Außerdem gäbe es weniger Staus, weil mehr Autos gleichzeitig auf der Straße fahren könnten. Der Effekt wäre noch ausgeprägter, wenn alle nur Tempo 100 oder noch etwas langsamer fahren, sagen Verkehrsexperten. 

Was sind die Argumente gegen ein Tempolimit?

Laut einer Umfrage der Allianz-Versicherung waren besonders Männer, sowie Menschen, die sehr viel Auto fahren (mehr als 50.000 km pro Jahr) und auch jüngere Fahrer unter 24 gegen Tempolimits. Sie fürchten mehr Staus und längere Fahrzeiten. 

Tatsächlich fahren die meisten Menschen (77 Prozent) schon jetzt freiwillig langsamer als 130 auf der Autobahn. 

Es ist unklar, wie viele Unfälle durch das Tempolimit auf deutschen Autobahnen tatsächlich vermieden werden könnten. 

Laut ADAC gibt es Deutschland derzeit nicht mehr schwere Unfälle auf Autobahnen als in Ländern mit einem Tempolimit. Vergleicht man die Zahl der Getöteten pro gefahrenen Autobahnkilometern gab es 2020 in Frankreich, Italien, Litauen, Tschechien, Ungarn und den USA mehr Tote. In absoluten Zahlen lag Deutschland mit 317 Toten an der Spitze. 

Wer ist für ein Tempolimit in Deutschland?

Ein Tempolimit fordern Umweltverbände, ebenso wie die Gewerkschaft der Polizei im Bundesland Nordrhein-Westfalen oder der Verein Verkehrsunfall-Opferhilfe. Sie wollen auch, dass auf deutschen Landstraßen statt 100 nur noch 80 km/h erlaubt ist. Das würde die Sicherheit dort tatsächlich stark verbessern, hat die Versicherungswirtschaft errechnet.

Unter den politischen Parteien sind die Grünen und die SPD für ein Tempolimit auf Autobahnen. Auch die Linkspartei hatte dies gefordert. Und, wie gesagt, mehr als die Hälfte der Deutschen ist inzwischen dafür, weniger schnell zu fahren.

Wer ist gegen ein Tempolimit?

Die konservative Union aus CDU und CSU, die in Teilen rechtsextreme AfD und die liberale FDP wollen kein Tempolimit. Die Gegner des Tempolimits meinen, dass es kaum Auswirkungen auf die Umwelt hätte und die Menschen zu stark einschränken würde. Die FDP, die gemeinsam mit den Grünen und der SPD die Bundesregierung bildet, verhinderte das Tempolimit schon im Koalitionsvertrag.

Gas geben ohne Limit

Sie gab auch eine Gegenstudie zu der des UBA in Auftrag, die auf deutlich weniger CO2-Einsparungen kommt. Allerdings wurde die Gegenstudie von Wirtschaftsprofessoren verfasst, die den menschengemachten Klimawandel in Zweifel ziehen. Sie wird vom UBA, von Umweltverbänden und auch von anderen politischen Parteien kritisiert.

Tempolimit im deutschen Klimaschutzgesetz: Fehlanzeige 

Weil der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor auch 2023 zu hoch war, hätte Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP eigentlich ein Sofortprogramm starten müssen, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. So sah es das Klimagesetz der Großen Koalition aus SPD und CDU von 2021 vor. 

Die regierende Ampelkoalition hat nun aber eine Reform des Gesetzes beschlossen. Jetzt können zu hohe Emissionen, wie beim Verkehr, an anderer Stelle ausgeglichen werden - etwa durch mehr erneuerbare Energie.

Laut Klimagesetz muss Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent und bis 2040 um 88 Prozent verringern (im Vergleich zu 1990).

Über ein Tempolimit steht weiterhin nichts im Klimagesetz.

Redaktion: Anke Rasper

Quellen u.a.: 

Gutachten Tempolimit Universität Stuttgart (2023): https://www.isv.uni-stuttgart.de/vuv/publikationen/downloads/ISV_2023_UBA-FV_Gutachten_FDP_Tempolimit_20230303.pdf 

Unfallursache Geschwindigkeit:  https://www.udv.de/resource/blob/112634/81f8e441aadad1d01047e5510233f5b1/neuer-inhalt-2--data.pdf

FDP gegen Tempolimit: https://www.fdpbt.de/kurzstudie-tempolimit-autobahnen

Faktencheck: Dubai, Überflutung und Cloud Seeding

Land unter - nicht nur in Dubai: An manchen Orten im Südosten der arabischen Halbinsel hat es innerhalb eines Tages mehr geregnet als sonst in einem ganzen Jahr. Die Folgen: Straßen stehen unter Wasser, der Flughafen von Dubai ist überflutet, und Dächer brechen unter dem Druck der Wassermassen ein.

Doch nicht nur die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), sondern auch andere Teile der Region, namentlich das Nachbarland Oman, haben epochale Regenfälle erlebt. Neben Sachschäden sind mindestens 20 Todesopfer zu beklagen.

Während die Betroffenen unter den Folgen des Unwetters leiden, quellen die Sozialen Medien über von Theorien, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.

Behauptung: "Wolkenimpfen geht schief", schreibt ein User auf X, ehemals Twitter. Ein Instagram-Kanal stellt außerdem die Frage, ob Wolkenimpfen, im Englischen Cloud Seeding, die Überschwemmungen in Dubai ausgelöst oder verstärkt haben könnte. Viele Nutzer beantworten die Frage mit "Ja".

DW Faktencheck: Falsch.

Cloud Seeding ist eine Methode, um mit künstlichen Instrumenten Regen auszulösen. Dabei versprühen Flugzeuge bestimmte Salze, die sich nicht in Wasser lösen. Die Feuchtigkeit der Wolken kondensiert dann an den Salzpartikeln und fällt als Regen zu Boden. Die Methode wird in vielen Teilen der Welt eingesetzt, teils um Niederschlag zu erzeugen, aber zum Beispiel auch mit dem Ziel, um Hagelschlag zu verhindern.

Tiktok-User-Umfrage: Ist Cloud Seeding an der Überflutung in Dubai schuld? 69% von 22.100 Antworten lauten: "Es ist wegen dem Vloud Seeding"
Zwei Drittel von 22.100 Abstimmenden in dieser Tiktok-Umfrage geben an, dass sie die Überschwemmungen dem Wolkenimpfen zuschreibennull Tiktok

Auf Satellitenbildern ist zu sehen, dass sich in den vergangenen Tagen über dem Südosten der arabischen Halbinsel und dem Süden des Iran ein Sturm mit massiven Regenwolken gebildet hatte. Durch die Wolkenbildung war die Voraussetzung zum Cloud Seeding also gegeben.

"Regenernte" in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Das National Center of Meteorology (NCM) der VAE in der Hauptstadt Abu Dhabi erforscht das Wolkenimpfen seit den späten 1990er Jahren. Der Wüstenstaat nutzt die Methode, um die Niederschlagsmenge und damit die Menge des verfügbaren Süßwassers zu erhöhen.

Zunächst hatte "Bloomberg" berichet, dass Wolkenimpfungen durch das NCM die Regenfälle verstärkt hätten. Offizielle Stellen der VAE haben jedoch dementiert, zu Wochenbeginn überhaupt solche Maßnahmen durchgeführt zu haben. DW Factchecking hat beim NCM nachgefragt, bis zur Veröffentlichung dieses Artikels jedoch keine Antwort erhalten.

Cloud Seeding

Geantwortet hat hingegen ein Forscherteam der deutschen Universität Hohenheim, das ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem NCM durchführt. Über etwaige Wolkenimpfungen Anfang der Woche lägen ihm keine Informationen vor, schreibt der Meteorologe Oliver Branch.

Allerdings sei es völlig unrealistisch, eine solche Niederschlagsmenge durch Cloud Seeding zu bewirken: "Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen Cloud-Seeding-Aktivitäten und den Überschwemmungen in Dubai geht gegen Null." Viele Medien zitieren andere Experten mit ähnlichen Einschätzungen - auch "Bloomberg"

Globale Erwärmung verstärkt extreme Wetterlagen

Behauptung: "Die Effekte von globaler Erwärmung und Klimawandel sind alarmierend und werden keine Stadt verschonen", heißt es auf einem Account. Ein anderer Account wird noch deutlicher: "DIES ist der menschengemachte #Klimawandel."

DW Faktencheck: Unbelegt.

Viele Klimaforscher sehen durchaus Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Starkregen: "Häufig spielt die globale Klimaerwärmung bei extremen Wetterereignissen tatsächlich eine Rolle, aber ihr Einfluss wird teilweise pauschal angenommen oder überbetont", sagte die Klimatologin Friederike Otto vom Imperial College in London der DW bereits vor einiger Zeit. Zu den Ereignissen in Dubai sagte sie der Nachrichtenagentur AFP, die Stürme seien "höchstwahrscheinlich" durch die globale Erwärmung verschlimmert worden.

In einem Post auf X wird ein Tiktok-Video verlinkt, das die heftigen Regenfälle in Dubai zeigt
"Dubai ist nicht dafür gemacht, so heftigen Regenfällen zu widerstehen", heißt es in dem Post auf X, der ein Tiktok-Video verlinktnull X

Die Begründung hat einen einfachen physikalischen Hintergrund: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Deshalb regnet es in den Tropen stärker als in den gemäßigten Breiten, in denen Deutschland liegt. Regengüsse fallen in Mitteleuropa im Sommer auch deutlich heftiger aus als um die Jahreswende.

Deshalb ist unter vielen Klimaforschern Konsens, dass die Erderwärmung Extremwetterlagen zwar wahrscheinlicher macht und sie tendenziell extremer ausfallen. Sie betonen aber auch wie die Klimaforscherin Sjoukje Philip vom Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut (KNMI): "Extremwetter hat es immer gegeben, und wird es immer geben."

Ähnliche Falschbehauptungen tauchen übrigens immer wieder auf, wenn Starkregen zu Überschwemmungen führt - insbesondere, wenn dies in Regionen auftritt, in denen man eher Dürren als ausgiebige Niederschläge erwarten würde wie Kalifornien, Australien oder die Türkei.

Mode und Umwelt: Zara, H&M und die Abholzung in Brasilien

Bevor sie in den Schaufenstern von Modegiganten wie Zara und H&M landen, hinterlassen Hosen und Hemden, Shorts und Shirts aus Baumwolle eine Spur aus Abholzung, Land Grabbing und Menschenrechtsverletzungen in Brasilien.

Obwohl viele dieser Kleidungsstücke laut Kennzeichnung aus nachhaltiger Produktion stammen sollen, belegt eine ausführliche Studie der britischen NGO Earthsight: Es gibt eine enge Verbindung zwischen europäischen Textilmarken und dem Anbau in Brasilien, dem viertgrößten Baumwollproduzenten weltweit. Earthsight hat Satellitenbilder und Versandlisten analysiert, in Archiven recherchiert und die Anbaugebiete besucht - und die Reise von 816.000 Tonnen Baumwollen im Detail nachvollzogen.

Dem Bericht nach wurde der Rohstoff eigens für acht asiatische Unternehmen hergestellt, die zwischen 2014 und 2023 rund 250 Millionen Artikel für den Einzelhandel herstellten. Viele dieser Firmen, so die Untersuchung, belieferten unter anderem Marken wie H&M und Zara.

"Es ist schockierend, diese Verbindung zu bekannten Markennamen zu sehen, die sich offenbar nicht besonders anstrengen, die Lieferketten zu kontrollieren. Also zu wissen, woher die Baumwolle kommt und welche Auswirkungen das hat", sagt Rubens Carvalho, Chef der Recherchegruppe Abholzung bei Earthsight, gegenüber der DW.

Deutschland Köln | Textilkette H&M | Skandal um Bio-Textilien
Alles Bio? Schon vor Jahren wurde H&M vorgeworfen, seine Linie Organic Cotton enthalte gentechnisch veränderte Baumwollenull Oliver Berg/dpa/picture alliance

Das Problem liegt in der Herkunft: Baumwolle für den Export wird vor allem im Westen des brasilianischen Bundesstaates Bahia angebaut, einer Region, die zu den tropischen und besonders biodiversen Feuchtsavannen gehört, den Cerrados. Die Vegetation wird hier oft illegal gerodet, um Platz zu schaffen für den Anbau von Nutzpflanzen. Die abgeholzte Fläche habe sich hier in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, so das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung INPE.

Abholzung und Land Grabbing

Die Baumwolle, so der Report, wird vor allem von zwei großen Agrarkonzernen angebaut: SLC Agrícola und Horita. SLC Agrícola ist nach eigenen Angaben für elf Prozent von Brasiliens Baumwollexporten verantwortlich und einer der größten brasilianischen Sojaproduzenten. Die Earthsight-Studie schätzt, dass die SLC-Landwirtschaftsbetriebe in den vergangenen zwölf Jahren ein Cerrado-Gebiet zerstört haben, das 40.000 Fußballfeldern entspricht. Im Jahr 2020 sei SLC Agrícola zum größten Abholzer der Ökoregion erklärt worden, so der US-amerikanische Thinktank Chain Reaction Research.

2021 verpflichtete SLC sich und seine Zulieferer zu einer Null-Abholzung-Politik. Ein Jahr später fand das gemeinnützige Beratungsunternehmen Aidenvironment heraus, dass auf Grundstücken mit Baumwollanbau 1365 Hektar der Cerrados zerstört wurden. Und fast die Hälfte davon befand sich in einem Schutzgebiet.

Brasilien: Kampf gegen Regenwald-Abholzung

Als wir SLC Agrícola mit diesen Vorwürfen konfrontierten, antwortet der Konzern der DW, bei SLC geschähen "alle Umwandlungen natürlicher Vegetation im Rahmen der Gesetze". Zu Aidenvironments Anschuldigungen sagte das Unternehmen, die Zerstörung von Cerrado-Gebiet sei geschehen durch "ein natürliches Feuer, nicht um neue Flächen für die Produktion zu schaffen".

Der andere Konzern, dessen Gebaren der Earthsight-Bericht analysiert, ist Horita. Der Vorwurf hier: Gewalttätige Landstreitigkeiten mit traditionellen indigenen Gruppen. Eine Nachfrage der DW bei Horita blieb unbeantwortet.

Brasilien Baumwolle und Europas Einzelhandel

Für seinen Bericht hat Earthsight den weiteren Weg der Baumwolle recherchiert. Er führte vor allem nach Indonesien, Bangladesch und Pakistan, nach China, Vietnam und in die Türkei. Nachvollziehbar waren die Spuren zu acht Bekleidungsherstellern in Asien.

Diese Zwischenhändler sind: PT Kahatex in Indonesien, die Noam Group und die Jamuna Group in Bangladesch, sowie Nisha, Interloop, YBG, Sapphire und Mtmt in Pakistan. Sie liefern ihre Produkte an Marken wie Zara und H&M, so der Bericht. Und dort tragen sie oft ein Ökosiegel.

 

"Die Baumwolle, die wir mit dem Missbrauch von Landrechten und Umwelt in Bahia in Verbindung bringen konnte, ist zertifiziert als Better Cotton", so die Earthsight-Studie. "Das System konnte offensichtlich nicht verhindern, dass diese Baumwolle besorgte Verbraucher erreicht."

Das Ökosiegel Better Cotton haben die Modeindustrie und Naturschutzorganisationen wie der WWF 2009 eingeführt, um den sicheren Ursprung der Rohstoffe zu garantieren. Der Initiative zufolge gibt es in Brasilien 370 zertifizierte Agrarbetriebe in Kooperation mit dem heimischen Baumwollherstellerverband, Abrapa.

Fehlende Kontrolle über Lieferketten

Die Better Cotton Initiative hat der DW auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie gerade eine umfassende unabhängige Prüfung der beteiligten Landwirtschaftsbetriebe abgeschlossen habe. Es brauche jetzt Zeit, die Ergebnisse zu analysieren und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.

"Die (in der Studie) angesprochenen Punkte belegen den dringenden Bedarf an staatlicher Unterstützung, um die aufgedeckten Probleme anzugehen und sicherzustellen, dass gesetzliche Regelungen fair und wirkungsvoll umgesetzt werden", so die E-Mail von Better Cotton.

Auch die Bekleidungskette H&M hat reagiert. "Die Ergebnisse des Berichts sind äußerst besorgniserregend", heißt es in einer E-Mail an die DW, und das Thema werde sehr ernst genommen. "Wir sind im Gespräch mit Better Cotton bezüglich des Resultats der Untersuchung und der nächsten Schritte, die die Standard überprüfen und stärken sollen", so das Unternehmen weiter.

Fast Fashion zerstört Umwelt

Auch Zara hat der DW mitgeteilt, dass man "die Vorwürfe gegen Better Cotton äußerst ernst" nehme. Der Zertifizierer müsse das Ergebnis seiner Ermittlungen so bald wie möglich mitteilen. Am 10. April - einen Tag vor der angekündigten Veröffentlichung des Earthsight-Reports - forderte der Zara-Mutterkonzern Inditex von Better Cotton mehr Transparenz. Inditex schickte der Initiative einen auf den 8. April datierten Brief, in dem es Aufklärung über das Zertifizierungsverfahren verlangte. Inditex kauft Baumwolle nicht direkt bei Zulieferern, doch die Unternehmen, die sie herstellen, werden durch Zertifizierer wie Better Cotton geprüft.

Es gehe nicht nur um die Hersteller in Brasilien - auch europäische Unternehmen müssten zur Verantwortung gezogen werden, sagt Rubens Carvalho von Earthsight. Das sei Teil der Lösung, um die Abholzung und die Menschenrechtsverletzungen in rohstoffproduzierenden Ländern wie Brasilien zu beenden. "Der europäische Markt für Baumwolle ist noch immer kaum reguliert. Der Konsum muss reguliert und von den negativen ökologischen und menschlichen Auswirkungen entkoppelt werden", so Rubens Carvalho. "Wir brauchen strenge Vorschriften, die Verstöße bestrafen. Das erhöht den Druck auf die Produzenten."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Afrika: Schmutzige Luft erhöht Gesundheitsrisiko

Im Herzen der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé vibriert die Luft vom Brummen der Motoren. Abgase aus den Autos, von Fabriken, dazu der Qualm brennender Abfälle in Wohngebieten - das alles hüllt als grauer Smog die Stadt ein.

Felix Assah ist Mitarbeiter der Forschungsgruppe für Bevölkerungsgesundheit an der Universität Yaoundé. "Mit der Verstädterung und der wirtschaftlichen Entwicklung nehmen die Luftverschmutzung in städtischen Gebieten, aber auch die Krankheiten zu", sagt Assah zur DW. Dazu zählten Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, der Atemwege und Krebs.

Fachleute und Organisationen, die sich für eine sauberere Luft in Afrika einsetzen, trafen sich kürzlich in Yaoundé. Sie diskutierten wie sie zusammen die Luftqualität mit moderner und günstiger Sensortechnologie kontrollieren können.

Innovative Technologie

Bisher sei die Messung kostspielig gewesen, doch es gebe innovative Fortschritte, sagt Deo Okure, Wissenschaftler für Luftqualität an der Makerere-Universität in Kenia. Mit Forscherkollegen entwickelte Okure 2015 ein "lokales Luftüberwachungssystem", das günstiger ist, aber trotzdem wirksam. Ein Vorteil: Das System könne mit verschiedenen Energiequellen betrieben werden, erklärt Okure: "Gleichzeitig sind wir in der Lage, Daten über GSM oder Sim-Karten zu übertragen, die in allen Teilen Afrikas verwendet werden, anstatt WLAN zu benötigen." Die Technologie liefere zwar wichtige Daten, aber das sei immer noch unzureichend, sagt Okure, da damit noch nicht die Quellen der Luftverschmutzung eindeutig bestimmt werden können.

Männer verbrennen Elektroschrott unter freiem Himmel
Diese Männer nahe Accra in Ghana wollen an Kupferkabel gelangen und verbrennen Elektroschrott unter freiem Himmel - der Qualm gelangt ungehindert in die Atmosphärenull The Yomiuri Shimbun/AP Photo/picture alliance / ASSOCIATED PRESS

In Yaoundé wurden im Rahmen eines Projekts Geräte installiert, die die Luftqualität in Echtzeit überwachen. Trotz technologischer Einschränkungen erwartet Ashu Ngono Stephanie vom kamerunischen Amt für Meteorologie, dass der Staub so besser im Blick behalten werden kann: "Es ist sehr wertvoll, Messgeräte vor Ort zu haben, denn so können wir genau verfolgen, was mit den Staubkonzentrationen in der Atmosphäre geschieht."

Yaoundé ist die zehnte afrikanische Stadt, die diese Technologie zur Überwachung der Luftqualität einsetzt. Mehr als 200 Überwachungsgeräte sind auf dem gesamten Kontinent installiert. Die gesammelten Daten dienen auch als Grundlage für politische Entscheidungen zur Verbesserung der Luftqualität.

Hohe Luftverschmutzung in Afrika

Aber Organisationen warnen: Die Messkapazitäten hinken der raschen Urbanisierung in Afrika hinterher. Der Kontinent ist in Studien unterrepräsentiert, weil Daten unzureichend oder gar nicht erhoben werden. So steht es auch im World Air Quality Report des Schweizer Technologie-Unternehmens IQAir, das sich auf den Schutz vor Luftschadstoffen, die Entwicklung von Produkten zur Luftqualitätsüberwachung und Luftreinigung spezialisiert hat.

In den Bericht fließen Daten von Messstationen in 134 Ländern und Gebieten aus dem Jahr 2023 weltweit. Allerdings: 34 Prozent der afrikanischen Bevölkerung sei gar nicht im Bericht vertreten, da es an öffentlich zugänglichen Daten zur Luftqualität mangelt, sagen die Autoren. Aus diesem Grund seien beispielsweise Länder wie Tschad und Sudan nicht Teil des aktuellen Berichts.

Der Bericht bezieht sich auf die sogenannten PM2,5-Werte. Das sind Feinstaubpartikel, die im Durchmesser nicht größer als 2,5 Mikrometer sind. Das entspricht ungefähr der Dicke von Spinnweben. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass von diesen Partikeln im Jahr durchschnittlich nicht mehr als 5 Mikrogramm je Kubikmeter in der Luft vorhanden sein sollten. 

Ägypten Kairo | Luftverschmutzung | Morgenansicht von Kairo mit Smog: Über dem Häusermeer von Kairo hängt grauer Dunst
Smog über Kairo: Ägypten zählt zu den größten Luftverschmutzern in Afrika laut Greenpeace Internationalnull imageBROKER/dpa/picture alliance

Die schmutzigsten Städte in Afrika, die in dem Bericht berücksichtigt wurden, überschreiten diesen Wert um das Acht- bis Elffache. Dazu gehören die Hauptstädte Kinshasa (Demokratische Republik Kongo), Kairo (Ägypten), Abuja (Nigeria) und Ouagadougou (Burkina Faso). Die Top-Plätze nehmen zwei Städte in Südafrika ein: Bloemfontein und die Kohlebergbau-Stadt Benoni. 

Vorzeitige Todesfälle

In punko Krankheiten durch Luftverschmutzung sind Ägypten, Nigeria und Südafrika die am stärksten verschmutzten Länder Afrikas. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace, die Ende März ihren Bericht zu den hauptsächlichen Luftverschmutzern in Afrika veröffentlichte. Untersucht wurden die wichtigsten Industrie- und Wirtschaftssektoren, einschließlich der Industrie für fossile Brennstoffe.

Daten von Satelliten und sogar Kraftstoffverkäufen in den einzelnen Ländern ermöglichten es, die Emissionsquellen zu untersuchen. "Wir haben herausgefunden, dass Satelliten, die die Luftverschmutzung überwachen, regelmäßig Emissionsschwerpunkte finden, die mit Wärmekraftwerken, Zementwerken, Metallhütten, Industriegebieten und städtischen Gebieten übereinstimmen", sagt Cynthia Moyo, Klima-und Energie-Kampagnenleiterin bei Greenpeace Africa in Johannesburg zur DW. "Sechs der zehn größten Stickstoffdioxid-Emissions-Hotspots der Welt und zwei der zehn größten Schwefeldioxid-Emissions-Hotspots befinden sich hier in Südafrika", betont Moyo.

Südafrika Kohlekraftwerk Lethabo: Kühltürme eines Kohlekraftkwerkes im Abendlicht, Rauchschwaden steigen aus den Türmen
Kohlekraftwerk Lethabo in Südafrika: Das Land nutzt hauptsächliche fossile Brennstoffe zur Energiegewinnungnull Themba Hadebe/dpa/AP/picture alliance

Gebiete wie Mpumalanga im Osten des Landes, wo die Kohleverbrennung zur Stromerzeugung ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, stechen laut Moyo besonders hervor. Eskom, ein öffentliches Versorgungsunternehmen, dessen einziger Anteilseigner die südafrikanische Regierung ist, betreibt laut Greenpeace viele der umweltschädlichsten Kraftwerke Südafrikas.

Alarmierend findet Moyo, dass keine der Schlussfolgerungen zu den Schadstoffbelastungen in Afrika neu ist: Die Luftverschmutzungskrise in Afrika ist gut dokumentiert, sagt sie. Doch es fehle an Investitionen in saubere Energie. "Wenn die Menschen über Daten verfügen, haben sie eine Stimme, um Veränderungen zu fordern. Wir brauchen eine angemessene Umweltüberwachung, um unsere Regierung und die Verursacher von Umweltverschmutzung zur Rechenschaft zu ziehen."

Versteckte Umweltkosten beim Sandabbau

Schwere Winterstürme trafen besonders im Dezember 2023 auch die deutsche Nordseeküste. Auf den beliebten Inseln wurden dabei viele schützende Sanddünen und Badestrände weggespült.

Die Küsten von Sylt, Borkum oder Norderney ziehen jährlich Millionen von Touristen an und sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Darum sollen sie noch vor den Sommerferien wieder aufgeschüttet werden - ein umfangreicher und teurer Prozess.

Die niedersächsische Landesregierung, in deren Zuständigkeitsbereich Borkum und Norderney liegen, will dafür bis zu 700.000 Euro bereitstellen. Bei der sogenannten Strandaufspülung werden neue Langen Sand auf den abgetragenen Strand aufgebracht. 

Schadet die Wiederherstellung der Strände der Umwelt?

Der neue Sand für die Nordseestrände wird meist nicht weit transportiert. In den vergangenen Jahren kam er zum Beispiel von benachbarten Inseln oder aus dem Meer vor den Inseln. So wurden auf der Insel Sylt in den letzten 40 Jahren die Strände regelmäßig mit Sand aus dem Meeresboden aufgefüllt.

Baggerschiffe saugen dabei etwa acht Kilometer vor der Küste ein Gemisch aus Sand und Wasser vom Meeresboden auf. Dann wird dieser Sand am Strand und in vorgelagerten Riffzonen abgeladen. Das verringert die Kraft der ankommenden Wellen. 

Diese Methode ist zwar besser als die Verwendung von Sand, der vom anderen Ende der Welt herbeigeschafft wird. Doch die Entnahme vom Meeresboden hat negative Folgen für die Ökosysteme von Küsten und Flüssen: Sie kann die Unterwasserwelt zerstören und die Aufschüttung kann Nistplätze von Vögeln und anderen Tieren beeinträchtigen.

Zudem könnten Küstenerosion und Erdrutsche - die aufgrund des Klimawandels bereits jetzt schon zunehmen - auf lange Sicht noch wahrscheinlicher werden.

Wenn Sand vom Meeresboden abgetragen wird, rutscht Sand vom Ufer nach, um die Lücke zu füllen, die durch das Abtragen entsteht. Dadurch verschiebt sich der Strand weiter. Zudem ist das Aufschütten von Sand nie von Dauer, denn Wind und Wellen wirken weiter. Schon bald wird der aufgeschüttete Strand wieder weggeschwemmt und neuer Sand wird benötigt.

Um Umweltauswirkungen von Saugbaggern zu vermeiden, kann stattdessen weiter entfernt Sand aus abtransportiert und am Strand angeschüttet werden.

Städte wie Manila auf den Philippinen und Miami in den USA bauen Sand an Land ab oder baggern ihn aus Steinbrüchen, Flüssen und Seen. Dabei ist es laut Experten wichtig, Sand zu verwenden, der in seiner Zusammensetzung dem Strand entspricht, an dem er verwendet werden soll. Nur so können mögliche Verunreinigungen vermieden und Tiere und Pflanzen geschützt werden, die sich an einen bestimmten Sandtypus angepasst haben.

Ein Bagger arbeitet an einem Strand, wo ein Berg ünstlicher weißer Sand aufgeschüttet wurde. Im Hintergrund sieht man das Meer mit Schiffen. Manila Baywalk Area
In Manila (Philippinen) werden Strände mit zerkleinertem Dolomitstein aus einer Mine im Landesinneren wieder aufgefüllt null Joel Mataro/Pacific Press/picture alliance

Warum ist Sand eine so wichtige Ressource?

Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP, ist Sand nach Wasser die am zweithäufigsten genutzte Ressource auf der Erde. Er wird nicht nur für die Wiederherstellung von Stränden benötigt. So ist Sand besonders im Bausektor sehr wichtig. Regulärer Sand -  eine natürliche Mischung aus zerkleinertem Gestein, Mineralien und anderem organischen Material - wird dort vor allem für die Herstellung von Glas und Beton gebraucht.

In großen Metropolen wie Singapur und den chinesischen Städten Hongkong und Schanghai, wo Platz knapp ist, wird Sand auch zur Aufschüttung neuer Flächen verwendet.

Ganz anders wird Sand aus Siliziumdioxid verwendet. Daraus wird Silizium hergestellt, ein wichtigen Bestandteil von Schaltkreisen und Mikrochips.

Deutschland importiert jedes Jahr viele Schiffsladungen Sand. Im Jahr 2022 waren es laut dem Portal Statista rund 1,55 Millionen Tonnen - regulärer Sand und Spezialsand. Damit gehört Deutschland zu den zehn größten Sandimporteuren der Welt, zusammen mit den Vereinigten Staaten, Belgien, den Niederlanden, Kanada und China an der Spitze.

Bauarbeiter mit Schutzhelmen laufen über ein Baustelle, im Hintergrund stehen große Kräne auf der Baustelle der Fengtai Railway Station, Beijing in China
Ohne Sand kein Beton: Der weltweite Bauboom steigert die Nachfragenull Wang Yuguo/Xinhua News Agency/picture alliance

Gibt es Alternativen zu Sand?

Zwar gibt es auf unserer Erde riesige Sandwüsten wie die Sahara, die etwa neun Millionen Quadratkilometer groß ist. Doch ein Großteil des Wüstensandes ist für die Bauindustrie unbrauchbar. Denn der Wüstensand wird vom Wind zu winzigen Kugeln geglättet und ist damit nicht nutzbar zum Binden von Beton. Nur ungeschliffene, kantige Sandpartikel, wie etwa vom Grund von Flüssen, Seen und dem Meer eignen sich gut für Beton und andere Produkte.

Durch die wachsende Urbanisierung und Digitalisierung steigt die Nachfrage nach Sand weiter. Der weltweite Sandabbau hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht, und liegt nun nach UN-Angaben bei über 50 Milliarden Tonnen pro Jahr.

Die USA sind bei weitem der größte Exporteur und verschifften 2022 fast 6,3 Milliarden Tonnen Sand. Dies entspricht etwa 31,5 Prozent der weltweiten Ausfuhren. Aus Europa exportieren die Niederlande (12,4 Prozent), Deutschland (8,2 Prozent) und Belgien (5,9 Prozent) viel Sand.

Die gestiegene Nachfrage führt zu immer mehr illegalem Sandabbau in Ländern wie Indien, Vietnam und China , wo Umwelt- und Arbeitsgesetze oft nicht eingehalten werden. 

Was tun gegen Umweltschäden durch immer mehr Sandabbau? 

Aber selbst in genehmigten Minen in Exportländern wie den USA, Malaysia, Kanada oder den Staaten Europas kann der Abbau von Sand die Artenvielfalt beeinträchtigen und den Grundwasserspiegel stören. Außerdem kann er Erosion verstärken, Küstenland zerstören und es anfälliger für Wetterextreme machen. Zudem verschmutzt der Abbau von Sand die Gewässer und sein Transport verursacht CO2.

Doch es gibt Alternativen zum Sandabbau. So kann zum Beispiel Glas  recycelt und in winzige Partikel zermahlen werden. Der dabei entstehende Sand kann im Bausektor und zur Wiederauffüllung von Stränden verwendet werden.

Auch Flugasche - also die winzigen Asche-, Staub- und Rußpartikel, die bei der Verbrennung von Brennstoffen entstehen - kann als primäres Bindemittel für Beton verwendet werden und den Sandbedarf dabei ersetzen.

Die UN empfiehlen, Sand auf möglichst sozial- und umweltverträgliche Weise abzubauen und zu transportieren. Geschädigte Ökosysteme sollten mit "naturbasierten Lösungen" wiederhergestellt werden.

Redaktion: Jennifer Collins.

Adaption aus dem Englischen: Gero Rueter

Der Welt geht der Sand aus

 

Was sind Biopestizide?

Seit den Anfängen der Landwirtschaft kämpfen Landwirtinnen und Landwirte gegen Schädlinge, um ihre Pflanzen zu schützen. Im alten Persien (dem heutigen Iran) wurde aus getrockneten Blüten von Chrysanthemen das natürliche Insektizid Pyrethrum hergestellt. Es schützte Nutzpflanzen vor Insekten - und wurde später auch gegen Haarläuse eingesetzt.

Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte man in den großen Monokulturen in der Landwirtschaft auf Chemikalien, um Schädlinge von Obst, Getreide und Gemüse fernzuhalten. Sie enthielten Stoffe wie Arsen, Schwefel oder Kupfer.

Die chemischen Pestizide haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Ökosysteme und die menschliche Gesundheit. Deshalb sind sie in einigen Ländern verboten. In der EU wird beispielsweise seit langem über ein Verbot von Glyphosat gestritten. Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel bedroht die Artenvielfalt und steht im Verdacht krebserregend zu sein. Bisher ist es aber noch nicht in der EU verboten. Doch: Was ist die Alternative zu chemischen Pestiziden?

Böden im Burnout

Wie werden Biopestizide hergestellt?

Biopestizide werden derzeit weltweit immer beliebter. So schützen etwa bestimmte Pilzarten vor Krankheitserregern. Andere Biopestizide werden aus pflanzlichen Stoffen hergestellt, wie das Pyrethrum im alten Persien, oder aus ätherischen Ölen, etwa aus denen des Neem-Baums.

Dieser Baum ist in Indien weit verbreitet und enthält eine Reihe von Limonoiden. Diese Stoffe kommen häufig in Zitruspflanzen vor. Als ätherisches Öl angewendet, helfen sie Insekten abzuwehren. Sie wirken etwa bei der Bekämpfung von Heuschrecken und halten diese davon ab, große Schwärme zu bilden und über Pflanzen herzufallen.

Ätherisches Öl aus Rosmarin hat sich vor allem als gutes Abwehrmittel gegen Blattläuse erwiesen, die verschiedene Getreide- und Gemüsesorten befallen.

Ein Heuschreckenschwarm über einem Feld in Otuke, Uganda
Heuschreckenplagen wie hier in Uganda können die gesamte Ernte zerstören - können Biopestizide sie stoppen? null Sumy Sadurni/AFP/Getty Images

Wie wirken natürliche Pestizide?

Eine im Dezember 2023 veröffentlichte Studie aus Australien zeigt, wie blaugrüne Blattläuse gegen chemische Insektizide resistent werden - und das sei ein weltweiter Trend, so die Forschenden.

Um diese Resistenz zu brechen, empfehlen die Autorinnen und Autoren nicht-chemische Alternativen zur Schädlingsbekämpfung, darunter die Förderung "natürlicher Feinde" wie Marienkäfer und bestimmte Wespenarten. Eine weitere Option seien neuartige Bakterien, mit denen sich Krankheiten erfolgreich bekämpfen ließen, die von Mücken übertragen werden, heißt es weiter. Statt sich auf universell wirkende chemische Pestizide zu verlassen, sollten regional angepasste Lösungen zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, raten die Forschenden.

In Brasilien, dem größten Exporteur von Sojabohnen, versucht man mit Hilfe organischer Pilze und Bakterien natürliche Pestizide zu entwickeln. Die Anwendung dieser natürlichen Mikroorganismen lassen die Sojapflanzen gut gedeihen und machen sie resistent gegen Schädlinge und Krankheiten.

Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist Brasilien auch ein wichtiger Exporteur von Mais und Baumwolle - und der größte Verbraucher von chemischen Pestiziden.

Doch obwohl der Einsatz chemischer Insektizide in Brasilien weiter ansteigt, hat sich der Umsatz mit Biopestiziden in dem Land mehr als verdoppelt: von vier Prozent am Gesamtumsatz mit Pestiziden im Jahr 2020 auf neun Prozent in 2022.

Welche Vorteile haben Biopestizide?

Sogenannte mikrobielle Pestizide, die aus Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen bestehen, können nach Angaben der US-Umweltschutzbehörde (EPA) eine Vielzahl von Schädlingen bekämpfen. Die mikrobiellen Pestizide, die am häufigsten verwendet werden, kommen von Stämmen des Bakteriums Bacillus thuringiensis. Dieses Bakterium produziert eine Mischung von Proteinen, die mehrere verwandte Arten von Insektenlarven abtöten können.

Solche Biopestizide sind nicht nur weniger giftig als herkömmliche Pestizide, sie haben auch nur begrenzte Auswirkungen auf den "Zielschädling und eng verwandte Organismen", so die EPA. Im Gegensatz dazu können sich konventionelle Pestizide auf eine Vielzahl von ganz verschiedenen Organismen wie Vögel, Insekten und Säugetiere auswirken.

Biopestizide sind laut EPA auch in sehr kleinen Mengen wirksam. Außerdem zersetzen sie sich schnell. Das reduziert die Umweltbelastung.

Mit Biopestiziden lassen sich hohe Ernteerträge erwirtschaften. Allerdings könnte sich der menschengemachte Klimawandel auf den Erfolg der Ernte auswirken. Denn die Veränderungen des Klimas und der steigende Gehalt an Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre könnten die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Schädlingen verändern.

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Können wir das Artensterben aufhalten?

Entsalzung: Die Lösung für Wassermangel weltweit?

Schon seit mehr als 2000 Jahren sind Methoden bekannt, um Trinkwasser aus Salzwasser zu gewinnen. Griechische Seefahrer in der Antike kochten dafür Meerwasser, und im alten Rom wurde es durch Tonröhren gefiltert, um es trinkbar zu machen.

Moderne Formen dieser antiken Technologien sind heute die "Gegenwart und Zukunft der Bewältigung von Wasserknappheit", so Manzoor Qadir, stellvertretender Direktor am Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU). 

Salzwasser überall, aber kein Trinkwasser

Rund 70 Prozent der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt, doch von diesen mehr als 1,4 Trilliarden Litern sind nicht mal drei Prozent Süßwasser, und weniger als ein Prozent ist als Trinkwasser nutzbar.

Diese Ressourcen werden immer knapper. Denn die Weltbevölkerung wächst, und an vielen Orten gibt es nicht genug Süsswasser. Immer mehr Dürren durch den Klimawandel führen zu Wassermangel in immer mehr Regionen.

Ein Viertel der Menschen lebt schon heute in Ländern mit "extremem Wasserstress". Das bedeutet, dass dort jedes Jahr mindestens 80 Prozent des gesamten verfügbaren Wassers verbraucht wird. Das erhöht die Gefahr von Wassermangel, und zwingt Regierungen zeitweise dazu, die Versorgung stark einzuschränken.

Bis 2050 könnte eine zusätzliche Milliarde Menschen unter extremem Wasserstress leiden, und das sogar, wenn die globale Erwärmung begrenzt werden kann. Das zeigen selbst optimistische Klimaszenarien.

Entsalzung ist eine wachsende Industrie

Trotz der Kritik an Kosten, dem hohen Energieverbrauch und den Umweltauswirkungen ist Entsalzung daher eine boomende Branche. In den letzten beiden Jahrzehnten ist sie stetig gewachsen.

"Die zunehmende Wasserknappheit treibt diese Entwicklung", sagt Qadir. "Es werden immer mehr Entsalzungsanlagen gebaut."

Moderne Entsalzungsanlagen entfernen Salz entweder durch thermische Destillation, bei der Meerwasser erhitzt und der Wasserdampf aufgefangen wird. Oder sie arbeiten mit der sogenannten Umkehrosmose, bei der das Wasser durch halbdurchlässige Filter-Membrane gepresst wird.

Zwar können auch alternative Methoden der Süßgewinnung eine wichtige Rolle spielen, so Qadir, darunter etwa die künstliche Erzeugung von Regen durch Wolkenimpfung, die Gewinnung von Wasser aus Nebel, der Transport von Eisbergen in Trockengebiete oder die Wiederaufbereitung von Wasser. Doch mit diesen Methoden könnte lange nicht genug Wasser gewonnen werden, um den weltweiten Bedarf zu decken.

Derzeit werden täglich 56 Milliarden Liter Trinkwasser durch Entsalzung produziert. Das entspricht umgerechnet etwa sieben Liter für jeden der rund acht Milliarden Menschen auf der Erde.

Von den schätzungsweise 16.000 Entsalzungs-Anlagen weltweit werden etwa 39 Prozent im Nahen Osten betrieben. Neben Nordafrika ist dies die wasserärmste Region der Welt.

Eine Zukunft ohne Entsalzungsanlagen wäre für viele der Länder "fast unmöglich", erläutert Qadir. Denn es gibt dort nur sehr geringe Niederschläge.

Weltweit wird insgesamt nur etwa ein halbes Prozent des gesamten Süßwasserverbrauchs aus Entsalzungsanalgen gedeckt. In Ländern wie Katar (76 Prozent) und Bahrain (56 Prozent) ist dieser Anteil jedoch sehr viel höher.

Zunehmend energieeffiziente Techniken

Entsalzungsanalgen verbrauchen viel Energie. Bisher werden sie meist mit fossilen Brennstoffen wie Öl oder Kohle betrieben und sind entsprechend klimaschädlich.

Auf der trockenen Mittelmeerinsel Zypern wird etwa 80 Prozent der Trinkwasser durch Entsalzung gewonnen. Eine Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass die vier Entsalzungsanlagen dafür insgesamt fünf Prozent des gesamten Stroms verbrauchen, und für etwa zwei Prozent der Treibhausgasemissionen der Insel verantwortlich sind. 

Die Steigerung der Energieeffizienz ist einer der Faktoren, die das Wachstum der Branche vorantreiben, erklärte Hugo Birch, Redakteur für Entsalzung und Wasserwiederverwendung bei Global Water Intelligence, einer Informationsplattform der Entsalzungsindustrie.

Die meisten neuen Entsalzungsanlagen arbeiten mit Umkehrosmose statt mit thermischen Verfahren, was wesentlich energieeffizienter ist, so Birch. Die Umstellung könne die Stromkosten halbieren.

Einer Schätzung zufolge ist der Energiebedarf für die Umkehrosmose-Entsalzung zwischen 1970 und 2020 um fast 90 Prozent gesunken. Einige Prognosen nehmen an, dass die Kosten für Entsalzung durch technologische Fortschritte in den nächsten 20 Jahren um weitere 60 Prozent sinken werden.

Ärmere Länder können sich teure Entsalzungsanlagen nicht leisten

Die Kosten für die Herstellung von entsalztem Wasser sind erheblich gesunken - auf heute etwa 0,50 Dollar pro Kubikmeter. Doch das "ist immer noch ein Geschäft der reichen Länder", so Qadir. "Das Hauptproblem bleibt: Für Länder mit niedrigem Einkommen ist es immer noch nicht bezahlbar."

Über 90 Prozent der Entsalzung findet bisher in Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen statt. Dabei werden bis 2050 laut Prognosen besonders ärmere Länder, wie etwa afrikanische Länder südlich der Sahara, zu "Hotspots" der Wasserknappheit.

Zwar werden auch kleinere solar- oder windbetriebene und vom Stromnetz unabhängige Entsalzungsanlagen entwickelt. Doch Qadir glaubt nicht, dass diese auch die marginalisierten Siedlungen und Gemeinden erreichen, die sie am dringendsten benötigen.

Sole-Abfälle bedrohen Ökosysteme im Meer

Eines der größten Umweltprobleme bei der Entsalzung ist die Einleitung der dabei enstehenden Salzlauge in die Umwelt. Das kann zu einer "Verschmutzung der Meere, des Grundwassers und der Versalzung des Bodens führen", erklärt Argyris Panagopoulos, Chemieingenieur an der Nationalen Technischen Universität Athen.

Etwa 70 Prozent der weltweiten Soleabfälle entstehen dabei im Nahen Osten. Laut Birch ist der Hauptgrund dafür, dass die Entsalzungsanlagen dort meist das sehr salzhaltige Meerwasser verwenden. In anderen Regionen, etwa in den USA wird dagegen oft weniger salzhaltiges Brackwasser verwendet.  

Birch ergänzt, dass die Anlagen in der Regel über einen eingebauten Mechanismus verfügen, der die Abfälle verteilt, damit die Sole nicht an einer Stelle konzentriert wird. 

Inzwischen werden auch neue Technologien zur Aufbereitung von Sole entwickelt. Panagopoulos erklärt, dass sie dazu beitragen können, die Verschmutzung durch Entsalzungsanlagen zu verringern und wertvolle Materialien wie Mineralien, Salze und Metalle zurückzugewinnen.

Eine nachhaltige Zukunft für die Entsalzung?

Aber es gibt noch Raum für Verbesserungen, etwa  beim Umgang mit der Salzlake und der Umstellung auf erneuerbare Energien, so der Ingenieur. "Die Entsalzung hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht, aber es gibt noch einige Herausforderungen zu bewältigen, bevor sie tatsächlich umweltverträglich ist", sagt der Chemieingenieur.

Bagladesch: Eine Frau holt an einer Trinkwasserstation Trinkwasser. Das Wasser fließt nach der Identifikation mit einer Chipkarte
Kostbares Gut: Trinkwasserstation in Bangladesch. Aus dem Hahn kommt das Wasser aus einer Entsalzungsanlage null Mahmud Hossain Opu/AP/picture alliance

Doch in jedem Fall wird die Entsalzung eine entscheidende Rolle dabei spielen, die künftige Wasserknappheit zu bewältigen, davon is Manzoor Qadir von der UNU überzeugt. "Unabhängig davon, ob es regnet oder ob es eine Dürre gibt, es gibt Meerwasser. Das ist das Beste an der Entsalzung".

Redaktion: Jennifer Collins. Adaption: Gero Rueter

Daten und Methodik hinter dieser Analyse finden Sie auf Github.

Mehr datenjournalistische Geschichte der DW finden Sie hier.

Quellen:

Environmental impacts of desalination and brine treatment - Challenges and mitigation measures, Marine Pollution Bulletin, Dezember 2020: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0025326X20308912 

Freshwater availability status across countries for human and ecosystem needs, Science of The Total Environment, Oktober 2021: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0048969721033015?via=ihub 

What Is Desalination? How is it Done?, Princeton, 2022: https://psci.princeton.edu/tips/2022/7/8/desalination-research 

Was ist eigentlich ein Passivhaus?

Wenn wir nicht in tropischen Regionen wohnen, müssen wir unsere Häuser, Werkstätten und Büros heizen. Und das passiert meistens immer noch mit fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl. In Deutschland etwa wird fast 80 Prozent der Wärme so erzeugt. Doch dabei entstehen viele Treibhausgase, die den Klimawandel antreiben. 40 Prozent aller CO2-Emissionen kamen 2023 aus dem Gebäudesektor. Wie wäre es also, wenn wir unsere Häuser fast gar nicht heizen müssten und es trotzdem warm hätten? Genau das ist in einem Passivhaus möglich.

Was ist die Idee hinter dem Passivhaus?

Ein Passivhaus heißt so, weil fast keine externe Energie zum Heizen benötigt. Das Haus erwärmt sich quasi selbst - also passiv - und behält diese Wärme. Dabei wird die Wärme genutzt, die sowieso anfällt. So entsteht etwa Wärme beim Kochen oder Duschen, auch elektrische Geräte und die Körper der Bewohner produzieren Wärme.

Viel Wärme kommt außerdem mit der Sonneneinstrahlung durch die Fenster. Passivhäuser sind so gebaut, dass all diese Wärme im Haus bleibt. Je weniger zusätzlich geheizt werden muss, desto weniger Treibhausgase entstehen. Und desto weniger Geld muss man für das Heizen ausgeben.

Wie viel Heizenergie spart ein Passivhaus ein?

Ein Passivhaus verbraucht etwa 90 Prozent weniger Heizwärme als ein durchschnittlicher Altbau und 75 Prozent weniger im Vergleich zu einem Neubau.

Das erste Passivhaus Deutschlands in Darmstadt im Winter
Das erste Passivhaus weltweit würde übrigens in Deutschland gebaut: in den Jahren 1990/91 in Darmstadt-Kranichstein - und funktioniert bis heutenull GFDL/Passivhaus Institut

In der Regel benötigt ein Passivhaus für die Heizung im Jahr nicht mehr als 1,5 Liter Öl oder 1,5 Kubikmeter Erdgas pro Quadratmeter Wohnfläche. Das entspricht 15 Kilowattstunden (kWh). Bei herkömmlichen Gebäuden ist es zehnmal so viel für die Heizung , im Schnitt etwa 150 kWh pro Quadratmeter.

Anders ausgedrückt: Um ein 30-Quadratmeter-Zimmer in einem Passivhaus auch bei richtig kalten Wintertemperaturen zu heizen, braucht man nur zehn Teelichter oder insgesamt vier Personen, die sich gleichzeitig in diesem Zimmer aufzuhalten.

Wie genau funktioniert ein Passivhaus?

Damit ein Passivhaus keine Wärme verliert, ist es von einer dicken Wärmedämmung umgeben. Sie schützt die Außenwände vor Kälte, aber auch vor Hitze im Sommer. Die Fenster sind dreifach verglast und dadurch besonders isolierend. 

Bei neugebauten Passivhäusern sind die großen Fensterflächen in der Regel nach Süden ausgerichtet. So kommt mehr Sonnenwärme ins Innere, als die Fenster an Wärme abgeben. Selbst im Winter sinkt die Temperatur auf der Innenseite der Fensterflächen in der Regel nicht unter 17 Grad. Im Sommer verhindert ein außen liegender Sonnenschutz an den Fenstern, dass die Sonneneinstrahlung das Gebäude zu stark aufwärmt.

Neben dieser wärmedämmenden Isolierschicht muss das gesamte Innenhaus von einer weiteren luftdichten Hülle umschlossen sein. Sie verhindert, dass kalte Luft durch Fugen oder Ritzen nach innen gelangt, und die warme Luft des Hauses nach außen entweicht. An den Türen oder Fenstern übernehmen wärmeisolierende Rahmen diese Funktion.

Ganz vereinfacht gesagt: Die besonders starke Dämmung und Luftdichtheit funktionieren wie eine Thermoskanne, die eine heiße Flüssigkeit warmhält.

Neben der Isolierung ist eine gute Lüftungsanlage für ein Passivhaus unverzichtbar. Zum einen muss frische Luft ins Haus gelangen, da es ja luftdicht gebaut ist. Doch wenn man Fenster öffnet, würde im Winter zu viel Wärme nach außen entweichen. Deswegen zieht eine Lüftungsanlage Frischluft von außen ins Innere. Dabei können Schadstoffe wie Rußpartikel oder Pollen direkt ausgefiltert werden. 

Diese Außenluft wird durch einen sogenannten Luft-Wärmeübertrager geschickt. Dorthin wird gleichzeitig die verbrauchte Luft aus dem Haus geleitet, vor allem aus Räumen wie Bad oder Küche, wo besonders viel Wärme entsteht. Die warme Hausluft erwärmt die kühle Außenluft und wird dann als Abluft nach außen geleitet. Die Frischluft von außen ist nun warm und wird ins Haus geleitet.

Im Sommer kann die Lüftungsanlage so eingestellt werden, dass warme Frischluft durch die Luft von innen abgekühlt wird. Zudem ist es dann sinnvoll - wie bei  anderen Häusern auch - nachts die Fenster zum Durchzug zu öffnen, um kühle Nachtluft ins Haus zu lassen.

Welche Passivhäuser gibt und wo stehen sie überall?

Sowohl Ein- als auch als Mehrfamilienhäuser können als Passivhäuser gebaut werden. Besonders nachhaltig sind Mehrfamilienhäuser, weil so weniger Fläche pro Wohneinheit verbraucht wird. Auch Bürogebäude, Schulen, Kirchen oder Verwaltungsgebäude werden weltweit immer öfter als Passivhäuser gebaut.

Gerade für Gebäude an vielbefahrenen Straßen ist dabei das "Lüften ohne Lüften" von Vorteil, weil die Schadstoffe gefiltert werden und kein Straßenlärm über geöffnete Fenster eindringt.

Luftaufnahme des Heidelberger Stadtteil "Bahnstadt" im März 2022
Der neue Stadtteil "Bahnstadt" im deutschen Heidelberg wurde komplett in Passivbauweise gebaut und soll bei der geplanten Fertigstellung 2027 die größte Passivhaussiedlung der Welt seinnull Daniel Kubirski/picture alliance

Wie andere Häuser können auch Passivhäuser eigene erneuerbare Energie erzeugen, vor allem durch Solaranlagen. Auch Geothermie-Anlagen lassen sich einbauen. Mit der Erdwärme kann der Restbedarf an Heizenwärme ebenso erzeugt werden wie warmes Wasser zum Duschen.

Passivhäuser, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen, werden in Deutschland als Passivhaus Plus bezeichnet. Bei besonders viel Energieüberschuss werden sie Passivhaus Premium genannt.

Im Prinzip lassen sich auch Altbauhäuser zum Passivhaus umwandeln. Allerdings sind Aufwand und Kosten für einen Komplettumbau sehr hoch. Doch für eine Wärme-Sanierung können viele Komponenten der Passivbauweise auch bei Altbauten verwendet werden.

Massive Überschwemmungen in Brasilien: Was lief falsch?

Als die Regenfälle einsetzten, befand sich Roberlaine Ribeiro Jorge gerade auf einer Dienstreise in Europa und den USA. Bei seiner Rückkehr fand der Universitätsprofessor seinen Heimatbundesstaat Rio Grande do Sul in einem bedauernswerten Zustand vor. "Unterwegs dachte ich erst: 'Wieder einmal eine Starkregen-Phase'. Aber solche Ausmaße hatte ich mir nicht vorstellen können", sagt der Experte für Wasserressourcen und Umwelthygiene. "Ich arbeite ja in dem Bereich, aber die Dimensionen haben mich geschockt."

Die seit mehreren Wochen andauernden Überschwemmungen sind die schlimmsten in der Geschichte von Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens. An die 150 bestätigte Todesopfer gibt es mittlerweile und fast noch einmal so viele Vermisste. Hunderttausende Menschen mussten wegen der Überschwemmungen ihre Häuser verlassen, das öffentliche Leben ist weitgehend lahmgelegt. Insgesamt sind mehr als zwei Millionen Menschen von der Naturkatastrophe betroffen - und es regnet weiter.

Blick von oben auf das kreisrunde Fußballstadion Beira-Rio
Auch das Fußballstadion Beira-Rio in Porto Alegre, der Landeshauptstadt von Rio Grande do Sul, steht unter Wassernull Diego Vara/REUTERS

Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Starkregen kommen in Brasilien, auch im Süden des Landes, immer wieder vor, allein in den vergangenen Monaten gab es eine ganze Reihe. Die Erderwärmung verstärkt Wetterextreme bekanntermaßen; bekannt ist auch, dass sie derzeit in der Region durch das Klimaphänomen El Niño noch verstärkt werden. Deshalb stellt sich die Frage: Hätte man besser vorbereitet sein müssen?

"Wir brauchen einen besseren Zivil- und Katastrophenschutz"

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva selbst hat bereits Defizite beim Katastrophenschutz eingeräumt. Auf eine Katastrophe von diesem Ausmaß sei das Land "nicht vorbereitet" gewesen, sagte Lula am Montag. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Quaest glaubt auch eine Mehrheit der Brasilianerinnen und Brasilianer, dass die Tragödie hätte verhindert werden können.

Aber wo liegen die Versäumnisse genau? Meteorologische Warnungen, dass es zu starken Regenfällen kommen würde, habe es etwa fünf Tage vorher gegeben, erklärt Gean Michel, Professor am Institut für Hydraulikforschung an der Bundesuniversität Rio Grande do Sul (UFRGS). Doch bis zum tatsächlichen Einsetzen des Starkregens am 29. April sei wenig passiert - und auch die längerfristige Vorbereitung auf Extremwetterereignisse sei mangelhaft gewesen.

"Dafür gibt es absolut keine Rechtfertigung", findet Michel. "Wir brauchen einen besseren Zivil- und Katastrophenschutz." Nachdem Brasilien 2011 die bislang schlimmste Flutkatastrophe seiner Geschichte mit über 500 Toten erlebt hatte, wurde der Katastrophenschutz zwar 2012 in einem nationalen Gesetz verankert. "Doch es hapert an der Umsetzung", bemängelt der Experte für Umweltkatastrophen. Gerade in kleinen Gemeinden bestehe das Zivilschutzsekretariat oft nur aus einer Person, die wenig bis gar keine Erfahrung im Katastrophenrisikomanagement habe - und nach vier Jahren beginne das Ganze von vorne, wenn der Posten wieder neu besetzt wird.

Deiche, Schleusen und Pumpen nicht instandgehalten

Auch in baulicher Hinsicht haben sich während der aktuellen Katastrophe in Rio Grande do Sul Probleme offenbart: Eigentlich vorhandene Strukturen zum Schutz vor Hochwasser, unter anderem Deiche, Schleusen und Pumpen, wurden über Jahrzehnte nicht ordentlich instandgehalten oder erneuert. "In Porto Alegre hätten sie Hochwasser von bis zu sechs Metern standhalten sollen", erklärt Roberlaine Jorge, der an der Bundesuniversität Pampa doziert. "Aber die Systeme haben schon bei dem erreichten Pegel von 5,35 Metern versagt."

So hätten etwa die Pumpen das Wasser nicht aus der Stadt pumpen können, weil sie überflutet wurden und unter Wasser nicht mehr funktionieren. Dabei ist die Technologie längst weiter: Im Reisanbau etwa, ein großer Wirtschaftsfaktor in Rio Grande do Sul, sind mittlerweile Pumpen im Einsatz, die sich in einer Art Schlauchboot befinden und bei steigendem Pegel mit nach oben steigen.

Vier Männer stehen mit dem Pferd und in Schutzkleidung auf einem Hausdach, das bis über die Dachkante von Hochwasser umgeben ist
Das gerettete Pferd "Caramelo", das tagelang auf einem Hausdach ausgeharrt haben soll, ist für viele Brasilianer zum Symbol für die Tragödie, aber auch für Hoffnung gewordennull Corpo Bombeiros Rio Grande do Sul/picture alliance/dpa

Der Experte hält zudem Veränderungen im Bereich der Städteplanung für notwendig. Viele Menschen würden, oft auch entgegen der Vorschriften, zu nah am Wasser leben. Ingenieure, Architekten und Umweltschützer müssten sich verstärkt fragen, wie Verstädterung und Bodenversiegelung zukünftig besser gehandhabt werden könnten.

Umdenken notwendig

Nicht zuletzt müsse sich auch im Bewusstsein der Bevölkerung etwas ändern, ist Jorge überzeugt: "Viele Menschen sind leider gestorben, weil sie zu lange ausgeharrt haben. Wir müssen verstehen, dass unser Leben wichtiger als andere ist, als ein Auto, ein Haus." Gean Michel spricht von einer "Präventionskultur", die etwa in Japan angesichts vieler Erdbeben und Tsunamis sehr ausgeprägt sei, in Brasilien aber noch in den Kinderschuhen stecke. Die Bevölkerung müsse mehr darüber wissen, wie sie Risiken verringern könne und sich in bestimmten Situationen zu verhalten habe.

Ein Gabelstapler transportiert Hilfsgüter zu einem Flugzeug
Hilfsgüter werden in ein Flugzeug der brasilianischen Luftwaffe geladennull Eraldo Peres/AP Photo/picture alliance

Einen alleinigen Hauptverantwortlichen für die verheerenden Überschwemmungen will Michel nicht ausmachen. Aber "auf Bundesebene hätte mehr investiert werden sollen. Nach dem Schock von 2011 wurde einige Jahre mehr Geld ausgegeben, aber vor allem die Regierungen Temer und Bolsonaro reduzierten die Investitionen wieder stark. Auf Landesebene hätte es einer besseren Organisation bedurft. Und auf kommunaler Ebene hätte man die Anforderungen besser umsetzen müssen."

Dass der Starkregen in Rio Grande do Sul so viel Schaden anrichten konnte und so viele Menschenleben gekostet hat, ist letzten Endes dem Zusammenspiel vieler verschiedener Komponenten geschuldet. Bleibt die Hoffnung, dass die Umweltkatastrophe zu einem nachhaltigen Umdenken in der Politik führt statt zu einem - wie oftmals in der Vergangenheit - nur vorübergehenden.