Manuskript

JOJO:
Nein, nein, die Verkehrsregeln in Brasilien sind genauso wie die in Deutschland. Allerdings glaube ich, dass die Leute in São Paulo sich nicht so genau daran halten. Der Straßenverkehr ist da viel chaotischer.

LENA:
Ja, und die Fahrräder wahrscheinlich nicht ganz so ordentlich und verkehrssicher wie hier.

JOJO:

Nun ja, das hat mir ja nichts genützt. Ich muss das bei Reza unbedingt wiedergutmachen.

LENA:
Was? Ich dachte, er weiß noch gar nichts von deinem Unfall?

FRAU PETERS:
Wer ist denn Reza?

LENA:
Das ist ein ganz Netter ...

JOJO:
Doch, doch, natürlich weiß er Bescheid. Ich finde es ganz wichtig, dass man immer die Wahrheit sagt.

HERR PETERS:
Das ist allerdings wahr! Da sieht man wieder, dass Werte wie Ehrlichkeit und Vertrauen universell sind, nicht wahr, Lena?

LENA:
Ach, Papa, jetzt lass es bitte gut sein. Ich hab' dir doch schon gesagt, dass ich's nicht wieder tun werde. Mein Vater regt sich darüber auf, dass ich ihm nichts vom Vorsprechen erzählt habe.

HERR PETERS:
Nein, nein, ich reg' mich nicht auf. Ich bin nur enttäuscht, dass meine Tochter lieber
brotlose Kunst studieren will, statt eine Banklehre zu machen.

FRAU PETERS:
Jojo, welches Stück Kuchen darf ich Ihnen denn noch anbieten?

JOJO:
Oh, das weiß ich noch nicht. Hier gibt es auch noch so viele andere schöne Sachen. Was ist das denn da für eine Wurst?

FRAU PETERS:
Das ist Leberwurst. Auf eine rheinische Kaffeetafel gehören neben Kuchen auch Wurst und Käse. Und Schwarzbrot. Und nach dem Essen gibt’s für uns beide noch ein Schnäpschen, ne?

JOJO:
Das ist lustig. Wir in Brasilien mischen das auch dauernd. Es gibt ganz viele Speisen, die gleichzeitig süß und sauer sind. Man sagt "sauer", oder?

LENA:
Herzhaft vielleicht?

FRAU PETERS:
Ja genau, herzhaft. Sagen Sie, Jojo, was mich interessieren würde: Was halten Ihre Eltern eigentlich davon, dass Sie hier in Deutschland auf die Kunsthochschule gehen? Sie haben doch zu Hause vielleicht einen Freund? Der wird Sie doch bestimmt sehr vermissen.

JOJO:
Nein, in Brasilien habe ich keinen Freund ... aber hier. Also, irgendwie zumindest.

LENA:
Jojo versucht seit Tagen verzweifelt, einen Jungen zu treffen, den sie im Internet kennengelernt hat. Aber es klappt nicht ...

HERR PETERS:
Also, Jojo, dass Sie nach Deutschland kommen und hier ausgerechnet auf die Kunsthochschule gehen – ich hätte gedacht, dass Sie wegen der Sachen nach Deutschland kommen, für die das Land bekannt ist: für die Technik, die Wirtschaft …

JOJO:
... die Kunst, Herr Peters! Die hat hier doch eine große Tradition. Deutschland ist das Land der Dichter und Denker, oder etwa nicht? Hm?

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