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Manuskript

Gemüse mit Kultstatus: Oldenburger Grünkohl

Er gilt als typisches Wintergemüse, hat verschiedene Namen, ist sehr gesund und besonders im Norden Deutschlands beliebt. In Oldenburg genießt er schon seit Jahrhunderten Kultstatus.

Der Grünkohl ist ein sogenanntes Saisongemüse, eines, das man nur zu einer bestimmten Jahreszeit frisch kaufen kann. Beim Grünkohl reicht die Erntezeit von Oktober/November bis Januar/Februar. Mancher kennt das Gemüse auch unter der Bezeichnung „Braunkohl“, „Krauskohl“ oder „Federkohl“. In Oldenburg nennt man es liebevoll „Oldenburger Palme“. Nicht ohne Grund. Denn das Wintergemüse mit den krausen, gefächerten Blättern und den langen, harten Stängeln erinnert angesichts seiner Höhe an eine Palme. Je nach Sorte kann Grünkohl eine Höhe von 1,40 bis zwei Meter erreichen. Er ist im ganzen Norden Deutschlands verbreitet, in der niedersächsischen Stadt genießt er aber Kultstatus. Das bestätigt auch Nico Winkelmann vom Traditionsrestaurant „Bümmersteder Krug“:

„Ja ich glaub‘, hier in Oldenburg wächst so ziemlich jedes Kind mit Grünkohl auf. Grünkohl muss irgendwie sein.“

Schon in alten Oldenburger Urkunden werden Kohlhöfe und -gärten erwähnt, in denen das Gemüse angebaut wurde. Das vitaminreiche und nahrhafte Gemüse kam damals beinahe täglich auf den Tisch, in Armenhäusern dreimal in der Woche. Die Region um Oldenburg ist eins der wichtigsten Grünkohl-Anbaugebiete Deutschlands: Rund 2000 Tonnen werden hier jährlich geerntet, denn der Kohl gedeiht hier wegen des kalten norddeutschen Klimas in hoher Qualität.

Eine lange Tradition haben auch Bräuche, die sich rund um das Wintergemüse entwickelt haben: Schon im 16. Jahrhundert verabredete man sich in den Wintermonaten zum gemeinsamen Grünkohlessen. Im 19. Jahrhundert kam dann die Kohlfahrt dazu, heutzutage ein großes Event. Die Kohltour gehört, so das Tourismusamt, zu Oldenburg wie der Karneval zu Köln. Von November bis Februar ziehen kleine Gruppen mit ihren Bollerwagen los, picheln dabei den einen oder anderen Schnaps und messen sich beim Boßeln, dem friesischen Nationalsport. Ziel dabei ist es, eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine festgelegte Strecke zu werfen. Krönender Abschluss der Kohltour ist das gemeinsame Grünkohl-Schmausen in einer Gaststätte.

Eine davon ist der „Bümmersteder Krug“, ein Traditionsgasthaus, das in vierter Generation von der Familie Abel geführt wird. Hier gibt’s nicht nur sehr gute Grünkohlgerichte, sondern auch Informationen über deren Zubereitung. Die ist nämlich nichts für ungeduldige Menschen, sagt Chefkoch Nico Winkelmann:

„Den Kohl, den kann man nicht um 10 [Uhr] ansetzen und um 12 [Uhr] essen. Also er braucht wirklich seine Zeit, weil erst über seine Zeit kriegt er seinen Geschmack und seine Konsistenz.“

Ein Grünkohlgericht kann man nicht ansetzen, im Topf auf den Herd stellen, und bereits kurze Zeit später verspeisen. Langes, langsames Garen ist das A und O. Erst wenn der Kohl mindestens drei Stunden gekocht hat, erhält er die richtige sämige Beschaffenheit, Konsistenz. Doch bis dahin gilt es, einiges zu beachten. Anders als im Familienhaushalt werden in der Restaurantküche nicht alle Zutaten auf einmal in den Topf geworfen. Zunächst werden Fleisch und Grützwurst separat gekocht. Mit der würzigen Brühe, die dabei entsteht, wird dann später der Kohl angesetzt. Auch dieser muss – bevor er in den Topf kommt – gut vorbereitet werden. Die Blätter werden zunächst gezupft oder geschnitten, erklärt Inhaberin Hildburg Abel:

„Wir verwenden den Grobschnitt, da ist ein bisschen mehr Strunk-Anteil wohl dabei, aber der sollte eben halt auch weichzukochen sein. Und wenn man eben halt sehr grobe Außenblätter hat, da ist das dann nicht möglich. Da bleibt der Strunk hart, und das ist halt eben nicht die gute Qualität. Hier in Oldenburg liebt man den etwas gröberen Grünkohl, der dann schön sämig gekocht wird.“

Häufig werden nur die zarten Blattteile ohne den dicken Strunk, den fleischigen Teil des Stängels, verwendet. Der ist, wenn er nicht lange genug gekocht wird, zäh. Im „Bümmersteder Krug“ wird jedoch ein Stück des Strunks mitverwendet. Anschließend wird der Kohl noch einer Spezialbehandlung unterzogen, erklärt Chefkoch Nico Winkelmann:

„Ja, [wir] blanchieren den Kohl halt auch immer, um die Bitterstoffe noch mal rauszubekommen. Also wir setzen den Kohl nicht klassisch an. Das heißt, [er] wird einmal kräftig durchgekocht. Das Wasser wird wieder abgelassen, und dann wird er quasi angesetzt.“

Das geschnittene Gemüse wird nicht klassisch angesetzt, also einfach so in den Topf gegeben, sondern zunächst blanchiert, für kurze Zeit in kochendes Wasser gegeben. Das Kochwasser wird später weggegossen, abgelassen. Somit wird dem von Natur aus bitteren Gewächs ein milderer Geschmack verliehen. Für die Sämigkeit und den Geschmack ist Hildburg Abel besonders wichtig:

„Dass eben halt wir gute Hafergrütze haben, dass wir einen guten Wurstfond schon mal haben, und eben halt ’n schönen Senf, Zwiebeln und ein bisschen Piment – und das war’s dann schon.“

Die Hafergrütze, also das grob zerkleinerte Getreidekorn, bindet die Flüssigkeit. Sie ist aber auch ein Bestandteil der wichtigsten Grünkohl-Beilage, der Pinkelwurst, die auf keinem Oldenburger Grünkohlteller fehlen darf:

„Es ist eine Grützwurst, an der eben halt auch wieder Hafergrütze drin ist und Zwiebeln. Das ist der größte Anteil. Und wir nehmen eine schöne Fleisch-Pinkel eben halt, und darin enthalten sind verschiedene Gewürze. Man kann die auch mit viel Fett versetzen, aber wir nehmen lieber ’ne fleischigere. Und da gibt es verschiedene Qualitäten natürlich – wie bei jeder Wurst auch.“

Jeder Metzger macht den ‚feinen Pinkel‘, die geräucherte Hafergrützwurst, anders und bewahrt sein Geheimnis, welche Zutaten und Gewürze in welchem Verhältnis in den Pinkel, die plattdeutsche Bezeichnung für den Schweine- oder Rindermastdarm, gefüllt werden. Ist Grünkohl erst einmal zubereitet, hält er sich drei bis fünf Tage im Kühlschrank. Und ein kleines Geheimnis verrät Restaurantleiterin Hildburg Abel noch:

„Am allerbesten schmeckt der Grünkohl ohnehin, wenn man ihn am nächsten Tag aufwärmt. Und das machen wir eben halt ganz oft. Dann ist er richtig schön sämig. Und wir kochen ja in großen Portionen, und dann haben wir das für zwei Tage, drei Tage eventuell und wärmen den wieder auf, und dann schmeckt er erst richtig gut.“

Ob etwas gröber oder milder: Grünkohl bleibt eine deftige Angelegenheit. Und die braucht – neben Bier – das richtige hochprozentige Getränk, meint Erwin Abel: 

„Zum Korn gibt’s an sich noch die alte Tradition, wie man so schön sagt auf Plattdeutsch: ‚een vorwäg, een twischendör und een achteran‘. Das heißt also, ein Korn wird vorher getrunken, eben zum Magen-Anwärmen, einer zwischendurch und natürlich hinterher gehört immer einer, denn dann soll ja richtig schön die Verdauung einsetzen. Denn es ist ja nicht gerade ein leichtes Gericht.“

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