Manuskript

Antike Statuen: bunter als gedacht

Die Skulpturen der Antike waren nicht immer weiß, eigentlich bemalte man sie damals oft in bunten Farben. Doch das wurde lange Zeit nicht geglaubt, weil man Weiß mit bestimmten Ideen verband – bis in die Gegenwart.


Ein Mann und seine beiden Söhne, im Todeskampf mit zwei Schlangen: Die Laokoon-Gruppe in den Vatikanischen Museen ist eine der berühmtesten antiken Skulpturen – und sie erstrahlt ganz in Weiß. Doch schon vor Jahrhunderten fand man auf dem Kunstwerk Farbreste, und auch antike Schriften berichten davon, dass man den Marmor vor Jahrtausenden bunt bemalte. Doch warum verbindet man antike Statuen bis heute mit weißer Farbe?

„Diese seltsame Vorstellung von den farblosen Skulpturen stammt aus der Renaissance“, sagt der Archäologe Vinzenz Brinkmann. Im 15. Jahrhundert wurde in Rom viel gebaut, wobei man eine weiße antike Statue nach der anderen fand. Nach so langer Zeit waren die Farben ganz einfach verblasst, doch das war den Menschen damals nicht klar.

Im Gegenteil: Für sie verkörperten die weißen Statuen ein Ideal von Einfachheit und Reinheit, das von Gott gegeben war. Die Künstler der Renaissance folgten dieser Vorstellung mit ihren eigenen Skulpturen. Und wenn doch einmal bei einem Kunstwerk deutliche Farbreste gefunden wurden, sah man darüber hinweg. Brinkmann ist überzeugt: Man wollte der Öffentlichkeit die Wahrheit über die Statuen vorenthalten, um das gesellschaftliche Ideal zu schützen.

Im Lauf der Zeit erhielt die Idee von weißen Statuen immer wieder neue Unterstützung. Tiefpunkt dieser Entwicklung war der Faschismus im 20. Jahrhundert, für den die schönen weißen Skulpturen die Überlegenheit weißer Menschen bewiesen. Eine völlig falsche Vorstellung, denn heute weiß man, dass die antiken Bildhauer zum Beispiel ihre Männerskulpturen oft mit dunklerer Haut darstellten.