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App „Plapper“ schaut dem Volk aufs Maul

Wie sprechen die Menschen in Deutschland? Die neu entwickelte App „Plapper“ will die sprachliche Wirklichkeit im Land erforschen, jenseits von Universitäten und Laboren.

Der Name ist Programm: Man „plappert“, wie einem der Schnabel gewachsen ist – und genau da wollen die Linguisten und Linguistinnen des Berliner Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft ansetzen: „Es gibt kein umfassendes Bild darüber, wie Deutschland eigentlich spricht“, sagt Studienleiterin Stefanie Jannedy, „da haben wir eine riesige Datenlücke.“ Das liege daran, dass bisher vor allem Studierende an Projekten zur Sprachwissenschaft teilgenommen hätten. Wie Menschen mit weniger Affinität zu Hochschule und Bildung sprechen, sei dagegen bisher ein wenig erforschtes Feld.

Querschnitt aller Bevölkerungsgruppen 

Es soll nicht um Dialekte gehen – diese seien bereits hinlänglich erforscht, sagt Jannedy. Die Sprachwissenschaftler interessieren sich eher für sogenannte „Soziolekte“ – den Sprachgebrauch bestimmter sozialer Gruppen. „Wir wollen an die Aldi-Verkäuferin, den Busfahrer und die Müllwerkerin ran“, so Jannedy. „Man könnte auch sagen: Wir wollen den Leuten aufs Maul schauen.“

Den Vorwurf der Stigmatisierung von Menschen, die nicht studiert haben, weist sie von sich. Das Gegenteil sei der Fall, man wolle allen Bevölkerungsgruppen Gehör verschaffen, betont die Studienleiterin, also auch den Menschen, die bisher nicht den Weg in wissenschaftliche Labore gefunden haben. „Wir brauchen für unsere Untersuchung einen guten soziodemografischen Schnitt der Gesellschaft.“ Dazu gehören laut der Linguistin etwa Schichtarbeiter, Bürgerinnen mit geringem Einkommen, die Landbevölkerung oder Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Auch die Fragen, ob es eine typische Männersprache gibt oder ob alte Menschen bestimmte Ausdrücke benutzen, interessieren die Forscher.

Zu Hause an der Studie teilnehmen 

Die „Plapper“-App soll ihnen dabei helfen, neue Erkenntnisse über die aktuelle Sprechweise der Menschen in Deutschland zu gewinnen. Jeder kann sich das Programm aufs Handy oder Tablet herunterladen und anonym an kurzen Umfragen zum Sprachgebrauch und an phonetischen Studien teilnehmen. Dafür muss man einige Sätze vorlesen. Es geht aber auch darum, wie Wörter geschrieben werden und Grammatik umgesetzt wird.

Stefanie Jannedy erhofft sich, dass mit der App die Datenlage über den allgemeinen Sprachgebrauch aussagekräftiger wird. Denn in die Universität kommen, um Sprachproben abzugeben: Das sei für viele eine zu große Hemmschwelle. „Manche Menschen hören ihre eigene Stimme nicht gern oder schämen sich vielleicht auch, weil sie Dialekt sprechen. Da sie sich zu Hause weniger beobachtet fühlen, ist es möglich, dass sie ungezwungener sprechen als im Labor.“

Mehr Teilnehmende erwünscht 

Bisher haben rund 450 Menschen bei der Plapper-Studie mitgemacht, vor allem Frauen. Jannedy wünscht sich, dass noch viel mehr Menschen die App nutzen und auch deutlich mehr Männer Sprachproben abgeben, damit das Ergebnis noch repräsentativer wird. „Je mehr akustisches Material wir bekommen, desto besser“, sagt sie.

Ziel der Studie:  den Sprachstand 2023 festzuhalten, um in einigen Jahren mögliche Veränderungen zu analysieren. „Sprache ist ja nichts Statisches", so Jannedy. Langfristig wolle man feststellen, „welche Gruppen die Sprachveränderung und den Sprachwandel befördern.“


suc(kna)/sts