Nachrichten für Lehrkräfte

Bildungssystem unter Druck

Die Schulleistungen nehmen ab, die soziale Ungleichheit ist hoch und es fehlt weiterhin an Personal: Das deutsche Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen, wie der Nationale Bildungsbericht verdeutlicht.

Ein Klassenzimmer mit Kindern und einer Lehrerin

Internationale und nationale Bildungsstudien zeigen seit Jahren: Die Schulleistungen in Deutschland stagnieren sowohl im Grundschulbereich als auch in der Sekundarstufe I – oder nehmen sogar ab. Dabei sind sich Forscherinnen und Forscher bei den Ursachen oft einig: zu wenig Personal, zu wenig Geld. Auch ein Team aus Bildungswissenschaftlern, Jugendforschern und Statistikern zog jetzt bei der Vorlage des alle zwei Jahre erscheinenden Nationalen Bildungsberichts ein alarmierendes Fazit: Insgesamt arbeite das deutsche Bildungssystem „am Anschlag“.

Der mehrere hundert Seiten umfassende Bericht beschreibt den Zustand des Bildungssystems und die Probleme, vor denen Bildungseinrichtungen stehen. Die Federführung liegt beim DIPF/Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation.

Dem Bericht zufolge gab es zwar deutliche Personalzuwächse in den vergangenen zehn Jahren, und die Ausgaben für Bildung stiegen um 46 Prozent. Doch das reiche nicht aus, um mit den gewachsenen Anforderungen Schritt zu halten. Denn bezogen auf die Wirtschaftskraft Deutschlands habe der Anteil der Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt nur um 0,2 Prozentpunkte zugenommen. Knapp die Hälfte der Bildungsausgaben ging dabei in die Schulen und den schulnahen Bereich, etwa ein Sechstel in den Vorschulbereich und knapp ein Fünftel in den Bereich der beruflichen und akademischen Bildung.

Konkret kritisierten die Autoren unter anderem, dass der Bildungserfolg weiterhin stark von der Herkunft abhängig ist: Nur 32 Prozent der Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien erhielten beispielsweise eine Gymnasialempfehlung, verglichen mit 78 Prozent aus privilegierten Familien. Die Bildungsungleichheiten ziehen sich dabei „durch die Biografie bis in die Erwachsenenbildung hinein“, wie Kai Maaz vom DIPF resümierte. So nehmen unter Akademikerkindern 78 von 100 Kindern ein Studium auf. Bei Kindern von Eltern ohne akademischen Abschluss sind es dagegen nur 25 von 100.

Mit Blick auf Unterschiede im Bildungserfolg empfehlen die Forscherinnen und Forscher eine stärkere Förderung schon im Vorschulalter, denn die Unterschiede entstünden nicht erst in der Schule, wo sie später etwa bei Pisa oder anderen Vergleichstests festgestellt werden, sondern deutlich früher.

Darüber hinaus betont der Bericht, dass sich die Gewinnung von Fachkräften weiterhin sehr schwierig gestalte. In Kindertagesstätten werde in Westdeutschland eine bis 2035 anhaltende Personallücke erwartet. An Schulen seien im vergangenen Jahr 12 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte Seiteneinsteiger ohne klassische Lehramtsausbildung gewesen. Auch in der beruflichen Bildung und im Weiterbildungssektor fehle Personal. „Hier braucht es kreative Ansätze, jedoch dürfen diese eine ausreichende Professionalisierung des Bildungspersonals nicht aus dem Blick verlieren“, sagte Maaz.


ip/sts (dpa/AFP/KNA)