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Mein Deutschland: Von klein auf in zwei Sprachen leben

Zhang Danhong2. Juli 2016

Deutschland entdeckt die zweisprachige Erziehung. Bilinguale Kindergärten und Schulen schießen wie Pilze aus dem Boden. Dabei wird den Eltern fast mehr abverlangt als den Kindern, meint Zhang Danhong.

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Deutschland Kindergarten Sprachförderung
Bild: Imago//biky

Die Vorzüge einer zweisprachigen Erziehung liegen auf der Hand: Eine Sprache lässt sich im Baby- und Kindesalter spielerisch erlernen; im Idealfall fühlt man sich auch in zwei Kulturen zu Hause, was den Horizont der Kinder erweitert und die Toleranz fördert; auf dem Arbeitsmarkt könnte sich die zweite Muttersprache als Wettbewerbsvorteil erweisen.

Das hat auch die Knallerfrau (eine Comedyserie beim TV-Sender Sat 1) in Gestalt von Martina Hill erkannt. Deswegen spricht sie mit ihrer Tochter konsequent Englisch. Nachdem der kleine Bruder ein Bäuerchen gemacht hat, ruft die Knallermutter: "Lara, can you me please out the bath a towel bring? Your brother has a little farmer made!"

Das ist natürlich nicht hilfreich. Ich finde, man soll immer in der Sprache mit den Kindern kommunizieren, die man am besten kann. Wenn beide Elternteile Chinesen sind, dann hat ihr Kind die besten Voraussetzungen, Chinesisch als die zweite Muttersprache zu erlernen.

Einsamer und harter Kampf

Im Vergleich zu diesen Familien befinde ich mich in einer weitaus ungünstigeren Situation, da ich die unliebsame Rolle in der zweisprachigen Erziehung ganz allein spielen muss. Zwar haben meine beiden Kinder zuerst auf Chinesisch geplappert, aber mit dem Beginn der Kindergartenzeit schmolz mein sprachlicher Einfluss wie Schnee in der Sonne dahin. Um ein Stück des verlorenen Terrains zurückzugewinnen, legte ich eine an Hartherzigkeit grenzende Disziplin an den Tag - ich stellte mich taub und reagierte nur, wenn ich wieder auf Chinesisch angesprochen wurde.

Tochter von DW-Mitarbeiterin Zhang Danhong
Schriftzeichen am Kühlschrank - nichts lasse ich unversuchtBild: privat

In diesem einsamen Kampf wurde und werde ich glücklicherweise von meinem deutschen Mann moralisch unterstützt. Er nimmt dabei in Kauf, dass wir in seiner Anwesenheit in einer ihm fremden Sprache über ihn lästern könnten, was wir jedoch so gut wie nie gemacht haben. Ehrenwort! Nur beim gemeinsamen Abendessen ist Deutsch die Amtssprache. Dass die deutsche Sprache bei mir zu Hause zur Minderheitensprache geworden ist, dürfte nicht im Sinne der CSU sein, die Ende 2014 Migranten verpflichten wollte, auch innerhalb der eigenen vier Wände Deutsch zu sprechen. Eine der unklugsten Ideen übrigens, die ich je von der deutschen Politik gehört habe. Das käme einem Verbot der bilingualen Erziehung gleich. Gut, dass der Vorschlag schnell vom Tisch war.

Chinesische Schriftzeichen - eine Welt für sich

Also dürfen meine Kinder weiterhin der chinesischen Sprache frönen. Nun haben sie mit Chinesisch eine ganz gemeine Sprache erwischt: Es wird nicht so geschrieben wie gesprochen. Von den Schriftzeichen sind am Anfang alle begeistert. 山 ist Berg, 人 ist Mensch; wenn zwei Menschen auf dem Boden chillen, bedeutet das sitzen (坐); oben klein (小) und unten groß (大), ergibt spitz(尖). Aber spätestens ab 100 Zeichen hört der Spaß auf. Man braucht allerdings rund 3000, um sich einigermaßen sicher in der chinesischen Schriftsprache zu bewegen. Schnell war mir klar, dass diese Mammutaufgabe delegiert werden musste, bevor ich endgültig zum Hassobjekt der Kinder wurde.

Das Gute an der Chinesisch-Schule ist, dass meine Töchter dort Kinder kennenlernten, die ihr hartes Schicksal teilen, samstags nie ausschlafen zu können und auf die eine oder andere Geburtstagsfeier verzichten zu müssen. Manche deutsche Freundinnen haben gar kein Verständnis dafür. "Du und deine doofe Chinesisch-Schule" gehört zu den Aussagen, die sie von anderen Kindern am häufigsten zu hören bekommen.

Zhang Danhong Kommentarbild App
DW-Redakteurin Zhang Danhong

Die Eltern dieser Kinder wissen zu differenzieren: Doof ist nicht die Schule, sondern die Mama. Für manche entspreche ich haargenau der Vorstellung einer chinesischen Tigermutter. Dabei zähle ich zu den eher harmlosen Exemplaren dieser Spezies. Ich kenne Landsleute, die ihre Kinder zu bilingualen Schulen (deutsch und englisch) schicken. Mit anderen Worten: Ihre Sprösslinge wachsen dreisprachig auf.

Die lästige Disziplin

Auf der anderen Seite kommt es häufig vor, dass die zweisprachige Erziehung scheitert. Schultern zuckend sagen die Eltern: "Irgendwann hat das Kind nur noch auf Deutsch geantwortet, dann sind wir alle zu Deutsch übergegangen." Der Weg des geringsten Widerstands ist immer der bequemste. Einige haben die Sorge, dass die deutsche Sprache zu kurz kommen könnte, wenn sich das Kind gleichzeitig eine andere Sprache aneignen soll. Das Gegenteil ist der Fall: Jede weitere Sprache erhöht das Sprachgefühl und bereichert das Leben der Heranwachsenden.

So fördert jede China-Reise bei meinen Töchtern einen positiven Kreislauf: Sie praktizieren ihr Chinesisch, werden dafür bewundert, machen sprachlich einen Sprung und kehren hochmotiviert nach Deutschland zurück. Von den Erfolgserlebnissen zehren sie eine ganze Weile, bis die nächste China-Reise ansteht. So spricht meine jüngere Tochter im Moment besonders eifrig mit mir Chinesisch, weil sie fürchtet, wegen der etwas eingerosteten Sprache von ihrem fünfjährigen Cousin in China ausgelacht zu werden, wenn wir bald wieder dort sind.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

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