Bundesregierung will Einbürgerungen erleichtern
In Zukunft könnten Ausländerinnen und Ausländer bereits nach fünf Jahren in Deutschland einen deutschen Pass beantragen. Die Regierung plant jedoch auch strengere Regeln, etwa beim Nachweis des eigenen Lebensunterhalts.
Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP plant eine umfassende Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Das Ziel: Einbürgerungen sollen vereinfacht werden und doppelte Staatsbürgerschaften sollen grundsätzlich möglich sein. Erschwert werden soll jedoch die Einbürgerung von Menschen, die nicht für den eigenen Lebensunterhalt aufkommen können oder die in Deutschland bereits straffällig geworden sind. Ein am 19. Mai bekannt gewordener Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium enthält die wichtigsten Grundsätze:
Einbürgerungsfrist
Menschen aus dem Ausland, die schon lange legal in Deutschland leben, sollen schneller zu Staatsbürgern werden können. Künftig soll eine Einbürgerung schon nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren möglich sein. Wer besonders gut integriert ist, soll bereits nach drei Jahren Aufenthalt den deutschen Pass beantragen können. Als Nachweise können etwa gute Sprachkenntnisse, ehrenamtliches Engagement oder sehr gute Leistungen in Schule oder Beruf dienen.
Doppelpass
Bislang galt – bis auf Ausnahmen – das Prinzip: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, muss die alte Staatsbürgerschaft ablegen. Künftig soll Mehrstaatigkeit grundsätzlich möglich sein. Bislang würden viele Zugewanderte vor dem Verzicht auf die alte Staatsbürgerschaft zurückscheuen – auch wegen emotionaler Verbundenheit zu ihrem Herkunftsland beziehungsweise dem ihrer Eltern. Über den sogenannten Doppelpass hatte es immer wieder politische Auseinandersetzungen gegeben.
Kinder
Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern sollen künftig ohne weiteren Vorbehalt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bislang lag auch hier die Frist bei acht Jahren. Außerdem können sie die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern dauerhaft behalten.
Sprachkenntnisse
Besondere Erleichterungen sollen für Angehörige der sogenannten Gastarbeitergeneration in der Bundesrepublik und für Vertragsarbeiter aus der ehemaligen DDR gelten, die oft schon Jahrzehnte in Deutschland leben. Diese älteren Migrantinnen und Migranten sollen künftig keinen schriftlichen Deutsch-Test mehr machen müssen, um eingebürgert zu werden. Der Nachweis mündlicher Sprachkenntnisse soll reichen. Auch sollen sie keinen schriftlichen Einbürgerungstest mehr machen müssen. Eine weitere Ausnahme: Ein unverschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes soll in ihrem Fall die Einbürgerung nicht verhindern. Mit diesen Erleichterungen soll die „Lebensleistung“ dieser älteren Generation gewürdigt werden, weil sie nicht die gleichen Integrationschancen gehabt hätten wie spätere Generationen, heißt es in dem Entwurf. Die Erleichterungen gelten für Menschen, die vor Juni 1974 in die Bundesrepublik bzw. vor 1990 in die DDR gekommen sind.
Bekenntnis zum Grundgesetz
Das auch bisher schon verlangte Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung wird präzisiert. Der Entwurf stellt klar, dass „antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen“ mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind. Darauf hatte vor allem die FDP gedrungen. Neu eingeführt wird mit der geplanten Reform eine „Übermittlungsregelung“: Die Staatsanwaltschaften müssen der Einbürgerungsbehörde auf Anfrage mitteilen, ob ein Antragssteller wegen einschlägigen Straftaten schon einmal verurteilt wurde. Damit werden auch Bagatellstrafen erfasst, wenn ein antisemitisches oder rassistisches Motiv vorliegt. Schließlich sollen öffentliche Einbürgerungsfeiern zur Regel werden, um die Bedeutung des Vorgangs als Bekenntnis zu Deutschland zu unterstreichen.
Lebensunterhalt
Interessentinnen und Interessenten für den deutschen Pass müssen demnach wie bisher selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Wer Bürgergeld bezieht, kann grundsätzlich nicht eingebürgert werden. Davon gibt es Ausnahmen: Wer seit knapp zwei Jahren in Vollzeit arbeitet, kann den Einbürgerungsantrag auch dann stellen, wenn er oder sie zusätzlich auf staatliche Leistungen angewiesen ist. Das gilt auch für Ehe- oder Lebenspartner und -partnerinnen und minderjährige Kinder.
Das Justizministerium ließ verlauten, die Rechtslage werde gleichwohl insgesamt strenger. Anders als bisher soll nicht mehr berücksichtigt werden, ob jemand unverschuldet staatliche Leistungen beantragen müsse, etwa weil er oder sie trotz aller Bemühungen keine Arbeit findet oder beispielsweise kleine Kinder zu betreuen hat.
Verfahren
Bei dem nun vorgelegten Referentenentwurf handelt es sich um eine „finale Einigung“ der Regierungsparteien, wie am Freitag aus Koalitionskreisen verlautete. Im weiteren parlamentarischen Verfahren und im Zuge der Verbändeanhörung könnten sich aber noch kleinere Änderungen ergeben. Die CDU/CSU lehnt das Vorhaben strikt ab. Die Unterstützung der Union wäre allerdings nicht nötig, sofern das Gesetz so gestaltet wird, dass es im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist.
Zahlen und Fakten
Der Entwurf beziffert die Zahl der Menschen, die Ende 2021 mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland lebten, auf rund 10,7 Millionen. Von diesen halten sich demnach rund 5,7 Millionen seit mindestens zehn Jahren in Deutschland auf.
rh/ip (mit epd/afp)