Nachrichten für Lehrkräfte

Künstliche Intelligenz zieht in Schulen ein

Durch die Software ChatGPT lernen Computer schreiben und rechnen – auf einem bis dato nie gekannten Niveau. Bedroht die medientechnische Revolution den herkömmlichen Schulunterricht oder gibt es auch Vorteile?

Symbolbild Logos OpenAI & ChatGPT (Foto: Jakub Porzycki)

ChatGPT heißt die auf künstlicher Intelligenz basierende Software, die am 30. November 2022 allgemein zugänglich gemacht wurde. Seither ziehen die Schockwellen ihre Kreise durch die Lehrerzimmer und Hochschulen. Denn das Programm wurde mit riesigen Datenmengen aus dem Internet gefüttert und kann Informationen immer neu zusammenstellen. Im Klartext heißt das: Es kann Matheaufgaben lösen und Masterarbeiten schreiben – und zwar so gut, dass es extrem schwierig ist, zu erkennen, ob ein Mensch oder die KI am Werk war.

Erst kürzlich hat die Software eine Juraprüfung an einer US-amerikanischen Universität bestanden – immerhin mit einer Note, die im deutschen Schulsystem einer 3+ entsprechen würde. Als selbstständig agierender Student sei ChatGPT allerdings „nicht großartig“ gewesen, hieß es. Die Grammatik sei zwar perfekt, die Ausführungen dagegen „etwas repetitiv“. 

Wie erkannt man noch die Eigenleistung? 

Doch bestanden ist bestanden – und genau das denken sich auch viele Schüler und Studierende. „Schreib ein Gedicht im Stil von Goethe“, „löse die Algebra-Aufgabe“ – alles kein Problem für die KI. Und so verbreitet sich die Software in rasendem Tempo. Lehrkräfte, Schulen und Unis fragen sich besorgt, wie sie jetzt noch die Eigenleistung von Schülern und Studierenden erkennen sollen und ob die Prüfungsbedingungen angepasst werden müssen. 

Jemand markiert eine Zeile in einem Heft mit einem Marker
Zurück zu Papier und Stift: Sieht so die Prüfung der Zukunft aus?null Luis Lima/Fotoarena/imago images

In manchen Ländern hat man schon auf das intelligente Tool reagiert. So planen Universitäten in Australien eine vermehrte Rückkehr zu Papier und Stift. In New York haben staatliche Schulen den Zugriff auf ChatGPT über ihre Netzwerke und Geräte eingeschränkt. Die App „erlaubt es nicht, Kompetenzen der kritischen Reflexion und der Problemlösung zu entwickeln, die wesentlich für den schulischen Erfolg und den Erfolg im weiteren Leben sind“, heißt es von der dortigen Bildungsbehörde.

Verbot ist illusorisch 

In Deutschland denken viele über ein Verbot von ChatGPT nach, doch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, hält das für nicht durchsetzbar. „Es ist völlig illusorisch zu glauben, so etwas wie ChatGPT3 könne man aus Universitäten und Schulen verbannen“, schrieb Meidinger in einem Gastbeitrag für den Fachinformationsdienst Table.Media.

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes
Heinz-Peter Meidinger sieht auch die Chancen von ChatGPTnull Armin Weigel/dpa/picture alliance

Es sei aber vorstellbar, den Zugang zu ChatGPT in bestimmten Situationen zu unterbinden. „Wenn es beispielsweise im Deutschunterricht darum geht, Kinder zum Verfassen eigener Gedichte anzuregen, wäre es kontraproduktiv, dazu KI zu benutzen – das könnte die Kreativität abtöten statt anregen“, so Meidinger. Den Kindern und Jugendlichen müsse bewusst gemacht werden, „dass sie Texte nicht für eine Lehrkraft, sondern für ihren eigenen Lernfortschritt entwickeln und schreiben“. Wenn sie sich einfach auf KI verließen, würden sie sich „selbst schaden“. Meidinger sieht aber auch die Vorteile der KI: Richtig genutzt könne sie bei neuem Lernstoff unzählige Anregungen für Gliederung, Ideen, Konzepte und Reflexion geben. 

Noch gibt es Fehler 

Wer sich allerdings blind auf ChatGPT  verlässt, ist nicht unbedingt gut beraten. Wenn die Software nicht aktuell ist, wird einem Land schon mal ein Staatschef zugeordnet, der längst nicht mehr im Amt ist. In Deutschland regiert dann plötzlich wieder Angela Merkel statt Olaf Scholz. Auch sonst kommt es zu Fehlern: So ordnet ChatGPT Walhaie den Säugetieren zu – und hat die Fische offensichtlich mit Walen verwechselt.  Auch weniger leicht zu entdeckende Unzulänglichkeiten gibt es, wie etwa vollkommen erfundene Quellenangaben im Literaturverzeichnis.

Doch noch steckt das Programm ja auch hin den Kinderschuhen. Der Digitalbeauftragte des Bayerischen Realschullehrerverbands, Ferdinand Stipberger, warnt: „ChatGPT steht erst am Anfang und wird sicher mit jeder folgenden Version verbessert, denn das liegt in der Natur von KI!“

suc/ip  (dpa, AFP)