Chatten ältere Menschen anders als jüngere?
Die einen nervt „Liebe Grüße“ am Ende einer Nachricht, den anderen fehlt es – ebenso wie ein „Hallo“ am Anfang. Oft hängt der Stil digitaler Nachrichten vom Alter ab. Aber sind die Unterschiede wirklich groß?
„Papa, wir wissen doch, dass DU uns schreibst!“ – das hört der 56-jährige Berliner Volkshochschullehrer Thorsten Wallnig immer wieder von seinen eigenen Kindern. Denn er verabschiedet sich in Messenger-Gesprächen gerne mit den Worten „Liebe Grüße euer Papa“. Für ihn gehört dies zum höflichen Umgang.
Wie man chattet, hängt auch vom Alter ab. Eine eindeutige generationelle Trennlinie gibt es jedoch nicht, wie eine repräsentative YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) ergab, die unter 2040 Befragten über 18 Jahren durchgeführt worden war. Das kann auch Wallnig bestätigen, der seit mehr als 30 Jahren Erwachsene unterrichtet. Seit zwölf Jahren gibt er auch Kurse wie „WhatsApp und Co.“ für Seniorinnen und Senioren, die über 80 Jahre alt sind. Er sagt, dass sie sich an die Etikette beim Schreiben digitaler Nachrichten angepasst haben: „Sie lassen schon oft die Grußformel vorne und hinten aus, weil sie sich daran gewöhnt haben.“
Das bestätigt auch die YouGov-Umfrage: Im digitalen Gespräch mit Gleichaltrigen begrüßen und verabschieden sich von den jüngsten Befragten (18 bis 24 Jahre) in Deutschland demnach nur 22 Prozent. Von den Befragten, die über 55 Jahre alt sind, machen das immerhin 59 Prozent. Auch die Altersstufen dazwischen suggerieren: Je älter ein Mensch ist, desto wahrscheinlicher wird er ein Gespräch formal beginnen und beenden.
Emojis sind auch bei älteren Menschen beliebt
Chatprogramme sind ursprünglich ein Jugendphänomen gewesen, die Unterhaltungen darin eher umgangssprachlich, sagt Tobias Dienlin, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Wien Sie seien auf schnellen Austausch und Zweckmäßigkeit ausgelegt worden, nicht auf formale Korrektheit. „Messengerkommunikation ist fortlaufend“, sagt Dienlin, „Jüngere kommunizieren oft kürzer und offener.“
Was bei der Generation, die mit Handys und dem Internet aufgewachsen ist, also eine Art andauernde digitale Verbundenheit ist, bezeichnet Dienlin bei älteren Menschen als „Inseln der Kommunikation“: „Senioren etwa kennen die Briefform und das Telefon – da ist die Kommunikation geschlossener und länger.“ Die Erwartungen an Kommunikation würden also von der ehemals gewohnten Gesprächsart ins Digitale übertragen.
Daraus ergeben sich auch andere Unterschiede: Abweichungen bei der Interpunktion, der Groß- und Kleinschreibung sowie der Verwendung von Emojis sind jedoch oftmals auch im Alltag zu beobachten. „Oft ist die Wahrnehmung, dass sich Jüngere nicht mehr richtig ausdrücken können“, sagt der Wiener Kommunikationsforscher.
Beispiel Emojis: Die kleinen Symbole können Gefühle oder Stimmungen in einen Text einbringen, die über Worte allein vielleicht nicht transportiert werden könnten. „Sie kamen früher in der klassischen Schriftform nicht vor – sie werden daher oft als defizitäre Kommunikation wahrgenommen“, sagt Dienlin. Emojis repräsentierten aber auch eine Art Kultur – die richtige Verwendung will gelernt sein. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass ein Pfirsich- oder ein Auberginen-Emoji meist in sexuellen Kontexten verwendet werden?
Laut YouGov verwendet nur eine kleine Minderheit (vier Prozent) quer durch alle Altersklassen überhaupt keine Emojis. Hingegen sagen 26 Prozent aller Befragten, dass sie Emojis „fast immer“ verwenden würden. 32 Prozent behaupten von sich, die Bildchen „meistens" in Textnachrichten einzuflechten. Ein Blick in die verschiedenen Altersgruppen verrät aber auch: 43 Prozent aller 25- bis 34-Jährigen setzen Emojis „fast immer" ein, wohingegen das nur 18 Prozent aus der Ü-55-Gruppe über sich sagen.
Sprache wird angepasst
Einige Unterschiede scheint es also durchaus zu geben. Ebenso wahr ist laut YouGov aber auch, dass sich mehr als die Hälfte (54 Prozent) aller Befragten grundsätzlich darum bemühen, die eigene Sprache im Umgang mit Älteren beziehungsweise Jüngeren anzupassen. Meist scheint das aber eher von den Jüngeren auszugehen: So behaupten 83 Prozent der jüngsten Altersgruppe (18 bis 24) beziehungsweise etwa drei Viertel der 25- bis 34-Jährigen, dass sich ihre Art zu kommunizieren im Gespräch mit anderen Generationen verändert. Aus der Gruppe der älteren Befragten geben das hingegen nur 36 Prozent an.
Aus der Praxis weiß VHS-Lehrer Wallnig, dass seine oft über 80 Jahre alten Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer zwischen sich und anderen Generationen in dem Bereich keine Probleme sehen. „Es wird vielleicht mal geschmunzelt“, sagt er. Es mache ihnen aber hauptsächlich Spaß, weil sie so umfänglicher mit den Kindern und Enkelkindern in Kontakt bleiben könnten. Das betont auch der Wiener Experte Dienlin: Über allem stehe das Bedürfnis nach Beziehung, das ein Messenger niedrigschwellig befriedigen könne. Und das trifft Wallnig zufolge wohl auch auf die Jüngsten zu: „Oft ist es so, dass sich die Enkel total freuen, wenn die Oma den Messenger benutzt.“
sts (mit dpa)/ip