Der Kampf der Berliner Mieter
Die Mieten in der Berliner Innenstadt sind sehr hoch und kaum noch zu bezahlen – und sie steigen weiter. Viele Menschen haben Angst, ihr Zuhause zu verlieren, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können. Mittlerweile gibt es einen großen Kampf zwischen Vermietern und Mietern. Die Stadt muss reagieren.
SPRECHERIN:
Streitpunkt Berliner Wohnungsmarkt – hier lockt das große Geld. Wer’s sich leisten kann, Immobilien zu kaufen, profitiert von steigenden Preisen. Allerdings: Viele Berliner leben in Angst, ihr Zuhause zu verlieren. Denn die Mieten sind explodiert. 12 Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietungen – in der Innenstadt ist das keine Seltenheit mehr. Jenny Kopf zahlt unter vier Euro pro Quadratmeter – ihr Mietvertrag ist fast 30 Jahre alt. Ihr Problem: Das Haus muss dringend saniert werden.
JENNY KOPF (Mieterin):
Sie haben’s ja gesehen: Dach ist undicht, Fassade muss gemacht werden, viele haben noch Ofenheizungen. Die müssen gemacht werden, aber ich trau mich auch nicht zu sagen, weil dann heißt es: Ach ja, schön, dann können wir ja gleich loslegen. Und dann kann er gleich die Miete …, ne?
SPRECHERIN:
Mehr Miete? Dann bliebe nicht genug zum Leben, sagt Jenny Kopf. Sie würde sich verkleinern, aber auch das geht nicht. Selbst kleinere Wohnungen sind in ihrem Stadtteil inzwischen teurer.
JENNY KOPF:
Wo sollen wir bleiben? Ja, gibt vielleicht einige, die jetzt noch … Studenten haben wir hier auch noch im Haus, ja gut, vielleicht wenn die Glück haben, wenn die fertig studiert haben, die verdienen vielleicht genug, dass sie die Miete bezahlen können. Aber ich nicht. Und einige hier auch nicht. Ganze viele hier im Haus nicht.
SPRECHERIN:
Das Haus im Berliner Norden hat gerade den Besitzer gewechselt. Seit wenigen Monaten gehört es dem Immobilienunternehmer Jakob Mähren. Schon vor zwei Jahren hat er mit uns über den Berliner Wohnungsmarkt gesprochen. Als Immobilienhai sieht er sich nicht. Seine Mieter seien für ihn Partner, sagt er. So erklärt er seine Geschäftspolitik.
JAKOB MÄHREN (Immobilienunternehmer):
Unser Geschäftsmodell basiert nicht darauf, dass wir den Mieter rauswerfen und die Wohnung dann verkaufen, sondern im Gegenteil: Ohne den Mieter könnten wir dieses Geschäft nicht betreiben. In der Regel tun wir was für den Mieter. Wir entwickeln das Haus, wir machen eigentlich das gesamte Objekt wohnlicher. Ja, und wenn das Objekt Leerstand hat oder auch Leerstand bekommt, weil einfach Leute kündigen oder ausziehen, sanieren wir in der Regel die Wohnungen, wenn sie im unsanierten Zustand sind, und vermieten diese dann neu.
REPORTER:
Und dann wird es auch ein bisschen teurer.
JAKOB MÄHREN:
In der Regel, wenn wir Geld investieren, wird’s teurer, ja klar.
SPRECHERIN:
Und um wieviel teurer wird das Zuhause von Jenny Kopf? Er meint: Investoren brauchen gesetzliche Schranken. Baustadtrat Florian Schmidt setzt auf den sogenannten „Milieuschutz“. Praktisch heißt das: Luxussanierungen verboten. Das Ziel der Regelung: Einkommensschwache Mieter sollen weiter im Stadtzentrum wohnen können.
FLORIAN SCHMIDT (Baustadtrat):
Das ist aber für die Bauindustrie, die ja auch gleichzeitig eine Immobilienindustrie ist – für die ist das natürlich schädlich fürs Geschäft und die sagen dann: „Oh Gott, Enteignung, das ist ja Sozialismus“ oder ähnliches und … na ja. Wir haben hier eigentlich nichts weiter zu tun, als dass wir eine Stadtentwicklung voranbringen, wo menschliches Maß irgendwie beibehalten wird, dass die Menschen eine Heimat haben und es nicht auseinanderbricht, was auch den sozialen Zusammenhalt betrifft.
SPRECHERIN:
In Berlin brodelt es – die Fronten zwischen Mietern und Vermietern haben sich längst verhärtet. Die begehrten Innenstadtlagen sind hart umkämpft. Berlin reagiert mit einer Ausweitung der Schutzgebiete. Hier hat die Stadt unter bestimmten Bedingungen sogar ein Vorkaufsrecht – darf also Häuserblocks selbst kaufen, um sie gegen Spekulation zu sichern. Eine Kehrtwende – vor einigen Jahren noch hat die Stadt selbst ihre Sozialwohnungen privatisiert.
FLORIAN SCHMIDT:
Wenn wir zurückschauen in die Vergangenheit, dann stellen wir natürlich fest: Es ist ein Skandal, was passiert ist. Berlin hat hunderttausende von Wohnungen verkauft. Das sind jetzt die Wohnungen, wo wir mit Konzernen wiederum über den Milieuschutz verhandeln, dass sie dort ihre Modernisierungsumlagen senken, dass die Mieten nicht zu sehr steigen im Zuge der Aufwertung. Das ist schon ein absurdes Theater.
SPRECHERIN:
Die neuen Schutzregelungen kommen allerdings spät und was sie im Einzelfall bedeuten, muss oft vor Gericht geklärt werden. Und Jenny Kopf? Was hat ihr neuer Hauseigentümer vor? Wir haben bei der Mähren AG nachgefragt. Die Antwort: „Selbstverständlich muss das Haus früher oder später saniert werden. Wir halten uns an das Gesetz, an die Milieuschutzsatzung. Damit ist der Schutz der Mieter in diesem Gebäude so hoch, wie kaum sonst in Deutschland.“ Die Mieter allerdings fürchten Übles. Sie haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen und wollen sich wehren. Mit der Hausverwaltung schreibt man sich böse Briefe – das Klima ist vergiftet. Jenny Kopf will darum kämpfen, in ihrem gewohnten Kiez bleiben zu können.