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Dialekte haben ein schlechtes Image – zu Unrecht

Im Deutschen gibt es viele verschiedene Dialekte. Manche sind beliebt, andere weniger. Wie sie gesehen werden, ändert sich mit der Zeit. Einen Einfluss darauf haben auch Klischees und Vorurteile.

Eine Frau hält einen Stapel kleiner Bücher mit der Aufschrift "Bairisch", "Sächsisch", "Schwäbisch", "Plattdeutsch", "Hessisch" in der Hand (Quelle: Peter Kneffel/dpa/picture alliance)

Regelmäßig werden in Deutschland Umfragen durchgeführt, in denen es um die verschiedenen Dialekte geht, die in Deutschland gesprochen werden. Welcher Dialekt ganz oben auf der Beliebtheitsskala steht, ist von Umfrage zu Umfrage verschieden. Manchmal ist es Bairisch, manchmal Rheinisch, manchmal ein ganz anderer Dialekt. Am schlechtesten schneiden oft Sächsisch und Schwäbisch ab.

Schöne Region – beliebter Dialekt

Hubert Klausmann vom Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen hält wenig von derartigen Umfragen. Der Germanist und Dialektforscher beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit der Bedeutung von Mundarten. „Solche Bewertungen sind nicht ernst zu nehmen“, sagt er. Menschen beurteilten nämlich nicht den Dialekt an sich, sondern vielmehr die Region, von der sie meinten, dass der Dialekt dort beheimatet sei, so Klausmann. Und dabei spielten Vorurteile und Stereotype häufig eine Rolle: „Bayern hat eine schöne Landschaft, also ist Bairisch schön. Man mag den alten Chef der Lokführergewerkschaft nicht, also ist Sächsisch schlecht.“

Sächsisch sei einmal der angesehenste deutsche Dialekt gewesen, sagt Linguist Beat Siebenhaar von der Universität Leipzig. So habe der Reformator Martin Luther (1483-1546) beispielsweise nach der sächsischen Kanzleisprache geschrieben. Das heute verbreitete negative Image wurzelt nach Siebenhaars Einschätzung vor allem in der Zeit der deutschen Teilung: „Die Elite der DDR sprach sächsisch.“ Das sorge mitunter bis heute für Spott und Ablehnung.

Einen stark vereinfachten und auf Klischees reduzierten gesellschaftlichen Diskurs zu dem Thema beobachtet auch Pius Jauch, stellvertretender Vorsitzender des Dachverbandes der Dialekte Baden-Württemberg. „Die Leute erfassen regionale Varietäten von Sprache nicht als das, was sie aus sprachwissenschaftlicher Perspektive sind, nämlich ein großer Reichtum“, sagt er. Stattdessen machten sie sich darüber lustig. Besonders im Kulturbetrieb, im Bildungsbereich und in den Medien hätten Dialekte einen schweren Stand, sagt Jauch.

Bloß kein Dialekt

Anders als früher werden Dialekte heute meist nur noch im familiären Umfeld gesprochen. „Das hängt damit zusammen, dass man in Deutschland ab den 1960er-Jahren in den Schulen den Kindern das Dialektsprechen abgewöhnen wollte, da man der Ansicht war, nur mit Hochdeutsch könne man gesellschaftlich aufsteigen“, sagt Klausmann. Kinder seien dazu gebracht worden, sich für das Sprechen im Dialekt zu schämen: „Man wurde bloßgestellt, häufig sogar diskriminiert.“

Das wirke fort. Laut einer Studie des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen aus dem Jahr 2022 sprechen in den Klassen 1 und 2 der Grundschulen im Südwesten nur noch zwischen 11 und 15 Prozent der Kinder Dialekt. Vor allem in den Städten gehe die regionale Färbung zunehmend verloren, sagt Klausmann. Er ermutigt Eltern und Lehrer, Kindern den Dialekt nicht nur zuzugestehen, sondern sie darin zu bestärken: „Das fördert ihr Selbstbewusstsein.“

Etwas anders ist die Situation im Norden: Das traditionelle Niederdeutsch – oder Plattdeutsch – gilt vielen als eine eigenständige Sprache und nicht als Dialekt. In etlichen Schulen wird es mittlerweile als Schulfach gelehrt, in Mecklenburg-Vorpommern absolvierten im vergangenen Jahr erstmals zwei Schülerinnen ihre mündlichen Abiturprüfungen in dem Fach.

 

sts (mit epd)/ip