Manuskript

Schon in der Schöpfungsgeschichte der Bibel wurde klar, wie wichtig Licht ist. Gott stellte fest, dass es doch ziemlich finster auf der Erde war und sprach: „Es werde Licht! Und es ward Licht! Und Gott sah, dass das Licht gut war und trennte es von der Finsternis.“ Licht ist für uns Menschen ein Lebenselixier: Sonnenlicht hellt die Stimmung auf, macht uns leistungsfähig, Kerzenlicht sorgt für romantische Stunden, Lichterketten an Tannenbäumen und Balkonen in Deutschland verbreiten die passende festliche Stimmung in der Vorweihnachts- und Weihnachtszeit. In ständiger Dunkelheit zu leben, schlägt dagegen ordentlich auf die Stimmung. Dabei ist das Phänomen Licht eigentlich – ganz nüchtern betrachtet – ein rein physikalischer Vorgang, eine laut Sprachlexikon „Strahlung, die durch elektromagnetische Schwingungen hervorgerufen wird“. Doch was bedeutet das genau? Ist es nur pure Energie? Susanne Hüttemeister vom Zeiss Planetarium Bochum, die sich der Physik und Astronomie verschrieben hat, klärt auf:

„Licht ist eine Welle. Andererseits: Licht ist ein Teilchen. Und je nachdem, wie ich es beobachte, ist es irgendwie beides. Beides gleichzeitig. Das ist auch richtig bizarr.“

Für einen Laien klingt es ziemlich seltsam und ungewöhnlich, bizarr, dass Licht sowohl ein Stoff als auch Energie ist. Früher dachte man, kleine Kügelchen würden durch die Gegend schwirren. Dann hielt man Licht für eine Welle. Heute weiß man: Je nachdem, welche Experimente man anstellt, ist es mal das eine und mal das andere. Denn einerseits ist Licht der Teil des elektromagnetischen Wellenspektrums, der für das menschliche Auge sichtbar ist. Von diesem Licht- oder Farbspektrum sehen wir allerdings nur einen Bruchteil, nämlich Wellenlängen zwischen Violett bis Rot. Was das Licht anleuchtet, wird sichtbar. Wir sehen also nicht das Ding selbst, sondern nur die Strahlen, die von ihm reflektiert werden.

Anderseits besteht Licht auch aus Elementarteilchen, den kleinsten Bausteinen der Materie, aus der auch alle Stoffe zusammengesetzt sind, beispielsweise auch der menschliche Körper. Beim Licht sind es die sogenannten Photonen. Diese tauschen sich untereinander aus, denn jedes Photon verfügt über eine bestimmte Energie und damit auch eine bestimmte Wellenlänge. Licht hat allerdings – obwohl es ein Elementarteilchen ist und somit eigentlich eine Masse haben sollte – null Ruhemasse.

Auf den ersten Blick erscheint das merkwürdig. Claus Kiefer, theoretischer Physiker an der Universität Köln, verdeutlicht das an einem Beispiel: 

„Ich sitze hier auf dem Stuhl und habe natürlich dann eine bestimmte Masse. Wenn jetzt hier eine Waage wäre, das wäre dann meine Ruhemasse. Und das gilt auch für Elementarteilchen wie das Proton oder das Neutron, das Elektron, aus denen wir ja auch bestehen. Nun, beim Photon ist das anders. Das hat tatsächlich: Ruhemasse Null!“

Denn die Photonen sind ständig in Bewegung – und zwar mit Lichtgeschwindigkeit. Das heißt, im Vakuum bewegt sich Licht mit rund 300.000 Kilometern pro Sekunde. Würde man versuchen, dem Licht mit dem bloßen Auge zu folgen, würde man es praktisch nicht mehr sehen. Eben weil es so unglaublich schnell ist. Wie schnell, verdeutlicht Susanne Hüttemeister an der Zeit, die ein Photon benötigt, wenn man es auf die Reise ins Weltall schickt:

„In 1,3 Sekunden bis zum Mond. Oder in einer Sekunde siebenmal um die Erde herum.“

Doch in kosmischen Dimensionen betrachtet sind 300.000 Kilometer pro Sekunde gar nicht so schnell, sagt die promovierte und habilitierte Physikerin und Astronomin:

„Denn bis zum Saturn, dem fernsten Planeten, den man in unserem Sonnensystem noch mit dem bloßen Auge sieht, braucht das Licht schon anderthalb Stunden. Oder bis zum nächsten Stern: vier Jahre!“

Und bis zur Andromedagalaxie braucht Licht nach menschlicher Zeitrechnung sogar 4,5 Millionen Jahre. In Lichtjahren ist dieses nebelförmige Gebiet im Universum mit sehr vielen Sternen ungefähr 2,5 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt, denn Lichtjahre sind nicht mit unserem Begriff von Zeit gleichzusetzen. Der Begriff bezeichnet vielmehr die Entfernung in Kilometern, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Und das sind rund zehn Billionen Kilometer, eine Eins mit 13 Nullen. Große Entfernungen im Weltall werden in Lichtjahren gemessen. Dabei verändert Licht seine Geschwindigkeit nie, es wird nicht langsamer, aber auch nicht schneller. So wird beispielsweise das Licht aus einem Autoscheinwerfer kein bisschen schneller, wenn sich das Auto zusätzlich bewegt. Susanne Hüttemeister erklärt, warum das so ist:

„Licht bewegt sich immer mit Lichtgeschwindigkeit. Und ich kann das nicht addieren. Das hat aber sofort, wenn man darüber, na ja, eine halbe Stunde nachdenkt, die Konsequenz, dass die Zeit nicht immer gleich schnell vergeht.“

Und damit ist man bei der Relativitätstheorie von Albert Einstein. Die besagt – ganz vereinfacht gesagt –, dass es von der Geschwindigkeit eines Körpers abhängt, wie schnell eine Sekunde vergeht oder wie lang ein Meter ist. Wenn wir uns bewegen, verzerren sich Raum und Zeit. Je schneller wir unterwegs sind, desto stärker ist die Verzerrung, desto langsamer vergeht die Zeit. Und das Photon bewegt sich mit 300.000 Kilometern pro Sekunde sehr schnell. Die Verzerrung ist bei dieser Geschwindigkeit so extrem, dass die Zeit aus der Sicht des Photons stillsteht und der Raum keine Ausdehnung mehr hat. Schneller wäre also sinnlos. Das würde sich für ein Photon, das im Weltall unterwegs ist, theoretisch so darstellen, sagt Susanne Hüttemeister:

„‚Das Universum hat keine Ausdehnung mehr. Ich bin überall im Universum gleichzeitig.‘ Jetzt können wir uns leider in die Photon-Perspektive nicht versetzen – das wäre ja eine tolle Nummer, wenn wir dem zugucken könnten und die Perspektive auch hätten –, weil leider jeder Körper, der eine Masse hat, jeder Körper, der schwer ist, der Gewicht hat, braucht unendlich viel Energie, um auf Lichtgeschwindigkeit zu kommen.“

So hat beispielsweise das schnellste, jemals gestartete Raumschiff, die Nasa-Sonde „New Horizons“, 2006 auf der Reise zum Pluto eine Spitzengeschwindigkeit von 57.000 Kilometern pro Stunde erreicht. Das entspricht 0,000006485969-facher Lichtgeschwindigkeit. Bei allem Forscherinnengeist und aller Liebe zur Physik und Astronomie: In besinnlichen Stunden kann Susanne Hüttemeister bei Kerzenlicht durchaus abschalten und es genießen:

„Mein Umgang mit Licht ist schon noch alltagstauglich. Aber, dass Licht auf einer Ebene geheimnisvoll ist, die jetzt nicht mystisch oder romantisch ist, das begleitet mich schon durchaus.“