Ein Besuch im Hexenmuseum Schweiz
Wetterhexe, Hexenschuss: Nicht nur in der Sprache spielen Hexen eine Rolle. Wer mehr über Hexenverfolgung, Brauchtum, Aberglaube und moderne Hexen erfahren möchte, kann Schloss Liebegg in der Schweiz besuchen.
Das malerische Schloss Liebegg liegt in Gränichen im Kanton Aargau in der sogenannten Deutschschweiz. Seit März 2018 beherbergt es das Hexenmuseum Schweiz. Nachdem es acht Jahre lang etwas beengt in privaten Räumen in Auenstein untergebracht war, wurden andere Räumlichkeiten gesucht – und gefunden. Am neuen, geräumigen Standort erwartet die Besucher eine wissenschaftlich begleitete Ausstellung zum Thema „Hexe“ mit spannend aufbereitetem geschichtlichem Hintergrund. Wicca Meier-Spring führt stolz durch die Ausstellungsräume ihres Museums. Gleich zu Beginn der Schau tauchen die Besucher in das dunkle Kapitel der Hexenverfolgung ein:
„In der Schweiz fing’s 1419 an und hat eigentlich 1782 mit der Anna Göldi – die letzte bekannte Schweizer Hexe – aufgehört. Und da sieht man eigentlich die Zeitdauer – 350 Jahre rund – war das ’n Thema in der Schweiz.“
Europaweit wurden bis zu 60.000 Menschen, überwiegend Frauen, verfolgt und als Hexen zum Tode verurteilt, allein rund 10.000 in der Schweiz. Das Land hält einen traurigen Rekord. Nirgendwo sonst endeten so viele Menschen auf dem Scheiterhaufen oder wurden auf andere Art hingerichtet, das Todesurteil wurde an ihnen vollstreckt. Das traurige Kapitel endete am 13. Juni 1782. Damals wurde in der Stadt Glarus Anna Göldi nach einer Entscheidung des Stadtrats zum Tod durch das Schwert verurteilt. Sie habe gestanden, so hieß es zur Begründung, die Kräfte des Teufels genutzt zu haben, weil die beiden Töchter ihres Dienstherrn Stecknadeln beziehungsweise Nägel spuckten. Verschwiegen wurde, dass dieses „Geständnis“ unter Folter herbeigeführt worden war. Das Urteil gegen Anna Göldi wurde erst im Jahr 2008 aufgehoben.
Im Mittelalter dienten Hexen als Sündenböcke für alles Mögliche. Angeblich sollten sie ihren sogenannten Schadenzauber dafür genutzt haben, dass die Menschen von Katastrophen, Missernten und Krankheiten heimgesucht wurden. Meist genügte es, jemanden – in der Regel eine Frau – der Hexerei zu bezichtigen, wenn man einer Person schaden oder sie loswerden wollte. Mangels Beweisen wurden die Unschuldigen gefoltert, um ein Geständnis zu bekommen.
Als Legitimation für dieses brutale Vorgehen diente das Buch des Dominikanermönchs Heinrich Kramer: „Der Hexenhammer“, lateinisch „Malleus Maleficarum“. Wicca Meier-Spring fasst in knappen Worten die Essenz des Buches zusammen:
„Eigentlich die Anleitung, wie man eine Hexe überhaupt erkennt, wie man sie zu richten und zu befragen hat. Und dieses Buch wurde dann über 30.000 Mal gedruckt - und das im 15. Jahrhundert. Das ist ein Bestseller nebst der Bibel gewesen.“
Im Jahr 1487 erschien die erste Auflage des fast 700 Seiten dicken Werks. 28 weitere Auflagen folgten. Die neue Technik des Buchdrucks, im 15. Jahrhundert von Johannes Gutenberg erfunden, sorgte dafür, dass „Der Hexenhammer“ rasche Verbreitung fand. Er wurde, wie Wicca Meier-Spring sagt, zu einem Bestseller, einem sehr oft verkauften Buch.
Das Museum gewährt Einblicke in Forschungen über die mittelalterlichen Hexenprozesse – kirchliche, wie weltliche. Die Ausstellung blickt aber auch in die Gegenwart. Laut Wicca Meier-Spring leben moderne Hexen – wie sie selbst eine ist – anders als früher:
„Sie leben diesen Weg, diese Bezeichnung der Hexerei in der heutigen Zeit, die nichts mehr mit dem Teufel natürlich zu tun hat, sondern das ist eine bewusste Lebenseinstellung, bei der man sich auf die Natur besinnt. Also für die modernen Hexen ist alles beseelt: die Pflanzen, die Tiere. Sie arbeiten mit den Elementen Feuer, Erde, Wasser, Luft – und vor allem mit dem Geist, mit dem eigenen Verstand.“
Die modernen Hexen, die Wiccas, leben einen Spiritismus, einen Glauben an übersinnliche Kräfte und Geister. Für sie haben nicht nur Menschen eine Seele, sind beseelt, sondern andere Lebewesen auch. Wiccas wollen in Frieden und Harmonie mit ihrer Umwelt leben. Sie besinnen sich darauf, sie richten sich danach und nutzen ihre geistigen, energetisch gestützten Kräfte, arbeiten mit ihnen. Dazu gehören nicht nur die vier Naturelemente Feuer, Erde, Wasser und Luft, sondern auch der Verstand.
Seit ihrer Kindheit interessiert sich Wicca Meier-Spring für das Thema Hexen. Irgendwann begann sie, entsprechende Gegenstände und Informationen zu sammeln und legte damit den Grundstein für ihr Museum. Mehr als 1000 Exponate hat sie zusammengetragen, natürlich sollen es noch mehr werden. In den Vitrinen liegen unzählige Schmuckstücke mit mystischen Symbolen, Tarotkarten und auch Gegenstände zur Abwehr von Hexen und Dämonen. Anschaulich gibt die Ausstellung zudem einen Überblick über Volksglauben, Aberglauben und Sagenwelt. Auch die Sprache kommt nicht zu kurz. Einige Beispiele nennt Wicca Meier-Spring:
„Die ‚Wetterhexe‘: Man glaubte wirklich, da stehen zwei auf einem Hügel und brauen ihren Trank und daraus entsteht dann das Unwetter, der Regen, der Schnee. Wir sagen auch immer noch heute: ‚Ein Unwetter braut sich zusammen‘. Ja, wer braut das denn? Oder der ‚Hexenschuss‘. Auch das, da hat man gesagt, da macht sich eine Hexe unsichtbar, und wenn man im Garten arbeitet oder auf den Feldern sich dann wieder hochrichten möchte, und nicht mehr hochkommt, dann hat einen ‚die Hex’ geschossen‘.“
Der Hexenschuss oder die Wendung „Da hat mich die Hex’ geschossen“ stehen als Synonym für eine plötzliche Unbeweglichkeit und sehr unangenehme Schmerzen. Braut sich redensartlich ein Unwetter zusammen, erscheinen viele dunkle Wolken am Himmel, starker Wind kommt auf. Die Redewendung greift den Aberglauben auf, dass Hexen in einem Kessel ein Zaubergetränk kochen, einen Trank brauen.
Das Hexenmuseum ist lehrreich und unterhaltsam, aber es polarisiert. So riefen fundamentale Christen zum Gebet vor den Schlosstoren auf, um die Eröffnung zu verhindern. Nicht zuletzt um Befürchtungen zu entkräften, dass das Museum einen Beitrag dazu leiste, beispielsweise jungen Menschen Schaden zuzufügen, hat das Haus sich ein Leitbild gegeben. Danach will es „ein neutraler Ort der Begegnung mit dem Thema Hexen und dem damit verbunden Volksglauben sein. Eine Möglichkeit der Information, der Aufklärung und des Erinnerns“.