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Sprecherin:
In Deutschland gibt es ein breites Netz von Organisationen, die Entwicklungshilfe leisten oder organisieren. Neben der GTZ, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, und politischen Stiftungen, sind es vor allem sechs, teils kirchliche, Einrichtungen, die unter das deutsche Entwicklungshilfegesetz fallen. Dieses Gesetz regelt nicht nur wesentliche Inhalte der Unterstützung sowie der sozialen Sicherung der Mitarbeiter, es schreibt unter anderem auch vor, dass Entwicklungshilfe nicht mit Gewinnstreben verbunden sein darf. Über die Arbeitsgemeinschaft Entwicklungshilfe, kurz AGEH, werden jedes Jahr rund 250 Fachkräfte – Krankenschwestern und Landwirtschaftsingenieure ebenso wie Pädagogen – im Dienste der Entwicklungshilfe eingesetzt. Pressereferentin Katharina Engels:
Katharina Engels:
"Salopp gesagt sind wir 'ne Personalagentur, 'ne Personalagentur für Entwicklungshelfer und wir vermitteln Entwicklungshelfer in Projekte nach Afrika, Asien, Lateinamerika, auch Osteuropa, und wir tun das für verschiedene Organisationen vor allen Dingen im katholischen Bereich, also zum Beispiel Misereor; Caritas International, Kolping. Diese Organisationen haben Kontakte ins Ausland, also sagen wir mal in Afrika. In Afrika gibt es 'ne Selbsthilfeorganisation, sagen wir mal im kirchlichen Bereich. Die möchten zum Beispiel Einkommenssituationen von Frauen verbessern. Und dann läuft das normalerweise so: Die stellen 'nen Antrag, schreiben da rein, was möchten sie alles machen. Dann brauchen sie meistens finanzielle Mittel und möglicherweise brauchen sie auch jemanden, der sie methodisch unterstützt. Und dann kommen wir im Grunde ins Spiel. Wir halten dann Kontakt zu Misereor und auch zu der Organisation vor Ort, klären noch mal ab, was sind wirklich die Bedürfnisse. Welche Qualifikation muss die Fachkraft haben? Wir suchen die Fachkraft, bereiten sie vor und dann regeln wir alles Vertragliche, die versicherungstechnischen Sachen und begleiten die Fachkraft dann auch während des Einsatzes."
Sprecher:
Katharina Engels meint, salopp gesagt sei die AGEH eine Personalagentur. Salopp, das im 19 Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt wurde, ist ein Ausdruck, der sowohl eine Redeweise beschreibt als auch eine Art, sich zu kleiden. Salopp bedeutet "betont ungezwungen", "lässig" und besonders in Bezug auf die Kleidung manchmal auch "nachlässig" oder sogar "ungepflegt". Wenn Hilfsorganisationen wie Misereor wissen, welche Qualifikation ein Entwicklungshelfer für ihr Projekt aufweisen muss, kommt die AGEH ins Spiel, wie deren Pressereferentin es ausdrückt. Ins Spiel kommen natürlich jene, die vorher unbeteiligt waren, aber bereit standen. Nun nehmen sie am Spiel, also einer Arbeit oder Entwicklung teil, wie eine bisher nicht benutzte Figur beim Brettspiel oder dem nachrückenden Spieler beim Fußball, der vorher auf der Bank saß.
Sprecherin:
Johannes Holz und seine Frau Beatrice Trüeb wurden als Entwicklungshelfer in den Norden Brasiliens vermittelt. Johannes Holz, Pädagoge und Theologe, war in der Fortbildung pastoraler Mitarbeiter und half mit, eine berufsbildende Hauptschule aufzubauen und zu organisieren. Seine Frau arbeitete als ausgebildete Grundschullehrerin zunächst in der Verwaltung. Später wurde sie für den Schwerpunkt Frauenarbeit eingesetzt. Dass Paare gemeinsam in Entwicklungshilfeländer gehen, ist inzwischen zwar häufiger anzutreffen, dass aber beide als Entwicklungshelfer tätig sind, ist eine seltene Ausnahme. Alle Fachkräfte, die als Entwicklungshelfer ins Ausland gehen, werden auf ihren Aufenthalt, die andere Kultur und Sprache vorbereitet. Allerdings erfuhren Johannes Holz und Beatrice Trüeb recht bald, dass die Vorbereitung das mühsame Lernen vor Ort nicht erspart:
Beatrice Trüeb:
"Das war ein ganz großes Problem am Anfang, die Sprache, obwohl wir Sprachkurse gemacht hatten, uns vorbereitet, studiert haben, und, und, und, auch im Land selber. Am Anfang, die Sprache, das war bestimmt mehr wie ein halbes Jahr, wirklich, also schwierig. Wie wir da ankamen, hatten wir so das Gefühl, ja, ja, wir können es schon. So ein bisschen verständigen und verstehen. Aber die Leute reden halt nicht so, wie es im Buch steht, und das war schon schwierig, auch sehr, sehr ermüdend. Nach zwei Stunden Frauengruppe, da war ich fix und foxi."
Sprecher:
Nach zwei Stunden Zuhören in der Frauengruppe war Beatrice Trüeb, wie sie sagt, fix und foxi. Die Wendung ist eine scherzhafte Abwandlung des umgangssprachlichen Ausdrucks fix und fertig und spielt auf zwei bekannte Comicfiguren an. Fix und fertig drückt, wie auch Beatrice Trüeb es verwendete, völlige Erschöpfung aus. Genauso aber wird es benutzt, um deutlich zu machen, dass etwas vollendet ist oder bereitsteht. So kann eine Arbeit fix und fertig sein ebenso wie Menschen, die fix und fertig gekleidet zur Abfahrt bereit sind.
Sprecherin:
Nicht nur die Sprache brachte für die Entwicklungshelfer einige Probleme mit sich. Auch andere Formen, die für die Verständigung wichtig sind, musste das Paar in Nordbrasilien erst langsam lernen.
Beatrice Trüeb:
"Wir haben eigentlich nie von den Leuten ein direktes Nein bekommen, sondern man hat dann zum Beispiel in den Sitzungen, oder so, wenn wir 'nen Vorschlag gemacht haben, der jetzt nicht so ankam, was wir natürlich jetzt am Anfang nicht so gemerkt haben, wurde darüber diskutiert und, ja ... man könnte das, und wir könnten das machen, das wär' 'ne gut Idee, super – und das war es dann aber auch. Also, das fiel dann nachher unter den Tisch, wo jetzt für uns klar gewesen war, ah ja, das machen wir jetzt, wer macht was, wann treffen wir uns wieder, welche Arbeitsgruppen und so, aber das fiel dann einfach so unter den Tisch und war gestorben."
Sprecher:
Etwas unter den Tisch fallen zu lassen ist ein gängiger, bildhafter Ausdruck, um deutlich zu machen, dass etwas bewusst außer Acht gelassen und nicht mehr betrachtet wird. Noch stärkeren Nachdruck verleiht die ironische Formulierung das war gestorben dieser Nichtbeachtung. Ein feiner Unterschied besteht noch darin, dass eine Sache, die unter den Tisch fällt, nicht mehr beachtet wird, jedoch etwas, das gestorben ist, vollkommen aufgegeben wurde.
Sprecherin:
Trotz oder vielleicht gerade wegen der schwierigen Anfangszeit, fiel es Johannes Holz und Beatrice Trüeb nach fünf Jahren Leben und Arbeit in Brasilien schwer, sich zu trennen.
Johannes Holz:
"Wenn wir jetzt noch drei Jahre dageblieben wären, da wär' die Schwierigkeit, hier noch mal auf dem Arbeitsmarkt wieder reinzukommen, um ein Vielfaches größer. Wir hätten sofort 'n Angebot, da 'ne Fortbildungseinrichtung für mehrere Diözesen aufzubauen, aber sagen uns, nee, jetzt lass uns hier mal wieder Fuß fassen und andocken an unsere Heimat oder Geburtsheimat und Familien, bevor wir dann vielleicht mal wieder gehen, aber wer weiß, was in fünf Jahren ist."
Sprecher:
Johannes Holz möchte wieder in seiner Geburtsheimat Fuß fassen und andocken. Fuß fassen kann man in seiner ehemaligen Heimat wie auch in einem fremden Land oder aber in einem neuen Berufsfeld. Genauso wie Füße, die sich auf losem oder ungewohntem Boden einen festen Stand verschaffen, drückt die umgangssprachliche Wendung die Sicherheit aus, die ein Mensch erlangt, wenn er beruflich oder sozial Fuß fasst. Bekannt, aber weniger verbreitet, ist die Formulierung andocken aus dem Schifffahrtsbereich. Auch hier geht es im übertragenen Sinn um den Ausdruck einer gelungenen oder angestrebten menschlichen Bindung.
Sprecherin:
Für Andrea Fütterer war es schon in der Schule klar, dass sie später in den Entwicklungsdienst gehen würde. Angestellt beim Deutschen Entwicklungsdienst, DED, der größten und konfessionell unabhängigen Entwicklungshilfe-Organisation in Deutschland, arbeitete die gelernte Gartenbauingenieurin zunächst in Nicaragua, später in Honduras. Dort leitete sie ein Projekt mit Kooperativen von Kleinbauern, war Beraterin mit Schwerpunkt Kaffeeanbau und Biokaffeeproduktion. Direkt nach ihrem Studium hatte sie bereits ein Praktikum in Lateinamerika absolviert. Die Erfahrungen, die sie dort machte, haben sich in ihrer späteren Entwicklungsarbeit als sehr nützlich erwiesen.
Andrea Fütterer:
"Das sind dann eben so oft Projekte, die ziemlich aufgesetzt sind, wo man nicht davon ausgehen kann, dass die Leute so 'n Projekt, wenn dann die Geldgeber weg sind ... gewisse Dinge auch weitermachen. Also, das war so ein Punkt, der mir sehr aufgefallen war – dieser Aspekt, ist das Projekt oder die Tätigkeit wirklich mit der Zielgruppe geplant, stehen die dahinter, wollen die das und wollen die das so, wie es geplant ist, oder ist das eigentlich mehr was, was dann von außen, zum Teil am grünen Tisch geplant wurde."
Sprecher:
Bei Entwicklungshilfe-Projekten kann man nicht davon ausgehen, dass die Bevölkerung immer dahintersteht. Deshalb wirkt manches Unternehmen sehr aufgesetzt und wie am grünen Tisch geplant. Die Wendung hinter etwas stehen fasst eine unterstützende Haltung in ein konkretes Bild. Wie Eltern, die hinter einem Kind stehen, um ihm rasch helfen zu können. Die Formulierung etwas am grünen Tisch zu planen, drückt aus, dass ein Projekt oder eine Idee sehr theoretisch ist, also die praktischen Bedürfnisse der Beteiligten nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die Wendung rührt daher, dass Verhandlungstische früher oft mit grünem Leder oder grünem Tuch bezogen waren. Am grünen Tisch geplante Projekte wirken meist sehr aufgesetzt, also ohne Verbindung mit den Gegebenheiten.
Sprecherin:
Nach den ersten Jahren Beratung bei Kaffeeanbau und Organisation, kamen für Andrea Fütterer weitere Aufgaben hinzu. Sie leitete Frauenprojekte und machte in Kursen auf die traditionell unterschiedlichen Belastungen von Männern und Frauen aufmerksam.
Andrea Fütterer:
"Die so genannten Gender-Fortbildungen, da ging's drum, diese geschlechtspezifische Sichtweise als Thema einfach mal aufs Tablett zu bringen und über Fortbildung gemeinsam drüber nachzudenken, was gibt's überhaupt für festgefahrene Traditionen zwischen Männern und Frauen. Wir haben das natürlich immer versucht, mit ganz einfachen Beispielen aus dem Alltag zu verdeutlichen, dass eben jedem, der an dem Workshop teilnimmt, ganz klar ist, um was es geht. Also, ein Beispiel, was mir sehr gut gefallen hat, das nannte man die tägliche Uhr. Und dann hat man eben festgestellt, dass die Frauen sehr viel länger und mehr arbeiten müssen den ganzen Tag über, sie stehen früher auf und gehen später schlafen; dass sie zum anderen fast keine festen Freiräume für sich haben. Die Männer haben dann immer irgendwie ihre Quatschgruppe, Kneipe, Fußballklub, oder wo sie dann auch immer hingehen, so als festen Zeitplan. Oder wenn sie von der Feldarbeit kommen, dann war oftmals eine Stunde Siesta eingeplant. Die ist halt fest und die ist für sie, und das haben die Frauen eben nie."
Sprecher:
Die Gender-Forschung bringt die geschlechtsspezifische Betrachtung der Kulturgeschichte aufs Tablett. Sie regt auch an, über festgefahrene Traditionen nachzudenken. Umgangssprachlich etwas aufs Tablett zu bringen, bedeutet, es erstmalig zur Diskussion zu stellen oder betonend hervorzuheben. Wichtig ist diese Anregung natürlich besonders dort, wo festgefahrene Traditionen herrschen. Wie ein Fahrzeug, das, von Erdreich blockiert, nicht mehr vorwärtskommt, sind festgefahrene Verhaltensweisen solche, die Menschen tief verinnerlicht haben und die nur schwer zu ändern sind.
Sprecherin:
Nachdem die tägliche Uhr fertig war, wurden den verschiedenen Arbeiten von den Frauen und Männern finanzielle Werte zugeordnet. Dabei stellte sich heraus, dass die Frauen mit ihrer Hausarbeit mehr erwirtschaftet hatten als die Männer mit ihrer Feldarbeit. Eine wichtige Erkenntnis in Bezug auf die Wertschätzung der Frauen. Rückblickend auf ihre Auslandsarbeit fällt Andrea Fütterer vor allem die andere Art in Lateinamerika auf, Zeit und Erfolg zu messen. Beispielhaft war für sie das Erlebnis mit einem korrupten örtlichen Präsidenten.
Andrea Fütterer:
"Die Leute wussten das natürlich alle und wollten zwar was dagegen machen, aber nicht so richtig, und dann haben sie das an die ausländischen Berater herangetragen. Und wir haben aber auch gesagt, so 'ne Problemlösung, die muss von euch kommen. Und in der Zeit, in der ich in dem Projekt gearbeitet hab', haben sie es also nicht mehr geschafft, das irgendwie auf die Reihe zu bringen, und als ich dann da weg ging, dachte ich immer, oh Schreck, wie wird's da jetzt weitergehen, weil das dann sich immer mehr zugespitzt hat. Und so ein knappes Jahr später habe ich dann Post bekommen von den Leuten aus dem Projekt. Und dann haben sie mir ganz stolz geschrieben, dass sie jetzt also das Problem auf den Tisch gebracht haben, dass der Präsident das Weite suchen musste, also dass sie den rausgeschmissen haben und dass jetzt das vorige Projektteam aber eben geblieben ist mit einer anderen Koordination und dass das jetzt alles sehr viel besser läuft."
Sprecher:
Andrea Fütterer befürchtete, dass die Bauern es nicht auf die Reihe bringen würden, ihren korrupten Präsidenten abzusetzen. Mit der gängigen Formulierung drückt man aus, dass anderen eine Sache nicht gelingt. Damit kann eine Rechenaufgabe oder eine Haushaltsarbeit genauso gemeint sein wie ein politisches Vorhaben.
Sprecherin:
Entwicklungshelferinnen und -helfer stützen den Prozess in vielen südlichen Ländern, eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu setzen. Ihre wesentliche Aufgabe dabei ist es zu erreichen, dass ihr eigener Einsatz irgendwann nicht mehr nötig sein wird.
Fragen zum Text:
Aus welcher Sprache ist das Wort salopp entlehnt?
1. aus dem Englischen
2. aus dem Französischem
3. aus dem Italienischem
Was bedeutet die Redensart etwas aufs Tablett bringen?
1. etwas neu zur Diskussion stellen
2. etwas bewusst außer Acht lassen
3. etwas an den Bedürfnissen der Beteiligten vorbei zu planen
Projekte, die ohne Verbindung mit den Gegebenheiten geplant wurden, wirken ...
1. festgefahren.
2. aufgesetzt.
3. angedockt.
Arbeitsauftrag:
Entwicklungshilfe ist in ihrer derzeitigen Ausprägung oftmals umstritten. Diskutieren Sie darüber, wo es Probleme gibt oder geben könnte, und machen Sie dabei Vorschläge, wie Entwicklungshilfe idealerweise aussehen sollte.