Das GMF weltweit mitgestalten

"Disruption and Innovation" – so lautet das Thema, mit dem die DW im Rahmen des Global Media Forums am 14. und 15. Juni 2021 das Spannungsfeld zwischen disruptiven Entwicklungen einerseits und innovativen Antworten zu den größten Herausforderungen unserer Zeit erforschen möchte.

Ob es nun um eine globale Pandemie sich handelt oder um die Ausweitung der künstlichen Intelligenz in den Alltag geht – heutzutage kann sich niemand vor weitreichenden Veränderungen verstecken. Doch mit welchen Trends müssen Journalisten heute Schritt halten? Welche Innovationen werden ihre Arbeit in den kommenden Jahren beeinflussen? Und welche Art von Disruptionen werden die Arbeitsweise der Medien grundlegend verändern?

Trotz der Corona-bedingten Einschränkungen sollen diese Fragen nicht unbearbeitet bleiben. Als hybride Veranstaltung aus dem Funkhaus Bonn werden diese Fragen mit Publikum im virtuellen Raum erörtert, während die DW Speaker und Panelist*innen vor Ort sowie per Live Schalte zusammenbringt. Damit stellt die DW sicher, dass der Wissensaustausch, den die Konferenz mit internationalen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien ermöglicht, trotz Pandemie nicht abbricht.

Zugleich wird das Global Media Forum auch durch weitere digitale Formate wie GMF compact und GMF talk über das Jahr verteilt als Marke gestärkt werden – in Deutschland und weltweit.

Kameramann beim GMF 2019
Wir bringen die Debatten und Diskussion rund ums Thema "Disruption and Innovation" zu Ihnen nach Hausenull DW/F. Görner

Interessierte sind eingeladen, sich an den Diskussionen zu beteiligen, die auf drei Streaming Kanälen parallel statt finden werden. Schon jetzt kann man sich unter https://gmf.dw.com/ anmelden. Per Newsletter und über die Social-Media-Kanäle der Konferenz wird die Deutsche Welle über diese Angebote informieren. Auch zahlreiche DW-Partner werden das Global Media Forum 2021 inhaltlich und organisatorisch begleiten.

In Kürze erscheint darüber hinaus auch eine Ausgabe der Weltzeit, die sich dem Themenschwerpunkt "Disruption and Innovation" widmen wird, wo auch Gastbeiträge der Speaker eine große Rolle spielen werden.

Das Global Media Forum wird vom Bundesland Nordrhein-Westfalen, dem Auswärtigen Amt sowie dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt.

Kompetenz vor Ort erfahrbar machen

Zu den Aufgaben der  Abteilung Events gehören die Planung, Entwicklung, Organisation und Evaluation von analogen und digitalen Veranstaltungen. Inhaltlich orientieren die Veranstaltungen sich an Kernthemen der DW, sind aktuell und geben Impulse. Zudem bieten sie eine Diskussionsplattform und ermöglichen neue Kontakte.

Ob Global Media Forum (GMF), Programmpräsentationen, Beethovenfest oder Karnevalsempfang – der Bereich initiiert und unterstützt DW und DW Akademie bei der inhaltlichen und organisatorischen Umsetzung von Events.

Ziel ist es, die DW und ihre einzigartige Kompetenz vor Ort erfahrbar zu machen und die Sichtbarkeit und Relevanz der DW zu erhöhen. Events koordiniert und organisiert zudem hausinterne Veranstaltungen Dritter am Standort Bonn.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an events@dw.com.

"Die intellektuelle Währung ist die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen"

Noch nie mussten sich Medienorganisationen so radikal und schnell anpassen. Einige stellen ihre Geschäftsmodelle auf den Kopf – experimentieren mit Paywalls, Abonnement-Modellen und gezielter Werbung - und liefern gleichzeitig das, was ihr Publikum tatsächlich sehen, hören und lesen will.

An der zehnten digitalen Sitzung des Deutsche Welle Global Media Forums nahmen drei Medienexpert*innen teil, die bei der Bewältigung dieser Herausforderungen an vorderster Front stehen: Samir Patil, der Gründer und CEO von ScrollStack, einem "open marketplace for creators", wie sie sich selbst bezeichnen; Nicholas Johnston, Chefredakteur von Axios, einer rein digitalen Nachrichtenredaktion mit Sitz in den USA; und Imme Baumüller, Direktorin für Datentechnologie & Business Intelligence bei der deutschen Mediengruppe Handelsblatt. DW-Moderator und Journalist Sertan Sanderson führte durch die lebhafte Diskussion.

Neue Wettbewerber im Visier

"Der Übergang zur digitalen Bereitstellung von Inhalten auf unseren Smartphones hat enorme Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Medien. Unsere Geräte ermöglichen uns Zugang zu allem", sagte Nick Johnston zu Beginn der Diskussion. Dies bedeute, dass die Konkurrenten nicht mehr nur Medienunternehmen seien: „Zu ihnen gehören jetzt auch Amazon, Tinder und Netflix, da die intellektuelle Währung - um die es geht - nicht mehr Nachrichten sind, sondern die Aufmerksamkeitsspannen der Menschen."

Medienmacher konkurrierten gegen "eine unendliche Anzahl von Apps", erklärte Johnston weiter. "Alles, was ein Mensch tun muss, ist, seinen Daumen einen viertel Zoll auf den Bildschirmen seines Smartphones zu bewegen.“ Damit diese Daumen sich auf dem Display nicht verirren, habe sich sein Team auf das Wichtigste konzentriert: die Tatsache, dass der Leser nur wenig Zeit hat.

"Die Leser sagten uns, dass sie dieses ganze Zeug nicht lesen wollten", so Johnston. "Also haben wir versucht, die Geschichten zu kürzen und so viele Informationen wie möglich in die ersten 150 Wörter zu packen, was in etwa auf den ersten Bildschirm eines Smartphones passt."

USA Nick Johnston Axios
Nicholas Johnston will die Aufmerksamkeitsspannen der Menschen gewinnennull privat

Technologie vs. Tradition

Der Wettbewerb sei deutlich härter geworden, stimmte Dr. Imme Baumüller vom Handelsblatt zu. Hinzu komme, dass die Medienbranche mit den Außenseitern Schritt halten müsse, die nun die Treiber des Wandels seien: "Man muss ein Technologieunternehmen sein und kein klassisches Medienunternehmen", betonte Baumüller."Journalisten müssen wirklich an der Spitze der Technologie stehen. Inhalte müssen sehr schnell sein, und man muss eine große Benutzerfreundlichkeit haben, um die Menschen zu begeistern."

Wie viele traditionellen Medien verdiente das Handelsblatt früher das meiste Geld hmit Anzeigen. Heute nutzt es ein Abonnement-Modell. Das heißt: digitale Newsletter und eine Paywall. Laut Baumüller sei diese die "härteste" in Deutschland – zum Preise von 50 Euro im Monat pro Nutzer.

Imme Baumüller - Handelsblatt Group, Director Data Technology & Business Intelligence
Dr. Imme Baumüller glaubt, dass es für Print noch eine Zukunft gibt - solange das Ertragsmodell diversifiziert istnull Tom Linke

Die Nachrichtenwebsite scroll.in hat ebenfalls zum Teil eine Paywall, verwendet sonst aber ein anderes Modell als das Handelsblatt. Samir Patil zeigte sich überzeugt, dass man erfolgreich sein könne, solange Medienunternehmen nicht den Fehler machen, ihre eigenen Plattformen aufzugeben - wie sie es in der werbefinanzierten Welt getan haben.

Er fügte hinzu, es sei klar, dass das Publikum bereit sei, für qualitativ hochwertige Nischeninhalte online zu bezahlen, und dass Medienunternehmen sich auf diese Lektion konzentrieren sollten: "In den 1990er-Jahren sagten die Leute: 'Wer würde schon im Internet werben?' Und dann hieß es: 'Wer würde im Internet bezahlen?' Aber jetzt ist es möglich, als Mindestzahlung nur 15 Cent in Indien und 1 Dollar in den USA zu verlangen", erklärte er.

"Ich denke, wir stehen am Anfang vom Ende des Pessimismus darüber, ob die Menschen für vertrauenswürdige Medien bezahlen würden. Alles in den vergangenen acht bis zehn Jahren deutet darauf hin, dass die Menschen bereit sind, zu zahlen, sobald man Innovationen im Format oder in der Form hat, und sobald man die Art von tiefer Berichterstattung anbietet, die den Lesern wichtig ist."

 USA | Samir Patil ScrollStack Gründer CEO
Samir Patil, Gründer und CEO von ScrollStack, glaubt fest zukunftsträchtige Erlösmodellenull ScrollStack.com

Werbung gezielt einsetzen

Laut Patil hat der Übergang zu "digital first" und "mobile first" die Totenglocke für die Internet-Werbung als Einkommensmodell geläutet – selbst für große Medienunternehmen. Genau dieses Modell funktioniert jedoch für Axios: "Der Schlüssel liegt hier darin, dass sie nicht dem grössten Maßstab nachjagen, sondern Werbung zielgerichtet einsetzen", erklärte Johnston. 

"Es gibt einfach keine Möglichkeit, mit Facebook und Google um Werbung zu konkurrieren. Aber wenn man nicht mit demselben Markt konkurriert, kann man ein wertvolles werbebasiertes Modell aufbauen", meinte Johnston. "Wir werden nie in der Lage sein, 500 Millionen Menschen wie Facebook und Google zu erreichen. Aber wir sind tatsächlich in der Lage, die Millionen Menschen zu erreichen, die die tägliche Nachrichtenzusammenfassung Axios AM jeden Morgen lesen. Und wir sind in der Lage, den Werbetreibenden zu erklären, dass dies ein sehr wertvolles Publikum ist."

Kampf gegen die Giganten

Technikgiganten wie Facebook und Google sind vielen Medienunternehmen – darunter auch dem Handelsblatt – nach wie vor ein Dorn im Auge. Gleichzeitig könne es indirekt auch einen positiven Effekt geben, so Baumüller: "Diese Giganten treiben alles voran, was gerade passiert. Also sind sie vielleicht gut für das Geschäft, weil sie die Art und Weise verändern, wie wir denken und handeln."

Währenddessen seien Aufrufe, die Tech-Giganten in Bezug auf die Art und Weise zu regulieren, wie sie Nachrichten kostenlos auf ihren Feeds oder in ihren Suchergebnissen verwenden, fehlgeleitet, so Patil: "Wir müssen in der Lage sein, ein funktionierendes Geschäftsmodell zu finden – und der Versuch, Big Tech umzuhauen, kann hier nicht die Antwort sein."

Ein Teil der Antwort könnte darin bestehen, Plattformen wie Facebook zu ignorieren, indem man eine direkte Beziehung zu dem Publikum aufbaut, die komplett unabhängig ist, so Johnston: "Wenn Sie sich auf einen Facebook-Algorithmus verlassen, um Ihre Leser zu erreichen, werden Sie in Schwierigkeiten geraten, denn eines Tages wird Facebook einen Knopf an diesem Algorithmus drehen – und alle Ihre Leser werden dann plötzlich verschwinden", mahnte er.

Das Ende der Printmedien

Da viele Menschen sich darin einig sind, dass die Zukunft der Medien digital sein wird, sei es denn dann zu früh, den Tod der Printmedien anzukündigen, wollte Monderator Sertan Sanderson wissen. Für Imme Baumüller sei die ein wenig zu voreilig, da das Handelsblatt zumindest immer noch "gutes Geld" mit dem Verkauf von Printausgaben verdiene.

Johnston, der eine rein digitale Redaktion betreibt, meinte, dass die klassisch gedruckte Tageszeitung wenig Sinn mache, wenn Informationen doch einfach und schnell auf das Handy gebracht werden könnten. Zugleich wies er darauf hin, dass die Buchverkäufe in den USA derzeit einen Rekordstand erreicht haben trotz der Beliebtheit von e-readern: "Print ist ein hervorragender Mechanismus, um Informationen zu konsumieren, wenn es sich nicht gerade um unmittelbare und aktuelle Informationen handelt", sagte er.

Für Patil sei es nur eine Frage der Zeit, bis digitale Plattformen in der Lage sein würden, bestimmte Designfragen zu klären, die den Printmedien einen Vorteil verschaffen. Zu diesem Zeitpunkt "wird Print in ein Luxus-Subsegment zurückfallen, so wie die Leute, die in zehn Jahren immer noch LP-Platten […] hören wollen," sagte er gegenüber der DW.

Der Schlüssel zum Erfolg

Was bedeutet das alles aber für Journalisten, die eine Karriere in einer von den neuen Medien dominierten Welt beginnen möchten? Laut Johnston sei es unter anderem wichtig zu versuchen, die damit verbundenen Geschäftsmodelle gut zu verstehen, anstatt sie als weniger bedeutend als die journalistische Sache für sich zu betrachten – so wie es in der Vergangenheit der Fall war.

Baumüllers Ansicht nach sollten Journalisten, die am Anfang ihrer Karriere stehen, so viele technische und datentechnische Fertigkeiten wie möglich erlernen: "Lernen Sie, in Python oder etwas Ähnlichem zu programmieren. Solch großartige Technologien sind der Schlüssel zum großartigem Journalismus der Zukunft", meinte sie gegenüber dem Panel.

Gleichzeitig dürfe man die Vergangenheit nicht abtun, warnte Patil: "Ich sehe viele Leute, die tatsächlich die technischen Fähigkeiten haben, aber das alte Modell verachten. Ich würde aber auch für einen gewissen Respekt den alten Modellen gegenüber plädieren. Schliesslich waren sie die Vorreiter und hatten einige sehr gute Merkmale, die wir mittlerweile verloren haben."
 

Global Media Forum: Was Corona uns gelehrt hat

Weltweit hat die Corona-Pandemie in diesem Jahr Großveranstaltungen auf Eis gelegt. Auch die Teilnehmer des Global Media Forums der Deutschen Welle treffen sich in diesem Jahr lediglich online. In einer Reihe von Live-Debatten diskutieren Teilnehmer aus aller Welt die drängendsten Fragen des aktuellen Journalismus, diesmal unter dem Motto: Pluralismus. Populismus. Journalismus.

Am Mittwoch startete das digitale Konferenzprogramm mit einer Diskussion über die Rolle der Medien in der aktuellen Corona-Pandemie.

Welche Verantwortung tragen die Medien in der Krise? Diese Frage stellte DW-Moderator Jaafar-Abdul Karim drei internationalen Gästen: dem Geschäftsführer der investigativen kenianischen Nachrichtenplattform Africa Uncensored, John-Allan Namu, der Politikwissenschaftlerin und außerordentliche Professorin an der Nationalen Universität in Rio Negro in Argentinien, Maria Esperanza Casullo, sowie Guido Bülow, bei Facebook verantwortlich für Medienpartnerschaften in Zentral- und Nordeuropa.

Die Rolle des Lokaljournalismus

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Vertrauenswürdigkeit digitaler Nachrichtenquellen. Maria Esperanza Casullo hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Lokaljournalismus hervor. Viele Menschen hätten angesichts der "Flut von Informationen" über das neuartige Virus Schwierigkeiten, Medien zu finden, denen sie vertrauen könnten. 

Maria Esperanza Casullo, National University of Río Negro in Argentinien
Sieht den Lokaljournalismus in einer wichtigen Rolle: die argentinische Politikwissenschaftlerin Maria Esperanza Casullonull privat

"Es ist schwer herauszufinden, was zuverlässig und vertrauenswürdig ist und was nicht. Ich stelle fest, dass lokale, regionale oder sogar städtische Zeitungen zuverlässiger sind als nationale Medien, weil ihre Reporter tatsächlich vor Ort sind und mehr Fakten und Informationen haben", so Esperanza Casullo. 

Der Kenianer John-Allan Namu verwies darauf, dass der Zugang zu solchen lokalen Journalisten und freien Mitarbeitern, im Fachjargon "Stringer" oder "Fixer" genannt, immer schwieriger werden könnte, je länger die Pandemie andauert.

"Originalquellen, also Quellen, die vor Ort sind, befinden sich oft in Gegenden, die von Journalisten vielleicht nicht erreicht werden können. Und selbst wenn wir sie erreichen - wie zögerlich oder willens werden die Interviewpartner sein, mit uns zu sprechen, aus Sorge um die eigene Gesundheit?"

Nigeria Lagos Zeitungsleser
Die Coronapandemie stellt traditionelle wie neue Medien vor große Herausforderungennull AFP/P.U. Ekpei

Soziale Medien - Freund oder Feind?

Die Rolle der Sozialen Medien während der Pandemie war ein weiterer Schwerpunkt der Debatte. Dabei stand besonders Facebook im Kreuzfeuer des virtuellen Publikums. Facebook-Vertreter Guido Bülow verwies darauf, dass sein Unternehmen mit Hilfe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein spezielles COVID-19-Informationszentrum für Medien eingeführt habe.

"Wir versuchen, Fehlinformationen zu bekämpfen - nicht nur im Zusammenhang mit dem Coronavirus, sondern generell", so Bülow. Um Fehlinformationen zu bekämpfen, arbeite Facebook mit mehr als 70 Faktenprüfern auf der ganzen Welt zusammen, so der Medienverantwortliche.

Mit Hilfe dieses internationalen Teams habe das Unternehmen allein in den letzten zwei Monaten 7500 Faktenkontrollen durchgeführt, was "zu 50 Millionen Warnmeldungen im Zusammenhang mit Corona-Fehlinformationen auf Facebook geführt hat", so Bülow.

Nachrichtenmacher mitschuldig an Verunsicherung?

Maria Esperanza Casullo sieht das Problem weniger darin, dass die Sozialen Medien von Fake News durchdrungen sind, sondern vielmehr in der allgemeinen Flut an Nachrichten. "Es gibt einfach zu viele von ihnen und es ist sehr schwer, sich zu orientieren".

Casullo fügt hinzu: "Einerseits können wir den Sozialen Medien kritisch gegenüberstehen, was ich auf jeden Fall tue. Aber gleichzeitig zeigt diese Pandemie auch, dass in den Sozialen Medien Einordnungen angeboten werden, die wir sonst vielleicht nicht bekommen würden."

John-Allan Namu, CEO Africa Uncensored
Faktencheck als Kerngeschäft - der investigative Journalist John-Allan Namu aus Kenianull privat

Für John-Allan Namu ist aufgrund der Lawine von Corona-bezogenen Berichten in den letzten Monaten die Faktenprüfung zum Hauptbestandteil seiner täglichen Arbeit geworden. Diesen Fakten-Check sollten sich auch Social-Media-Plattformen aneignen.

"Facebook, Twitter, alle sozialen Plattformen, auf denen einige dieser Fake News verbreitet werden, können und sollten mehr tun. Ich denke, sie sollten sich nicht so sehr darauf konzentrieren, Inhalte zu markieren und zu entfernen. Sondern viel stärker manipulierte Inhalt kennzeichnen - so dass man weiß, was man gerade liest."

Aber Namu zieht auch die Nachrichtenmacher selbst zur Rechenschaft: "Mehr Organisationen - insbesondere Nachrichtenagenturen, deren Aufgabe es ja ist, sachliche Informationen bereitzustellen - müssen anfangen, das Überprüfen von Nachrichten als festen Bestandteil ihrer Arbeit zu etablieren.

Nicht alles Untergang und Düsternis

Trotz der vielen Herausforderungen, die die globale Pandemie mit sich bringt, blieben die Podiumsteilnehmer hoffnungsvoll, dass Journalisten langfristig daraus lernen könnten. Maria Esperanza Casullo sieht darin die Gelegenheit für Journalisten, "Brücken des Vertrauens mit der Gemeinschaft wieder aufzubauen und wieder wirklich zuverlässig zu werden".

65 | Session | Facebook for journalists - What’s new with News Feed
"Wir versuchen, Fehlinformationen zu bekämpfen" - Facebook-Manager Guido Bülow null DW/P. Böll

John-Allan Namu glaubt, dass die aktuelle Situation die Medien langfristig stärken könnte. Er sieht die Notwendigkeit einer ausgewogenen Berichterstattung insbesondere in Regionen, die keinen Zugang zu einer Vielzahl unabhängiger Nachrichten haben und in denen kleinere Medien die Mehrheit der Nachrichten bereitstellen: "Wir können nicht alles online machen. Die Internetdurchdringung ist nicht so hoch wie vor kurzem angenommen, und COVID-19 hat dies aufgedeckt", sagte er.

Guido Bülow verweist auf die Chancen, die sich aus der Corona-Pandemie für unabhängige Medien ergeben würden. Das weltweite Anwachsen der Leserschaft und ihre Unterstützung für verschiedene Medien hätten gezeigt, dass "es eine echte Chance gibt für die Verlagsbranche, wieder näher an die Leser heranzukommen und wieder Vertrauen aufzubauen."

Wer bei der nächsten Live-Session des Global Media Forums am 8. Juli 2020 um 13:00 Uhr UTC dabei sein will, der kann sich auf der Facebook-Seite des DW Global Media Forum registrieren. Titel der Veranstaltung: "Zwischen Utopie und Dystopie: Das Internet in autokratischen Staaten".

Dialoge initiieren

Die Themen und Formate unserer Veranstaltungen variieren und entwickeln sich fortlaufend weiter:  Wir laden zu Film- und Konzertpremieren, medienpolitischen Tagungen und Konferenzen sowie Präsentationen von Highlights aus Programm und Technik, damit Sie aus erster Hand informiert sind.

Das Global Media Forum ist mit jährlich 2.000 Teilnehmern aus 120 Ländern die größte Partner-Veranstaltung der DW und wird mit nationalen und internationalen Partnern realisiert. International agierende Institutionen, NGOs und Organisationen nutzen diese Plattform, um ihre Expertise zum jeweiligen Schwerpunktthema / Konferenz-Motto einzubringen. Über Call for Papers sorgt die DW für inhaltliche Abstimmung und Ausgewogenheit und vermittelt Partnern die passende Bühne – für Panels, Workshops und/oder ihre Infopräsenz vor Ort. Die DW richtet die Konferenz aus mit Unterstützung durch das Auswärtige Amt, das Land Nordrhein-Westfalen, die Stiftung Internationale Begegnung der Sparkasse in Bonn sowie das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Bundesstadt Bonn.

Seit 2018 veranstalten die DW und das Institut für Medien- und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln jährlich die Medienrechtstagung "ZOOM – Internationales Medienrecht". Hier diskutieren Expertinnen und Experten aktuelle Fragestellung rund um rechtliche Aspekte des Journalismus aus.

Die DW bringt sich zudem in Veranstaltungen, Konferenzen und Festivals ausgewählter Dritter ein. Mit dem Beethovenfest Bonn verbindet die DW seit vielen Jahren eine Partnerschaft. Im Rahmen des gemeinsamen Campus-Projekts vergibt die DW jährlich einen Kompositionsauftrag in eine ihrer Senderegionen. Anschließend lädt die DW ein, das neue Werk bei seiner Uraufführung durch junge Musikerinnen und Musikern des ausgewählten Partnerlands im Rahmen des Beethovenfests Bonn kennen zu lernen und bei einer moderierten Filmpräsentation mehr über die Entstehung des Werks zu erfahren.

 

Veranstaltungen Dritter am Standort Bonn

Die DW unterstützt gerne bei Organisation und Durchführung von Veranstaltungen solche Anbieter, deren Profil mit den Werten der DW übereinstimmt. Eine Nutzung ist allerdings nur im Rahmen inhaltlicher Kooperationen denkbar.

Sollte die DW einer Kooperation zustimmen, stehen im Funkhaus Bonn der Gremiensaal mit bis zu 199 Sitzplätzen sowie vier Konferenzräume mit Kapazitäten bis zu 25 Teilnehmenden zur Verfügung. Das Team unseres Casinos sorgt für das Catering.

Bei Interesse wenden Sie sich bitte an jessica.bernards@dw.com

Von der Mammutaufgabe, Desinformation zu stoppen

Elf Prozent der Deutschen glauben an eine Weltverschwörung - diesen Schluss legt eine jüngst veröffentlichte Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung nahe. In der repräsentativen Befragung bewerteten außerdem zwei Prozent den Fakt eines menschengemachten Klimawandels als "sicher falsch", weitere sechs Prozent als "wahrscheinlich falsch". Nun sind solche Verschwörungsmythen keine Erfindung der Neuzeit. Aber so wie im digitalen Zeitalter die Informationsmenge insgesamt zunimmt, wächst auch die Gefahr durch Desinformation im Internet rasant. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Flut der Falschinformationen - mitunter sogar in orchestrierten Kampagnen - so stark zugenommen, dass Akteure wie die Weltgesundheitsorganisation und die Europäische Union vor einer "Infodemie" warnen.

Wie können sorgsam recherchierte journalistische Informationen im digitalen Raum die Überhand behalten gegen gezielte Desinformation? Diese Frage stand an diesem Montag im Zentrum einer Debatte beim von der Deutschen Welle ausgerichteten Global Media Forum - das wegen der Pandemie in diesem Jahr im Netz stattfindet.

Desinformation als politisches Werkzeug

CZECH REPUBLIC JOUROVA
Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommissionnull EU/Michal Cizek

"Desinformation wird in koordinierter Weise erstellt mit dem klaren Ziel, die Gesellschaft abzulenken und Institutionen zu attackieren, indem das Vertrauen der Menschen in unsere eigenen Institutionen in Europa verringert werden soll", sagt Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission, die für Werte und Transparenz zuständig ist. "Wir sprechen also nicht nur über einen Kampf auf dem Feld der Meinungsfreiheit, sondern auch über Sicherheit."

Aus Jourovás Sicht sind es vor allem Russland und China, aber auch andere Akteure wie die Türkei, die als Ursprungsort von Desinformation gelten. "Wir können nicht sagen, dass (die Urheber) von den Regierungen gesteuert werden, aber (die Desinformationskampagnen) werden im Hoheitsgebiet dieser Länder erstellt", sagt die EU-Kommissarin.

Schätzungen zufolge habe China 2017 umgerechnet etwa zehn Milliarden US-Dollar für ein China-freundliches Image im Ausland ausgegeben; Russland stecke mehr als eine Milliarde Euro jährlich in ein Mediennetzwerk, "das global agiert und häufig Desinformation verbreitet", so Jourová. Aber auch innerhalb der EU gebe es Länder in denen die Kommission "gerne stärkere unabhängige Medien sehen würde", so Jourová, "die in der Lage sind, die 'offizielle Version der Wahrheit' zu hinterfragen." In Mitgliedsstaaten wie Ungarn sei der politische Einfluss auf die Inhalte gewachsen.

Langer Weg zu effizienter Regulierung

Tobias Schmid Direktor der Landesanstalt für Medien NRW
Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalennull Landesanstalt für Medien NRW/M. Burdynowski

In einer Gesellschaft, für die Presse- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellt, ist es besonders schwierig, Desinformation um ihre Reichweite zu bringen: "Wir müssen eine Balance finden zwischen dem Schutz unseres stabilen demokratischen Systems in Europa und dem Schutz der Meinungsfreiheit", sagte Tobias Schmid, der die Medienaufsicht im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen leitet und für alle Medienaufsichten den Kontakt zur EU-Politik hält.

Inzwischen haben die Betreiber der größten Social-Media-Plattformen selbst erste Schritte eingeleitet, um Desinformation zu bekämpfen und Nutzern die Einschätzung zu erleichtern, welchen Quellen sie vertrauen: Das zum Google-Mutterkonzern Alphabet gehörende Videoportal YouTube stellt inzwischen Informationen zu großen Kanälen bereit, Facebook und Twitter markieren irreführende Beiträge - auch wenn sie vom US-Präsidenten kommen. Tobias Schmid lobte die Plattformen dafür, "aber als Regulator muss ich sagen, am Ende sollten die Regeln (...) Gesetze sein und nicht Selbstverpflichtungen von Unternehmen."

EU-Kommissionsvize Jourová verwies in diesem Zusammenhang auf zwei geplante Richtlinien: Der "Digital Services Act" soll die Rechtsbasis für Diensteanbieter grundlegend regeln und dabei unter anderem auch die Betreiber von Plattformen für illegale Inhalte wie Extremismus, sexualisierte Abbildungen von Kindern oder Hassrede haftbar machen. Im "European Democracy Action Plan" soll ausgelotet werden, wo Information endet und wo Desinformation beginnt.

Dass es bis dato noch keine wirksame Regulierung gibt, begründete NRW-Landesmediendirektor Schmid damit, dass das Thema Desinformation "in der heutigen Dimension vor zehn Jahren noch nicht existiert hat", im Zentrum stehe es erst seit zwei oder drei Jahren. Die bekanntesten Beispiele für politisch motivierte Desinformation sind indes schon älter: Der Geheimdienstausschuss des britischen Parlaments ist sich sicher, dass Russland beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 mitgemischt hat - mit großer Wahrscheinlichkeit auch beim Brexit-Referendum 2016. Als sicher gilt auch, dass Russland im selben Jahr viele Nutzer der sozialen Medien in den USA vom Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu überzeugen versuchte.

Desinformation und Corona

Desinformation zur Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten noch einmal mehr Reichweite erhalten - so habe China Propaganda in Europa verbreitet, wonach ein autoritärer Regierungsstil die Pandemie schlagkräftiger eindämmen könne als die Demokratie, sagte Jourová.

Verschwörungsmythen rund um Corona erhalten aktuell Aufwind - was auch auf dem GMF-Panel als Gefahr angesehen wurde. Der Messengerdienst Telegram, immerhin eine zentrale Drehscheibe für Verschwörungsmythen zur Corona-Pandemie, wurde allerdings nicht von den Panelisten erwähnt.

Global Media Forum Herman Wasserman
Herman Wasserman, Professor für Medienstudiennull privat

Unabhängig von Verschwörungsmythen sind es oft ganz einfache Gründe, warum Nutzer bestimmte Inhalte verbreiten. Herman Wasserman, Professor für Medienstudien an der südafrikanischen Universität Kapstadt hat in Studien in einigen Ländern Subsahara-Afrikas belegt, dass viele Nutzer Posts teilen, um sich mit Menschen zu verbinden und ihre Emotionen auszudrücken. "Zum Teil hat es aber auch mit missverstandener Bürgerpflicht zu tun", sagte Wasserman: "Wenn eine Warnung durch die sozialen Medien kommt, teilen Nutzer sie teilweise, um andere zu warnen - selbst, wenn sie nicht daran glauben". Dagegen helfe mehr Medienkompetenz.