Manuskript

Hoch oben auf einer Felsterrasse über dem Rheintal und dem Ort Vaduz thront Schloss Vaduz, der Sitz des Fürstenhauses Liechtenstein. Nicht nur zum 300-jährigen Bestehen des Fürstentums im Jahr 2019 wurde hier sicher mit einem guten Tropfen aus der fürstlichen Hofkellerei angestoßen, sondern auch bei vielen anderen festlichen Anlässen. Der Weinberg des Fürsten, Herawingert genannt, liegt am Fuße des Schlosses. Schon seit dem 13. Jahrhundert wird er mit Weinstöcken bepflanzt, bestockt, und ist die wohl bekannteste und größte Weinlage Liechtensteins. Doch Größe ist im viertkleinsten Staat Europas relativ. Das merkt man, wenn man Sebastian Gunsch, dem Kellermeister der Hofkellerei, zuhört:

„Hier auf dem Weinberg, das sind 3,6 Hektar, neunzig Prozent bestockt mit ‚Pinot Noir‘, also ‚Blauburgunder‘ – ‚Spätburgunder‘ sagt man in Deutschland –, und zehn Prozent ‚Chardonnay‘.“

Seit mehr als 2000 Jahren wird im Gebiet des Fürstentums Lichtenstein Wein angebaut. Die Römer brachten die ersten Reben ins Land. Nur 16.000 Hektar groß ist das Fürstentum. Auf 25 Hektar bauen mehr als 100 Winzer Wein an, vier davon hauptberuflich. Einen Bruchteil davon beansprucht der fürstliche Weinberg. An Weinstöcken ranken sich hauptsächlich Reben der Rotweinsorte „Pinot Noir“, unter seinem deutschen Namen auch als Blau- oder Spätburgunder bekannt. Nur einen minimalen Anteil hat die Weißweinsorte „Chardonnay“. Der Weinberg des Fürsten bietet laut Sebastian Gunsch besonders gute Bedingungen, um exzellente Weine reifen zu lassen:

„Also wir haben einen skelettreichen Kalkboden, muss ich sagen, südwestlich gelegen, also bei uns ist das sogenannte Föhnklima, also der Traubenkocher, wie man auch sagt, das Maßgebende. Darum ist eigentlich der Weinbau bei uns noch möglich.“

Die Bodenbeschaffenheit und das milde Klima sorgen für exzellente  Wachstumsbedingungen. Der Boden ist ein sogenannter Skelettboden, der zu mehr als 75 Prozent aus Kalkstein besteht. Durch seine geografische Lage herrscht in dem Fürstentum ein mildes Klima. Wegen des Föhns, eines warmen und trockenen Winds von den Alpen, ist die Durchschnittstemperatur hoch. Während Menschen körperlich unter dem Föhn leiden, ist er für den Wein ein wahres Geschenk. Er begünstigt die Zuckerbildung in den Trauben und wird deshalb nicht umsonst von den Einheimischen scherzhaft „Traubenkocher“ genannt. Gleich am Weinberg – in der fürstlichen Kellerei – werden die Trauben verarbeitet. In Stahl-, aber auch in echten Eichenfässern, den Barriques, reifen die edlen Tropfen heran. Durch das Eichenholz erhält der Wein ein besonderes Aroma, das abhängig davon, woher das Holz stammt und wie alt es ist, von kräftig bis ganz fein reicht. Wenn der Kellermeister über den Geschmack seiner Weine spricht, kommt er regelrecht ins Schwärmen:

„Der ‚Pinot Noir‘ ist eher hellfarbig und geht dann ins Waldbeerige hin, schmeckt ein bisschen nach Himbeeren, schön fruchtig, wenig Gerbstoff, also sehr angenehm zum Speck, Käse, Aperitif. Und der Rote, der ‚Barrique‘, passt sehr gut zum Fleisch, also richtig zum Essen.“

Das Besondere des Liechtensteiner „Pinot Noir“ ist, dass er wenig Gerbstoffe, sogenannte Tannine, enthält. Diese Stoffe, die in Schalen, Kernen und Stielen der Trauben enthalten sind, manchmal aber auch von hölzernen Weinfässern abgegeben werden, sorgen dafür, dass der Wein herb schmeckt und im Mund ein trockenes Gefühl zurücklässt. Anders beim Pinot Noir: Seine geringe Gerbstoffmenge sorgt dafür, dass er zu manchen Speisen ganz besonders gut passt. Er ist aber auch als Aperitif geeignet – ein alkoholisches Getränk, das man vor dem Essen zu sich nimmt.

Im Kellerei-Shop wird neben dem vor Ort angebauten und gekelterten Rebensaft auch Wein vom anderen Anbaugebiet des Fürstenhauses in Wilfersdorf  in Niederösterreich angeboten. Dort liegen die Wurzeln der Fürstenfamilie. Seit 1436 befinden sich diese Güter in ihrem Besitz. Wer sicher gehen will, dass er tatsächlich Wein aus Liechtenstein kauft, sollte genau auf die Flaschen schauen, empfiehlt Sebastian Gunsch:

„Das sind unsere Etiketten mit dem fürstlichen Wappen drauf, mit dem Mantel. Und wenn drauf steht ‚Vaduzer Pinot Noir Herawingert‘, dann weiß man, der kommt aus diesem Weinberg, also nur aus diesem Weinberg.“

Nur wenn auf den aufgeklebten kleinen Papierschildern der Flaschen, den Etiketten, das Wappen, das Symbol, des Fürstenhauses abgebildet ist, stammt der Wein wirklich von dort. Das fürstliche Wappen stellt einen Schild mit verschiedenen Symbolen dar, das von einem mit dem Fürstenhut gekrönten purpurfarbenen und innen mit Hermelin gefütterten Fürstenmantel umgeben ist.

Direkt in der Kellerei am fürstlichen Weinberg wird die Flasche „Pinot Noir“ oder „Chardonnay“ für unter 20 Schweizer Franken angeboten. Im Online-Shop werden inklusive Versand rund 40 Euro fällig. Am besten jedoch verbindet man den Kauf mit einer Verkostung vor Ort, mit einem Besuch im Restaurant der Hofkellerei oder mit einem Essen im edlen Restaurant „Torkel“. Im Gault-Millau erhielt es 16 von maximal 20 Punkten. Der Guide Michelin zeichnete das „Torkel“ 2017 für „eine Küche voller Finesse“ mit einem Stern aus. Denn neben fürstlichem Wein aus Liechtenstein bietet es wahre Gaumenfreuden und einen Blick über die Weinlage Herawingert auf das Rheintal.

„Sehr zum Wohle!“ / Zum Wohl! / Zum Wohle! / Sehr zum Wohle!“