Immer mehr Opfer von Cybermobbing
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie zeigen: Die Zahl junger Menschen, die Opfer von Mobbing im Internet werden, ist erneut gestiegen. Die Folgen sind fatal. Schulen und Eltern sind häufig mit dem Problem überfordert.
Mobbing im Internet nimmt stetig zu: Laut einer Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing, die in Kooperation mit der Barmer Krankenkasse durchgeführt wurde, haben in Deutschland 18,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen sieben und 20 Jahren schon mindestens einmal Cybermobbing erlebt. Das entspricht etwa zwei Millionen Kindern und Jugendlichen. Vor zwei Jahren waren es noch 16,7 und vor sechs Jahren nur 12,7 Prozent. Für die Online-Umfrage wurden über 4200 Schülerinnen und Schüler, rund 1000 Erziehungsberechtigte und mehr als 600 Lehrkräfte befragt.
Vor allem betroffen: Teenager ab 14 Jahren
Unter Cybermobbing fällt nach Angaben des Bundesjugendministeriums „die Beleidigung, Bedrohung, Bloßstellung oder Belästigung von Personen mithilfe von Kommunikationsmedien“. Besonders betroffen sind davon laut Studie Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Dabei sei die Schule häufig „das Spielfeld für Täter“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, Uwe Leest.
Wirksame Maßnahmen gebe es häufig nicht, obwohl die Täter oft identifizierbar seien. 63 Prozent der in der Studie befragten Eltern gaben an, Täter oder Täterinnen zu kennen. Fast ebenso viele sagten, dass diese Personen direkt aus der Klasse ihres Kindes stammten. Und dennoch seien Eltern oft „überfordert, die Lehrkräfte zu wenig darauf vorbereitet und die Schulen zu zögerlich in der Reaktion“, so ein Fazit der Studie.
Cybermobbing kann zu Suizidgedanken führen
Am häufigsten berichten betroffene Kinder und Jugendliche (78 Prozent), dass sie online beschimpft oder beleidigt wurden. Etwa 53 Prozent wurden Opfer von Lügen oder Gerüchten. In diesem Fall sind Mädchen etwas stärker betroffen als Jungen. Besonders alarmierend ist dabei: 26 Prozent der Betroffenen haben Suizidgedanken geäußert. Das entspreche in absoluten Zahlen mehr als 500.000 Schülerinnen und Schülern, so Leest.
Auch Eltern machen sich immer häufiger Sorgen und suchen Rat. 89 Prozent gaben an, sich mit Freunden und Bekannten über die Gefahren im Netz auszutauschen, 81 Prozent recherchierten Informationen dazu im Internet. Nur 49 Prozent der Eltern fühlen sich gut über strafrechtliche Folgen von Hass, Hetze und Demütigung im Netz informiert.
Lehrkräfte befürchten Überbelastung durch soziale Medien
Auch Lehrkräfte nehmen den Daten zufolge eine verschärfte Lage wahr. 84 Prozent erklärten, in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal mit Cybermobbing an ihrer Schule in Berührung gekommen zu sein – das waren 17 Prozentpunkte mehr als noch 2022. Die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler sind nach den Aussagen der Lehrerinnen und Lehrer vielfältig: 81 Prozent nehmen eine bedrückte Stimmung wahr, 58 Prozent beobachteten ein häufiges Fernbleiben vom Unterricht und ebenfalls mehr als die Hälfte (56 Prozent) registrierte einen Leistungsabfall.
Die Ergebnisse der Studie machen aber auch Hilflosigkeit und Überlastung deutlich: 69 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer – und damit 12 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2022 – gaben an, dass die beruflichen Belastungen durch den Einfluss von Medien immer größer würden. 65 Prozent befürchten, diese Herausforderungen immer schlechter bewältigen zu können (plus 16 Prozentpunkte).
Klare Forderungen an die Politik
Entscheidend sei die Präventionsarbeit sowie die Aufklärung über das Thema, so Leest. Diese sollten laut Bündnis bereits an Grundschulen beginnen und von Anfang an auch die Eltern einbinden. Es brauche Beratungsstellen und anonyme Hotlines für Hilfesuchende. Wichtig sei zudem eine bessere Ausbildung von Lehrkräften. Hier müsse die Politik aktiv werden und solche Vorhaben besser unterstützen.
Für ein Gesetz zum Schutz vor Cybermobbing sprechen sich laut Studie auch 83 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer aus. Leest betont, dass kriminelle Handlungen im Netz jetzt schon strafbar seien, aber die rechtliche Grundlage wegen mehrerer Einzelparagrafen unübersichtlich sei. Außerdem sieht er ein Umsetzungsproblem. Viele Cybermobbing-Verfahren würden „wegen Belanglosigkeit“ eingestellt. Das müsse sich dringend ändern.
sts (mit KNA/dpa)/ist