Kann KI kreativer sein als ein Mensch?
Künstliche Intelligenz (KI) wird inzwischen auch für kreative Arbeiten eingesetzt. Sie bearbeitet Grafiken oder Filmaufnahmen und kann sogar ein ganz neues Kunstwerk generieren. Werden Künstlerinnen und Künstler bald nicht mehr gebraucht? Oder eröffnet die neue Technologie ganz neue Chancen?
SPRECHERIN:
An der Berliner Universität der Künste stellt Vinzent Britz im Seminar „Artificial Creativity“ die neuesten Entwicklungen vor und diskutiert diese gemeinsam mit den Studierenden.
VINZENT BRITZ (Dozent und Creative Director):
Ich glaube, das kann man ein bisschen vergleichen wie damals als es nur klassische Malerei gab, und dann gab es plötzlich die ersten Fotografen und Fotografinnen. Da gab es sicherlich auch Gegenwehr, und da wurde gesagt, das ist keine Kunst, das ist ‘n Foto, das ist ‘n Plagiat – wie auch immer. Und dann hat sich aber über die nächsten Jahre und Jahrzehnte das auch etabliert, dass man Fotokünstler sein kann. Und ich glaube, ähnlich wird das jetzt mit der Künstlichen Intelligenz sein.
SPRECHERIN:
Historische Filmaufnahmen in Sekundenschnelle koloriert – mithilfe von KI. Doch die intelligenten Programme haben ihre Grenzen, wenn es um die Bearbeitung von komplexen Kunstwerken geht.
VINZENT BRITZ:
Problematisch wird es, denke ich, wenn es sich um ein künstlerisches Video handelt, bei dem das Gras pink koloriert wurde, weil es eben Filmkunst ist. Dann würde die KI es grün machen, weil das dem Durchschnittswert entspricht.
SPRECHERIN:
Aufwändige Bildbearbeitung wie die Gestaltung von Licht und Schatten: für die neueste Generation KI-basierter Grafikprogramme kein Problem. Was früher Stunden oder Tage brauchte, kann heute in wenigen Sekunden erledigt werden.
ERNST AUGUST GRAEFE (Student der Visuellen Kommunikation):
Es ist natürlich bedrohlich, dass viel mehr Menschen unendlich viele Bilder generieren können und die Bilder, für die ich mir sehr viel Zeit nehme zu generieren, einfach nicht denselben Wert haben. Gleichzeitig sind es aber auch nur Tools, und die muss man trotzdem beherrschen und sinnvoll anwenden und in größere Konzepte einbetten.
SPRECHERIN:
Programme wie „DALL-E“ oder „Midjourney“ haben die Kreativszeneauf den Kopf gestellt. Die Funktionsweise der Tools ist so einfach wie beeindruckend: Man gibt einen Text in das Programm ein und die KI spuckt den Befehl als Bild aus. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, auch wenn die künstlerische Qualität manchmal fragwürdig ist.
PHILIPP DOLLINGER (Student der Visuellen Kommunikation):
Aus der Künstlerperspektive finde ich das eher befreiend oder befähigend. Und ich habe verschiedene Möglichkeiten und Werkzeuge, um neue Bildwelten oder neue Dinge zu generieren. Also da sehe ich es mehr als Chance sogar noch.
VINZENT BRITZ:
Es ist schon eine spannende Entwicklung, dass man als Gestalter oder Gestalterin dann halt nicht mehr ein Bild zeichnet und überlegt, wie zeichne ich das, sondern dass man überlegt, wie beschreibe ich das am besten, damit der Computer das zeichnen kann, ja? Das ist quasi derselbe Job, aber eine ganz andere Herangehensweise.
SPRECHERIN:
Fotos von Menschen, die es gar nicht gibt. Jedes einzelne Pixel erschaffen von KI. Zusammengewürfelt aus Millionen Fotos realer Menschen aus dem Netz.
VINZENT BRITZ:
Also, wenn ich jetzt zum Beispiel von deinem Facebook-Profil alle Bilder runterlade und ich lade die in eine Künstliche Intelligenz rein und sag‘: Bitte kreier mir daraus ein Bild von dir! Dann macht die KI nichts anderes, als sich diese Bilder angucken und daraus quasi ein Bild von dir zu generieren, dass aber keine Bearbeitung von einem existierenden Bild ist, sondern jeder Pixel ist eine eigene Kreation auf Basis der Fotos von dir, aber es ist ‘ne eigene Kreation. Und dann ist [es] natürlich total schwierig zu sagen, wie ist das Persönlichkeitsrecht?
SPRECHERIN:
Datenschutz, Urheberrecht und ethische Belange sind Themen, die die Studierenden umtreiben. Genauso wie die Frage, ob ihre berufliche Zukunft eventuell in Gefahr ist.
ORAN ALMAGOR (Studentin der Visuellen Kommunikation):
Ich kann mit dieser Art von Intelligenz nicht mithalten. Sie wird immer perfekt sein, immer schneller als ich. Auf der anderen Seite ist es unsere Persönlichkeit, unsere Menschlichkeit und unsere Unvollkommenheit, die uns manchmal besser macht als Künstliche Intelligenz.