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Kinder im Lockdown: Psychische Krankheiten nehmen zu

Wegen der Coronakrise leiden immer mehr Kinder an krankhaften Ängsten, Verhaltensstörungen und anderen psychischen Krankheiten. Ihre Behandlung wird eine „Riesenaufgabe“, meint Kinderarzt Axel Gerschlauer.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kinder- und Jugendtelefons haben viel zu tun: Seit Beginn der Coronakrise ist die Zahl der Kinder, die bei der „Nummer gegen Kummer“ Hilfe suchen, um ein Drittel gestiegen. Sie wollen über ihre Ängste reden, über Einsamkeit und auch über Gewalt, die sie nun häufiger erleben als vor der Krise.

Im Lockdown ist besonders der Online-Chat gefragt, erklärt Anna Zacharias, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Telefonberatung verantwortlich ist: „Die Kinder schreiben: Hier sind gerade alle zu Hause, und deswegen kann ich nicht vertraulich mit jemandem am Telefon sprechen.“ Die Eltern haben ähnliche Probleme: Erst wenn die Kinder ins Bett gegangen sind, rufen sie beim Elterntelefon an, um mit jemandem über ihre Sorgen zu sprechen.

Auch Kinderärzte beobachten die psychischen Folgen der Krise: „Den ersten Lockdown haben manche Familien noch genossen. Jetzt finden es alle furchtbar“, sagt Axel Gerschlauer, Kinderarzt aus Bonn. Immer mehr seiner jungen Patientinnen und Patienten leiden unter krankhaften Ängsten, Schlaf- und Konzentrationsproblemen, Verhaltens- oder Entwicklungsstörungen. Innerhalb von drei Wochen kamen drei Jugendliche in seine Praxis, die sich absichtlich selbst verletzt hatten – normalerweise kommt das nur einmal in mehreren Monaten vor.

Sie alle zu behandeln, wird viel Zeit und Geld kosten. Axel Gerschlauer spricht von
einer „Riesenaufgabe“. Er rechnet damit, dass man in den nächsten Jahren 50 Prozent mehr Psychotherapeuten brauchen wird. Sogar kleine Kinder sind schon betroffen, denn oft übernehmen sie die Ängste ihrer Eltern. Nur die unter Dreijährigen scheinen kaum Probleme zu haben. Ihnen fehlt der Vergleich zu früher, das Leben mit Corona ist für sie normal. Wenn sie spielen, ist die Maske für den Teddy ganz selbstverständlich mit dabei.

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