Copernicus-Bericht: 2023 - Jahr der Klima-Extreme in Europa

Europa ist keine Ausnahme, wenn es um die Folgen des Klimawandels geht - das wird schnell klar, wenn man die Klimadaten betrachtet, die der EU-Klimawandeldienst Copernicus Climate Change Service (C3S) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ihn ihrem jüngsten Bericht zusammengetragen haben. Die drei wärmsten Jahre in Europa wurden alle seit 2020 aufgezeichnet, die zehn wärmsten seit 2007.

Auch 2023 brach wieder Negativrekorde: Gemeinsam mit dem Jahr 2020 war es das wärmste Jahr in Europa mit etwa einem Grad über dem Referenzzeitraum 1991 bis 2020. Insgesamt sei 2023 in Sachen Klimagefahren in Europa ein komplexes und vielschichtiges Jahr gewesen, fasst Copernicus-Direktor Carlo Buontempo die Ergebnisse der Klimabeobachtungen zusammen. "Im Jahr 2023 gab es in Europa die größten jemals aufgezeichneten Waldbrände, eines der feuchtesten Jahre, schwere marine Hitzewellen und weit verbreitete verheerende Überschwemmungen."

Fast 11 Milliarden Euro Schaden durch Überschwemmungen

Insgesamt fielen in Europa 2023 etwa sieben Prozent mehr Niederschläge als üblich. Ein Drittel der Flüsse führte Hochwasser, teilweise sogar schweres Hochwasser.

Von Überschwemmungen in Europa waren nach vorläufigen Schätzungen der Internationalen Katastrophendatenbank etwa 1,6 Millionen Menschen betroffen, mindestens 40 verloren dabei ihr Leben. 63 Menschen starben durch Stürme, 44 kamen durch Waldbrände ums Leben. 13,4 Milliarden Euro - so hoch war der Schaden, den wetter- und klimabedingte Ereignisse in Europa verursachten - mehr als 80 Prozent davon durch Überschwemmungen.

Luftaufnahme von Überschwemmungen in der Region Karlowo im September 2023
1000 Häuser unter Wasser: Bulgarien war eines der Länder, das 2023 von schweren Überflutungen betroffen warnull Impact Press Group/NurPhoto/IMAGO

"Die Klimakrise ist die größte Herausforderung für unsere Generation. Die Kosten für Klimamaßnahmen mögen hoch erscheinen, aber die Kosten der Untätigkeit sind viel höher", so Celeste Saulo, Generalsekretärin der WMO.

Immer mehr Tage mit extremer Hitze in Europa

Auch die gesundheitsschädlichen Folgen extremer Wetter- und Klimaereignisse in Europa nähmen zu, so die Forschenden. Die Zahl der Menschen, die an Folgen von Hitze starben, stieg in letzten 20 Jahren um etwa 30 Prozent. In ganz Europa gibt es immer mehr Tage mit starker Hitzebelastung - und das Jahr 2023 brach den Rekord von Tagen mit extremer Hitzebelastung.

Auf dem Höhepunkt einer Hitzewelle im Juli litten 41 Prozent des südlichen Europas unter starker, sehr starker oder extremer Hitze - und viele Menschen unter Hitzestress.  Dieser Begriff beschreibt die Auswirkungen, die hohe Temperaturen in Kombination mit anderen Faktoren wie Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit, Sonnen- und Wärmestrahlung auf den menschlichen Körper haben.

Risiko durch Hitzestress in Europa oft noch unterschätzt

Längerer Hitzestress kann gesundheitliche Probleme verschlimmern. Zudem erhöht er das Risiko für Erschöpfung und Hitzschlag, insbesondere bei Kleinkindern, alten Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.

Dennoch, so die Autorinnen und Autoren des Klimadaten-Berichts, werde das Gesundheitsrisiko in der Öffentlichkeit, in den gefährdeten Gruppen, wie teils auch von Gesundheitsdienstleistern als zu gering eingeschätzt.

Starker Eisverlust in den Alpen und brennende Wälder

Die Hitze in Europa machte 2023 auch den Gletschern des Kontinents zu schaffen. Überall verloren sie Eis - und in den Alpen sogar außergewöhnlich viel. Das lag auch daran, dass dort im Winter sehr wenig Schnee gefallen war. In den letzten beiden Jahren zusammen haben die Alpengletscher rund zehn Prozent ihres verbleibenden Volumens verloren, so der Copernicus-Bericht.

Wie sehr Hitze, Schnee und Dürre zusammenhängen, wird genau hier deutlich: Durch die geringe Schneedecke lag beispielsweise die Wassermenge des Alpenflusses Po das ganze Jahr über unter dem Durchschnitt. Dieses Wasser fehlte dann in Norditalien, wo schon zuvor Dürre herrschte.

Griechische Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis
Flammeninferno: Griechische Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis null Achilleas Chiras/AP/picture alliance

Hitze und Dürre treiben auch Waldbrände an. Diese gab es 2023 in ganz Europa. Im Laufe des Jahres verbrannte eine Fläche so groß wie London, Paris und Berlin zusammen. Den größten jemals in der EU verzeichneten Waldbrand gab es in Griechenland: Er hatte die doppelte Fläche von Athen.

Warum erwärmt sich Europa so extrem?

Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt, wobei die Temperaturen etwa doppelt so schnell steigen wie im globalen Durchschnitt. Das liegt laut Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess unter anderem an Europas Nähe zur Arktis. Sie erwärmt sich etwa viermal so schnell wie der Rest der Welt. Auch die Verbesserung der Luftqualität in Europa hat laut Burgess dazu geführt, dass weniger Partikel in der Luft vorhanden sind, die das Sonnenlicht zurückwerfen und zu einer Abkühlung beitragen.

Positives zum Schluss: Rekord an erneuerbaren Energien

Noch nie gab es in Europa so viel Strom aus erneuerbarer Energie wie 2023: insgesamt machte sie 43 Prozent an der Stromerzeugung aus. Zum Vergleich: 2022 waren es noch 36 Prozent. Die Herbst- und Winterstürme sorgten für überdurchschnittlich viel Windenergie und die hohen Pegelstände der Flüsse für mehr Strom aus Wasserkraft.

Damit wurde das zweite Jahr mehr Strom aus Erneuerbaren als aus klimaschädlichen fossilen Brennstoffen erzeugt. Doch die Autorinnen und Autoren mahnen: Auch 2023 seien dieTreibhausgas-Emissionen weiter angestiegen, die für die beobachteten Folgen der Erderhitzung verantwortlich waren.

Kleiner Ausblick auf 2024: Licht und Schatten

Leider, so Copernicus-Direktor Buontempo, sei es unwahrscheinlich, dass diese Klimafolgen kleiner werden, zumindest in naher Zukunft. Und so sei damit zu rechnen, dass man solange immer weitere Rekorde sehen werde, bis das Netto-Null-Ziel erreicht sei und das Klima stabilisiert werde, ergänzt Co-Direktorin Samantha Burgess.

Immerhin aber sei es wahrscheinlich, so Burgess, dass es im kommenden Sommer keine weiteren Temperaturrekorde in Europa geben werden. Das liege vor allem daran, dass der El-Niño-Effekt dieses Jahr auslaufe.

Quellen:

Nature-Studie zur Erwärmung der Arktis (https://www.nature.com/articles/s43247-022-00498-3)

Was bringt ein Autobahn-Tempolimit in Deutschland?

"Freie Bürger fordern freie Fahrt" - mit diesem Motto protestierte 1973/1974 der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) gegen das Tempolimit von 100 Stundenkilometern (km/h) auf deutschen Autobahnen. Das hatte die damalige Bundesregierung wegen der Öl-Krise angeordnet, um Benzin zu sparen. Obwohl es nur ein paar Monate lang galt, war die Empörung im Land groß. 

Seitdem sind in den letzten 50 Jahren diverse Versuch gescheitert, ein generelles Tempolimit einzuführen.

Dabei ist inzwischen mehr als die Hälfte der Deutschen - und auch der ADAC-Mitglieder - für ein Tempolimit. Doch viele Gegner lehnen es weiter strikt ab. Die bayrische Partei CSU startete sogar eine Unterschriftenaktion dagegen. 

Tempolimits auf Autobahnen: (fast) überall - außer in Deutschland

Anders als fast überall sonst auf der Welt gibt es in Deutschland kein Tempolimit auf Autobahnen. Zwar ist die Geschwindigkeit auf einigen Strecken begrenzt. Doch auf 70 Prozent aller Autobahnkilometer gilt nur eine freiwillige "Richtgeschwindigkeit" von 130 km/h. Schneller fahren ist also erlaubt. Und so wird das Rasen auf deutschen Autobahnen sogar von Sportwagen-Verleihern im Ausland als Touristenattraktion beworben.

Was bringt ein Tempolimit?

Je langsamer ein Auto fährt, desto weniger Kraftstoff verbraucht es - und desto weniger Schadstoffe stößt es aus, etwa klimaschädliches Kohlendioxid (CO2), Stickoxide oder Feinstaub. 

Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen würde 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen, so jüngste Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA). Verglichen mit den Emissionen von 2018 wären das 2,9 Prozent weniger.

Geht man davon aus, dass Menschen wegen des Tempolimits auf die Bahn umsteigen, kürzere Routen über Land wählen oder auf Fahrten verzichten, dann könnten laut UBA sogar 6,7 Millionen Tonnen oder 4,2 Prozent eingespart werden.

Und wenn zusätzlich auf Landstraßen Tempo 80 eingeführt, wären es sogar acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalente weniger.

Ein weiterer Vorteil: Es könnte weniger Unfälle geben. Denn langsamer fahrende Autos bremsen schneller. Allerdings würde es erst bei einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen rund 70 Prozent weniger Unfälle geben. 

Wer langsamer fährt, macht auch weniger Lärm: So ist das Fahren bei 100 km/h etwa um die Hälfte leiser als bei 130 km/h. Außerdem gäbe es weniger Staus, weil mehr Autos gleichzeitig auf der Straße fahren könnten. Der Effekt wäre noch ausgeprägter, wenn alle nur Tempo 100 oder noch etwas langsamer fahren, sagen Verkehrsexperten. 

Was sind die Argumente gegen ein Tempolimit?

Laut einer Umfrage der Allianz-Versicherung waren besonders Männer, sowie Menschen, die sehr viel Auto fahren (mehr als 50.000 km pro Jahr) und auch jüngere Fahrer unter 24 gegen Tempolimits. Sie fürchten mehr Staus und längere Fahrzeiten. 

Tatsächlich fahren die meisten Menschen (77 Prozent) schon jetzt freiwillig langsamer als 130 auf der Autobahn. 

Es ist unklar, wie viele Unfälle durch das Tempolimit auf deutschen Autobahnen tatsächlich vermieden werden könnten. 

Laut ADAC gibt es Deutschland derzeit nicht mehr schwere Unfälle auf Autobahnen als in Ländern mit einem Tempolimit. Vergleicht man die Zahl der Getöteten pro gefahrenen Autobahnkilometern gab es 2020 in Frankreich, Italien, Litauen, Tschechien, Ungarn und den USA mehr Tote. In absoluten Zahlen lag Deutschland mit 317 Toten an der Spitze. 

Wer ist für ein Tempolimit in Deutschland?

Ein Tempolimit fordern Umweltverbände, ebenso wie die Gewerkschaft der Polizei im Bundesland Nordrhein-Westfalen oder der Verein Verkehrsunfall-Opferhilfe. Sie wollen auch, dass auf deutschen Landstraßen statt 100 nur noch 80 km/h erlaubt ist. Das würde die Sicherheit dort tatsächlich stark verbessern, hat die Versicherungswirtschaft errechnet.

Unter den politischen Parteien sind die Grünen und die SPD für ein Tempolimit auf Autobahnen. Auch die Linkspartei hatte dies gefordert. Und, wie gesagt, mehr als die Hälfte der Deutschen ist inzwischen dafür, weniger schnell zu fahren.

Wer ist gegen ein Tempolimit?

Die konservative Union aus CDU und CSU, die in Teilen rechtsextreme AfD und die liberale FDP wollen kein Tempolimit. Die Gegner des Tempolimits meinen, dass es kaum Auswirkungen auf die Umwelt hätte und die Menschen zu stark einschränken würde. Die FDP, die gemeinsam mit den Grünen und der SPD die Bundesregierung bildet, verhinderte das Tempolimit schon im Koalitionsvertrag.

Gas geben ohne Limit

Sie gab auch eine Gegenstudie zu der des UBA in Auftrag, die auf deutlich weniger CO2-Einsparungen kommt. Allerdings wurde die Gegenstudie von Wirtschaftsprofessoren verfasst, die den menschengemachten Klimawandel in Zweifel ziehen. Sie wird vom UBA, von Umweltverbänden und auch von anderen politischen Parteien kritisiert.

Tempolimit im deutschen Klimaschutzgesetz: Fehlanzeige 

Weil der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor auch 2023 zu hoch war, hätte Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP eigentlich ein Sofortprogramm starten müssen, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. So sah es das Klimagesetz der Großen Koalition aus SPD und CDU von 2021 vor. 

Die regierende Ampelkoalition hat nun aber eine Reform des Gesetzes beschlossen. Jetzt können zu hohe Emissionen, wie beim Verkehr, an anderer Stelle ausgeglichen werden - etwa durch mehr erneuerbare Energie.

Laut Klimagesetz muss Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent und bis 2040 um 88 Prozent verringern (im Vergleich zu 1990).

Über ein Tempolimit steht weiterhin nichts im Klimagesetz.

Redaktion: Anke Rasper

Quellen u.a.: 

Gutachten Tempolimit Universität Stuttgart (2023): https://www.isv.uni-stuttgart.de/vuv/publikationen/downloads/ISV_2023_UBA-FV_Gutachten_FDP_Tempolimit_20230303.pdf 

Unfallursache Geschwindigkeit:  https://www.udv.de/resource/blob/112634/81f8e441aadad1d01047e5510233f5b1/neuer-inhalt-2--data.pdf

FDP gegen Tempolimit: https://www.fdpbt.de/kurzstudie-tempolimit-autobahnen

Faktencheck: Dubai, Überflutung und Cloud Seeding

Land unter - nicht nur in Dubai: An manchen Orten im Südosten der arabischen Halbinsel hat es innerhalb eines Tages mehr geregnet als sonst in einem ganzen Jahr. Die Folgen: Straßen stehen unter Wasser, der Flughafen von Dubai ist überflutet, und Dächer brechen unter dem Druck der Wassermassen ein.

Doch nicht nur die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), sondern auch andere Teile der Region, namentlich das Nachbarland Oman, haben epochale Regenfälle erlebt. Neben Sachschäden sind mindestens 20 Todesopfer zu beklagen.

Während die Betroffenen unter den Folgen des Unwetters leiden, quellen die Sozialen Medien über von Theorien, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.

Behauptung: "Wolkenimpfen geht schief", schreibt ein User auf X, ehemals Twitter. Ein Instagram-Kanal stellt außerdem die Frage, ob Wolkenimpfen, im Englischen Cloud Seeding, die Überschwemmungen in Dubai ausgelöst oder verstärkt haben könnte. Viele Nutzer beantworten die Frage mit "Ja".

DW Faktencheck: Falsch.

Cloud Seeding ist eine Methode, um mit künstlichen Instrumenten Regen auszulösen. Dabei versprühen Flugzeuge bestimmte Salze, die sich nicht in Wasser lösen. Die Feuchtigkeit der Wolken kondensiert dann an den Salzpartikeln und fällt als Regen zu Boden. Die Methode wird in vielen Teilen der Welt eingesetzt, teils um Niederschlag zu erzeugen, aber zum Beispiel auch mit dem Ziel, um Hagelschlag zu verhindern.

Tiktok-User-Umfrage: Ist Cloud Seeding an der Überflutung in Dubai schuld? 69% von 22.100 Antworten lauten: "Es ist wegen dem Vloud Seeding"
Zwei Drittel von 22.100 Abstimmenden in dieser Tiktok-Umfrage geben an, dass sie die Überschwemmungen dem Wolkenimpfen zuschreibennull Tiktok

Auf Satellitenbildern ist zu sehen, dass sich in den vergangenen Tagen über dem Südosten der arabischen Halbinsel und dem Süden des Iran ein Sturm mit massiven Regenwolken gebildet hatte. Durch die Wolkenbildung war die Voraussetzung zum Cloud Seeding also gegeben.

"Regenernte" in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Das National Center of Meteorology (NCM) der VAE in der Hauptstadt Abu Dhabi erforscht das Wolkenimpfen seit den späten 1990er Jahren. Der Wüstenstaat nutzt die Methode, um die Niederschlagsmenge und damit die Menge des verfügbaren Süßwassers zu erhöhen.

Zunächst hatte "Bloomberg" berichet, dass Wolkenimpfungen durch das NCM die Regenfälle verstärkt hätten. Offizielle Stellen der VAE haben jedoch dementiert, zu Wochenbeginn überhaupt solche Maßnahmen durchgeführt zu haben. DW Factchecking hat beim NCM nachgefragt, bis zur Veröffentlichung dieses Artikels jedoch keine Antwort erhalten.

Cloud Seeding

Geantwortet hat hingegen ein Forscherteam der deutschen Universität Hohenheim, das ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem NCM durchführt. Über etwaige Wolkenimpfungen Anfang der Woche lägen ihm keine Informationen vor, schreibt der Meteorologe Oliver Branch.

Allerdings sei es völlig unrealistisch, eine solche Niederschlagsmenge durch Cloud Seeding zu bewirken: "Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen Cloud-Seeding-Aktivitäten und den Überschwemmungen in Dubai geht gegen Null." Viele Medien zitieren andere Experten mit ähnlichen Einschätzungen - auch "Bloomberg"

Globale Erwärmung verstärkt extreme Wetterlagen

Behauptung: "Die Effekte von globaler Erwärmung und Klimawandel sind alarmierend und werden keine Stadt verschonen", heißt es auf einem Account. Ein anderer Account wird noch deutlicher: "DIES ist der menschengemachte #Klimawandel."

DW Faktencheck: Unbelegt.

Viele Klimaforscher sehen durchaus Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Starkregen: "Häufig spielt die globale Klimaerwärmung bei extremen Wetterereignissen tatsächlich eine Rolle, aber ihr Einfluss wird teilweise pauschal angenommen oder überbetont", sagte die Klimatologin Friederike Otto vom Imperial College in London der DW bereits vor einiger Zeit. Zu den Ereignissen in Dubai sagte sie der Nachrichtenagentur AFP, die Stürme seien "höchstwahrscheinlich" durch die globale Erwärmung verschlimmert worden.

In einem Post auf X wird ein Tiktok-Video verlinkt, das die heftigen Regenfälle in Dubai zeigt
"Dubai ist nicht dafür gemacht, so heftigen Regenfällen zu widerstehen", heißt es in dem Post auf X, der ein Tiktok-Video verlinktnull X

Die Begründung hat einen einfachen physikalischen Hintergrund: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Deshalb regnet es in den Tropen stärker als in den gemäßigten Breiten, in denen Deutschland liegt. Regengüsse fallen in Mitteleuropa im Sommer auch deutlich heftiger aus als um die Jahreswende.

Deshalb ist unter vielen Klimaforschern Konsens, dass die Erderwärmung Extremwetterlagen zwar wahrscheinlicher macht und sie tendenziell extremer ausfallen. Sie betonen aber auch wie die Klimaforscherin Sjoukje Philip vom Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut (KNMI): "Extremwetter hat es immer gegeben, und wird es immer geben."

Ähnliche Falschbehauptungen tauchen übrigens immer wieder auf, wenn Starkregen zu Überschwemmungen führt - insbesondere, wenn dies in Regionen auftritt, in denen man eher Dürren als ausgiebige Niederschläge erwarten würde wie Kalifornien, Australien oder die Türkei.

Was ist eigentlich ein Passivhaus?

Wenn wir nicht in tropischen Regionen wohnen, müssen wir unsere Häuser, Werkstätten und Büros heizen. Und das passiert meistens immer noch mit fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl. In Deutschland etwa wird fast 80 Prozent der Wärme so erzeugt. Doch dabei entstehen viele Treibhausgase, die den Klimawandel antreiben. 40 Prozent aller CO2-Emissionen kamen 2023 aus dem Gebäudesektor. Wie wäre es also, wenn wir unsere Häuser fast gar nicht heizen müssten und es trotzdem warm hätten? Genau das ist in einem Passivhaus möglich.

Was ist die Idee hinter dem Passivhaus?

Ein Passivhaus heißt so, weil fast keine externe Energie zum Heizen benötigt. Das Haus erwärmt sich quasi selbst - also passiv - und behält diese Wärme. Dabei wird die Wärme genutzt, die sowieso anfällt. So entsteht etwa Wärme beim Kochen oder Duschen, auch elektrische Geräte und die Körper der Bewohner produzieren Wärme.

Viel Wärme kommt außerdem mit der Sonneneinstrahlung durch die Fenster. Passivhäuser sind so gebaut, dass all diese Wärme im Haus bleibt. Je weniger zusätzlich geheizt werden muss, desto weniger Treibhausgase entstehen. Und desto weniger Geld muss man für das Heizen ausgeben.

Wie viel Heizenergie spart ein Passivhaus ein?

Ein Passivhaus verbraucht etwa 90 Prozent weniger Heizwärme als ein durchschnittlicher Altbau und 75 Prozent weniger im Vergleich zu einem Neubau.

Das erste Passivhaus Deutschlands in Darmstadt im Winter
Das erste Passivhaus weltweit würde übrigens in Deutschland gebaut: in den Jahren 1990/91 in Darmstadt-Kranichstein - und funktioniert bis heutenull GFDL/Passivhaus Institut

In der Regel benötigt ein Passivhaus für die Heizung im Jahr nicht mehr als 1,5 Liter Öl oder 1,5 Kubikmeter Erdgas pro Quadratmeter Wohnfläche. Das entspricht 15 Kilowattstunden (kWh). Bei herkömmlichen Gebäuden ist es zehnmal so viel für die Heizung , im Schnitt etwa 150 kWh pro Quadratmeter.

Anders ausgedrückt: Um ein 30-Quadratmeter-Zimmer in einem Passivhaus auch bei richtig kalten Wintertemperaturen zu heizen, braucht man nur zehn Teelichter oder insgesamt vier Personen, die sich gleichzeitig in diesem Zimmer aufzuhalten.

Wie genau funktioniert ein Passivhaus?

Damit ein Passivhaus keine Wärme verliert, ist es von einer dicken Wärmedämmung umgeben. Sie schützt die Außenwände vor Kälte, aber auch vor Hitze im Sommer. Die Fenster sind dreifach verglast und dadurch besonders isolierend. 

Bei neugebauten Passivhäusern sind die großen Fensterflächen in der Regel nach Süden ausgerichtet. So kommt mehr Sonnenwärme ins Innere, als die Fenster an Wärme abgeben. Selbst im Winter sinkt die Temperatur auf der Innenseite der Fensterflächen in der Regel nicht unter 17 Grad. Im Sommer verhindert ein außen liegender Sonnenschutz an den Fenstern, dass die Sonneneinstrahlung das Gebäude zu stark aufwärmt.

Neben dieser wärmedämmenden Isolierschicht muss das gesamte Innenhaus von einer weiteren luftdichten Hülle umschlossen sein. Sie verhindert, dass kalte Luft durch Fugen oder Ritzen nach innen gelangt, und die warme Luft des Hauses nach außen entweicht. An den Türen oder Fenstern übernehmen wärmeisolierende Rahmen diese Funktion.

Ganz vereinfacht gesagt: Die besonders starke Dämmung und Luftdichtheit funktionieren wie eine Thermoskanne, die eine heiße Flüssigkeit warmhält.

Neben der Isolierung ist eine gute Lüftungsanlage für ein Passivhaus unverzichtbar. Zum einen muss frische Luft ins Haus gelangen, da es ja luftdicht gebaut ist. Doch wenn man Fenster öffnet, würde im Winter zu viel Wärme nach außen entweichen. Deswegen zieht eine Lüftungsanlage Frischluft von außen ins Innere. Dabei können Schadstoffe wie Rußpartikel oder Pollen direkt ausgefiltert werden. 

Diese Außenluft wird durch einen sogenannten Luft-Wärmeübertrager geschickt. Dorthin wird gleichzeitig die verbrauchte Luft aus dem Haus geleitet, vor allem aus Räumen wie Bad oder Küche, wo besonders viel Wärme entsteht. Die warme Hausluft erwärmt die kühle Außenluft und wird dann als Abluft nach außen geleitet. Die Frischluft von außen ist nun warm und wird ins Haus geleitet.

Im Sommer kann die Lüftungsanlage so eingestellt werden, dass warme Frischluft durch die Luft von innen abgekühlt wird. Zudem ist es dann sinnvoll - wie bei  anderen Häusern auch - nachts die Fenster zum Durchzug zu öffnen, um kühle Nachtluft ins Haus zu lassen.

Welche Passivhäuser gibt und wo stehen sie überall?

Sowohl Ein- als auch als Mehrfamilienhäuser können als Passivhäuser gebaut werden. Besonders nachhaltig sind Mehrfamilienhäuser, weil so weniger Fläche pro Wohneinheit verbraucht wird. Auch Bürogebäude, Schulen, Kirchen oder Verwaltungsgebäude werden weltweit immer öfter als Passivhäuser gebaut.

Gerade für Gebäude an vielbefahrenen Straßen ist dabei das "Lüften ohne Lüften" von Vorteil, weil die Schadstoffe gefiltert werden und kein Straßenlärm über geöffnete Fenster eindringt.

Luftaufnahme des Heidelberger Stadtteil "Bahnstadt" im März 2022
Der neue Stadtteil "Bahnstadt" im deutschen Heidelberg wurde komplett in Passivbauweise gebaut und soll bei der geplanten Fertigstellung 2027 die größte Passivhaussiedlung der Welt seinnull Daniel Kubirski/picture alliance

Wie andere Häuser können auch Passivhäuser eigene erneuerbare Energie erzeugen, vor allem durch Solaranlagen. Auch Geothermie-Anlagen lassen sich einbauen. Mit der Erdwärme kann der Restbedarf an Heizenwärme ebenso erzeugt werden wie warmes Wasser zum Duschen.

Passivhäuser, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen, werden in Deutschland als Passivhaus Plus bezeichnet. Bei besonders viel Energieüberschuss werden sie Passivhaus Premium genannt.

Im Prinzip lassen sich auch Altbauhäuser zum Passivhaus umwandeln. Allerdings sind Aufwand und Kosten für einen Komplettumbau sehr hoch. Doch für eine Wärme-Sanierung können viele Komponenten der Passivbauweise auch bei Altbauten verwendet werden.

Zukunftsjobs: Was macht eigentlich ein Solarteur?

Warum braucht die Solarbranche immer mehr Fachkräfte?

Schon heute arbeiten rund neun Millionen Menschen weltweit in der Solarbranche, 2030 werden es voraussichtlich schon 20 Millionen sein und 2050 könnten es laut Studie 60 Millionen werden.

Denn der Ausbau von Solaranlagen geht immer schneller. 2023 wurden weltweit Solar-Module mit einer Gesamtleistung von 444 Gigawatt (GW) installiert, 2024 kommen dazu laut Prognosen weitere 574 GW. Dafür wird die Branche dieses Jahr schon über 12 Millionen Mitarbeiter beschäftigen.

Und der Bedarf wächst weiter. Experten rechnen damit, dass die Solarenergie bis 2050 die wichtigste Energiequelle weltweit wird.

Welche Jobs entstehen in der Solarbranche?

Neue Jobs gibt es zum einen in der PV-Produktion. Solarzellen und Module werden in modernen Fabriken hergestellt. Dort werden viele Fachkräfte für Entwicklung, Programmierung, Aufbau, Wartung, Logistik und Vertrieb gebraucht. Laut Schätzungen der internationaler Energieagentur für erneuerbaren Energien (IRENA) arbeiteten 2022 rund zwei Millionen Menschen in der Modulproduktion, rund 1,8 Millionen davon in China.

Die meisten Fachkräfte werden jedoch bei der Installation der Anlagen gebraucht. Ausbildungsgänge dafür gibt jedoch bisher wenige, darum sind die meisten Fachleute bisher Quereinsteiger aus anderen Berufen. Besonders gefragt sind Ingenieure, Elektriker, Energie- und Gebäudetechniker oder auch Dachdecker.

Was ist ein Solarteur?

Solarteure montieren die Solaranlagen auf den Dächern oder auf großen Flächen. Sie installieren die Unterkonstruktionen, schrauben die Module daran fest und verkabeln sie. Und dann können sie prüfen, ob der Strom ins Stromnetz und Gebäude fließt. 

Die Solarfachleute planen außerdem Anlagen, beraten Kunden, berechnen den voraussichtlichen Stromertrag und die Kosten für Bauteile und Montage je nach Gebäude. Und sie sollten sich auskennen mit der Installation von Speicher-Batterien für die Dachanlage und Wallboxen zum Laden von Elektroautos.

Solarteure montieren Solarmodule auf einem Hausdach. Im Hintergrund ein Montagegerüst mit Sicherung.
Montage auf dem Dach: Deutschland braucht auch Fachkräfte aus dem Ausland, um den schnellen Energieumbau zu stemmen null OHKW

Wer bildet Solarteure aus?

Viele Betriebe schulen ihre Mitarbeiter selbst. Sie zeigen den Kollegen etwa wie die Montage von Solarmodulen auf dem Dach sicher funktioniert. Zusätzlich gibt es immer mehr Fortbildungsseminare für einige Wochen oder Monate, in denen Solar-Know How vermittelt wird. Meist bezahlen Firmen oder Arbeitsagenturen diese Kurse. 

Gleichzeitig entstehen neue Ausbildungswege. Sehr umfassend ist etwa die neue dreijährige Berufsausbildung zum Solarinstallateur in der Schweiz, die diesen Sommer erstmals beginnt. Sie entspricht der Ausbildung in anderen Handwerksberufen.

Und immer mehr Hochschulen integrieren entsprechende Inhalte in die Ausbildung von Ingenieuren und technischen Studiengängen, um Studierende für die Energiewende fit zu machen.

Für Laien werden außerdem Basis-Kurse angeboten, in denen die einfache Montage von Solaranlagen vermittelt werden, etwa in Solarcamps.

Gefragt sind Solar-Fachkräfte weltweit und besonders dort, wo der Solarausbau besonders stark wächst . Dazu gehören China, Europa, USA, Indien, Brasilien und Südafrika sowie in Australien, Pakistan, der Türkei und auch Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emiraten, die besonders viele Großanlagen bauen.

In einigen Ländern wie beispielsweise Deutschland ist der Fachkräftebedarf schon so groß, dass auch Fachkräfte im Ausland gesucht werden.

Redaktion: Anke Rasper 

Streit um geologisches Zeitalter: Leben wir im Anthropozän?

Vor etwa 12.000 Jahren leitete das Ende der Eiszeit ein neues geologisches Zeitalter ein, das als Holozän bekannt ist. Das relativ warme und stabile Klima ließ die menschliche Kultur aufblühen. Das Holozän förderte die Entstehung der Landwirtschaft und den Aufstieg und Fall aller wichtigen Zivilisationen, Kulturen und technischen Entwicklungen.

Gleichzeitig veränderte der Mensch mit seinem Aufstieg durch Aktivitäten wie die Landwirtschaft seine Umwelt in einer Weise, wie es bisher keine andere Spezies getan hatte.

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich jedoch einig, dass die Jahrhundertwende die letzten Momente des Holozäns markiert. Sie sagen, der Mensch habe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Geologie, die Landschaft, die Ozeane und die Ökosysteme der Erde so tiefgreifend und schnell verändert hat, dass damit eine neue geologische Epoche angebrochen ist: das Anthropozän.

Anthropozän oder nicht?

Andere Experten stellen diese Behauptung in Frage. Forschende, die sich in der Anthropozän-Arbeitsgruppe (AWG) zusammengeschlossen haben, versuchten mehr als ein Jahrzehnt lang, die neue Epoche durch ein unabhängiges Expertengremium der International Union of Geological Sciences formalisieren zu lassen.

Der Frankfurter Osthafen voller Container vor der Skyline der Stadt
Der Container Terminal in Frankfurt ist ein Teil des technologischen und logistischen Fortschritts.null Michael Probst/AP Photo/picture alliance

Doch eine "große Mehrheit" des etwa 24-köpfigen Gremiums lehnte einen Vorschlag ab, der den Beginn des Anthropozäns um 1950 bestätigte, wie die New York Times am 5. März dieses Jahres berichtete. Der Vorschlag kann erst in einem Jahrzehnt wieder verhandelt werden. Einige Befürworter der Ausrufung einer neuen Epoche gehen davon aus, dass die Industrielle Revolution den Beginn des Anthropozäns markierte. Damals begann der Mensch, fossile Brennstoffe zu verbrennen und Treibhausgase wie Kohlendioxid auszustoßen.

Andere argumentieren, das Anthropozän haben in den 1950er Jahren begonnen, als der Einfluss der Menschheit auf den Planeten immer größer wurde. Atmosphärische Kernwaffentests in den 1950er und 1960er Jahren zum Beispiel verbreiteten eine Schicht von Plutonium-Isotopen, die eine Spitze in den Sedimenten verursachte - eine einzigartige radiologische Markierung, die die Menschheit hinterlassen hat.

Zweiter Weltkrieg, Atombombenpilze über Hiroshima und Nagasaki
Die Atombomben von Hiroshima (links) und Nagasaki (rechts), Atombomben hinterlassen radiologische Spurennull WHA/United Archives International/imago

Was ist eine geologische Epoche?

Die Erdgeschichte ist in Abschnitte unterteilt, die als geologische Zeitskala bezeichnet werden und in der Erdkruste aufgezeichnet sind. Geologische Epochen wie die späte Kreidezeit, der mittlere Jura und das Holozän dauern in der Regel mehrere Millionen Jahre. Jede dieser Epochen hinterlässt deutliche Spuren in den Gesteinsschichten, einschließlich der mineralischen Zusammensetzung und der Fossilien, die die großen klimatischen Veränderungen widerspiegeln.

Befürworter der Ausrufung der neuen Epoche des Anthropozäns sind der Ansicht, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel, die Umweltverschmutzung, Atomtests und die industrielle Landwirtschaft jeweils geologische Spuren hinterlassen, die Millionen von Jahren andauern werden.

Klimagefährlicher Mensch

Der Begriff Anthropozän setzt sich aus den griechischen Begriffen für Mensch (anthropo) und jüngste Zeit (cene) zusammen und wurde im Jahr 2000 von dem niederländischen Atmosphärenchemiker Paul J. Crutzen und dem US-Biologen Eugene Stoermer in einem kurzen Artikel populär gemacht.

Welche Spuren hat der Mensch auf der Erde hinterlassen?

Das letzte Mal, dass sich so viel Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre befand, war vor drei Millionen Jahren. Die hohen CO2-Konzentrationen unserer Zeit führen zu einer Erwärmung des Planeten und zur Versauerung der Ozeane - so sauer wie heute waren die Meere seit Millionen von Jahren nicht mehr. Die industrielle Landwirtschaft und die Verstädterung haben die Landschaften verändert, und Düngemittel haben den Stickstoffgehalt in Böden und Gewässern in die Höhe getrieben.

Frühere Epochen wurden durch Ereignisse wie Meteoriteneinschläge, Verschiebungen der Kontinente und vulkanische Aktivitäten ausgelöst, die gewaltige Mengen CO2 in die Atmosphäre schleuderten. Sie hinterließen jeweils einzigartige Spuren und veränderten den Lauf des Lebens auf dem Planeten. Das Anthropozän wäre jedoch das erste Ereignis, das von einer einzelnen Art - dem Menschen - ausgelöst worden wäre.

Asteroideneinschlag
Früher wurden Epochen durch natürliche Ereignisse wie Meteoriteneinschläge geprägtnull Igor Zhuravlov/Pond5/IMAGO

Obwohl der Vorschlag, das Anthropozän zu formalisieren, abgelehnt wurde, wird der Begriff bereits von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verwendet. Sie halten ihn für ein hilfreiches Konzept, um die von der Menschheit verursachten Umweltbedrohungen zu erklären.

Das Anthropozän ist mehr als ein geologischer Begriff - es ist ein Etikett, das den tiefgreifenden Einfluss des Menschen auf die Erde, ihre Ökosysteme und andere auf dem Planeten lebende Arten zum Ausdruck bringt. Der Begriff zeigt aber auch, dass die Menschheit die Macht hat, diesen Einfluss positiv zu gestalten.

Seit dem 16. Jahrhundert nimmt die Wissenschaft Abstand davon, den Menschen in den Mittelpunkt des Universums zu stellen. 1534 entdeckte Nikolaus Kopernikus, dass die Erde die Sonne umkreist, und Charles Darwins Evolutionstheorien zeigten, dass der Mensch keine einzigartige Stellung unter den Spezies hat.

Philosophen sagen, die neue Definition des Anthropozän versetze die Menschheit wieder in eine Position der Selbstbestimmung. Aber sie übertrage der menschlichen Spezies auch eine neue Verantwortung.

Redaktion: Jennifer Collins

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Gerüstet für die Zukunft: Klimawandel als Unterrichtsfach

Monica Capo sieht es gerne, wenn ihre Schüler sich die Hände schmutzig machen. Im Garten ihrer Grundschule in der süditalienischen Stadt Neapel pflanzt sie mit den Kindern Blumen an und erntet Gemüse. Der Klimawandel ist ein komplexes Thema, von dem man sich leicht überwältigt fühlen kann. Darum versucht sie, ihn greifbar zu machen.

"Ich möchte, dass sie die Natur lieben, dass sie mitten in ihr stecken", sagt Capo, die der Überzeugung ist, dass über diese Verbindung ein Verständnis dafür wachsen kann, was auf dem Spiel steht.

2019 kündigte Italien an, als erstes Land den Klimawandel als verpflichtendes Thema auf den Lehrplan zu setzen. In den Schulen müssen Kinder im Alter zwischen sechs und 19 Jahren nun jedes Jahr 33 Stunden Unterricht zum Thema Klimawandel erhalten. In diesen Stunden vermittelt Capo den Kindern, wie man einen Baum pflanzt und pflegt, recycelt, Wasser spart, den Energieverbrauch senkt oder warum wir Fast Fashion vermeiden sollten.

Fast Fashion vermüllt Ghana

Dabei versucht sie, die Dringlichkeit des Themas zu vermitteln, ohne Ängste zu schüren. "Ich tue mein Bestes, sie nicht zu verängstigen", sagt Capo über ihre Schüler, die zwischen 6 und 11 Jahre alt sind. "Doch je früher sie lernen, desto besser."

Eine ungewisse Zukunft für die Kinder von heute

Capo weiß genau, dass die steigenden Temperaturen Auswirkungen auf die Zukunft ihrer Schüler haben werden. Im Laufe ihres Lebens werden Kinder dieser Altersgruppe Vorhersagen zufolge einen Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erleben. Dieser wird begleitet sein von einem fast vierfachen Anstieg extremer Wetterereignisse wie Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen. Etwa eine Milliarde Kinder sind bereits jetzt extrem von klimabedingter Wasserknappheit, Krankheit und Vertreibung bedroht. Ihre Entwicklungs- und Überlebenschancen sind so stark gefährdet, dass die UN den Klimawandel als eine Krise der Kinderrechte bezeichnet.

Überschwemmte Straße in Conselice, Italien
Italien litt im vergangenen Jahr unter schweren Überschwemmungen und extremen Temperaturennull Andreas Solaro/AFP

Doch nicht alle Schulen statten ihre Schüler mit den nötigen Werkzeugen aus, die die jungen Menschen brauchen, um eine im Wandel begriffene Welt zu begreifen und sich in ihr zurechtzufinden.

Klimabildung hat für viele Länder keine Priorität

Obwohl Bildung im Klimaabkommen von Paris als wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der Klimakrise erwähnt wird, nennen weniger als ein Drittel der Länder, die das Abkommen unterzeichnet haben, Schulbildung in ihren nationalen Klimaschutzprogrammen.

Das macht sich auch in den Klassenzimmern bemerkbar. Nur in der Hälfte der nationalen Lehrpläne, die 2021 von der UNESCO ausgewertet wurden, wird der Klimawandel erwähnt. Und das auch häufig nur am Rande. Etwa 70 Prozent der von der UN-Organisation befragten jungen Menschen gaben an, nicht über genügend Wissen zu verfügen, um den Klimawandel zu verstehen oder zu erklären. Eine zwischen 2020 und 2021 in Großbritannien durchgeführte Umfrage stellte fest, dass mehr als ein Drittel der Schüler eigenen Angaben zufolge in der Schule nichts oder nur wenig über die Umwelt gelernt hatte.

Klassenzimmer in Nigeria
Viele junge Menschen sagen, dass sie an der Schule zu wenig über den Klimawandel lernennull DW

Doch ob durch Rekordtemperaturen oder extreme Wettereignisse, die Klimakrise macht sich immer stärker bemerkbar. Weltweit ist man sich daher zunehmend einig, dass die "Kinder sensibilisiert werden und mit den Werkzeugen ausgestattet werden müssen, die ihnen die Möglichkeit geben, Teil der Lösung zu sein", sagt Stefania Gianni, stellvertretende Generaldirektorin für Bildung bei der UNESCO.

Wer sind die Klassenbesten in Sachen Klimabildung?

Zwar gibt es keine offiziellen Statistiken dazu, wie wirksam die Lehrplanänderung in Italien ist, doch in den Klassenzimmern tut sich etwas und die Lehrkräfte geben positive Rückmeldungen, berichtetdie Vereinigung der italienischen Lehrkräfte und Schulverwalter. Capo erzählt, dass die Lehrbücher aktualisiert wurden und die Schulen und Lehrkräfte mehr Mittel erhalten.

Grundschüler in Chimalhuacan
Mexiko ist eines der wenigen Länder, das Klimabildung auf den Lehrplan gesetzt hat null Keith Dannemiller/ZPress/dpa/picture-alliance

Italien ist nicht das einzige Land, das als möglicher Vorreiter im Bereich Klimabildung die Aufmerksamkeit auf sich zieht. In Neuseeland ist der Klimawandel zwar kein Pflichtthema, aber seit 2020 haben alle weiterführenden Schulen Zugang zu aktualisierten Unterrichtsmaterialien, die von führenden wissenschaftlichen Einrichtungen verfasst wurden. Sie behandeln zum Beispiel Themen wie die "Klima-Angst" und erzählen die Geschichte von Klimaaktivisten.

Mexiko änderte im Jahr 2019 sogar seine Verfassung und nahm das Verständnis und den Schutz der Umwelt als verpflichtendes Thema für das Bildungssystem des Landes auf.

Es braucht eine Umgestaltung des Bildungssystems 

Ein allgemeingültiges Modell für die Klimabildung gebe es nicht, sagt Stefania Gianni von der UNESCO. In Berlin oder Rom müsse diese anders aussehen als in einem kleinen Dorf in Nigeria. Schulen müsse es möglich sein, sie nach ihren jeweiligen Bedürfnissen zu gestalten.

Neben der Aktualisierung von Lehrplänen, die häufig viel Zeit in Anspruch nimmt und politisch kontrovers sein kann, gebe es andere Möglichkeiten, Veränderungen zu bewirken, erklärt Gianni. Für eine echte Umgestaltung des Bildungssystems sei ein ganzheitlicherer Ansatz erforderlich. Dazu gehöre die Einbindung der breiteren Bevölkerung in die Klimabildung, der Bau nachhaltiger Schulgebäude und die nachhaltige Bewirtschaftung dieser Gebäude ebenso wie eine bessere Ausbildung der Lehrkräfte.

Mehr Klimabildung auch für Lehrkräfte

Auch der Mangel an Wissen und Qualifizierungen der Lehrer selbst muss angegangen werden. Das ist die Erkenntnis einer 2023 von einem unabhängigen Forschungsinstitut, der Academy of the Social Sciences Australia, durchgeführten Studie zur Klimabildung global.

Aktivistin mit Schild mit der Aufschrift "Greta, we are still fighting, despite all"
Eine junge Aktivistin auf einem Fridays-for-Future-Protest in Romnull Christian Minelli/NurPhoto/picture alliance

Capo ist die eine leidenschaftliche Klimaaktivistin und Gründerin der Teachers for Future Italia (einer Nebengruppe der Bewegung Fridays for Future). Doch nicht alle haben - wie sie - das Selbstvertrauen, den Klimawandel in ihrem Unterricht zu behandeln. Nur 40 Prozent der Lehrkräfte, die die UNESCO für eine Untersuchung in 100 Ländern befragte, trauten sich zu, die Tragweite des Klimawandels zu erklären. Eine Umfrage unter Lehrkräften in Europa aus dem Jahr 2020 stellte fest, dass ein Mangel an Fachwissen der wichtigste Grund war, warum der Klimawandel im Unterricht nicht behandelt wurde.

Ein Gegengewicht zur Klima-Angst

Für Capo ist das Klassenzimmer eines der wichtigsten Instrumente zur Bekämpfung der Klimakrise, denn es gibt Lehrkräften wie ihr einen direkten Draht zu den jungen Menschen. So können sie die Fakten darlegen und die Desinformationen entschärfen, die die Schüler online gelesen oder von der klimaskeptischen Regierung Italiens gehört haben.

"Auf TikTok kursieren jede Menge Desinformationen zum Klimawandel. Das macht es unerlässlich, den Schülern beizubringen, wie sie Fake-News von der Wahrheit unterscheiden können", sagt Capo. Die meisten seien interessiert, hätten jedoch auch Angst, erzählt sie. Sie versucht, ihnen zu vermitteln, dass Wissen und Handeln ein Gegengewicht zu dieser Angst sein können.

"Ich möchte, dass alle im Klassenzimmer wissen, dass wir etwas tun können und dass es noch immer Hoffnung gibt", betont sie. "Wir brauchen Hoffnung, um etwas verändern zu können."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Jetzt oder nie: wie können wir das Klima noch retten?

Warum fühlt sich der Kampf für Klimaschutz hoffnungslos an?

Landwirte, die gegen die Klimapolitik der EU protestieren. Politiker, die den menschengemachten Klimawandel anzweifeln und weiter auf fossile Brennstoffe setzen. Verschwörungstheoretiker, die klimafreundliche Konzepte wie die 15-Minuten-Städte als Tyrannei bezeichnen: überall scheint es Gegenwind gegen Umweltreformen zu geben.

Und doch zeigen die Ergebnisse einer Anfang Februar veröffentlichten Studie, dass auf der ganzen Welt eine überwältigende Mehrheit der Befragten Umweltschutzmaßnahmen befürworten. Demnach unterstützen 86 Prozent der Weltbevölkerung diesen Kurs. 89 Prozent fordern sogar noch mehr politische Maßnahmen.

Für die Studie sprachen Forschende mit fast 130.000 Menschen entweder telefonisch oder persönlich. Die repräsentative Umfrage wurde in den Jahren 2021 und 2022 in 125 Ländern durchgeführt. Verantwortlich sind die Universität Bonn, das deutsche Leibniz-Institut für Finanzforschung SAFE und die Universität Kopenhagen.

Aktivisten mit orangenen Warnwesten sitzen auf einer Straße, davor Autos und ein Polizeimotorrad
Umstrittene Aktionen: Für ihre Straßenblockaden wurden Aktivisten der Gruppe Letzte Generation heftig kritisiert - aber auch von Passanten unterstütztnull Fabrizio Bensch/REUTERS

Für Theo Schnarr von der Klimaaktivistengruppe Letzte Generation in Deutschland waren die Ergebnisse keine völlige Überraschung. Zu den Protestformen der Gruppe gehören auch umstrittene Straßenblockaden. Schnarr erinnert sich, dass er dabei oft Tee und Essen von Passanten bekam. Diese Unterstützung spiegelte sich jedoch selten in der Medienberichterstattung wider.

"Die Stimme der Mehrheit muss lauter werden", sagte Madalina Vlasceanu. Die Professorin für Psychologie an der Universität New York sagt zur DW, die Berichterstattung oder der öffentliche Diskurs konzentriere sich allzu oft auf das Negative. "Man hört die Mehrheit nicht. Was man hört, sind die wirklich lauten Extreme."

Unterschätzte Mehrheit 

Die Tendenz, sich auf das Negative zu konzentrieren, hat die öffentliche Wahrnehmung der Klimaschutzbemühungen verzerrt. Dabei würden viele etwas gegen die globale Erwärmung tun. 69 Prozent der Befragten wären bereit, mindestens ein Prozent ihres monatlichen Einkommens für Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen.

Doch obwohl so viele bereit sind so zu handeln, unterschätzten die Befragten um 26 Prozentpunkte, wie viele ihrer Mitbürger das Gleiche tun würden.

Das kann Konsequenzen haben. "Menschen, die die öffentliche Unterstützung für Klimamaßnahmen systematisch unterschätzen, sind oft auch weniger bereit, selbst etwas zu tun", sagte Armin Falk, ein Bonner Wirtschaftsprofessor, der an der Studie beteiligt war.

Patrick Kennedy-Williams, Mitbegründer der in Großbritannien ansässigen Organisation "Klima-Psychologen" begegnet solchen Stimmungen in seiner Arbeit häufig. "Es gibt diese offensichtliche Diskrepanz zwischen unseren individuellen Gedanken, Gefühlen und Motivationen und dem, was wir von den Menschen um uns herum wahrnehmen. Das führt zu einem geringeren Gefühl der kollektiven Wirksamkeit", sagt der klinische Psychologe der DW.

Ein indonesisches Dorf versinkt im Meer

Eine Studie der US-amerikanischen gemeinnützigen Organisation ecoAmerica aus dem Jahr 2023 ergab, dass 42 Prozent der Amerikaner "sehr besorgt" über den Klimawandel sind. Sie glaubten aber, dass nur 14 Prozent der Menschen um sie herum dies ebenso empfinden. Dieselbe Umfrage zeigte, dass vier von zehn Amerikanern nicht wissen, was in ihrem Umfeld oder in ihrem Ort gegen den Klimawandel getan wird.

Klimaangst kann lähmend sein

Diese Diskrepanz schürt Klimaangst: ein überwältigendes Gefühl von Schuld oder Panik angesichts der globalen Erwärmung und ihrer Auswirkungen. "Das ist eine isolierende Erfahrung", sagte Kennedy-Williams.

Verstärkt würden diese Gefühle durch durch eine Flut von belastenden schlechten Nachrichten, untätige Regierungen oder unehrliche Praktiken wie Greenwashing, bei denen sich Unternehmen ohne Grundlage ein umweltfreundlicheres Image geben. "Und das kann zyklisch werden: Je größer unsere Klimaangst ist, desto schlechter nehmen wir die Menschen um uns herum wahr."

Klimaschutz politisch aufgeladen

Hinzu kommt: "Das Thema Klima ist in vielen Teilen der Welt politisiert worden", sagt Li Shuo, der das China Climate Hub am Asia Society Policy Institute in Washington leitet. Drängende Probleme - wie die Umstellung auf umweltfreundliche Energien, zerstörerische Auswirkungen extremer Wetterverhältnisse - würden dadurch wie parteistrategische Fragen behandelt.

Das verzögere dringend gebrauchte Veränderungen, sagt Li, der zuvor viele Jahre bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace tätig war. "Und ich glaube, diese Dynamik wird durch soziale Medien begünstigt und verschärft", fügte er hinzu.

Ein Erdöl-Bohrtum in der Abenddämmerung in Kalifornien
Manche Politiker wollen aus strategischen Interessen nicht auf fossile Brennstoffe verzichten - zulasten des Klimasnull Gary Kazanjian/AP/picture alliance

Psychologie-Professorin Vlasceanu hebt in ihrer Studie hervor: Die Leugnung des Klimawandels ist in den sozialen Medien immer noch weit verbreitet. Selbst wenn immer mehr Menschen beginnen, die Realität des Klimawandels zu akzeptieren.

"Falschinformationen sind bei diesem Thema von entscheidender Bedeutung und das Hauptwerkzeug, um Maßnahmen zu verzögern", sagt sie und fügt hinzu: "Solange man die Öffentlichkeit nur genug verwirrt und ein wenig Zweifel aufkommen lässt, haben die Menschen eine Entschuldigung, sich dem Problem nicht zu stellen."

Was kann man tun?

Um den Pessimismus überwinden zu können, schlägt Li vor, Wege zu finden, das abstrakte Thema Klimawandel auf den Alltag herunterzubrechen. Also den Menschen zu zeigen, wie ihre Zukunft zum Beispiel mit saubererer Luft und einer kohlenstoffarmen Wirtschaft besser sein könnte. "So kann eine düstere, manchmal hoffnungslose Herausforderung zukunftsorientiert betrachtet werden", sagt er.

Psychologe Kennedy-Williams stimmt dem zu. Er warnt aber davor, sich zu sehr auf die Vorteile neuerer Technologien wie Wärmepumpen zu verlassen. Diese teuren Lösungen könnten die Menschen wegen der hohen Kosten abschrecken.

"Sie sehen sich selbst nicht in diesen Debatten und daher auch nicht als Teil der Lösung", sagte er. Als positives Beispiel erzählt Kennedy-Williams von Kampagnen im Osten Londons. Diese bringen Menschen den Klimawandel näher, indem sie zeigen, wie sich die Luftverschmutzung auf ihre Familien auswirkt.

Solche Aktionen zeigten den Menschen, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein sind. "Die Situation ist nicht hoffnungslos", sagt Klima-Aktivist Theo Schnarr. "Die Menschen sind bereit für einen Wandel, man muss ihn nur einleiten." 

Jetzt oder nie: wie können wir das Klima noch retten?

Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr

Klima: 1,5-Grad-Schwelle erreicht

Die globalen Temperaturen sind im Januar 2024 höher als je zuvor in diesem Monat seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen. Das teilte der Klimawandeldienst Copernicus der Europäischen Union mit. Die berühmte 1,5-Grad-Marke wurde überschritten, jetzt im Januar und auch in den Monaten zuvor. Um so viel war es wärmer als in vorindustrieller Zeit, als die Menschheit noch nicht in so großen Mengen das klimaschädliche Gas Kohlendioxid ausgestoßen hat.

Das heißt aber noch nicht, dass das Pariser 1,5-Grad-Ziel verfehlt ist, da dafür auf längerfristige Durchschnittswerte geschaut wird. Eine rasche Reduzierung der Treibhausemissionen sei der einzige Weg, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu stoppen, mahnte Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess.

Samantha Burgess (14.11.2023)
Copernicus-Vize-Direktorin Burgess: Forderung nach rascher Treibhausgasreduktionnull David J Prior/Copernicus

Fachleute halten es durchaus für möglich, dass 2024 noch wärmer wird und das laufende Jahr erstmals die 1,5 Grad-Schwelle nicht nur erreichen, sondern sogar überschreiten könnte. 2023 war schon nahe dran: Das vergangene Jahr war Copernicus zufolge 1,48 Grad Celsius wärmer als im weltweiten vorindustriellen Mittel und damit das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen 1850.

Wohl höchste Werte seit 100.000 Jahren

"Es ist wahrscheinlich, dass die Temperaturen 2023 wärmer waren als in den vergangenen 100.000 Jahren", hatte Burgess bereits Anfang Januar gewarnt. Europa erlebte das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Mit dazu beigetragen hat auch das Wetterphänomen El Niño, das alle paar Jahre im Pazifik auftritt. Der Ozean hat dann sehr hohe Wassertemperaturen an seiner Oberfläche, was entsprechende Auswirkungen auch auf Atmosphäre und Wetter hat.

El Niño habe inzwischen begonnen, sich abzuschwächen, hieß es von Copernicus zum aktuellen Stand. Die Lufttemperaturen über dem Meer seien jedoch weiterhin auf einem ungewöhnlich hohen Niveau.

"1,5 ist eine sehr große Zahl, und es schadet uns sehr schwer mit Blick auf Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen, verstärkte Stürme und Wasserknappheit in der ganzen Welt", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Johan Rockström, der Nachrichtenagentur AFP. "Das hat uns 2023 gelehrt."

Johan Rockström (22.11.2023)
Klimaforscher Rockström: Warnung vor Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungennull Marten Ronneburg/NurPhoto/picture alliance

"Es ist eindeutig eine Warnung an die Menschheit, dass wir uns schneller als erwartet auf die vereinbarte 1,5-Grad-Grenze zubewegen", so Rockström. Die Temperaturen dürften aber wieder etwas sinken, wenn das Wetterphänomen El Niño vorbei sei. Experten gehen davon aus, dass ein Rekordjahr wie 2023 wahrscheinlich schon in ein paar Jahren als vergleichsweise "kaltes" Jahr gelten wird.

Regionale Unterschiede

In Europa zeigte sich in diesem Januar ein gemischtes Bild: Während es in den nordischen Ländern deutlich kühler war als sonst im Durchschnitt zu dieser Jahreszeit, war es im Süden des Kontinents deutlich wärmer. Überdurchschnittlich warm war es auch im Osten Kanadas, in Nordwestafrika, dem Nahen Osten und Zentralasien, während es im westlichen Kanada, dem Zentrum der USA und dem größten Teil Sibiriens Anfang dieses Jahres kälter war als im langjährigen Mittel.

COP28: Was 1,5 Grad ausmacht

Der EU-Klimawandeldienst Copernicus veröffentlicht regelmäßig Daten zur Temperatur an der Erdoberfläche, zur Meereisdecke und zu Niederschlägen. Die Erkenntnisse beruhen auf computergenerierten Analysen, in die Milliarden von Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt einfließen.

Um katastrophale Folgen des Klimawandels abzuwenden, hatte die Weltgemeinschaft 2015 im Pariser Klimaabkommen vereinbart, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die Weltklimakonferenz in Dubai COP28 hatte sich im Dezember nach zähem Ringen auf eine schrittweise Abkehr von fossilen Energieträgern geeinigt - allerdings ohne Zeitplan und ohne Festschreibung eines kompletten Ausstiegs.

AR/se (dpa, afp)

Grüner werden, tiefer graben: die geheime Waffe gegen CO2

Kohlendioxid (CO2) ist ein natürlicher und wichtiger Bestandteil der Erdatmosphäre. Aber mit etwa 422 Teilen pro Million oder 0,04 Prozent ist seine Konzentration heute mehr als doppelt so hoch wie vor 200 Jahren, zu Beginn der industriellen Revolution. Seitdem haben menschliche Aktivitäten - vor allem das Verbrennen fossiler Energieträger - die CO2-Konzentration auf gefährlich hohe Werte erhöht.

Wenn sich Kohlendioxid und andere Treibhausgase in der Atmosphäre ansammeln, wirken sie wie eine Decke: Sie verhindern, dass die Sonnenenergie nachts in den Weltraum zurückstrahlt. In der Folge steigen die globalen Temperaturen und der Planet erwärmt sich.

Was genau ist Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, CCS?

Kohlendioxid wird auf natürliche Weise durch Wälder und andere Pflanzen aus der Atmosphäre aufgenommen. Pflanzen verwenden C02 zum Wachsen und binden es. Auch die Ozeane und Böden nehmen CO2 auf. Doch das braucht Zeit. Überdies vernichten wir solche natürlichen Kohlenstoffsenken zunehmend durch Abholzung, den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und durch Umweltverschmutzung.

Die CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) kann verhindern, dass überschüssiges Kohlendioxid überhaupt in die Atmosphäre gelangt. Dazu wird das Gas aus der Luft eingesaugt und in Speichern gelagert.

Das Verfahren wurde erstmals in den 1970-er Jahren eingeführt. Doch es ist wegen Gesundheits- und Sicherheitsbedenken immer noch umstritten.

So gibt es die Sorge, dass Menschen oder Tiere ersticken könnten, wenn etwa die Rohre in den technischen Anlagen oder in den Lagerstätten undicht sind. Oder dass Metalle und andere Schadstoffe ausgeschwemmt werden könnten und dann das Trinkwasser verunreinigen. Außerdem gibt es die Befürchtung, dass eingelagertes Kohlendioxid lokale Erdbeben auslösen könnte.

In Deutschland ist diese Technik bisher verboten.

Wie funktioniert CCS mit punktueller CO2 Abscheidung?

Bei der sogenannten "punktuellen CO2-Abscheidung" wird Kohlenstoffdioxid direkt am Entstehungsort von anderen Abgasen getrennt. Sie entstehen zum Beispiel bei der Produktion in Stahlwerken, Raffinerien, Zement- und Düngemittelfabriken oder bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Erdgas.

In neueren Anlagen wird das CO2 schon vor dem Verbrennen aus dem Brennstoff entfernt.

Bei allen Verfahren wird das CO2 nach der Abscheidung zu einer Flüssigkeit zusammengepresst und zu einer geeigneten Lagerstätte transportiert. Solche Lagerstätten liegen in der Regel tief unter der Erde. Als Speicher kommen beispielsweise ehemalige Öl- und Gaslager, stillgelegte Kohlebergwerke oder auch poröse, mit Salzwasser gefüllte Gesteinsformationen in Frage.

Was ist DACCS?

Kohlenstoffdioxid kann aber auch mit Hilfe von Filtern und Chemikalien direkt aus der Luft gefiltert werden, auf Englisch: Direct Air Capture with Carbon Storage, DACCS. Bei diesem Verfahren erfolgt die Abscheidung nicht direkt in einer Fabrik oder an einem Schornstein, sondern aus der Umgebungsluft.

Die Anlagen für diese Technik benötigen allerdings viel Energie und sind immer noch sehr teuer.

Und was ist BECCS?

Eine weitere Option, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, bietet die Bioenergie. Hier wird Biomasse, also Holz, Stroh oder Energiepflanzen, in Kraftwerken verbrannt, um Energie zu gewinnen - das sogenannte BECCS. (englisch: Bio-Energy with Carbon Capture and Storage). Das dabei freiwerdende CO2 wird ebenfalls abgefangen und unterirdisch gespeichert.

Künftig könnten noch mehr Pflanzen gezielt für die Gewinnung von Bioenergie angebaut werden, um noch mehr zu Kohlenstoff zu binden. 

Allerdings konkurrieren diese Energiepflanzen dann mit den Pflanzen, die für die Ernährung angebaut werden, denn Ackerflächen und Wasservorräte weltweit sind begrenzt.

All diese CCS-Technologien werden bisher erst wenig eingesetzt und sind noch nicht in größerem Maßstab erprobt.

Warum ist die CO2-Abscheidung und -speicherung so wichtig?

Selbst wenn wir die Kohlendioxidemissionen in naher Zukunft stark reduzieren, muss die Welt bis zum Jahr 2100 zwischen 450 Milliarden und 1,1 Billionen Tonnen CO2 abscheiden und einlagern - so ein Expertenbericht von Januar 2023.

Auch der Weltklimarat der Vereinten Nationen erklärte 2022, dass der Einsatz von CO2-Entfernungstechnologien "unvermeidlich" sein wird, wenn die Welt ihre Netto-Null-Emissionsziele bis 2050 erreichen will.

Aktuellen Untersuchungen zufolge werden derzeit nur 0,1 Prozent der weltweiten Emissionen durch solche Technologien aufgefangen. Der CCS-Sektor müsste sich also in den nächsten zehn Jahren erheblich weiterentwickeln.

Kritik gibt es daran, dass die CCS-Technologie dazu führen könnte, dass weiterhin Öl, Gas und Kohle gefördert und verbrannt werden. Viele Expertinnen und Experten halten es für besser, den CO2 Ausstoß rasch zu reduzieren. Sie fordern, dass wir uns von fossilen Brennstoffen so schnell wie möglich unabhängig machen und sie möglichst gar nicht mehr nutzen. 

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Deutsche LNG-Importe fördern Gas-Boom in den USA

"Nachts ist es hell erleuchtet wie in Las Vegas", sagt der pensionierte Öl- und Gasingenieur John Allaire und zeigt auf die giftige Fackel einer Fabrik nebenan, wo Erdgas zu LNG verflüssigt wird. Sein Grundstück liegt neben der Anlage direkt am Golf von Mexiko im US-Bundesstaat Louisiana.

Anfang 2022 wurde die Calcasieu-Pass-Anlage fertiggestellt. Dort wird das in der Region gefrackte Schiefergas auf minus - 162° C heruntergekühlt und dann per Schiff exportiert. Entlang der Golfküste von New Orleans bis Rio Grande entstehen derzeit mehrere dieser Anlagen.

Deutschland ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Abnehmer für LNG aus den USA geworden. Denn seit dem russischen Angriff auf die Ukraine fehlen dort die früheren Importe aus Russland.

Den Ausbau der Gasinfrastruktur sieht Allaire mit Besorgnis. "Sie verschmutzen die Luft, sie verschmutzen das Wasser. Und jetzt wollen sie diese Anlage auf die dreifache Größe ausbauen." Er befürchtet Auswirkungen auf die umliegenden Feuchtgebiete, in denen es von Ottern, Enten, Fischen und Garnelen wimmelt.

Die Anlage in Calcasieu Pass gehört dem LNG-Riesen Venture Global mit Sitz im US-Bundesstaat Virginia. Das Unternehmen möchte direkt neben der bestehenden eine weit größere LNG-Exportanlage bauen: CP2.

John Allaire steht am Strand
John Allaire: 'Die geplante LNG-Exportanlage von Venture Global soll die Größe der aktuellen Anlage verdreifachen'null Stuart Braun/DW

Deutschland, das für das US-Gas einen höheren Preis zahlt als inländische Abnehmer, ist ein Hauptfinanzierer des Projekts. Im Juni 2023 unterschrieb das deutsche Staatsunternehmen Securing Energy for Europe (SEFE) - ehemals Gazprom Germania - einen 20-Jahre-Vertrag mit Venture Global über den jährlichen Import von Millionen Tonnen LNG aus der CP2-Anlage.

Damit wäre Venture Global der größte LNG-Lieferant für Deutschland und das trotz der problematischen Umweltbilanz. Nach Angaben der Umweltbehörde von Louisiana verstieß die bestehende Anlage seit Inbetriebnahme im Jahr 2022 mindestens 139-mal gegen die behördlichen Auflagen zur Luftreinhaltung.

Das Unternehmen handele "nicht im Einklang mit den Regulierungen im US-amerikanischen Clean Air Act", sagt Shreyas Vasudevan von der Umweltorganisation Louisiana Bucket Brigade in New Orleans. Und das passiere, um die steigende Nachfrage von Kunden wie Deutschland gerecht zu werden, betont Vasudevan gegenüber der DW.

Fotodokumente belegen die Verschmutzung durch die LNG-Verflüssigungsanlage
Allaire dokumentiert die Luftverschmutzung der LNG-Verflüssigungsanlage null Stuart Braun/DW

Der CEO von Venture Global LNG, Mike Sabel, betonte, dass seine Firma mit der deutschen SEFE zusammenarbeite, um "die Sicherheit der Energieversorgung nicht nur für Deutschland, sondern auch für den Rest des europäischen Gasmarktes" zu gewährleisten. "Deutschland hat entschlossen gehandelt, um sein Energieportfolio zu diversifizieren, und LNG wird ein wichtiger Teil dieses Mixes", so Sabel in einer Erklärung im vergangenen Juni.

Die DW bat Venture Global um eine aktuelle Stellungnahme, bekam jedoch bis zur Veröffentlichung keine Antwort.

LNG-Exporte: "Verkauf an den Meistbietenden"

Das CP2-Projekt von Venture Global steht im Mittelpunkt von Protesten gegen den LNG Ausbau, der zu einer Verdopplung von US-Gasexporten bis 2035 führen würde. Bis 2016 förderten die Vereinigten Staaten ihr Erdgas ausschließlich für den Inlandsverbrauch, heute ist das Land der weltweit größte Exporteur von LNG.

"In den 20 Jahren, in denen ich in der Exploration, Produktion und Bohrung von Gas tätig war, ist nichts davon exportiert worden", sagt Allaire der DW. "Jetzt ist das ganz anders. Es geht nun darum, es an den Meistbietenden zu verkaufen."

Erdgas wird seit langem als sogenannte Brückentechnologie angepriesen, da es bei der Wärme und Stromversorgung im Vergleich zur Kohle weniger CO2 freisetzt. Allerdings besteht Erdgas vorwiegend aus Methan, und das wirkt über 20 Jahre lang 80-mal klimaschädlicher als CO2. Und da bei der Förderung, Verflüssigung und dem Transport von Frackinggas auch Methan entweicht, könnte der Klimaeffekt so schädlich sein wie der Einsatz von Kohle.

Anlagen der Öl und Gasförderung im Permian-Becken in Texas. Im Hintergrund wird Erdgas abgefackelt.
Das Frackinggas aus Texas beflügelt den Exportboom von LNG null Paul Ratje/AFP/Getty Images

Auf dem letzten Klimagipfel in Dubai hatten die USA Maßnahmen zur Methanreduzierung angekündigt. Der steigende LNG-Export scheint diesen Ambitionen jedoch zu widersprechen.

Laut einer in 2019 veröffentlichten Studie von Robert Howarth, einem Methanexperten an der Cornell University, könnte allein der Boom der Fracking-Schiefergasproduktion in Nordamerika für "mehr als die Hälfte aller gestiegenen Klimagasemissionen weltweit" verantwortlich sein, die in den letzten zehn Jahren durch fossile Energien freigesetzt wurden.

"LNG-Exporte werden letztlich mehr Treibhausgasemissionen verursachen als jedes Auto, jedes Haus und jede Fabrik in Europa", prognostizierte der US-Klimaaktivist Bill McKibben im Dezember in einem Artikel. Die geplante LNG-Förderung würde alle Emissionsreduzierungen in den USA seit dem Jahr 2000 zunichtemachen.

McKibben verweist auf einen Brief, den 170 Wissenschaftler im Dezember an US-Präsident Joe Biden geschickt hatten. Darin fordern sie ihn auf, die Genehmigung für das CP2-Terminal aufzuheben und alle künftigen LNG-Projekte zu stoppen.

"Das Ausmaß des geplanten LNG-Ausbaus in den nächsten Jahren ist atemberaubend", heißt es in dem Brief. "Die Genehmigung von CP2 und anderen LNG-Projekten wird Ihre erklärten Ziele einer sinnvollen Bewältigung der Klimakrise untergraben und uns weiter in Richtung eines eskalierenden Klimachaos bringen."

In einem weiteren Brief, der im November von rund 60 demokratischen US-Abgeordneten unterzeichnet wurde, wird das Energieministerium aufgefordert, "die Gesamtauswirkungen zu berücksichtigen, die das explosionsartige Wachstum der US-amerikanischen LNG-Exporte auf das Klima, die Gemeinden und unsere Wirtschaft hat". Hunderte Demonstranten protestierten vergangene Woche in New Orleans gegen die Erweiterung von Plaquemines Parish, einer weiteren LNG-Anlage von Venture Global im Mississippi-Delta. 

Die Menschen, die in der Nähe der Verflüssigungsanlage leben, werden besonders bei schweren Stürmen von der Umweltverschmutzung betroffen sein, sagt Bischof Wilfret Johnson. Er ist Pfarrer der Plaquemines-Gemeinde. "Es gibt viele Hurrikans und die Anlage liegt im Überschwemmungsgebiet", sagt er der DW und erinnerte an die Schäden, die Hurrikan Katrina im Jahr 2006 angerichtet hatte.

Bishop Wilfret Johnson, Porträt
Wilfret Johnson warnt: Hurricane bedrohen jedes Jahr die Golfküste und sind auch eine Gefahr für die LNG-Fabrikennull Stuart Braun/DW

Hat Biden dem Druck nachgegeben?

Solcher Widerstand klimabewusster Wähler könnte die jüngste Entscheidung der Biden-Regierung beeinflusst haben. Mitte Januar bestätigte das Weiße Haus, dass es die Exportgenehmigung für LNG aus neuen Anlagen in Länder ohne Freihandelsabkommen vorerst aussetzt. Dazu gehören auch die Europäer,  wohin im Jahr 2023 etwa die Hälfte aller US-Exporte gingen.

In der Zwischenzeit wird das Energieministerium untersuchen, welche Auswirkungen die Gasexporte zum Beispiel auf potenziell erhöhte Energiepreise für amerikanische Verbraucher haben. Ausserdem solle es eine Neubewertung der Auswirkungen von Treibhausgasemissionen geben. In der Regierungserklärung werden "gefährlichen Auswirkungen von Methan auf unseren Planeten" erwähnt.

Laut der New York Times soll die CP2-Anlage von Venture Global und weitere 16 geplante LNG-Exportprojekte sollen frühestens im nächsten Jahr genehmigt werden. "Das wäre ein Schock für den globalen Energiemarkt, es wird Auswirkungen wie eine Wirtschaftssanktion zur Folge haben und ein verheerendes Signal an unsere Verbündeten senden, dass sie sich nicht länger auf die Vereinigten Staaten verlassen können", so Shaylyn Hynes, Sprecherin von Venture Global.

Unterdessen versprach die Republikanerin Nikki Haley, die sich um die Präsidentschaftskandidatur bewirbt, während einer Rede am 21. Januar in New Hampshire, die LNG-Produktion zu steigern. "Wir werden unsere Genehmigungen beschleunigen", so Haley. "Wir werden so viel Flüssigerdgas exportieren, wie wir können."

Deutschland als wichtiger Akteur im Bomm von LNG

Deutschland zahlt hohe Preise für Gas, obwohl dieses gar nicht benötigt werde. Das kritisiert ein Bericht der Denkfabrik New Climate Institute in Köln. Der deutsche Gasbedarf ging im Jahr 2022 um zwölf Prozent zurück, teils wegen höherer Effizienz sowie einer geringere Nachfrage nach der russischen Invasion in der Ukraine. Gleichzeitig baut Deutschland neue LNG-Terminals für Gas aus den USA, Katar und anderen Ländern.

Dabei reichen die bestehenden LNG-Anlagen in den USA aus, um das Defizit der russischen Gasversorgung in Europa auszugleichen, sagen Energieexperten. "Deutschland hatte noch nie eine Gasknappheit und konnte den Winter 2022 ohne eigene Terminals bewältigen", heißt es in einem Brief der deutschen Zivilgesellschaft und Umweltverbände an die US-Regulierungsbehörden vom 17. Januar. Darin wird auch gefordert, keine Genehmigung für CP2-Terminal zu erteilen. 

Dem Schreiben zufolge hat das deutsche Bundeswirtschaftsministerium eingeräumt, dass "Deutschland über die bestehenden LNG-Importterminals in Belgien, den Niederlanden und Frankreich beliefert werden konnte".

"Es ist keine unendliche Ressource, es ist keine eine langfristige Lösung", so John Allaire über das Argument, dass das sogenannte US "Freiheitsgas" den Energiebedarf Europas zukunftssicher machen werde. "Wenn wir wollen, könnten wir in den nächsten zehn Jahren mit erneuerbaren Energien zu 100 Prozent nachhaltig sein," sagt Allen. "Doch hier geht es um sehr viel Geld". 

Adaptiert aus dem Englischen von Gero Rueter. Redaktion: Tamsin Walker und Jennifer Collins

USA: Fracking – Retter in der Energiekrise oder Klimakiller?

Warum müssen so viele Russen zuhause frieren?

Die Menschen sitzen in der Kälte, weil Heizungssysteme an vielen Orten Russlands den Dienst versagt haben. Auch Moskau und Umgebung, die Oblast Moskau, sind betroffen - und das in einem Jahr, in dem Russland den härtesten Winter seit Jahrzehnten erlebt.

Die Welle von Heizungsausfällen begann im Dezember und scheint nicht aufzuhören. Vor einigen Tagen erlitten mindestens 16 Personen in der Stadt Nischni Nowgorod Verbrennungen, als ein großes Heizrohr platzte und sich kochend heißes Wasser auf die Straße ergoss. 3000 Menschen müssen seitdem laut einem örtlichen Nachrichtenkanal auf Telegram ohne Heizung auskommen. Die Messaging-App ist eine der wenigen Möglichkeiten, in Russland noch unzensierte Informationen zu erhalten.

Nur einen Tag vor dem Vorfall in Nischni Nowgorod fiel ein Heizsystem in der Stadt Orjol aus und unterbrach so die Wärmeversorgung von Wohnungen, Kindergärten und einer Schule, in der während des Unterrichts kochendes Wasser aus den Dampfheizern strömte.

Bewohner müssen tagelang ohne Heizung auskommen

Der weitreichendste Betriebsausfall traf Klimowsk, einen Stadteil von Podolsk in der Oblast Moskau, nur 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Am 4. Januar fielen die Temperaturen auf minus 34 Grad Celsius. So kalt war es in der Region schon seit mindestens 40 Jahren nicht mehr. Am gleichen Tag fiel ein Heizwerk in Klimowsk aus und ließ 20.000 der 50.000 Einwohner in der Kälte sitzen. Tausende von ihnen waren auch Tage später noch ohne Heizung.

Notfallfahrzeug in winterlichem Klimowsk
In Klimowsk, nur 50 Kilomenter von Moskau entfernt, fiel ein Heizwerk ausnull Valery Sharifulin/TASS/picture alliance

Auch in anderen größeren und kleineren Städten der Region fielen während dieser außergewöhnlich kalten Tage die Heizungen aus. Die Bewohner der Stadt Elektrostal entzündeten vor ihren Wohnblocks Lagerfeuer, um gegen die Zustände zu protestieren.

"Die Kinder packten wir zum Schlafen warm ein und ich und mein Mann trugen Hosen, Pullis und Sweatshirts und schliefen unter zwei Bettdecken", erzählte eine Frau der russischen Internetzeitung The Insider. In ihrer Wohnung hätten die Temperaturen maximal 10 Grad Celsius erreicht. Erst als sie Elektroheizgeräte einsetzte, sei es wärmer geworden.

Munitionsfabrik beliefert die Stadt mit Heizwärme

Die Behörden reagierten nur langsam. Drei Tage dauerte es, bis der Gouverneur der Oblast Moskau, Andrei Worobjow, eine offizielle Erklärung zu dem Betriebsausfall in Klimowsk veröffentlichte. Darin machte er die Besitzer des "in Privatbesitz befindlichen" Heizwerks für dessen Ausfall verantwortlich. Die Behörden hätten eine Untersuchung eingeleitet, sagte Worobjow und fügte während eines Treffens mit Anwohnern hinzu: "Wir sind uns darüber klar, dass die Geduld der Menschen ein Ende hat."

Der Gouverneur warf den Besitzern des Heizwerks vor, sie seien während der aktuellen Krise nicht erreichbar gewesen und erwähnte, zwei von ihnen lebten im Ausland. Der Vorfall erregte offensichtlich auch die Aufmerksamkeit von Präsident Wladimir Putin, der Worobjow anwies, das Heizwerk zu verstaatlichen.

Russland: Arbeiter erwärmt Versorgungsrohre in mehrstöckigem Haus mit Gasbrenner. Der Heizungsunfall in Podolsk hat Auswirkungen auf die Stadt
Die Heizungsrohre in den Wohngebäuden von Klimowsk waren teilweise eingefrorennull Evgenia Novozhenina/REUTERS

Die späte Reaktion könnte auf den sensiblen Standort des Heizwerks zurückzuführen sein - es befindet sich in einer Fabrik, in der Munition produziert wird. Zu Sowjetzeiten waren solche Konstellationen, in denen militärische und zivile Infrastruktur miteinander verwoben war, gängig.

Was hat der Kreml mit der Fabrik in Klimowsk zu tun?

Die Munitionsfabrik wurde 2001 privatisiert. Über die derzeitige Eigentümerstruktur ist öffentlich nichts bekannt. Unbestätigten Berichten in den russischen Medien zufolge unterhalten die Manager der Fabrik jedoch erstklassige Beziehungen zur Spitze des Kreml.

Der Geschäftsführer der Fabrik, Igor Kuschnikow, diente russischen Medienberichten zufolge früher als Oberst beim russischen Nachrichtendienst FSB. Im Mai 2023 übernahm er das Management der Fabrik von Igor Rudyka, bei dem es sich ebenfalls Medienberichten zufolge um einen früheren Leibwächter Putins handelt. Vergangene Woche erklärten russische Ermittler, sie hätten Kuschnikow ebenso verhaftet wie den Manager des Heizwerks, Alexander Tschikow.

Infrastruktur aus Sowjetzeiten bröckelt

Marina Sacharowa hält Aktien an der Munitionsfabrik und lebt in Deutschland. Ihrer Meinung nach wurde der Betriebsausfall nicht durch das Heizwerk selbst ausgelöst, sondern durch den maroden Zustand des Wärmenetzes. Das Heizwerk habe nur wegen Ausfällen außerhalb der Fabrik abgeschaltet werden müssen, behauptet sie.

Fachleute warnen, das russische Wärmenetz sei in einem schlechten Wartungszustand und technisch überholt. Das gelte insbesondere für Gebiete, in denen die Bevölkerung nach dem Ende der Sowjetära stark anwuchs. Laut dem russischen Onlinemedium The Bell sind in Teilen des Landes noch immer Heizrohre aus Stahl im Einsatz, die schon Jahrzehnte alt sind und ihre vorgesehene Lebensdauer von 25 Jahren längst überschritten haben. The Bell zitiert offizielle Zahlen, wonach sich etwa drei Prozent des Heizungs-, Wasser- und Abwassernetzes jährlich in einem "Ausnahmezustand" befinden. Modernisiert werden jedoch nur ein bis zwei Prozent, was tausende von Pannen zur Folge hat.

Bei Anlagen wie der von Klimowsk führen Sicherheitsüberlegungen zu weiteren Problemen. Weil der Zugang zur Munitionsfabrik nur eingeschränkt möglich ist, waren zivile Angestellte The Bell zufolge nicht in der Lage, das Heizwerk winterfest zu machen oder Probleme in Echtzeit zu verfolgen.

Energieriese Russland

Pannen mit den Heizsystemen treten in Russland Jahr für Jahr auf, doch in diesem Winter kam es zu einem Ausfall nach dem anderen in Städten von Nowosibirsk in Sibirien über Moskau und St. Petersburg bis zur westlichen Exklave Kaliningrad.

Marktstände in Jakutsk in extremer Kälte
Russland ist kalte Winter gewohntnull Roman Kuturov/REUTERS

In einem Land, das sich immer als eine Supermacht in Sachen Energie gesehen hat, haben die Vorfälle auch emotionales Gewicht. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine warnten Propagandisten lauthals vor EU-Sanktionen auf Gasimporte und behaupteten, ohne russisches Gas würde Europa "erfrieren".

Fast zwei Jahre nach Beginn des Krieges scheint die Heizwärme in Europa gesichert, während die Behörden in Russland Mühe haben, auf die Heizungskrise zu reagieren. Ein Kontrast, der hämischen Putin-Kritikern und ukrainischen Nutzern der sozialen Netzwerke nicht entgeht.

"Die Kälte sollte Europa in die Knie zwingen, aber das hat nicht funktioniert. Dann haben sie beschlossen, ihre eigenen Leute durch die Kälte in die Knie zu zwingen, um andere einzuschüchtern", schreibt ein YouTube-Nutzer unter einem Video zu den Heizungsausfällen.

Modernisierung ist geplant

Die russischen Behörden sind sich des Problems bewusst. Der Kreml hat begonnen, aktiver in die Verwaltung des Wärmenetzes einzugreifen und Behörden deuten an, mehr Mittel bereitstellen zu wollen.

"Wir nutzen noch immer die kommunale Infrastruktur, die zu Sowjetzeiten errichtet wurde", sagt die russische Parlamentsabgeordnete Swetlana Rasworotnewa, die Mitglied des Komitees für Städtebau ist. "Wir haben nicht in Modernisierungen investiert. Stattdessen haben wir unser Geld in den Erhalt dieser ganzen veralteten Infrastruktur gesteckt."

Rasworotnewa fügt hinzu, etwa 40 Prozent des kommunalen Wärmenetzes müssten dringend ausgetauscht werden. Der russische Staat habe vor, in den kommenden zwei Jahren 150 Milliarden Rubel (1,55 Milliarden Euro) in die Modernisierung des Systems zu investieren.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Lokaler Bürgerstrom: noch kein echtes Energy Sharing in Deutschland?

Acht Hektar auf einer ehemaligen Mülldeponie und viereinhalb Hektar an Eisenbahngleisen: Auf ihren neu gepachteten Flächen will die Bürgerenergie Rhein-Sieg eG künftig große Solarparks bauen, um noch mehr grünen Strom zu erzeugen.

In der Genossenschaft haben sich mehr als 350 Menschen aus der Rhein-Sieg-Region im Westen Deutschlands zusammengeschlossen, um Anlagen für umweltfreundlichen Strom zu finanzieren.

Im ganzen Land gibt es fast 900 solcher Bürgerenergie-Gemeinschaften. Zum Vergleich: in allen 27 Staaten der Europäischen Union zusammen sind es derzeit insgesamt etwa 9000.

Bürgerenergie-Genossenschaften: vom gemeinsamen Investment in Erneuerbare profitieren

Mitglied wird man, indem man einen oder mehrere sogenannter Genossenschaftsanteile erwirbt; bei der Rhein-Sieg eG. kostet der momentan 250 Euro. Mitglieder können Geld in neue Anlagen investieren. Dafür bekommen sie Zinsen sowie zusätzlich einen Anteil aus den Erlösen der erzeugten Öko-Energie, die ins allgemeine Stromnetz eingespeist wird.

Ein großes Hausdach ist voll gedeckt mit großen Solarpanelen, im Hintergrund die ehemalige Abteil Michaelsberg in Siegburg
Eine der vielen Solaranlagen der Bürgerenergie Rhein-Sieg eGnull Thomas Schmitz/Bürgerenergie Rhein-Sieg eG

Thomas Schmitz arbeitet ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender der Rhein-Sieg eG. Er hofft, den Strom mit sogenanntem Energy Sharing, also dem Teilen von Strom, künftig auch direkt in der Region vermarkten zu können. Derzeit sei das aber nicht ohne weiteres möglich, sagt Schmitz. "Man darf selbst erzeugten Strom noch nicht einmal an die Nachbarn im Haus nebenan verschenken."

Was bedeutet eigentlich Energy Sharing?

Unter dem Begriff Energy Sharing versteht man das Teilen von gemeinschaftlich produzierter Energie. Er leitet sich aus den Vorgaben der Europäischen Union ab, mit denen der europäische Strommarkt dezentralisiert werden soll. EU-Bürgerinnen und Bürgern sollen ihn mitgestalten können - insbesondere in Form sogenannter Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften.

Die Regierungen der Mitgliedsstaaten sollen solche EE-Gemeinschaften ermöglichen und sicherstellen, dass diese ihre erzeugte Energie verbrauchen, speichern und verkaufen dürfen. Bis 2021 sollten diese Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden.

Ist Energy Sharing in Deutschland schon möglich?

Das sei in Deutschland der Fall, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf Anfrage. Denn: "Das EU-Recht sieht (...) keine Privilegierung, sondern eine diskriminierungsfreie Behandlung (von EE-Gemeinschaften - Anm.d.Red.) vor."

Die Verbände der Bürgerenergie sehen das anders. "Auch zwei Jahre nach der Umsetzungsfrist ist Energy Sharing in Deutschland noch immer nicht möglich", sagt Valérie Lange, Referentin für Energiepolitik und -wirtschaft vom Bündnis Bürgerenergie (BBEn) - dem Dachverband für Bürgerenergie in Deutschland.

Denn der Strom darf laut Lange nicht durch das öffentliche Stromnetz fließen, wenn er innerhalb der Energie-Gemeinschaft genutzt werden soll. Genau das aber brauche es für Energy Sharing aus großen Bürgerenergie-Anlagen, so Lange - "aber das ist in Deutschland derzeit faktisch noch nicht möglich."

Auch ist laut BMWK für Energiegemeinschaften eine Selbstversorgung nur "außerhalb des öffentlichen Netzes" erlaubt.

"Wer in Deutschland Strom verkauft, gilt automatisch als Stromhändler"

Des Weiteren würde sich ein Verkauf des Bürgerstroms über das öffentliche Stromnetz, etwa an regionale Wirtschaftsunternehmen, mit den derzeit geltenden Regeln auch kaum rechnen, ergänzt Felix Schäfer. Schäfer ist Mitgründer und Vorstand der Bürgerwerke, einer Genossenschaft, die den erzeugten Strom vieler deutscher EE-Gemeinschaften als Stromhändler vermarktet.

"Wer in Deutschland Strom über das Netz verkauft, gilt automatisch als Stromhändler und muss dafür Abgaben zahlen, beispielsweise die Stromsteuer oder auch die Durchleitungsgebühren an die Netzbetreiber", erklärt Schäfer. Diese Kosten könne man zwar an die Kunden weitergegeben. Aber für kleine Bürgerenergie-Genossenschaft, in denen viel im Ehrenamt gearbeitet werde, wäre die Abwicklung der Stromlieferung ein enormer Aufwand.

Bringt Gemeinschaftsstrom mehr Demokratie in den Strommarkt?

Und für potentielle Kunden würde der grüne Bürgerstrom aus der eigenen Region durch die Abgaben dann mindestens so viel kosten, wie etwa Öko-Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken, so Schäfer weiter.

Anders ist es bei einzelnen Hausbesitzerinnen und -besitzern. Sie könnten "privaten Solarstrom vom Eigenheim-Dach", also aus ihrer eigenen, meist  staatlich subventionierten Solaranlage günstig nutzen, denn sie müssten dafür keine Abgaben zahlen. 

Mehrfamilienhaus in Köln-Nippes mit Photovoltaik auf dem Dach und Balkonen
Selbsterzeugter Solarstrom ist sehr günstig null Ronald Biallas

Mieterinnen und Mieter, die kein eigenes Dach haben, können sich Gemeinschaftsprojekten anschließen. Damit auch sie günstig Strom aus der Nähe beziehen können, fordern die Bürgerwerke deshalb, Abgaben wie Stromsteuer und Durchleitungsgebühren für gemeinschaftliche Bürgerenergie deutlich zu reduzieren.

"Ohne Energy Sharing wird die Energiewende nicht gelingen"

Auch das Bündnis Bürgerenergie sieht die Bundesregierung in der Pflicht, echte finanzielle Anreize für Energy Sharing zu schaffen. Schließlich wolle Deutschland, dass 80 Prozent des Stroms bis 2030 aus erneuerbaren Energien stammt - derzeit ist es rund die Hälfte.

"Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir sehr, sehr viel mehr Windräder und Solaranlagen als bisher. Und diese Anlagen werden sehr viel sichtbarer sein als die zentralen fossilen Kraftwerke - wir werden alle eine in der Nähe haben", gibt Valérie Lange vom BBEn zu bedenken.

"Damit die Menschen da mitziehen, müssen sie sich an der Produktion beteiligen können - und einen Vorteil daraus ziehen: Der Strom, den sie dann aus 'ihren' Anlagen beziehen, muss deutlich günstiger sein als zugekaufter Strom", so Lange. Ohne Energy Sharing, ist man sich beim BBEn sicher, werde die Energiewende in Deutschland nicht gelingen.

Viele Windräder stehen unweit einer Siedlung im Windpark "Odervorland" im Landkreis Oder-Spree in Ostbrandenburg (Luftaufnahme mit einer Drohne)
Um die Energiewende zu schaffen, ist ein enormer Zubau bei den Erneuerbaren Energien nötignull picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Das Bündnis fordert: In einem Umkreis von 50 Kilometern sollen sich alle Interessierten an einer Bürgerenergieanlage beteiligen können. Immer wenn die Anlage viel Strom produziert, soll eine staatliche Strom-Prämie dafür sorgen, dass der Strom besonders günstig ist. Die Idee dahinter: einen Anreiz schaffen, Energie vor allem dann zu nutzen, wenn sie "grün" ist.

Smart Meter - digitale Stromzähler sind in Deutschland noch die Ausnahme

Doch dazu muss man wissen, wie viel Strom aus den regionalen Anlagen fließt, und wie viel aus anderen Quellen - und wann. Berechnen lässt sich das mit sogenannten Smart Metern, digitalen Stromzählern, die den Verbrauch im Viertelstundentakt messen und direkt aufs Handy schicken können. In Deutschland liegt derAnteil solcher Smart Meter derzeit allerdings bei gerade mal rund drei Prozent.

Stromzähler in einem Strom Kasten in einem Privathaus
Analoge Stromzähler sind in Deutschland noch die Regel und sollen für die Energiewende ausgetauscht werdennull Michael Bihlmayer/CHROMORANGE/picture alliance

Zwar sollten bis Ende 2023 alle Stromzähler digital sein, doch eben nicht automatisch auch immer echte Smart Meter. Das BBEn fordert, dass solche Messgeräte zuerst in solchen Gebäuden und Haushalten eingebaut werden, die am Energy Sharing teilnehmen wollen.

"Starker Wunsch beim Strom autark zu sein"

Und das könnten viele sein. Denn das Interesse an großen Wind- oder Solaranlagen in der eigenen Nachbarschaft wachse, wenn die Menschen auch von ihnen profitieren könnten, berichtet Thomas Schmitz von der Bürgerenergiegenossenschaft Rhein-Sieg. Und es sei durch die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine noch gestiegen.

"Die Menschen haben festgestellt, dass sie sehr stark von Energieimporten abhängig sind - und zwar von Ländern, von denen sie keine Energie mehr beziehen wollen. Der Wunsch, autark zu werden, ist groß. Wenn sie das in ihrem eigenen Umfeld nicht schaffen, dann wollen sie den Strom zumindest aus ihrer Region beziehen."

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf Englisch als Teil einer Serie über Bürgerenergie-Genossenschaften in der EU, die mit Mitteln des Journalismfund Europefinanziert wurde.

Klimakrise gefährdet Kinder - auch in Deutschland

"Meiner Meinung nach machen viel zu wenige Leute was für den Klimaschutz. Ich finde, es wird viel zu viel geredet und zu wenig getan" - Laura (16), Veronika (13), Luca (11) und Jimmi (11) sind aus dem Berghäusle, einer Jugendhilfeeinrichtung in Bayern, in die Großstadt Frankfurt am Main gekommen.

Sie sprechen beim Fachtag "Klimakrise als Gefährdung der Kinderrechte" des katholischen Sozialverbands Caritas im November vor mehr als 120 Erwachsenen, die in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten. Die informieren sich und diskutieren über die Auswirkungen der Klimakrise auf Kinder, über Gesundheit, Klimaangst und ökologische Kinderrechte. 2023, das zeichnet sich ab, wird das heißeste Jahr, das bisher gemessen wurde.

Klimakrise trifft Ärmere und Kinder stärker

Der Deutsche Caritasverband beschäftigt sich intensiv mit Klimaschutz. Warum eigentlich? Klimapolitik sei eine zutiefst soziale Frage, sagt Astrid Schaffert, Referentin für soziale Klimapolitik: "Die Einkommensärmeren sind nicht die, die die Klimakrise verursachen. Sie sind aber - global betrachtet und auch in Deutschland - diejenigen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind." Sie wohnten häufiger an stark befahrenen Straßen mit vielen Abgasen und wenig Grünflächen oder in Wohnungen, die sich im Sommer stark aufheizen.

Blick von oben auf eine Frau, die in die Kamera lächelt. Sie trägt einen Stapel Zeitschriften und steht vor einem Tisch mit weiteren Heften, Flyern und Plakaten zum Thema Klima
Astrid Schaffert engagiert sich beim Deutschen Caritasverband für soziale Klimapolitik - bis 2030 will die Caritas mit ihren Einrichtungen klimaneutral seinnull Liane Muth/Deutscher Caritasverband e.V.

Zudem sei die deutsche Klimapolitik bisher sozial ungerecht: Verbrauchsabgaben wie die CO2-Steuer belasten Einkommensärmere stärker als Wohlhabendere, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Energie- und Heizkosten ausgeben müssen.

Kinder leiden schon jetzt stark unter der Klimakrise, sagt Schaffert. Ihr Organismus kann Hitze nicht gut verarbeiten. Sie warnt: "Wenn die heute Zehnjährigen 30, 40, 50 Jahre alt sind, werden die globalen Temperaturen nochmal deutlich angestiegen sein" - mit noch mehr Extremwetter, Hitze, Dürre oder Überflutungen. Kinderrechte bedeuten, "dass sie das Recht haben, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen".

Die Verantwortung haben die Erwachsenen

"Ich mach mir Sorgen, dass wir bald nicht mehr Fußball spielen können", sagt Luca aus Bayern. Sein Training wurde schon wegen Hitze abgesagt. "Und ich find's blöd, dass die Pflanzen austrocknen und dass es im Sommer so heiß ist, dass man richtig schnell Sonnenbrand kriegt." Auch Laura macht sich Gedanken: "Die Kinder, die nach uns kommen, denen wird's ja noch schlechter gehen als uns."

Selina Bitzer leitet das Berghäusle. Sie sieht es als ihre Aufgabe, die Kinder in ihren Sorgen zu begleiten, die Verantwortung aber bei den Erwachsenen zu lassen. "Gleichzeitig finde ich es wichtig, dass man Kinder und Jugendliche auf den Klimawandel vorbereitet - wie sie damit in Zukunft leben können und was man tun kann, um noch ein bisschen abzuwenden." Sie sollen sich nicht ohnmächtig fühlen, sondern Selbstwirksamkeit erfahren.

Zwei Frauen, die freundlich lächeln, stehen mit vier Kindern und Jugendlichen vor einer Tür, die Kinder haben sich Kappen über ihr Gesicht gezogen
Selina Bitzer (r) leitet das Kinder- und Jugendhaus Berghäusle in Bayern. Mit Laura, Veronika, Luca und Jimmi und ihrer Kollegin Vera Schiebel (l) hat sie in Frankfurt über Klimakrise und Kinderrechte gesprochennull Kinder- und Jugendhaus Berghäusle

Die Kinder im Berghäusle sparen Strom, Wasser beim Duschen und Wäschewaschen, essen wenig Fleisch, vermeiden Plastik und kaufen gebrauchte Kleidung. Luca zeigt auf seine Schuhe: "Sehen doch cool aus!" Die Zuschauer in Frankfurt klatschen. Sie klatschen auch, als er kritisiert, dass es in Berlin mehr Platz für Autos als für Kinder gebe. Die Kinder fordern: "Erwachsene sollten auch mehr laufen!" Und: "Ich wünsche mir, dass ihr alle mehr radelt!"

Klimakrise schadet der Gesundheit

Diejenigen also, die die Klimakrise am wenigsten verursachen, leiden am stärksten darunter: die Mehrheit aller Menschen im sogenannten Globalen Süden, die weit weniger Treibhausgase verursachen als reiche Industriestaaten. Und innerhalb der Länder der ärmere Teil der Bevölkerung - und Kinder.

Eine Postkarte zeigt ein kleines Kind mit Dreckspritzern im Gesicht und auf dem Hemdchen, das ernst in die Kamera schaut. Daneben steht: Klimaschutz bedeutet, sich gut um nachwachsende Rohstoffe zu kümmern. Fehlender Klimaschutz gefährdet die Zukunft und das Wohlergehen von uns allen.
Kinder müssen noch lange mit den Folgen der Klimapolitik leben - der katholische Sozialverband Caritas engagiert sich für sozial gerechten Klimaschutznull privat

Kinder - und ganz besonders Babys und Kleinkinder - sind stark gefährdet durch Hitze, UV-Strahlung, Feinstaub, bodennahes Ozon, Mikroplastik und Schadstoffe aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, stellt die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrie bei KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit) fest. Mit der Erwärmung nehmen Hautkrebs, Asthma oder Allergien zu, hitzebedingte Krankheiten breiten sich aus. Dazu kommen psychische Belastungen und Zukunftsängste.

Ökologische Kinderrechte - theoretisch ist alles geregelt

Dabei gibt es Gesetze und internationale Abkommen, um Kinder zu schützen. Barbara Schramkowski, Professorin für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) nennt als Beispiel den neuen "Allgemeinen Kommentar Nr. 26" zur UN-Kinderrechtskonvention. Er verlangt die verbindliche Beachtung ökologischer Kinderrechte, den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien und die Perspektive von Kindern bei jeder Umweltentscheidung.

Im deutschen Grundgesetz heißt es in Artikel 20a: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen." Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 im Urteil zum Klimaschutzgesetz verlangt, die Reduktion der Treibhausgasemissionen auch nach 2030 klar zu regeln, sonst verletze die Regierung die Freiheitsrechte künftiger Generationen.

Ökologische Gewalt im roten Bereich

Für das Wohl von Kindern sind zunächst die Eltern zuständig. Wo es familiäre Probleme gibt, ist es Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, für gute Lebensbedingungen sorgen. Schramkowski sagt: "Das können wir nur noch tun, wenn wir uns auch um Klimaschutz und Biodiversität kümmern."

Eine Frau im dunklen Pulli mit zurückgebundenen Haaren lächelt freundlich in die Kamera
Barbara Schramkowski lehrt Soziale Arbeit an der DHBW in Villingen-Schwenningen und beschäftigt sich mit Klimagerechtigkeit und Kinderrechtennull Liane Muth/Deutscher Caritasverband e.V.

Die Wissenschaftlerin erläutert: "Wir arbeiten in der Kinder- und Jugendhilfe oft mit dem Bild des Thermometers. Wenn Kinder und Jugendliche existenziell gefährdet sind, zum Beispiel durch häusliche Gewalt, sagt man, man sei im roten Bereich. Wir sind in den ökologischen Krisen auch im roten Bereich." Gegen ökologische Gewalt, die Zerstörung der Lebensgrundlagen, helfe keine Inobhutnahme durch das Jugendamt. Die Kinder- und Jugendhilfe müsse sich für Kinderrechte einsetzen, auch politisch.

"Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise"

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF warnt: 99 Prozent aller Kinder weltweit seien in mindestens einer Form klima- und umweltbedingten Gefahren und Belastungen ausgesetzt: Hitzewellen, Überflutungen oder Luftverschmutzung.

Wissenschaftler sagen, dass Extremwetterereignisse häufiger und heftiger werden. Neben alten Menschen und Menschen mit Behinderung sind Kinder am stärksten gefährdet. In Libyen starben 2023 mehrere tausend Menschen durch die Flutkatastrophe, darunter viele Kinder. Es folgten Seuchen, Flucht und Mangelversorgung, das Trauma bleibt. 2021 starben in Deutschland bei der Flutkatastrophe an der Ahr mehrere Kinder, das jüngste war vier Jahre alt.

Ein Junge, den man von hinten sieht, sitzt auf einem rostigen Rohr und schaut in eine verwüstete Landschaft
Libyen September 2023: Flutkatastrophen zerstören an vielen Orten das Leben von Kindernnull Ozan Kose/AFP/Getty Images

"Die Klimakrise ist eine Kinderrechtskrise", betont Paloma Escudero, UNICEF-Sonderberaterin für Kinderrechte und Klimapolitik. "Jede Regierung hat die Pflicht, die Rechte jedes Kindes in jedem Winkel der Erde zu schützen."

Kinder fordern Gerechtigkeit

Tut Deutschland genug für Klima- und damit auch Kinderschutz? Nein, sagt der Expertenrat für Klimafragen, der die Bundesregierung berät: Die Pläne reichten nicht aus, um die Emissionen schnell genug zu senken.

Keine guten Nachrichten, aber kein Grund, sie von Kindern fernzuhalten, sagt Diplompsychologe Georg Adelmann, man sollte altersgerecht mit ihnen darüber sprechen. Er engagiert sich in der Klimaschutzinitiative Psychologists for Future. Als Ursache für Klimaangst sieht er die mangelnde Reaktion der Politiker und der Gesellschaft. "Es ist nicht die Klimakrise, die ist bewältigbar, wenn wir jetzt aktiv handeln."

12 Personen sitzen rund um einen Tisch. Ein Mann mit einer Kappe gestikuliert und spricht, die anderen schauen zu
"Kindern helfen, wirksam zu werden" - Georg Adelmann (m) von den Psychologists for Future spricht über den Umgang mit Klimaangstnull Liane Muth/Deutscher Caritasverband e.V.

Die Kinder und Jugendlichen aus dem Berghäusle in Bayern haben beim Caritas-Fachtag in Frankfurt mutig das Wort ergriffen. Bei Fridays-for-Future-Demonstrationen fordern sie: "Ausstieg aus der Kohle" und "Gerechtigkeit". "Das finde ich wichtig, dass unsere Kinder - gerade in der Jugendhilfe - das Recht haben, sich zu beschweren und Politik zu adressieren", sagt Berghäusle-Leiterin Selina Bitzer.

Schließlich geht es um ihre Zukunft. "Wenn wir alle schon lange nicht mehr sind", sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra zum Abschluss der Weltklimakonferenz COP28, "müssen unsere Kinder und deren Kinder damit leben, was wir zurückgelassen haben - dem Guten und dem Schlechten".

Klimaklage sechs junger Portugiesen vor dem EGMR eröffnet

2023: Aufwind für Solarenergie, Wärmepumpen und E-Mobilität

Photovoltaik treibt die Energiewende voran

"Erneuerbare Energien werden immer preiswerter, so dass zum ersten Mal mehr Investitionen in Solarenergie als in die Ölförderungen fließen", erklärt Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung den Wendepunkt.

"Vor allem die Photovoltaik hat 2023 die Erwartungen erneut übertroffen", ergänzt Prof. Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Laut Prognosen wurden dieses Jahr weltweit Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 400 Gigawatt (GW) installiert,2022 betrug der Zuwachs 239 GW.Gleichzeitig gingen 2023 Windkraftanlagen mit insgesamt 110 GW neu ans Netz, berichtet die World Wind Energy Association.

Nach Angaben des World Nuclear Industry Status Reports wurden außerdem vier neue Atomreaktoren mit einer Gesamtleistung von 4 GW fertig. Fünf alte Reaktoren mit einer Leistung von 6 GW wurden in Deutschland, Belgien und Taiwan stillgelegt.

Niederlande: Photovoltaik auf dem Deich in Eemshaven, dahinter Windkraftanlagen im Licht der Sonne
Vorreiter Niederlande: dort gibt es bereits sehr viel Solar- und Windenergie und viele Wärmepumpen ersetzen Gasheizungennull Jochen Tack/picture alliance

Solar- und Windkraft machen Stromerzeugung günstiger

Der Hauptgrund für den starken Zubau von Sonnen- und Windkraftanlagen liegt am sehr günstigen Preis für die Stromerzeugung.

Im globalen Durchschnitt kostete die Stromerzeugung mit neuen Windanlagen an Land im Jahr 2022 rund 3 Eurocent pro Kilowattstunde (kWh), so ein Report der internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA). In großen Solarparks lagen die Kosten bei 4,5 Eurocent pro kWh und damit deutlich günstiger als die Stromerzeugung mit fossilen Energien, die weltweit zwischen 5,5 bis 22 Eurocent pro kWh liegen.

Die Kosten für Strom aus neuen Solaranlagen sind in den vergangen 12 Monaten weiter gesunken, vor allem weil Solarmodule immer günstiger wurden: In Europa kosten sie seit Jahresbeginn über 40 Prozent weniger als im Vorjahr.

Solarmodule werden immer günstiger produziert

Das liegt vor allem daran, dass China seine Modulproduktion deutlich ausbaut. Laut Carbon Brief liegt die Produktionskapazität dort inzwischen bei 600 GW Solarzellen jährlich, 225 GW mehr als 2022. Bis 2025 könnten es 1000 GW sein.

Auch Indien, USA und EU wollen verstärkt in große Solarfabriken investieren. In Indien sollen ab 2027 Module mit einer jährlichen Kapazität von 100 GW gefertigt werden, in der EU ab 2025 etwa 30 GW.

"Es geht doch schneller als gedacht", so Prof. Niklas Höhne vom New Climate Institut in Köln. "Insbesondere die Photovoltaik wird extrem schnell ausgebaut. Und dies sogar so schnell, wie für das 1,5 Grad Ziel nötig", so Höhne gegenüber der DW.

zweit Männer halten ein Esstischgrosses Solarmodul in der Solarfabriken von Meyer Burger. bei Dresden.
Europa will wieder mehr Solarmodule selber herstellen, wie hier in einer Fabrik bei Dresden. Die meisten Module kommen derzeit aus China. null Meyer Burger

Neue Batterie-Techniken und mehr E-Autos

"Das Jahr 2023 könnte in die Geschichte eingehen als der Wendepunkt für Batterien in der globalen Energiewende", sagt Christian Breyer, Professor für Solarökonomie an der LUT in Finnland. Der Grund sei, dass "nicht nur Lithiumbatterien ohne Kobalt und Nickel voll etabliert sind, sondern nun auch Natrium-Ionen-Batterien am Markt eingeführt werden".

Lithium ist selten und derzeit teuer, dagegen ist das Natrium für die neuen Natrium-Ionen-Batterien viel günstiger und nahezu unbegrenzt verfügbar, zum Beispiel in Kochsalz. 

Laut Wirtschaftsmagazin Clean Thinking liegt der Preis für Natrium-Batterien bereits 40 Prozent unter denen heutiger Lithium-Ionen-Zellen. Die kommerzielle Verwendung steht jedoch erst am Anfang, darum wird die Technik im Moment nur in weniger als einem Prozent neuer Batterien verbaut. In Zukunft könnte Natrium vor allem für stationäre Batterien verwendet werden. Zusätzlich sind auch auch weitere neue Batterietechniken in der Entwicklung.

Doch auch die gängigen Lithium-Ionen-Batterien werden durch fallende Rohstoffpreise immer günstiger. 

Immer mehr Batterien werden in kleine Solaranlagen und Solarparks eingebaut und speichern dort günstigen Strom für die Nacht. Auch für die klimafreundlichere E-Mobilität werden immer mehr Batterien gebraucht. Der Anteil von E-Autos im globalen Umsatz ist inzwischen von 1,6 Prozent im Jahr 2018 auf rund 18 Prozent in 2023 gestiegen.

Ein Handwerker montiert eine Wärmepumpe auf einem Dach
Effizient Heizen mit Wärmpumpe: Mit einer kWh Strom erzeugt sie bis zu acht kWh Wärme fürs Hausnull Pieter Stam de Jonge/ANP/picture alliance

Nachfrage nach Wärmepumpen steigt weltweit 

Fortschritte gibt es auch bei der Heiztechnik. Wärmepumpen werden laut der internationalen Energieagentur (IEA) als zentrale Technologie im globalen Wandel immer wichtigerzur sicheren und nachhaltigen Wärmeversorgung. "Die Technologie kann großskalig ausgerollt werden. Viele Länder, gerade auch in Skandinavien, zeigen, wie hervorragend die Technologie funktioniert - auch wenn es sehr kalt wird, wie etwa in Finnland", sagt Breyer gegenüber der DW.

Derzeit decken Wärmepumpen laut IEA etwa 10 Prozent des weltweiten Wärmebedarfs in Gebäuden. 2022 stieg der Absatz global um 11 Prozent, in Europa um 38 Prozent. In Deutschland hat sich der Absatz nach aktuellen Angaben vom Bundesverband Wärmepumpen in 2023 im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent erhöht.

Doch trotz des Wachstums "hinken die Investitionen in Wärmepumpen immer noch hinter dem zurück, was notwendig ist, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen", sagt Roland Rösch, Direktor des IRENA Innovations- und Technologiezentrums gegenüber der DW.

Um die 1,5 Grad-Grenze einzuhalten, müssten laut World Energy Transitions Outlook von IRENA die weltweiten Investitionen für Wärmepumpen von zuletzt 64 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2030 vervierfacht werden.

Der Beitrag wurde am 21.12 2023 veröffentlicht und am 23.1.2024 aktualisiert mit neuen Zahlen zum Wärmepumpenabsatz in Deutschland. 

Fünf Gründe zur Hoffnung für den Klimaschutz

Viele klimafreundliche Veränderungen kommen schneller voran als gedacht, das zeigt eine neue Studie der deutschen Denkfabrik NewClimate Institute.

Sie beschäftigt sich mit technologischen und gesellschaftlichen Fortschritten bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Die Autoren zeigen, welche Trends sie zuversichtlich machen, dass die Erderwärmung doch noch auf 1,5-Grad begrenzt werden kann.

1. Klimabewusstsein im Mainstream angekommen 

Vor dem Pariser Klimaabkommen sei das Bewusstsein über die Gefahren der Klimaerwärmung noch nicht so weit verbreitet gewesen, so der Bericht. Doch inzwischen ist das Thema nach Ansicht der Autoren zum Mainstream geworden und wird in allen Teilen der Gesellschaft diskutiert. Auch die Medien berichten inzwischen mehr über Klimathemen, allerdings gäbe es auch immer mehr Fake News, stellen die Autoren fest.

Eine Folge des Bewusstseinswandels: immer mehr Klimaproteste. Besonders junge Menschen fordern etwa bei den Bewegungen Fridays for Future, Extinction Rebellion, Just Stop Oil oder Letzte Generation rasches Handeln. Sie würden dazu beitragen, dass "die politischen Entscheider das Thema angehen", so die Studie.

Zusätzliches Gewicht bekommen die Forderungen der Klimaschützer durch die wachsende Zahl von Gerichtsverfahren gegen Staaten und Unternehmen. Die Kläger drängen auf Einhaltung nationaler Regeln bei Klima- und Umweltschutz und bekamen in vielen Fällen Recht. So forderte als Folge einer Klimaklage in Deutschland das Bundesverfassungsgericht 2021 die Regierung auf, die Emissionen bis 2030 schneller zu senken.

Gleichzeit helfe die Klima-Attributionsforschung (Zurechnungswissenschaft) zu erklären, inwiefern Klimaschäden und Wetterextreme durch den Klimawandel verstärkt werden.

Shell-Klage in den Niederlanden: Donald Pols Director der NGO Milieudefensie mit einer Kopie des Urteils vor dem Gericht in Den Haag im Mai 2021
Jubel nach historischem Urteil 2021: Gericht in Den Haag verurteilt Shell dazu, seine CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren null Piroschka van de Wouw/REUTERS

2. Vision der Netto-Null-Wirtschaft wird weltweit wichtig

Vor dem Klimaabkommen von Paris sei es vor allem um die Verringerung von Emissionen gegangen. Inzwischen bestehe weitgehender Konsens, dass "die Emissionen in allen Ländern auf null sinken müssen", heißt es in der Analyse des NewClimate Institute. Das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft sei jetzt die anerkannte Norm in Ländern, Regionen und Städten auch im Globalen Süden – ein großer Fortschritt.

Das Nullemissionsziel zeige einen "bedeutenden Wandel". Und die nationalen Klimaziele der Länder seien inzwischen deutlich ambitionierter und könnten mittelfristig die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung vermindern.

Bisher seien diese Ambitionen jedoch "noch nicht durch ausreichende Maßnahmen untermauert", betonen die Autorinnen und Autoren. Insgesamt sehen sie die Welt aber auf einem deutlich besseren Kurs als vor dem Pariser Abkommen.

3. Klimafreundliche Investitionen: gut fürs Geschäft

Für Firmen und Investoren ist die globale Erwärmung inzwischen ein wachsendes Geschäftsrisiko. Klimafreundliche Investitionen seien auch aus wirtschaftlichem Interesse viel attraktiver, nicht nur weil Firmen mehr gesellschaftlichen Druck fühlten.

Teils aus eigenem Antrieb, teils wegen neuer Gesetze veröffentlichen inzwischen viele Firmen die eigenen Klimarisiken. Von den 500 wichtigsten börsennotierten US-Unternehmen, die die Ratingagentur Standard and Poor listet, legen mehr als 70 Prozent auch ihre Emissionen offen.

"Aus Nischendasein vor mehr als einem Jahrzehnt ist nachhaltiges Investieren inzwischen zu einem Standardmodell in der Finanzwelt geworden", so das Fazit des Berichts.

Allerdings, so heißt es darin, seien öl- und gasbasierte Geschäftsmodelle immer noch sehr lukrativ, und bestimmten derzeit noch den Markt. Der notwendige Wandel erfolge insgesamt zu langsam. Die Veränderung werde vielerorts durch Lobbygruppen verzögert. 

Ein Ladekabel lädt eine Batterie eines Elektroautos
Statt Benzin wird Strom immer wichtiger als Antrieb für Autos. Viele Fahrzeughersteller haben schon Ausstiegsdaten für die Produktion von Verbrennern gesetzt null Sven Hoppe/dpa/picture alliance

4. Solar- und Windenergie sind wettbewerbsfähig und immer preiswerter

Vor 20 Jahren waren Wind- und Solarenergie deutlich teurer. Besonders im globalen Süden galten sie oft als unbezahlbarer Luxus und nicht wettbewerbsfähig.

Das hat sich inzwischen komplett verändert, erklären die Autoren: "Erneuerbare Energien sind zur neuen Normalität geworden." Es gehe beim Ausstieg aus fossilen Energien "nicht mehr um das ob, sondern um das wann". Gleichzeitig wird die Versorgung mit Solarkraft, Windkraft und Biomasse, zunehmend dezentraler und ermögliche flexiblere Modelle, auch für private Haushalte. 

Erneuerbare Energien sind immer öfter die kostengünstigste Option. Die Studie hält fest: "Neu errichtete Onshore Windkraftanlagen und Solarprojekte sind heute 40 Prozent billiger als fossile Anlagen." Die globalen Investitionen in Erneuerbare übertreffen die für fossile Brennstoffe inzwischen um das Fünffache.

Besonders die Photovoltaik sei weltweit viel schneller gewachsen als erwartet, so die Analyse. Beim Ausbau der Windenergie gebe es allerdings vielerorts noch Hindernisse.

5. E-Power: Immer mehr Strom wird für Verkehr und Wärme genutzt

Strom spielt im Verkehr und bei der Wärmeversorgung eine immer wichtigere Rolle. Und anders als vor 2015 sei inzwischen auch die Industrie dabei, "Modelle für die Vermeidung von CO2" zu entwickeln, wie die Autorinnen und Autoren positiv feststellen.

Für Gebäudeheizungen werden die elektrisch betriebenen Wärmepumpen laut der Studie zunehmend die "Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung". In Europa gab es im letzten Jahr einen Zuwachs von 38 Prozent.

Und weltweit stieg die Anzahl der verkauften Elektroautos deutlich schneller als vor zehn Jahren erwartet. 2023 haben voraussichtlich schon 18 Prozent aller neu verkauften PKW einen Elektroantrieb, so die Studie. In einigen Ländern der Welt seien sie bereits Standard. Alle großen Autohersteller wollen in den nächsten Jahren auf E-Fahrzeuge umsteigen, die EU und die Länder wie Kanada und Chile haben bereits Termine für den Ausstieg aus Verbrennungsmotoren gesetzt. 

Der Zuwachs betrifft laut Studie bisher vornehmlich reiche Industrieländer sowie China. Dort seien auch immer mehr E-LKWs und E-Busse im Einsatz. Allerdings verzögere sich vielerorts der Ausbau von Ladesäulen, und hohe Verkaufspreise für E-Neuwagen seien in vielen Ländern noch hinderlich.

Abschließend betonen die Autorinnen und Autoren, dass weltweit noch deutlich mehr Anstrengungen nötig seien, um das Klimaabkommen umzusetzen.

Doch angesichts der zahlreichen globalen Herausforderungen könne man "Kraft aus den vielen positiven Veränderungen zu ziehen", die die Welt bereits erreicht habe.

Redaktion: Anke Rasper

 

Afrika: Schmutzige Luft erhöht Gesundheitsrisiko

Im Herzen der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé vibriert die Luft vom Brummen der Motoren. Abgase aus den Autos, von Fabriken, dazu der Qualm brennender Abfälle in Wohngebieten - das alles hüllt als grauer Smog die Stadt ein.

Felix Assah ist Mitarbeiter der Forschungsgruppe für Bevölkerungsgesundheit an der Universität Yaoundé. "Mit der Verstädterung und der wirtschaftlichen Entwicklung nehmen die Luftverschmutzung in städtischen Gebieten, aber auch die Krankheiten zu", sagt Assah zur DW. Dazu zählten Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, der Atemwege und Krebs.

Fachleute und Organisationen, die sich für eine sauberere Luft in Afrika einsetzen, trafen sich kürzlich in Yaoundé. Sie diskutierten wie sie zusammen die Luftqualität mit moderner und günstiger Sensortechnologie kontrollieren können.

Innovative Technologie

Bisher sei die Messung kostspielig gewesen, doch es gebe innovative Fortschritte, sagt Deo Okure, Wissenschaftler für Luftqualität an der Makerere-Universität in Kenia. Mit Forscherkollegen entwickelte Okure 2015 ein "lokales Luftüberwachungssystem", das günstiger ist, aber trotzdem wirksam. Ein Vorteil: Das System könne mit verschiedenen Energiequellen betrieben werden, erklärt Okure: "Gleichzeitig sind wir in der Lage, Daten über GSM oder Sim-Karten zu übertragen, die in allen Teilen Afrikas verwendet werden, anstatt WLAN zu benötigen." Die Technologie liefere zwar wichtige Daten, aber das sei immer noch unzureichend, sagt Okure, da damit noch nicht die Quellen der Luftverschmutzung eindeutig bestimmt werden können.

Männer verbrennen Elektroschrott unter freiem Himmel
Diese Männer nahe Accra in Ghana wollen an Kupferkabel gelangen und verbrennen Elektroschrott unter freiem Himmel - der Qualm gelangt ungehindert in die Atmosphärenull The Yomiuri Shimbun/AP Photo/picture alliance / ASSOCIATED PRESS

In Yaoundé wurden im Rahmen eines Projekts Geräte installiert, die die Luftqualität in Echtzeit überwachen. Trotz technologischer Einschränkungen erwartet Ashu Ngono Stephanie vom kamerunischen Amt für Meteorologie, dass der Staub so besser im Blick behalten werden kann: "Es ist sehr wertvoll, Messgeräte vor Ort zu haben, denn so können wir genau verfolgen, was mit den Staubkonzentrationen in der Atmosphäre geschieht."

Yaoundé ist die zehnte afrikanische Stadt, die diese Technologie zur Überwachung der Luftqualität einsetzt. Mehr als 200 Überwachungsgeräte sind auf dem gesamten Kontinent installiert. Die gesammelten Daten dienen auch als Grundlage für politische Entscheidungen zur Verbesserung der Luftqualität.

Hohe Luftverschmutzung in Afrika

Aber Organisationen warnen: Die Messkapazitäten hinken der raschen Urbanisierung in Afrika hinterher. Der Kontinent ist in Studien unterrepräsentiert, weil Daten unzureichend oder gar nicht erhoben werden. So steht es auch im World Air Quality Report des Schweizer Technologie-Unternehmens IQAir, das sich auf den Schutz vor Luftschadstoffen, die Entwicklung von Produkten zur Luftqualitätsüberwachung und Luftreinigung spezialisiert hat.

In den Bericht fließen Daten von Messstationen in 134 Ländern und Gebieten aus dem Jahr 2023 weltweit. Allerdings: 34 Prozent der afrikanischen Bevölkerung sei gar nicht im Bericht vertreten, da es an öffentlich zugänglichen Daten zur Luftqualität mangelt, sagen die Autoren. Aus diesem Grund seien beispielsweise Länder wie Tschad und Sudan nicht Teil des aktuellen Berichts.

Der Bericht bezieht sich auf die sogenannten PM2,5-Werte. Das sind Feinstaubpartikel, die im Durchmesser nicht größer als 2,5 Mikrometer sind. Das entspricht ungefähr der Dicke von Spinnweben. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass von diesen Partikeln im Jahr durchschnittlich nicht mehr als 5 Mikrogramm je Kubikmeter in der Luft vorhanden sein sollten. 

Ägypten Kairo | Luftverschmutzung | Morgenansicht von Kairo mit Smog: Über dem Häusermeer von Kairo hängt grauer Dunst
Smog über Kairo: Ägypten zählt zu den größten Luftverschmutzern in Afrika laut Greenpeace Internationalnull imageBROKER/dpa/picture alliance

Die schmutzigsten Städte in Afrika, die in dem Bericht berücksichtigt wurden, überschreiten diesen Wert um das Acht- bis Elffache. Dazu gehören die Hauptstädte Kinshasa (Demokratische Republik Kongo), Kairo (Ägypten), Abuja (Nigeria) und Ouagadougou (Burkina Faso). Die Top-Plätze nehmen zwei Städte in Südafrika ein: Bloemfontein und die Kohlebergbau-Stadt Benoni. 

Vorzeitige Todesfälle

In punko Krankheiten durch Luftverschmutzung sind Ägypten, Nigeria und Südafrika die am stärksten verschmutzten Länder Afrikas. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace, die Ende März ihren Bericht zu den hauptsächlichen Luftverschmutzern in Afrika veröffentlichte. Untersucht wurden die wichtigsten Industrie- und Wirtschaftssektoren, einschließlich der Industrie für fossile Brennstoffe.

Daten von Satelliten und sogar Kraftstoffverkäufen in den einzelnen Ländern ermöglichten es, die Emissionsquellen zu untersuchen. "Wir haben herausgefunden, dass Satelliten, die die Luftverschmutzung überwachen, regelmäßig Emissionsschwerpunkte finden, die mit Wärmekraftwerken, Zementwerken, Metallhütten, Industriegebieten und städtischen Gebieten übereinstimmen", sagt Cynthia Moyo, Klima-und Energie-Kampagnenleiterin bei Greenpeace Africa in Johannesburg zur DW. "Sechs der zehn größten Stickstoffdioxid-Emissions-Hotspots der Welt und zwei der zehn größten Schwefeldioxid-Emissions-Hotspots befinden sich hier in Südafrika", betont Moyo.

Südafrika Kohlekraftwerk Lethabo: Kühltürme eines Kohlekraftkwerkes im Abendlicht, Rauchschwaden steigen aus den Türmen
Kohlekraftwerk Lethabo in Südafrika: Das Land nutzt hauptsächliche fossile Brennstoffe zur Energiegewinnungnull Themba Hadebe/dpa/AP/picture alliance

Gebiete wie Mpumalanga im Osten des Landes, wo die Kohleverbrennung zur Stromerzeugung ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, stechen laut Moyo besonders hervor. Eskom, ein öffentliches Versorgungsunternehmen, dessen einziger Anteilseigner die südafrikanische Regierung ist, betreibt laut Greenpeace viele der umweltschädlichsten Kraftwerke Südafrikas.

Alarmierend findet Moyo, dass keine der Schlussfolgerungen zu den Schadstoffbelastungen in Afrika neu ist: Die Luftverschmutzungskrise in Afrika ist gut dokumentiert, sagt sie. Doch es fehle an Investitionen in saubere Energie. "Wenn die Menschen über Daten verfügen, haben sie eine Stimme, um Veränderungen zu fordern. Wir brauchen eine angemessene Umweltüberwachung, um unsere Regierung und die Verursacher von Umweltverschmutzung zur Rechenschaft zu ziehen."