Mit Interrail umsonst durch Europa

Mit dem Interrail-Ticket kann man durch ganz Europa reisen. Die EU hat 15.000 jungen Erwachsenen kostenlos ein solches Ticket zur Verfügung gestellt, damit sie andere europäische Länder kennenlernen. Aedan Gibson gehört zu den Glücklichen, die eines der Tickets bekommen haben. Sein erster Halt ist Prag – eine Stadt, die er nicht nur schön findet, sondern in der er auch viel über die Geschichte lernt.

SPRECHER:
Mit dem Zug in die tschechische Hauptstadt: Prag ist die erste Etappe des Interrail-Abenteuers von Aedan Gibson aus Edinburgh. Von den Fassaden in der Altstadt bekommt der Student kaum genug. Und natürlich ist auch die berühmte Karlsbrücke aus dem 14. Jahrhundert ein absolutes Muss. Manches erinnert Aedan Gibson dabei an seine Heimatstadt in Schottland.

AEDAN GIBSON (Interrail-Tourist):
Wir haben auch jede Menge Musik und Künstler auf den Straßen, viele Veranstaltungen. Aber Prag ist völlig anders. Eigentlich sogar schöner, als ich erwartet hatte. Die Gebäude sind unglaublich, wenn man sie mit eigenen Augen sieht. Es hat sich wirklich gelohnt herzukommen.

SPRECHER:
Dass er das erleben kann, hat er einem kostenlosen Interrail-Ticket zu verdanken. Dafür musste er sich mit seiner geplanten Reiseroute bewerben und ein Europa-Quiz beantworten. Eine Jury wählte dann 15.000 Gewinner aus – alle genau 18 Jahre alt und EU-Bürger. Der Schotte sieht sich in der Pflicht.

AEDAN GIBSON:
Wir sind quasi Botschafter dieses Programms. Hoffentlich wird es das viele Jahre geben, denn ich glaube, es kann einiges bewirken. Ich werde meine Erfahrungen in sozialen Netzwerken teilen und vielleicht sogar Vorträge halten. Das ist eine Menge. Ja, ich bin ein Botschafter.

SPRECHER:
Free Interrail ist eine Initiative von Martin Speer und Vincent-Immanuel Herr. Die beiden Berliner haben bei der Brüsseler EU-Kommission für das Gratis-Ticket gekämpft. Sie träumen davon, dass jeder EU-Bürger zum 18. Geburtstag ein Interrail-Ticket geschenkt bekommt. Das europäische Zugticket zum Pauschalpreis gibt es schon seit 1972. Jugendliche, die auf grenzenlosen Schienen Europa erkunden, können besser dabei helfen, Vorurteile abzubauen als manche Politiker. Diese Überzeugung gewannen die zwei Initiatoren natürlich bei einer eigenen Interrail-Reise.

MARTIN SPEER (Europa-Aktivist):
Schlüsselereignisse auf dieser Reise und besondere Erlebnisse waren die Gastfreundschaft, die uns begegnet ist, Leute, die uns zum Essen eingeladen haben, nach Hause eingeladen haben, wo wir von einer Stadt in die andere gereist sind und Leuten Bescheid gesagt haben, dass wir kommen. Und diese ganz engen, vielen neuen Verbindungen, Freundschaften, die wir geknüpft haben, das war wirklich Europa für uns.

VINCENT-IMMANUEL HERR (Europa-Aktivist):
Und wir haben Europa wirklich mit neuen Augen kennengelernt und wirklich verstanden, dass Europa nicht Gesetze sind oder irgendwie politische Unionen, sondern die Menschen in all ihrer Vielfalt.

SPRECHER:
Viele der 15.000 Jugendlichen berichten in den Sozialen Medien von ihren Erlebnissen und Begegnungen quer durch Europa. Doch schlägt das wirklich neue Brücken? Kritiker werfen ein, es nütze nichts, wenn junge Menschen auf ihrem Interrail-Trip nur die unterschiedlichen Biersorten probieren würden. Aedan Gibson hat sich vorgenommen, auch die Geschichte der Länder zu erkunden, die er bereist. Im Prager Kommunismus-Museum erfährt er viel über die Entstehung der Tschechoslowakei und das spätere Bündnis mit der Sowjetunion. Der Kommunismus in der Tschechischen Republik ist Geschichte. Allerdings auch bald die EU-Mitgliedschaft Schottlands. Nach dem Brexit wird kein Brite mehr ein Free-Interrail-Ticket bekommen können.

AEDAN GIBSON:
Ich glaube, viele Menschen haben blind abgestimmt und sind irgendeiner Propaganda gefolgt. Wie im Kommunismus.

SPRECHER:
Und dann muss es doch mal Bier geben. Ausgerechnet im Heimatland des Pilseners keins zu probieren, wäre schade. Für Aedan Gibson endet nach zwei Tagen die Prager Etappe. Interrail – das ist eine Art Speed-Dating mit Europa. Kaum hat man einen Ort näher kennengelernt, geht es auch schon weiter zum nächsten. Und das oft ganz allein – was der 18-Jährige jedoch mag.

AEDAN GIBSON:
Man trifft leichter andere, die auch solo reisen. Daraus können leichter Freundschaften entstehen. Alleine reisen – das kann ich wirklich empfehlen.

SPRECHER:
Aedan Gibsons nächste Stationen sind Wien, Budapest und Ljubljana. Zwei Wochen durch vier europäische Länder, bevor es mit vielen neuen Eindrücken zurück nach Schottland geht.