Manuskript

Leistungssportler unter Druck

Bente Pflug ist Eisschnellläuferin und trainiert bis zu fünfmal in der Woche. Denn der Druck, der auf ihr lastet, ist groß: Ist sie nicht gut genug, verliert sie die finanzielle Förderung und ihren Platz in Team. Spitzensportler müssen lernen, mit diesem Druck umzugehen. Denn wenn man ihn gut nutzt, kann er auch Vorteile haben.
 

SPRECHER:
Leistung ist ihr Schicksal. Spitzensportler bauen ihre Karriere spätestens seit dem Teenageralter Schritt für Schritt auf.

BENTE PFLUG (Eisschnellläuferin):
Ich bin Bente Pflug, 29 Jahre alt, komme aus Berlin und bin seit dem zehnten Lebensjahr Eisschnellläuferin.

SPRECHER:
Berlin: Vier- bis fünfmal die Woche trainiert sie für ihren Sport. Bente Pflug war schon bei den Olympischen Spielen 2014 dabei. Über 3.000 und 5.000 Meter wurde sie jeweils Elfte.

BENTE PFLUG:
Jedes Jahr aufs Neue muss man sich beweisen – auch in relativ jungen Jahren schon. Man kämpft um Kaderstatus, um finanzielle Unterstützung, die dann dadurch dranhängt und … Ja, das lernt man über die Jahre kennen. Und man lernt es auch immer mehr zu schätzen. Und es wird halt, je älter man wird und je höher der Leistungsdruck wird, in welchem Bereich man dann unterwegs ist, einfach immer härter.

SPRECHER:
Der Leistungsdruck ist Teil des Geschäfts. Wer Zeiten nicht schafft, fliegt raus aus Nationalkadern und verliert finanzielle Förderungen. Wegen einer schweren Knieverletzung schaffte sie es nicht zu Olympia 2018 nach Pyeongchang. Auch ihr Status als Sportsoldatin wackelte während ihrer Verletzungszeit. Sportpsychologin Franziska Wenhold kennt die Probleme der Athleten.

FRANZISKA WENHOLD (Sportpsychologin):
Ohne Kaderstatus würdest du da auch den Status der Sportsoldatin verlieren. Das ist natürlich schwierig, ne, weil du ja weiter trainierst, ja. Also, das ist nicht so einfach. Du kannst Soldatin bleiben, ne, aber der Status Sportsoldat, wo du sozusagen freigestellt wirst, ja, für dein Training, das ist dann nicht mehr so einfach.

SPRECHER:
Ohne Leistung also keine Förderung: Bei den deutschen Meisterschaften 2018 in Inzell wurde sie aber über 5.000 Meter schon wieder Dritte. Wie schafft man es aus so einem Tal wieder heraus?

BENTE PFLUG:
Und dann habe ich mir ein sehr, sehr gutes Umfeld geschaffen mit Rehabilitationstrainerin am Olympiastützpunkt hier und Mentaltrainerin, meine[r] Familie, meinem Heimtrainer. Und alle haben mir zur Seite gestanden, und wir haben gesagt: „Wir schaffen das.“

SPRECHER:
Dabei ist Leistungsdruck kein Hindernis, sondern wird als Werkzeug verstanden. Sportpsychologen arbeiten deswegen mit Athleten an Bewältigungsstrategien.

FRANZISKA WENHOLD:
Dieses Druckempfinden ist sozusagen förderlich, ist ’ne Ressource, die ich habe. Und dementsprechend kann ich dann auch auf den Punkt kommen, ne. Wenn eine Athletin in meiner Beratung mal gesagt hat: „Ich bin immer so aufgeregt vor wichtigen Ereignissen, dass ich fast kotzen muss“, da hab ich gesagt: „Herzlichen Glückwunsch, weil ohne diese Aufregung wirst du keine Olympiasiegerin.“

SPRECHER:
Bente Pflugs neues altes Ziel sind die Olympischen Spiele, diesmal 2022 in Peking. Es wird wohl ihre letzte Chance sein, dann mit 32 Jahren vielleicht doch noch eine olympische Medaille zu gewinnen.

BENTE PFLUG:
Man muss verrückt sein, um Leistungssportler zu sein, glaube ich. Also ich denke, die wenigsten ganz ruhigen Typen kommen so an die Spitze. Man muss schon verrückt sein und man muss Durchhaltevermögen haben.

SPRECHER:
Dabei ist Leistungsdruck im Eisschnelllauf noch einigermaßen überschaubar. In anderen Sportarten wie Fußball geht es noch viel intensiver zur Sache.

FRANZISKA WENHOLD:
Es gibt einen Unterschied zwischen den Sportarten, ob ich im Profibereich unterwegs bin oder ob ich in diesem Bereich Leistungssport und Kader … Bundeskadersport bin. Die Profisportler, die bauen ja ’ne Karriere auf um den Sport und wollen mit dem Sport Geld verdienen. Das heißt, sie gucken nicht, ob sie parallel noch eine berufliche Karriere aufbauen.

SPRECHER:
Und darauf setzt auch Bente Pflug, die parallel Grundschulpädagogik studiert, später also Lehrerin werden möchte.

BENTE PFLUG:
Im Leistungssport gibt’s so viele schöne Sachen, aber auch viele Sachen, die man entbehrt, glaub ich. Und das sind einfach Sachen, die dann irgendwann, wenn ich mal nicht am Heiligabend vielleicht früh um neun hier auf dem Eis stehen muss, dann sage ich: „Ach, ist das schön.“

SPRECHER:
Leistungsdruck im Spitzensport ist eine wichtige Triebfeder, wenn er gut kanalisiert wird – und das beweisen Athleten wie Bente Pflug regelmäßig.