Nachrichten für Lehrkräfte

Mehrsprachigkeit fördern: DaF-Unterricht in Österreich

Professor Hans-Jürgen Krumm ist einer der Mitbegründer des Fachs Deutsch als Fremd- und Zweitsprache in Österreich. Die DW hat mit ihm über Fremdsprachen-Unterricht und Mehrsprachigkeit gesprochen.

Professor Hans-Jürgen Krumm von der Universität Wien bei der IDT 2022

Fünf Tage lang war Wien letzte Woche mit der Internationalen Deutschlehrertagung (IDT) Drehscheibe für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache weltweit. Doch Wien hat darin schon eine lange Tradition: Bereits Anfang der 1990er-Jahre wurde an der Universität  das Wiener Institut für Deutsch als Fremdsprache gegründet. Anlass dafür war die sogenannte Ostöffnung Österreichs 1989 im Zuge der politischen Umwälzungen in Osteuropa. Über Ungarn und die damalige Tschechoslowakei flohen viele Menschen aus osteuropäischen Ländern. Die Menschen mussten versorgt werden und die Möglichkeit bekommen, Deutsch zu lernen.

Man nutzte dazu vorerst die vorhandenen Institutionen, die bereits seit den 1970er-Jahren aus dem Ausland angeworbenen Arbeitskräften Kurse in Deutsch anboten. Das waren insbesondere die Pädagogischen Hochschulen in Salzburg und Wien. Der erste Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache wurde 1993 in Wien eingerichtet, der zweite folgte 1995 in Graz. Im Fokus stand die Kooperation mit den ost- und südosteuropäischen Nachbarländern.

Maßgeblich für die Gründung des Instituts in Wien war der ehemalige Lehrstuhlleiter für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Wien, Professor Hans-Jürgen Krumm. Er emeritierte im Jahr 2010. Wir haben mit ihm über die Entwicklung der letzten Jahrzehnte gesprochen.

 

DW: Nach der Ostöffnung wurden Kurse in Deutsch als Fremdsprache für Erwachsene angeboten.  Bald stieg der Druck auf die Schulen, auch für deren Kinder etwas zu tun. Aber erst Jahrzehnte später waren die Schulen dazu bereit. Warum?

Hans-Jürgen Krumm: Richtig los ging die Phase der Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache in den Schulen erst mit den großen Flüchtlingsströmen 2015. Damals war klar: Die Gesellschaft muss darauf antworten, indem sie für Kinder Angebote in den Schulen macht und für die Erwachsenen etwas bietet.

Neben den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten war die Erwachsenenbildung ein sehr starker Motor für die Entwicklung solcher integrierender Angebote. Bei denen ging es von vornherein immer um beides: Nehmen wir die Menschen aus anderen Ländern auf und lassen sie nur Deutsch lernen oder tun wir auch etwas für die Sprachen, die sie mitbringen? Das ist ein Streit, der bis heute andauert.

Unser Fach Deutsch als Fremdsprache hat sich da energisch eingemischt und immer gesagt: Natürlich wollen wir den Menschen, die hier leben Deutsch beibringen. Aber wir wollen damit die anderen Sprachen nicht verdrängen. Im Gegenteil: Man lernt Deutsch viel besser, wenn die eigenen mitgebrachten Sprachen gewürdigt und anerkannt werden.

Die EU hatte von Anfang an Mehrsprachigkeit als einen ihrer Grundpfeiler festgelegt. In Österreich ist der mehrsprachige Unterricht im Schulversuch stecken geblieben. Sie haben bereits vor einem Jahrzehnt für das österreichische Bildungsministerium gemeinsam mit Deutschland ein Curriculum für Mehrsprachigkeit entwickelt. Wurde es angenommen?

Das Curriculum sollte die Mehrsprachigkeit in den Schulen so richtig etablieren. Aber die Politik wechselt immer. In Südtirol wird es gerade für die Schulen adaptiert. In Österreich wird es nur von Schulen, Lehrerinnen und Lehrern angenommen, die sich speziell dafür interessieren. Also wir sind da in Österreich auf halbem Weg erst erfolgreich.

Ich selbst unterstütze Schulen, die mit drei Sprachen anfangen. Ein Beispiel ist das Josefinum in Eberau, eine Schule an der ungarischen Grenze im Südburgenland. Ungarische und österreichische Schülerinnen und Schüler sind in einer Klasse und lernen gemeinsam Englisch. Für einige ist Ungarisch Muttersprache, für die anderen Deutsch. Durch Spielen und gemeinsame Ausflüge z.B. zur ungarischen Partnerschule Sankt László in Sárvár lernen sie Deutsch und Ungarisch. Das Lernen ist freiwillig. Die Fremdsprache Englisch ist für alle verpflichtend.

Das propagiert auch die EU: Jede Schülerin und jeder Schüler soll nach Möglichkeit die Muttersprache plus zwei neue Sprachen lernen. Das wäre so ein Modell und es gibt Schulen, die das sehr schön praktizieren.

Das Gespräch führte Edith Bachkönig.