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„O Tannenbaum“: Ein Weihnachtsklassiker wird 200 Jahre alt

Bis heute ist Weihnachten für viele untrennbar mit einem festlich geschmückten Tannenbaum verbunden. Das passende deutsche Lied zum Brauch entstand vor 200 Jahren – aus einem Liebeslied.

Historische Weihnachtspostkarte, die eine verschneite Landschaft und ein Kind zeigt, das einen Tannenbaum trägt. (Quelle: arkivi/picture alliance)

„O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie treu (auch: grün) sind deine Blätter“, so beginnt eines der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder. Der Leipziger Lehrer und Komponist Ernst Anschütz (1780-1861) schuf den Klassiker vor 200 Jahren in seiner jetzigen Form. Er veröffentlichte ihn zusammen mit anderen Volksliedern 1824 in seinem „Musikalischen Schulgesangbuch“, das er extra für den Unterricht bereitstellte. Als Vorlage diente ihm ein tragisches Liebeslied des Pädagogen August Zarnack (1777-1827), das die Untreue einer jungen Frau im Kontrast zum immergrünen Tannenbaum als Symbol der Treue besingt. Anschütz formte es zum hoffnungsvollen Weihnachtslied um, indem er die Melodie und die erste Strophe übernahm, die restlichen Strophen strich und zwei neue dazudichtete. Damit rückte er den Baum in den Mittelpunkt.

Aus dem Wald ins Haus

„Vermutlich handelt es sich um das erste Lied, das einen Zusammenhang zwischen Tannenbaum und Weihnachtsfest herstellt“, schreibt der Musikwissenschaftler Tobias Widmaier vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik der Universität Freiburg. Mit der Herausbildung spezifisch bürgerlicher Weihnachtsbräuche habe im 19. Jahrhundert auch der geschmückte Baum in den Wohnstuben Einzug gehalten, allerdings zunächst nur bei wohlhabenden Familien.

Ein Kind steht vor Tannenbäumen und hält sich einen Tannenzweig vors Gesicht. (Quelle: Oxana Guryanova/Westend61/IMAGO)
Alle Jahre wieder im Dezember machen sich viele Menschen in Deutschland auf die Suche nach einem passenden Tannenbaum für ihr Wohnzimmer.null Oxana Guryanova/Westend61/IMAGO

In der christlichen Kultur symbolisiert der Tannenbaum das ewige Leben und die Hoffnung auf Wiedergeburt. Die immergrünen Nadeln stehen für Beständigkeit und Leben auch in den kalten Monaten des Jahres. Anderswo gilt der Tannenbaum als Schutzsymbol gegen böse Geister und negative Energien, er steht für Glück und Wohlstand im folgenden Jahr oder er wird zur Wintersonnenwende gefeiert, um die Rückkehr des Lichts zu begrüßen.

Seit wann hat ein Tannenbaum Blätter?

Dass bei „O Tannenbaum“ die grünen Blätter besungen würden, obwohl dieser Baum doch Nadeln habe, sei mit der historischen Sprache zu erklären, so der geschäftsführende Direktor vom Freiburger Zentrum für Populäre Kultur und Musik, Michael Fischer: „Es wurde um 1800 von den runden, spitzigen Blättern der Fichten und Tannen gesprochen“, erläutert er. An der Universität haben sie Dutzende populäre und traditionelle Lieder erforscht – von „Ein feste Burg ist unser Gott“ bis zu „Last Christmas“. Fischer betont: „Uns interessieren vor allem die Kontexte, in denen ein Werk entstanden ist.“ Schulgesangbücher wie das von Anschütz hätten sich zunächst an Lehrer gerichtet. Diese sollten die Lieder dann den Schülerinnen und Schülern vermitteln.

Warum ist „O Tannenbaum“ noch immer so beliebt?

Die Melodie ist leicht, das Lied insgesamt volkstümlich. Der Text hat die „Qualität einer bestimmten Unbestimmtheit“, so Fischer. Besungen wird der Tannenbaum, nicht etwa der Christbaum. Anschütz habe das Lied zwar wohl als ein religiöses Werk entworfen, aber es sei deutungsoffen. Das sei ein Grund für seinen großen Erfolg bis heute.
 

ist/io (mit epd)