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Oberammergau: eine Stadt im Passionsfieber

Alle zehn Jahre werden in Oberammergau die Passionsspiele aufgeführt – und das seit fast 400 Jahren. Es geht um die letzten Tage im Leben Jesu Christi. Dabei darf die ganze Stadt mitmachen.

„Es hat wieder alle gepackt“, sagt Christian Stückl und meint damit die Einwohner von Oberammergau. Stückl ist Regisseur der berühmten Passionsspiele, die 2022 zum 42. Mal in der bayerischen Kleinstadt stattfinden. Sechs Monate lang ist dann der ganze Ort im Passionsfieber. Fast täglich stehen die Laiendarsteller auf einer großen Freilichtbühne, um vom Leiden und Sterben Jesu Christi zu erzählen.

Die Passionsspiele gibt es schon seit 1633. Damals starben 84 Oberammergauer an der Pest. Ängstlich baten die noch lebenden Dorfbewohner Gott darum, sie vor der Krankheit zu verschonen, denn moderne Medizin kannte man damals noch nicht. Dafür versprachen sie ihm, alle zehn Jahre die Leidensgeschichte Jesu aufzuführen. Eine Tradition wurde geschaffen – seit fast 400 Jahren finden die Passionsspiele regelmäßig statt.

Alle Oberammergauer dürfen mitspielen – auch die Kinder. Erwachsene müssen allerdings seit mindestens 20 Jahren im Ort wohnen. Damit jeder mal auf der Bühne stehen kann, besetzt man viele Rollen doppelt. Bis vor 30 Jahren musste man als Darsteller noch katholisch sein, doch das ist vorbei: Der Judas wird zum ersten Mal von einem Muslim gespielt.

Ihr Stück ist immer noch sehr aktuell, finden die Oberammergauer. Ganz am Anfang sagt Jesus-Darsteller Frederik Mayet den Satz: „Es herrscht eine Zeit der Angst in Israel. Kriegsgeschrei erfüllt das Land, Armut und Krankheit raffen euch dahin.“ 2000 Jahre später gibt es immer noch die gleichen Krisen: „Vor zwei Jahren waren wir kurz vor der Premiere und auf einmal kam Corona in die Welt“, so Mayet. „Jetzt kommt der furchtbare Krieg in der Ukraine dazu.“

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