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OECD: Weniger Berufsabschlüsse und wachsende Bildungskluft

Oft ist von der Krise im deutschen Bildungssystem die Rede. Ein jährlicher Bericht der OECD besagt: Kritisch sieht es bei den Berufsabschlüssen aus, obwohl gerade die wegen des Fachkräftemangels wichtiger werden.

Drei Dackdecker arbeiten auf einem Dach (Quelle: Michael Reichel/dpa/picture alliance

In Deutschland gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern immer mehr junge Menschen ohne Abitur oder vergleichbaren Abschluss – beispielsweise in einer berufsbildenden Schule. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der 25- bis 34-Jährigen ohne Abschluss im sogenannten Sekundarbereich II bei 16 Prozent und damit drei Prozentpunkte höher als im Vergleichsjahr 2015.

Das besagt der am 19. September veröffentlichte jährliche Ländervergleich „Bildung auf einen Blick“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Diese Entwicklung habe mit Herausforderungen zu tun, die in Deutschland ausgeprägter als anderswo seien – beispielsweise eine hohe Migrationsrate und Lehrkräftemangel –, sagte die Leiterin des OECD Berlin Centre, Nicola Brandt.

Trotz Fachkräftemangels weniger Berufsabschlüsse

Ebenfalls deutlich zurückgegangen ist der Anteil junger Erwachsener mit einer klassischen Berufsausbildung. Im vergangenen Jahr konnten 38 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Berufsabschluss vorweisen, 2015 waren es noch 51 Prozent dieser Altersgruppe. Dies sei das stärkste Minus im Kreis der OECD-Industrieländer, hieß es.

Die Zahlen hätten auch Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt. In Deutschland fänden 94 Prozent der beruflich ausgebildeten Personen innerhalb von zwei Jahren eine Arbeit, das sei der höchste Wert aller OECD-Länder. Außerdem verdiene diese Gruppe im Durchschnitt 67 Prozent mehr als Menschen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss und ohne Berufsausbildung.

Die Bildungskluft wird größer

Auf der einen Seite streben mehr junge Menschen höhere Abschlüsse wie ein Studium an. 2015 hatten noch 30 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Hochschul- oder ähnlichen Abschluss in der Tasche. 2022 waren es bereits 37,5 Prozent. Zugleich erhöhte sich am anderen Ende eben der Anteil derjenigen, die maximal einen mittleren Schulabschluss ohne weitere Qualifikation hatten, von 13 auf 16 Prozent. Im Bericht ist die Rede von einer zunehmenden „Bildungspolarisierung“.

„16 Prozent – das sind fast 1,7 Millionen junge Erwachsene, die nicht als dringend benötigte Fachkräfte zur Verfügung stehen“, zeigte sich Jens Brandenburg (FDP), Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, besorgt. „Fast jeder sechste junge Erwachsene verfügt nicht über die Mindestqualifikationen, die für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration und soziale Teilhabe notwendig sind.“ Diese jungen Menschen hätten weniger Chancen auf gute Beschäftigung und ausreichendes Einkommen. Brandenburg sieht deshalb die dringende Notwendigkeit einer bildungspolitischen Trendwende.

Maßnahmen und Forderungen

Die berufliche Ausbildung müsse attraktiver und zugänglicher werden, forderte der Generalsekretär der OECD, Mathias Cormann, in einem Vorwort zur Studie. Nicola Brandt appellierte zudem an die Politik, bereits „in den jüngsten Jahren“ mit der Förderung anzusetzen, um zu verhindern, dass junge Leute zurückfielen und am Ende ohne einen guten Abschluss dastünden.

„Im Handwerk gibt es aktuell noch über 31.000 offene Ausbildungsplätze, das sind tausendfach ungenutzte Bildungs- und Karrierechancen für junge Menschen”, sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Die OECD-Studie müsse daher dringender Anlass sein, dass Bund und Länder die berufliche Ausbildung stärken und ihre Priorität darauf legen, die noch offenen Ausbildungsplätze zu besetzen.

Positive Signale in jüngeren Altersgruppen

Eine positive Entwicklung gibt es aber doch: Der Anteil der 18- bis 24-Jährigen, die weder in einer Ausbildung sind noch einer Arbeit nachgehen, hat sich wieder verringert – von 9,7 Prozent im Jahr 2021 auf 8,6 Prozent im vergangenen Jahr. Deutschland steht hier im OECD-Vergleich (14,7) sehr gut da und gehört zur Gruppe der Länder mit der niedrigsten Quote.

 

rh (mit Reuters, dpa)/ip