Oft schwer verständlich: die Sprache der Politik
Politikerinnen und Politikern wird gerne vorgeworfen, abgehoben zu sein und nicht „die Sprache des Volkes zu sprechen“. Ein Team der Uni Hohenheim wollte es genauer wissen und hat dafür 96 Reden linguistisch untersucht.
„Politik ist nur dann gut, wenn sie auch verständlich ist“ – mit diesem Satz erntete Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zur Eröffnung des 20. Bundestags im Oktober 2021 viel Applaus. Denn nur wer verständlich spreche, könne auch jene noch erreichen, die sich von „der Politik" nicht mehr angesprochen fühlen, so die SPD-Politikerin.
Wie erfolgreich Bärbel Bas mit ihrem Appell war, zeigt jetzt eine Studie der Universität Hohenheim. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher untersuchten 96 Reden aus der Haushaltsdebatte vom vergangenen September und prüften sie auf ihre Verständlichkeit. Das Ergebnis ist durchwachsen: Zwar ist das Forschungsteam im Großen und Ganzen zufrieden mit den Reden. Sie seien etwa verständlicher als diejenigen der Dax-Vorstände auf ihren Hauptversammlungen, wie Co-Autor Frank Brettschneider bemerkt. „Dennoch ist bei einigen noch Luft nach oben.“
„Fremdwörter und Fachwörter, Wortkomposita und Nominalisierungen, Anglizismen und ‚Denglisch‘, lange Sätze – all das erschwert die Verständlichkeit“, so Co-Autorin Claudia Thoms. Anhand dieser Kriterien entwickelte das Team den sogenannten Verständlichkeitsindex, der die Ergebnisse vergleichbar machen soll.
Einige Politikerinnen und Politiker erhielten für ihre Reden fast die Maximalpunktzahl – etwa die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch, die der Studie zufolge im vergangenen Jahr die verständlichste Rede im Bundestag gehalten hat und dafür 19,5 von 20 möglichen Punkten erhielt. Platz zwei und drei belegten der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm und Thomas Jarzombek von der CDU.
Aus dem Kabinett schnitten die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am besten ab. Das schlechteste Ergebnis erreichte mit 7,9 Punkten die Rede der CDU-Politikerin Kerstin Vieregge. Zum Vergleich: Wissenschaftliche Doktorarbeiten der Politikwissenschaft kommen im Schnitt auf 4,3 Punkte.
Zu den häufigsten Verstößen gegen die Verständlichkeitsregeln zählten der Studie zufolge einerseits Anglizismen wie zum Beispiel „Gamechanger-Instrumente“ oder „Out-of-the-box-Denken“ und andererseits lange, zusammengesetzte Wörter, beispielsweise „Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz“.
Wie verständlich die Debatten im Bundestag sind, hängt Marcus Maurer zufolge auch von ihrer Art ab. Über Fachdebatten werde kaum berichtet, so der Professor für politische Kommunikation, weshalb sich Abgeordnete weniger um ihre Verständlichkeit bemühen müssten. „Bei der Generaldebatte ist die Verständlichkeit vermutlich hoch, allerdings geht es da weniger um die Sache als um den Schlagabtausch“, so Maurer.
ip/io (dpa, AFP)