Manuskript

Recht auf Privatleben – auch bei der Kirche?

Die katholische Kirche in Deutschland mischt sich seit Jahrzehnten in das Liebesleben ihrer Mitarbeiter ein. Nach öffentlichen Protesten soll sich jetzt einiges ändern. Doch reicht das?


Der Leiter eines Kindergartens bekennt sich zur Partnerschaft mit seinem Lebensgefährten. Eine geschiedene Krankenhausärztin möchte noch mal heiraten. Privatsache, sollte man meinen – aber nicht, wenn man für die katholische Kirche in Deutschland arbeitet. In beiden Fällen wurde den Mitarbeitern gekündigt.

Dass die Kirche sich überhaupt in das Privatleben ihrer Mitarbeiter einmischen darf, liegt am Grundgesetz. Dort steht, dass Religionsgemeinschaften ihr Dienst- und Arbeitsrecht selbst bestimmen dürfen. Die Kirche ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, sie betreibt viele Krankenhäuser, Altenheime, Kindergärten und Schulen. Ihren insgesamt 800.000 Beschäftigten kann die Kirche zum Beispiel vorschreiben, wen sie heiraten dürfen.

Kaum jemand in Deutschland findet das richtig. Die Politiker haben das Problem bisher ignoriert, deshalb organisierten die Kirchenmitglieder selbst Proteste. 2021 outeten sich zum Beispiel tausende Kirchenmitarbeiter als queer – und riskierten dabei ihren Job. Ihr Mut wurde belohnt: Die Bischöfe haben beschlossen, das bisher geltende Arbeitsrecht zu verändern: In Zukunft soll niemand mehr wegen seines Liebeslebens entlassen werden.

Oder fast niemand: Denn für die Kirche gibt es nur Männer und Frauen. Wer sich also weder als Mann noch als Frau sieht, wird weiter diskriminiert. Und auch sonst haben Kirchenmitarbeiter ihre Zweifel an der Reform: Nach wie vor entscheidet nämlich jeder Bischof selbst, ob er das neue Arbeitsrecht umsetzt. Und „kirchenfeindliches Verhalten“ kann immer noch zur Kündigung führen. Was das genau heißt – auch darüber entscheiden die Bischöfe.