"Remigration" ist das Unwort des Jahres 2023
Deutsche Staatsbürger deportieren, weil sie nicht "deutsch genug" sind? Was sich liest wie ein Plan aus der Zeit des Nationalsozialismus, ist erschreckend aktuell. Der rechtsextreme Begriff dafür lautet "Remigration".
Jedes Jahr wählt die "Sprachkritische Aktion" das Unwort des Jahres - einen Ausdruck, der zum Beispiel gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstößt, der einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminiert, stigmatisiert und diffamiert oder der euphemistisch, verschleiernd oder irreführend ist. Für das Jahr 2023 fiel die Wahl der Jury auf das Wort "Remigration" – einen "rechten Kampfbegriff", der hochaktuell ist.
Anfang Januar 2024 berichtete das deutsche Rechercheteam "Correctiv" von einem Treffen bekannter Neonazis mit Unternehmern und Politikern, das im November 2023 in Potsdam stattgefunden hat. Teilgenommen haben sollen unter anderem der persönliche Referent von Alice Weidel, ein AfD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag und weitere AfD-Politiker, aber auch einzelne Mitglieder der CDU. In Umfragen erhält die mindestens in Teilen rechtsextreme Partei AfD ("Alternative für Deutschland") in manchen Bundesländern zur Zeit über 30 Prozent.
Auf dem Treffen in Potsdam ging es auch darum, wie man Menschen, die nicht in die rechtsextreme Vorstellung eines "ethnisch einheitlichen" Staates passen, aus Deutschland abschieben kann. Betroffen wären dabei nicht nur Geflüchtete ohne Anerkennung, sondern auch deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte. Diese Art von Deportationen nennen Neonazis und andere Rechtsradikale "Remigration".
Die Jury spricht von einer "beschönigenden Tarnvokabel", die verschleiere, was tatsächlich mit dem Begriff gemeint ist. Zugleich weist Jury-Sprecherin Constanze Spieß darauf hin, dass Rechtsextreme schon länger daran gearbeitet hätten, diesen Begriff neu zu belegen: "Bereits seit 2016 versuchen rechte Gruppierungen, den aus der Migrationsforschung stammenden Begriff ideologisch zu vereinnahmen und umzudeuten", sagte Spieß. Der Begriff finde sich auch während des ganzen Jahres in Bundestagsdebatten. Die AfD habe "Remigration" schon 2021 in ihrem Bundestagswahlprogramm verwendet. Spieß hatte bereits im Dezember berichtet, dass "Remigration" unter den Einsendungen für die "Unwort"-Kür war – also schon vor der aktuellen Debatte.
Auf Platz zwei wählte die Jury den Begriff "Sozialklimbim", der im Zuge der Diskussion um die Kindergrundsicherung verwendet worden sei. Durch diese Wortwahl werde die Gruppe einkommens- und vermögensschwacher Personen herabgewürdigt und diffamiert und zugleich die Gruppe der Kinder, die von Armut betroffen oder armutsgefährdet seien, stigmatisiert, so die Jury.
Das "Unwort des Jahres" wurde aus Vorschlägen ausgewählt, die Bürgerinnen und Bürger bis zum 31. Dezember 2023 eingereicht hatten. Insgesamt gab es dieses Mal 2301 Einsendungen, das waren deutlich mehr als im vorangegangenen Jahr. Sie enthielten 710 verschiedene Begriffe, von denen knapp 110 den Kriterien der Jury entsprachen.
ip/sts (dpa, kna)