Manuskript

Schiffsnavigation

Seekarten und Radar sind unerlässlich, um ein Schiff sicher zu navigieren. Daneben gibt es noch jede Menge Seefahrtszeichen, die ein Navigator auf der Kommandobrücke eines Schiffes kennen muss.


Früher halfen bei der Orientierung auf See: ein Mann mit Fernrohr im Ausguck, ein Sextant, ein Messgerät und Leuchtfeuer. Ganz verschwunden sind diese Methoden auch heute nicht, aber die Navigation ist deutlich moderner, technischer geworden. Global Positioning System, kurz GPS, und Radar sind auf Schiffen längst normal. Mit dieser Technik müssen auch Lotsen zurechtkommen, die Tankschiffe oder große Seeschiffe sicher ins offene Meer geleiten.

Zu ihnen gehört auch der Lotse Martin, der am Nord-Ostsee-Kanal arbeitet und für die gesamte Kieler Förde im Norden Deutschlands zuständig ist. In der Kieler Förde befinden sich die Einfahrt und Ausfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal. Dieser verbindet die beiden Meere Nordsee und Ostsee miteinander und erspart Schiffen einen Umweg über Dänemark. Auch große Containerschiffe – wie das, um das sich Martin heute kümmern muss – können den Kanal durchfahren.

Zentrale Stelle auf jedem Schiff ist die „Kommandobrücke“, auch kurz „Brücke“ genannt. Hier befinden sich die Kommandoanlagen wie Ruder, die Kommunikationsgeräte, die wichtigsten Seefahrtsinstrumente und auch der Raum mit den Seekarten. Martin erklärt, dass es eine Besonderheit gibt:

„Also, im Wesentlichen gibt’s auf ’m Schiff in zweifacher Ausführung immer Ruder beziehungsweise Ruderpumpe, Kompass, Radargerät, GPS-Empfänger – und in diesem Fall auch ’ne elektronische Seekarte. Das ist ein Muss. Das heißt, Sie haben alle Aggregate an Bord doppelt. Fällt eins aus, können Sie auf dem anderen weiterfahren und können das kaputte reparieren.“

Da die Gefahr besteht, dass jede Maschine oder jedes elektrische Gerät, jedes Aggregat, das für die Navigation wichtig ist, ausfällt oder sogar kaputtgeht, gibt es zwei davon. Es gibt sie in zweifacher Ausführung – oder wie es oft auch heißt – in doppelter Ausführung. Und das ist sehr wichtig, es ist ein Muss. Das 26 Meter breite Containerschiff wird von Martin sicher vorwärts gelotst. Dabei hat er immer einen Blick auf einen der beiden Radarschirme, der die Kieler Förde in viele kleine bunte Punkte zerlegt:

„Das ist ’n klassisches Radar! Und Sie sehen aber bei dem klassischen Radar – insofern ist es nicht dann nicht ganz so klassisch mehr – sehen Sie die Route, die das Schiff geplant hat, in dem Radargerät eingezeichnet.“

Martin sagt, dass es sich um ein standardmäßiges, ein klassisches Radargerät handelt. Allerdings ist es doch schon ein bisschen moderner, nicht mehr ganz so klassisch, weil man sehen kann, welche Route das Schiff nehmen soll. Die Sicht kann auch angepasst werden. Derzeit sieht man alles, was im Umkreis von einer Dreiviertel Seemeile liegt:

„Das könnten wir jetzt eigentlich mal verändern. Machen wir mal auf 1,5 Meilen, gucken wir jetzt voraus! Und so, hier sehen wir die Tonnen in der Kieler Förde liegen, ’n Schiff – und natürlich die Küstenlinie.“

Durch die Veränderung des Radarkreises kann man jetzt auch nicht nur ein anderes Schiff und das Festland, die Küstenlinie, sehen, sondern auch die Tonnen. Tonnen sind wie Baken und Leuchttürme wichtige Schifffahrtszeichen, die den Seeleuten zusammen mit Seekarten zur Orientierung dienen. 1982 wurden international für Seestraßen fünf unterschiedliche Tonnentypen festgelegt. Zu den wichtigsten Tonnen gehören die, die anzeigen, ob man an einem Seezeichen links oder rechts vorbeifahren muss, um im Fahrwasser zu bleiben. Trotz modernen Radars an Bord sind die klassischen Seekarten nicht ganz von den Kommandobrücken verschwunden. Aber für Kapitän Mihail bedeuten sie nur noch einen letzten Rest an Sicherheit:

„Wir haben ja die elektronischen Karten. Papier brauchen wir eigentlich gar nicht mehr. Vielleicht mal, um die Position zu checken. Aber sonst nur die elektronische Seekarte. Die nennt zu jeder Zeit die exakte Position, so dass man die andere wirklich nicht mehr nimmt. Aber wir behalten sie immer noch als eine Art Back-up.“

Egal in welcher Ausführung: Auf den Seekarten steht alles zur Navigation Nötige. Die elektronische Variante hat gegenüber der Seekarte aus Papier einfach den Vorteil, auch noch das kleinste Detail anzuzeigen. Sie zeigt zum Beispiel genau an, wo sich das Schiff gerade befindet. Die klassische Seekarte dient als Back-up, als Sicherheit oder um etwas abzugleichen, zu checken. Martin bestätigt die Ansicht von Kapitän Mihail:

„Also, Sextant ist wirklich aus der alten Seefahrtskiste ganz weit unten. Aber wenn Sie im Revier fahren, im begrenzten Gewässer fahren, dann sind die terrestrischen Hilfsmittel – sprich ’ne Tonne, ein Leuchtturm –, das ist für uns unheimlich wichtig, weil wir ständig ’ne Kontrolle machen: Stimmt das mit der Wirklichkeit überein?“

Zu den Navigationsgeräten, die als unmodern gelten, in der Seefahrtskiste ganz weit unten liegen, gehört der Sextant. Mit diesem optischen Winkelmessinstrument, das so heißt, weil sein Hauptteil einem Sechstel-Kreis entspricht, kann eine Position bestimmt werden. Dafür wichtig sind der Horizont und die Sonne. Ist man nicht auf offener See sind auch feste Objekte – sogenannte terrestrische Hilfsmittel – wie Tonnen oder Leuchttürme zur Positionsbestimmung wichtig. Kapitän Mihail unterstreicht, dass in der Navigation technische Hilfsmittel allein nicht alles sind:

„Heutzutage ist es wirklich einfach, so ein Schiff zu führen. So viel Elektronik! Aber wenn es zum Beispiel schlechtes Wetter gibt oder viel Schiffsverkehr herrscht, zählt nur die Erfahrung!“

Wie in jedem anderen Beruf zählt auch in der Schifffahrt, dass ein guter Kapitän auch ohne Elektronik auskommen kann, da er genug Erfahrung besitzt. Für Martin ist das heute nicht wichtig, denn es herrscht gute Sicht. Er hat Vertrauen in die Technik und stellt auf Automatik um:

„Jetzt wird das Schiff von der Automatik gesteuert. Wir haben also jetzt unsere Kursänderung nach der Schleuse gemacht. Und das geht immer am schönsten, wenn man das per Hand macht. Da kann man so wunderbar ganz sauber durch die Kurve gleiten. Jetzt geht’s mit ’nem Knopf – stellen wir dann ein, was für ’n Kurs wir haben wollen.“

Das Schiff hat die Schleuse passiert. Im Nord-Ostsee-Kanal gibt es drei Schleusenanlagen, um entweder in die Nord- oder die Ostsee zu gelangen. Meist bestehen solche Anlagen aus Toren, zwischen denen man den Wasserstand erhöhen oder senken kann, damit Schiffe auf eine höhere oder niedrigere Ebene gelangen können. Martin hat, bevor er die Automatik einschaltete, per Hand die Ruder gestellt und das Schiff auf den richtigen Kurs gebracht. Für ihn bedeutet der Handbetrieb, dass er das Schiff ganz exakt, ganz sauber, um die Kurve steuern kann. Das riesige Container-Zubringerschiff bewegt sich mühelos durch die Kurve, es gleitet. Anschließend stellt Martin den Kurs, den das Schiff nehmen soll, elektronisch ein. Sein Job, das Schiff sicher durch den Kanal zu lotsen, ist beendet, und Martin wechselt auf das Lotsenboot, das ihn an Land zurückbringt. Der nächste Lotsenauftrag wartet.

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