Manuskript

Sensibler als gedacht: der Oktopus

Oktopoden sind intelligente Tiere, sie erinnern sich an Menschen und an früher erlittene Schmerzen. Die Autorin Sy Montgomery ist davon überzeugt, dass die Meeresbewohner Gefühle haben.

Bevor Octavia starb, schwamm sie noch einmal an die Oberfläche ihres Aquariums. Und das nicht etwa, weil sie hungrig war, sondern um sich von ihrer Freundin Sy Montgomery zu verabschieden: „Sie legte ihre Saugnäpfe um meinen Arm, sah mir ins Gesicht und hielt mich so minutenlang.“ Die Geschichte ist beeindruckend, denn Octavia war ein Oktopus.

Vor ihrer letzten Begegnung mit Montgomery hatte Octavia zehn Monate abgeschieden in einer Höhle verbracht. Trotzdem schien sie sich an ihre menschliche Freundin zu erinnern. Eine bemerkenswerte Leistung, denn: „Für ein Tier, das nur drei bis fünf Jahre lebt, sind zehn Monate wie Jahrzehnte“, sagt Montgomery. Sie hat viele Bücher über die Beziehung zwischen Mensch und Tier geschrieben und ist sich sicher, dass Oktopoden intelligent sind und Gefühle haben.

Auch Forschungsergebnisse zeigen, dass es sich um sensible Tiere handelt. So fanden die Wissenschaftler Kristin Andrews und Frans de Waal heraus, dass Oktopoden ein Schmerzgedächtnis besitzen. Das heißt, dass sie auf Schmerzen nicht nur mit Reflexen reagieren. Sie meiden auch Orte, an denen sie früher einmal Schmerzen erlitten haben. Die Erinnerung daran haben sie offenbar abgespeichert.

Was genau in Oktopoden vor sich geht, wird man vielleicht nie erfahren. Aber für Montgomery ist das kein Grund, ihre Gefühle nicht zu berücksichtigen: „Ich weiß auch nicht, was mein Ehemann wirklich fühlt, ob sich Glück für ihn genauso anfühlt wie für mich.“ In Großbritannien soll es bald ein neues Tierschutzgesetz geben. Darin sollen nicht nur Oktopoden, sondern auch Hummer und Krabben als besonders sensible Tiere geschützt werden.