Nagelsmann bleibt bis zur WM 2026 deutscher Fußball-Bundestrainer

Julian Nagelsmann bleibt über die Heim-Europameisterschaft im Sommer (14. Juni bis 14. Juli) hinaus Bundestrainer und soll die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auch zur nächsten Weltmeisterschaft in zwei Jahren in den USA, Kanada und Mexiko führen. Der Deutsche Fußball-Bund teilte mit, dass der 36-Jährige bis zum Abschluss der WM 2026 Bundestrainer bleibe. Ursprünglich lief sein Vertrag nur bis zum Ende der EM. Der DFB hatte bereits klargemacht, dass er Nagelsmann längerfristig an sich binden wolle.

Nun ist auch klar, dass Nagelsmann nach der EM nicht wieder Vereinstrainer wird und damit auch nicht in die Bundesliga zum FC Bayern München zurückgekehrt. Beim deutschen Rekordmeister war er als heißer Kandidat für die Nachfolge von Thomas Tuchel gehandelt worden, mit dem die Bayern die Zusammenarbeit am Saisonende vorzeitig beenden.

Nagelsmann von der Begeisterung der Fans berührt

"Das ist eine Entscheidung des Herzens", sagte Nagelsmann laut DFB. "Es ist eine große Ehre, die Nationalmannschaft trainieren und mit den besten Spielern des Landes arbeiten zu dürfen. Mit erfolgreichen, leidenschaftlichen Auftritten haben wir dabei die Chance, ein ganzes Land mitzureißen." Die beiden Siege gegen Frankreich und die Niederlande im März hätten einen Vorgeschmack auf die EM gegeben, so Nagelsmann. "Die Begeisterung der Fans hat mich sehr berührt. Gemeinsam wollen wir jetzt eine erfolgreiche Heim-EM spielen, dafür brennen wir alle. Danach freue ich mich gemeinsam mit meinem Trainerteam sehr auf die Herausforderung einer Weltmeisterschaft."

DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach von einem "starken Signal für den DFB und die Nationalmannschaft", dass Nagelsmann auch nach der EM auf seinem Posten bleibe. "Denn er steht bei vielen großen Klubs in ganz Europa auf dem Wunschzettel", sagte Neuendorf. Nun herrsche "Planungssicherheit und alle können sich ganz auf ein erfolgreiches Abschneiden bei der Europameisterschaft konzentrieren."

Gespann Nagelsmann/Völler erhalten

Der DFB-Spitze ist es in kurzer Zeit gelungen, bei der Führung der Nationalmannschaft die Weichen auf Kontinuität zu stellen. Vor anderthalb Wochen hatte der Verband auch den Vertrag mit Nationalmannschafts-Direktor Rudi Völler bis nach der WM 2026 verlängert. Der 64-Jährige war maßgeblich daran beteiligt, Nagelsmann zum DFB zu lotsen. "Wir waren schon vor den jüngsten erfolgreichen Länderspielen absolut überzeugt von Julian Nagelsmann. Aber sie haben noch einmal gezeigt, welche Begeisterung Julian und seine Mannschaft in Deutschland wieder entfachen können. Er ist ein herausragender Trainer, ein Taktikfuchs", sagte Völler. Mit seiner Leidenschaft könne er jeden Spieler anstecken und mitreißen. "Er brennt für die Nationalmannschaft und für den Erfolg."

DFB-Sportdirektor Völler (l.) und Bundestrainer Nagelsmann im April während eines Workshops von Nationaltrainern in Düsseldorf.
Ein Gespann, das Erfolg verspricht: DFB-Sportdirektor Völler (l.) und Bundestrainer Nagelsmannnull Marius Becker/dpa/picture alliance

Nagelsmann hatte im vergangenen Oktober die Nachfolge des entlassenen Bundestrainers Hansi Flick angetreten. Nach einem mäßigen Start baute Nagelsmann den Kader des DFB-Teams radikal um. Zudem gab mit Routinier Toni Kroos ein Weltmeister von 2014 sein erfolgreiches Comeback. Bei der Europameisterschaft trifft Deutschland in der Vorrunde auf Schottland, Ungarn und die Schweiz. 

sn/ck (dpa, sid, DFB)

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Wann steigen die letzten Tests vor der EM?

Die deutsche Nationalmannschaft bestreitet noch zwei Härtetests vor dem EM-Eröffnungsspiel am 14. Juni gegen Schottland in München. Gegner der beiden Testspiele sind die Ukraine und Griechenland. Das Spiel gegen die Ukraine findet am 3. Juni in Nürnberg statt, vier Tage später geht es in Mönchengladbach gegen Griechenland.

Gegen beide Nationen hat Deutschland noch nie verloren. Bundestrainer Julian Nagelsmann sagte auf der DFB-Homepage über die Testspiele: "Wir müssen uns mit Blick auf die EM und unsere Gruppengegner auf verschiedene Spielstile und Systeme vorbereiten." Die Ukraine und Griechenland seien als "kampfstarke und leidenschaftliche Mannschaften" dafür ideal. "Nach den Duellen mit den spielstarken Topnationen Frankreich und Niederlande sind die beiden Teams genau die richtigen Bewährungsproben", sagte Nagelsmann. 

Auch die Auswahl der Austragungsorte ist kein Zufall: "Wir gehen ganz bewusst in zwei äußerst fußballbegeisterte Städte, die aber keine Spielorte der Heim-Europameisterschaft sind", sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Das Turnier sei eine EM für das ganze Land, "und die Nationalmannschaft möchte ihre Fans überall in Deutschland auf dem Weg durch das Turnier mitnehmen." 

Wer sind Wackelkandidaten und Spieler in Lauerstellung?

Leroy Sané wird nach seiner Rotsperre definitiv in den DFB-Kader zurückkehren. "Wenn er gesund ist, werden wir nicht auf ihn verzichten, weil er einfach ein super Spieler ist", sagte Nagelsmann am Rande des 2:1-Siegs gegen die Niederlande. Bayern-Talent Aleksandar Pavlović (Mandelentzündung) und Heidenheims Jan-Niklas Beste (Adduktorenverletzung) fielen trotz Nominierung für die Testspiele kurzfristig aus, sind aber weiter EM-Kandidaten.

Mats Hummels, Serge Gnabry und Leon Goretzka (v.l.n.r.) im Länderspiel gegen Österreich 2023
Mats Hummels, Serge Gnabry und Leon Goretzka (v.l.n.r.) könnten die EM 2024 verpassennull Moritz Müller/Imago Images

Ebenso hat sich der Bundestrainer für das Turnier auf Manuel Neuer als Nummer 1 festgelegt, der für die beiden Testspiele aufgrund eines Muskelfaserrisses passen musste. Ansonsten machte Nagelsmann deutlich, dass er am Kader nicht mehr viel verändern werde. "Wenn alle gesund bleiben werden wir auf jeden Fall nicht 10 Spieler tauschen im Sommer. Eigentlich auch nicht fünf. Vielleicht ein oder zwei", sagte der Bundestrainer nach dem Spiel gegen die Niederlande. 

Das ist keine gute Nachricht für Spieler wie Leon Goretzka und Serge Gnabry vom FC Bayern oder die vielen BVB-Spieler wie Mats Hummels, Niklas Süle, Nico Schlotterbeck und Julian Brandt, die allesamt zuletzt im Aufgebot fehlten. Brandt bezeichnete der Bundestrainer als "Härtefall", da er eine ordentliche Saison spiele, andere Spieler aber besser im Flow seien.

Auch Jonas Hofmanns Namen suchte man auf der Kaderliste vergebens. Dem 31-jährigen von Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen wurde laut eigener Aussage mit dem Argument des "fehlenden Momentums" abgesagt. Eine Einschätzung, die der 23-fache Nationalspieler nicht teilt. "Wir stehen an erster Stelle, ich weiß jetzt nicht, ob es ein besseres Momentum für einen Spieler gibt", sagte er am Rande einer Trainingseinheit mit Leverkusen. Der ehemalige DFB-Manager Oliver Bierhoff hat Nagelsmann für dessen Personalpolitik gelobt. "Ich war von einigen Entscheidungen etwas überrascht, da er viele junge Spieler nominiert hat", sagte Bierhoff gegenüber der DW. "Es war ein riskanter Schritt, kurz vor dem Turnier fünf neue Spieler zu holen, aber sie haben sehr gut reagiert und eine tolle Leistung gezeigt."

Wann wird der endgültige Kader benannt?

Knapp zweieinhalb Monate sind es nur noch bis zum Start der Europameisterschaft 2024 in Deutschland - und es zeichnet sich langsam ab, wen Julian Nagelsmann letztendlich nominieren wird. 23 Spieler darf der Bundestrainer für das Turnier berufen. Bei der EM 2020 und WM 2022 waren es noch 26 Spieler, um mögliche Corona-Ausfälle ausgleichen zu können. Für die endgültige Kadernominierung der Europameisterschaft steht noch kein genauer Termin fest.

Die deutsche Nationalmannschaft feiert das 2:1 gegen die Niederlande
Die deutsche Nationalmannschaft ist erfolgreich ins Turnierjahr 2024 gestartetnull Laci Perenyi/Imago Images

Klar ist aber: Der finale Kader muss spätestens bis zum 7. Juni bei der UEFA gemeldet werden. Wahrscheinlich ist, dass der Bundestrainer das provisorische Aufgebot um den letzten Bundesliga-Spieltag am 18. Mai bekanntgeben wird. In der Vergangenheit wurde in der Regel zunächst ein vorläufiger Kader benannt, aus dem noch einige Spieler bis zur finalen Nominierung gestrichen werden.

Wann startet die heiße Phase mit dem EM-Trainingslager?

In Vorbereitung auf die Heim-EM wird die deutsche Nationalmannschaft vom 26. bis 31. Mai ein Trainingslager in Thüringen beziehen. Nur einen Tag nach dem DFB-Pokalfinale in Berlin beginnt für das Team die Vorbereitung auf das Eröffnungsspiel in München. Als Quartier dient ein Golfresort im Ort Blankenhain, in das für die EM dann die englische Nationalmannschaft einziehen wird. Julian Nagelsmann sieht dort "perfekte Bedingungen, um uns auf die großartige Aufgabe Heim-EM vorzubereiten".

Ab wann ist das Team im EM-Quartier und Turniermodus?

Nach der knappen Woche in Thüringen stehen die Testspiele gegen die Ukraine und Griechenland an, bevor die DFB-Elf am 9. Juni weiter ins EM-Quartier nach Herzogenaurach zieht. In der fränkischen Stadt befindet sich der Firmensitz des DFB-Ausrüsters Adidas. Dieser hatte den "Home Ground", wie das Quartier offiziell heißt, nach den Bedürfnissen der Nationalmannschaft 2021 dort gebaut. Auch die relative Nähe zu den drei Vorrundenspielorten München, Stuttgart und Frankfurt waren ein Faktor bei der erneuten Wahl Herzogenaurachs als Quartier, wo die Nationalmannschaft auch 2021 während der EM gewohnt hatte.

Für die Vorbereitung auf die Europameisterschaft 2028 wird sich die Mannschaft wohl nach anderen Optionen umsehen müssen. Ab 2027 löst Nike Adidas als Ausstatter der DFB-Elf ab, was für mindestens genauso viel Gesprächsstoff gesorgt hatte wie die jüngsten sportlichen Erfolge. 

Das DFB-Team während einer Trainingseinheit in Herzogenaurach 2021
Bereits während der EM 2020 quartierte die deutsche Mannschaft in Herzogenaurachnull Christian Charisius/dpa/picture alliance

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Nagelsmanns Mut zur Veränderung

"Ich will, dass wir den Mut haben, das habe ich der Mannschaft gesagt", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann vor dem Spiel gegen Frankreich im ZDF und forderte, "dass wir eine gewisse Lebensfreude zeigen auf dem Platz." Diesen Auftrag setzte seine Mannschaft beim Auswärtsspiel in Lyon eindrucksvoll um. Doch auch Nagelsmann selber hat mit seiner Kadernominierung Mut bewiesen und das Gesicht der Mannschaft gegenüber den enttäuschenden Niederlagen gegen die Türkei und Österreich verändert. Gleich sechs Neulinge nominierte er vor den Testspielen gegen Frankreich und die Niederlande, darunter mit Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav drei Spieler vom momentan extrem formstarken VfB Stuttgart. Dass von Borussia Dortmund einzig Stürmer Niclas Füllkrug dabei ist und prominente Spieler wie Füllkrugs BVB-Kollegen Niklas Süle, Julian Brandt und Mats Hummels oder Leon Goretzka vom FC Bayern im Kader fehlten, barg ein gewisses Risiko. 

Doch Nagelsmann geht nach dem Leistungsprinzip, nimmt Spieler dazu, die seit Wochen und Monaten im Verein überzeugen. "Am Ende ist es wichtig, dass wir von den Einzelspielern her vielleicht nicht die 20 möglicherweise talentiertesten finden, mit den größten Namen, sondern dass wir die 20 zueinander passenden finden", sagte der 36-Jährige. Gegen Frankreich ging dieser Plan schonmal voll auf. Auch der ehemalige DFB-Manager Oliver Bierhoff ist von Julian Nagelsmann überzeugt. "Er ist ein großartiger Trainer und immer gut vorbereitet", sagte Bierhoff gegenüber der DW. "Ich denke, mit den harten Entscheidungen bei seinen Nominierungen hat er der Mannschaft ein klares Zeichen gegeben, dass jeder ihm zu folgen hat. Wer das nicht tut, hat schlechte Karten." 

Julian Nagelsmann zeigt am Seitenrand den Daumen hoch gegen Frankreich
Bundestrainer Julian Nagelsmann bewies Mut zur Veränderung und wurde belohntnull BEAUTIFUL SPORTS/Wunderl/IMAGO

Toni Kroos feiert triumphale Rückkehr

"Wer immer noch Querpass-Toni schreibt, der hat leider keine Ahnung von Fußball", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann bereits vor dessen Comeback gegen Frankreich. Das Spiel gegen "Les Bleus" sollte ihm Recht geben. Die DFB-Rückkehr von Toni Kroos nach seinem letzten Auftritt beim Achtelfinal-Aus der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft 2021 war ein voller Erfolg. Gerade einmal drei Sekunden dauerte es, bis er das erste Mal entscheidend in Aktion trat: Einer kurzen Drehung mit Ball am Fuß folgte eine präziser Pass auf Florian Wirtz, der den Ball gekonnt verarbeitete und nach acht Sekunden zum frühen 1:0 einschoss. Das schnellste Tor der deutschen Länderspiel-Geschichte war kein Zufall. "Das war geplant, ja", sagte Rückkehrer Kroos nach dem Spiel im ZDF. "Die Standardtrainer hatten genug Zeit, sich in den vier Monaten etwas auszudenken", fügte er scherzhaft hinzu.

Doch nicht nur die Standards funktionierten beim 34-jährigen auf Anhieb. Mit einer beeindruckenden Eleganz sammelte Kroos einen Assist und 145 Ballkontakte und trug neben vielen Offensivaktionen auch zu defensiver Stabilität bei. Er agierte als Führungsspieler und Vorbild. Toni Kroos war unfassbar!", schwärmte Julian Nagelsmann: "Er war Taktgeber, hat unglaublich viel gearbeitet." Und, das war der vielleicht entscheidende Punkt: "Er gibt den anderen Spielern so viel Sicherheit. Du kannst ihn immer anspielen, er hat eine enorme Ruhe. Bei Toni ist der Ball immer gut aufgehoben."

Im Verbund mit Nebenmann Robert Andrich stand das Mittelfeld kompakt und war entscheidend daran beteiligt, dass Deutschland zum ersten Mal seit zehn Spielen wieder ohne Gegentor blieb.

Stabilität im Mittelfeld

Stichwort Andrich: Es scheint, als habe Julian Nagelsmann mit dem 29-jährigen Leverkusener endlich den so lange vermissten Stabilisator im defensiven Mittelfeld gefunden, der an der Seite von Rückkehrer Kroos als Abräumer glänzen kann. Andrich sorgt für die nötige Absicherung und hält Kroos den Rücken frei, während Kapitän Ilkay Gündogan auf der Zehnerposition neue Freiheiten genießt und offensiver agieren kann.

Rückkehrer Toni Kroos (r.) und Robert Andrich im Spiel gegen Frankreich
Ist das die Wunsch-Doppelsechs für die EM? Rückkehrer Toni Kroos (r.) und Robert Andrich harmonierten perfekt im Mittelfeldnull Moritz Mueller/IMAGO

Andrich spielte übrigens schon einmal mit Kroos zusammen - allerdings mit Bruder Felix Kroos bei Union Berlin. Der jüngere Bruder des Real-Stars nannte das Duo in seinem Podcast seine "Traum-und Wunsch-Doppelsechs für die EM". Weniger als drei Monate vor dem Turnier lässt sich festhalten: Dieser Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen. Oder wie Andrich es nach dem Spiel gegen Frankreich in der ARD ausdrückte: "Das sah schon gar nicht so verkehrt heute mit uns zusammen aus."

Beste Spieler auf beste Positionen

Bereits nach dem 0:2-Debakel gegen Österreich im November letzten Jahres kündigte Bundestrainer Nagelsmann an, er wolle "die besten Spieler, die wir haben, auf die beste Position packen". Nun lässt er dieser Ankündigung Taten folgen. Vorbei scheint die Zeit der Experimente, in der beispielsweise Stürmer Kai Havertz als linker Verteidiger aufgestellt wurde, wie bei der 2:3-Niederlage gegen die Türkei in Berlin im November. Gegen Frankreich fand sich der Arsenal-Profi wie gewohnten Sturmzentrum wieder und traf prompt zum 2:0-Endstand.

Antonio Rüdiger und Jonathan Tah sind im Abwehrzentrum gesetzt, Joshua Kimmich arrangiert sich mit seiner so wichtigen Rolle als rechter Verteidiger und Maximilian Mittelstädt feierte als Linksverteidiger ein starkes Debüt im DFB-Dress. Dazu kann sich die offensive Kreativität von Jamal Musiala und Florian Wirtz durch die Stabilität im Mittelfeld voll entfalten. "Es war das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben", sagte Sportdirektor Rudi Völler nach dem Spiel im ZDF sichtlich erheitert.

"Wir kicken" als Motto

Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit ist zurück im deutschen Spiel. Trainer Nagelsmann spielt dabei eine entscheidende Rolle. "Wir haben dem Spiel eine Überschrift gegeben. Die ist: 'Wir kicken'", sagte er vor dem Abschlusstraining in Lyon. Die Message sei "bewusst simpel" gewählt. 

Deutschland feiert das 1:0 im Spiel gegen Frankreich. In der  Mitte der Jubeltraue ist Torschütze Florian Wirtz (re.) zu erkennen.
Die deutsche Nationalmannschaft scheint ihre Spielfreude wiedergefunden zu habennull Christian Charisius/dpa/picture alliance

"Da ist das Leben, das ist groß. Und da ist der Fußball, und der macht immer Spaß. Wenn es uns erdrückt, dann hören wir auf mit Fußball", referierte Nagelsmann. Mit einfachen, klaren Prinzipien kehrte die Spielfreude zurück ins deutsche Spiel. Auch, weil die Hierarchien klar verteilt sind. "Wir haben einen klare Rollenverteilung, eine klare Hierarchie in der Mannschaft", erklärte Niclas Füllkrug seine EM-Rolle als Backup von Torschütze Kai Havertz.

Nagelsmann hatte immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass die Spieler ihre Rolle in der Mannschaft verstehen und annehmen und erklärte: "Am Ende gibt es vorgefertigte Rollen und alle Spieler, die damit klarkommen, haben die Chance auch beim Turnier dabei zu sein." Die Chemie in der Mannschaft scheint zu stimmen. Selbst der so formstarke Torwart Marc-André ter Stegen habe seine Position als Nummer zwei hinter Manuel Neuer "sehr professionell und sehr erwachsen" aufgenommen. Beim Spiel gegen die Niederlande am Dienstag wird auch Leroy Sané wieder zum Team stoßen. Dieser ist zwar nach einer Tätlichkeit im Spiel gegen Österreich für insgesamt drei Spiele gesperrt worden, soll aber im Sinne des Teamgeistes im Kreise der Mannschaft bleiben. Es gelte für Sané, "sich einzugliedern", sagte Nagelsmann: "Er hat eine Qualität, auf die wir nicht verzichten wollen oder verzichten können." Im DFB-Team scheint wieder vieles auf dem richtigen Weg zu sein.

DFB-Team: Mit Euphorie und neuer Sicherheit zur EM

Ein ausverkauftes Stadion in Frankfurt, lautstarke Unterstützung für das DFB-Team von den Rängen und eine Mannschaft, die den Ball sehr gekonnt in den eigenen und durch die gegnerischen Reihen laufen ließ.

Wie schon beim eindrucksvollen Sieg gegen Frankreich drei Tage zuvor, war die deutsche Nationalmannschaft auch beim 2:1-Erfolg gegen die Niederlande nur sehr schwer vom Ball zu trennen. Trotz eines frühen Gegentreffers verloren die Gastgeber nie die Ruhe. Sie kontrollierten die Partie über weite Strecken und sorgten bei den angereisten Fußball-Fans mit gekonnten Ballstafetten immer wieder für - teilweise ungläubiges - Staunen.

Am Ende stand ein knapper aber verdienter Sieg - und der nächste erfolgreiche Schritt auf dem Weg zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. "Wir sind froh und glücklich. Aber wir bleiben demütig", sagte Thomas Müller nach dem Spiel. "Wir wissen aber - und das ist das Schöne, das hat es bestätigt - dass man eigentlich das Potenzial zu einer tollen Fußballnation hat. Und jetzt haben wir zumindest diese Hoffnung auch wieder ein Stück weit genährt."

Rudi Völler: "Das Beste in den letzten Jahren"

Schon der Auftritt gegen die Franzosen hatte DFB-Sportdirektor Rudi Völler regelrecht ins Schwärmen geraten. "Das war mit Sicherheit das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben." Die Worte des Weltmeisters von 1990 klangen wie aus einer anderen, einer besseren Zeit. Denn vor nur drei Monaten hatte die DFB-Elf lediglich für negative Schlagzeilen gesorgt.

Doch seit diesem Jahr ist alles anders: Und die Partie gegen starke Niederländer war ein weiterer Beweis für die neue Qualität im Team. Lief das Frankreich-Spiel nach dem frühen 1:0 nach nur acht Sekunden von Anfang in die Richtung des deutschen Teams, musste die Mannschaft gegen die Niederländer beweisen, dass sie auch mit Rückschlägen zurechtkommen.

Bundestrainer Julian Nagelsmann beobachtet lächelnd von der Seitenlinie
Keine Experimente mehr: Bundestrainer Julian Nagelsmann stellt nach Leistung auf und freut sich über das Ergebnisnull Christian Charisius/dpa/picture alliance

Einer der entscheidenden Bausteine ist Rückkehrer und Mittelfeldregisseur Toni Kroos, der von allen Seiten gelobt wird. "Was mir gefällt, man merkt ihm gar nicht an, wie erfolgreich er ist", freute sich Bundestrainer Julian Nagelsmann über seinen "Neuzugang". "Er gliedert sich in die Gruppe ein. Du merkst da keinen großen Unterschied."

Kroos, der dem Team die Sicherheit gibt, die lange gefehlt hat, war auch gegen die Niederlande ein Ruhepol im deutschen Spiel. "Er macht seine Mitspieler besser", lobte Nagelsmann seinen Führungsspieler, der die letzten beiden Auftritte der Nationalmannschaft maßgeblich mit beeinflusst hat.

Es gilt das Leistungsprinzip

Doch auch Fußball-Lehrer Nagelsmann hat etwas verändert und seine letzten Ideen über den Haufen geworfen. Er setzt nun voll auf das Leistungsprinzip und nimmt dabei auch keine Rücksicht auf große Namen wie Leon Goretzka vom FC Bayern oder Mats Hummels oder andere Profis von Borussia Dortmund.

Das Team, das Nagelsmann gegen Frankreich und auch jetzt gegen die Niederlande auf den Platz schickte, war gespickt mit Spielern von Europas Top-Mannschaften. Von Kai Havertz (FC Arsenal) über Antonio Rüdiger, Kroos (beide Real Madrid), Jonathan Tah, Florian Wirtz, Robert Andrich (alle Bayer 04 Leverkusen), Jamal Musiala (FC Bayern) bis hin zu Maximilian Mittelstädt vom VfB Stuttgart - sie alle überzeugen gerade in ihren Klubs und spielen um die Top-Platzierungen in den jeweiligen Ligen mit.

Von den beiden Testspielen nahm der Bundestrainer mit, "dass die zehn Tage von A bis Z sehr viel Spaß gemacht haben", sagte er in der Pressekonferenz. "Die Gruppe hat das echt sehr, sehr gut gemacht, sie haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, aber auch einen brutalen Ehrgeiz. Schon gegen Frankreich hatten wir ein gutes Gefühl. Und heute wieder."

Wirtz und Musiala nicht zu stoppen

In wenigen Monaten eröffnet Deutschland die Europameisterschaft in eigenen Land mit dem Spiel gegen Schottland in München. Es ist nur noch wenig Zeit eine Truppe zusammen zu stellen, die ein besseres Bild abgibt als bei den letzten Turnieren. Seit der EM in Frankreich 2016 schaffte es das DFB-Team nicht mehr über das Achtelfinale (EURO 2020) hinaus. Das soll in diesem Jahr anders werden und Nagelsmann scheint nach ein bisschen Anlaufzeit die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben.

Spielszene mit Florian Wirtz im Spiel Deutschland - Niederlande
Leverkusens Florian Wirtz sorgt in der gegnerischen Defensive immer wieder für Unruhenull Arne Dedert/dpa/picture alliance

Doch auch die Mannschaft - in der aktuellen Zusammenstellung - scheint sich gefunden zu haben. Es steht wieder ein echtes Team auf dem Platz, die alle Tugenden zeigen, die für den Erfolg notwendig sind. Niemand ist sich zu schade für die oft zitierte Drecksarbeit, also die bei Offensivspielern oftmals unbeliebte Defensivarbeit. Auch etablierte und namhafte Akteure wie Ilkay Gündogan ordnen sich unter und beschweren sich nicht, wenn sie mal ausgewechselt werden.

Mittelstädt: "Hier entsteht gerade etwas Großes"

Zudem hat Nagelsmann mit Wirtz, der gegen Frankreich bereits nach acht Sekunden traf, und Musiala zwei Spieler im Team, die in der Lage sind nahezu jede gegnerische Abwehr in den Wahnsinn zu treiben. Beide haben sich in ihren Verein in den vergangenen Monaten extrem weiterentwickelt. "Flo macht das sensationell gut, wie er den verarbeitet", schwärmte Kroos vom schnellsten Tor der deutschen Länderspielgeschichte.

Maximilian Mittelstädt holt zum Schuss aus vor seinem Tor zum 1:1 im Spiel Deutschland - Niederlande
Der passt genau: Maximilian Mittelstädt fackelt nicht lange und schießt den Ball zum 1:1-Ausgleich ins Tornull Arne Dedert/dpa/picture alliance

Es passt aktuell bei der DFB-Elf, auch wenn zwei gute Spiele nicht mehr zeigen können als eine positive Tendenz. Dennoch wagt der eine oder andere Spieler bereits einen Blick auf die bevorstehende Europameisterschaft. "Ich glaube, hier entsteht gerade etwas Großes", sagte etwa Debütant Mittelstädt nach dem Sieg gegen Frankreich und ergänzte: "Das hat man heute im Ansatz schon gesehen, dass wir Bock haben zu spielen, dass wir uns miteinander sehr gut verstehen und genauso weitermachen müssen."

Es passte, das ausgerechnet Mittelstädt mit einem Traumtor und seinem erster Länderspieltreffer für den schnellen Ausgleich sorgte. Es passte deswegen, weil der 27-Jährige beim VfB Stuttgart gerade auf einer Euphoriewelle schwimmt und sich durch nichts aus der Bahn werfen lässt. Beim 1:0 für die Niederländer war Mittelstädt noch der entscheidende Abspielfehler unterlaufen.

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Deutschland - Niederland 2:1 (1:1)

Tore: 0:1 Veerman (4.), 1:1 Mittelstädt (11.), 2:1 Füllkrug (85.)

Zuschauer in Frankfurt/Main: 48.390 (ausverkauft)

Fünfter deutscher Champions-League-Startplatz in Reichweite

Der frisch gebackene deutsche Fußball-Meister Bayer Leverkusen hat das Halbfinale der Europa League erreicht und damit dazu beigetragen, dass Deutschland einen großen Schritt auf dem Weg zum fünften Startplatz in der Champions League machen konnte. Nach dem 2:0-Erfolg im Hinspiel reichte das 1:1 der Werkself beim englischen Klub West Ham United, um in die Runde der besten Vier einzuziehen. Damit festigte die Bundesliga im UEFA-Ranking der laufenden Saison den zweiten Platz und konnte den Vorsprung auf England sogar noch etwas vergrößern.

Deutschland hat 17,929 Punkte auf dem Konto und noch die drei Teams Bayern München, Borussia Dortmund und eben Bayer 04 im Europapokalrennen: Bayern und der BVB in der Champions League, Leverkusen in der Europa-League. Italien liegt vorn mit 19,429 Zählern, hinter der Bundesliga auf dem dritten Platz steht England mit 17,375 Punkten.

Bundesliga gegen Premier League

Im Duell mit der Premier League sind die deutschen Klubs im Vorteil, denn mit Aston Villa in der Conference League ist nur noch ein englischer Verein im Titelrennen. In der Champions League schieden Manchester City gegen Real Madrid und der FC Arsenal gegen den FC Bayern im Viertelfinale aus. Der FC Liverpool scheiterte in der Europa League an Atalanta Bergamo, und West Ham United zog jetzt gegen den deutschen Meister den Kürzeren.

Liverpool-Coach Jürgen Klopp (l.) gratuliert Atalanta-Trainer Gian Piero Gasperini zum Weiterkommen
Liverpool-Coach Jürgen Klopp (l.) gratuliert Atalanta-Trainer Gian Piero Gasperini zum Weiterkommennull Jonathan Moscrop/CSM via ZUMA Press/picture alliance

Somit fehlen München und Dortmund in der Champions League sowie Leverkusen in der Europa League nur noch insgesamt zwei Siege oder vier Unentschieden, um Platz zwei für die Bundesliga im UEFA-Ranking abzusichern. Bei einem Punkte-Gleichstand am Saisonende würde England den Platz aufgrund der Vorjahresergebnisse bekommen.

Reine Mathematik

Die Punkte errechnen sich wie folgt: Pro Sieg gibt es zwei Punkte, jedes Remis bringt einen Punkt, jedes Weiterkommen einen weiteren. Alle erspielten Ranglistenpunkte werden durch die Zahl der im Europapokal gestarteten Klubs eines Landes dividiert. Sieben deutsche Vereine waren in dieser Saison international startberechtigt, jeder erspielte Ranglistenpunkt entspricht also 0,143 Punkten. Bei der mit acht Teams gestarteten Premier League sind es 0,125 Punkte.

Die Teilnehmerzahl der Champions League wird zur kommenden Spielzeit von 32 auf 36 Vereine erhöht. Zwei der vier neuen Plätze werden an die Nationen mit dem besten Abschneiden in internationalen Wettbewerben dieser Saison vergeben. Borussia Dortmund würde aktuell als Bundesliga-Fünfter von einem fünften deutschen Startplatz profitieren.

Wunschvorstellung

Im besten Fall könnten in der kommenden Saison aber sogar sechs deutsche Klubs in der Königsklasse vertreten sein. Das wäre der Fall, wenn die Bundesliga im Ranking am Ende vor England liegt, der BVB die Champions League gewinnt und in der Meisterschaft maximal Fünfter wird. Denn als Titelverteidiger hätte Dortmund 2024/25 im höchsten europäischen Wettbewerb ein garantiertes Startrecht.

Die Champions-League-Trophäe mit dem Logo des FC Bayern im Hintergrund.
Wichtig für die Rangliste: Deutsche Erfolge im Europapokalnull Bernd Feil/M.i.S./IMAGO

Übrigens stellt Deutschland mit den Bayern, dem BVB und Bayer 04 erstmals seit 29 Jahren drei Halbfinalisten im Europapokal. In der Saison 1994/95 waren es ebenfalls diese drei Teams, die die Bundesliga international vertraten. Die Münchener spielten in der Champions League, Dortmund und Leverkusen im Europa-League-Vorgänger UEFA-Pokal. Den Titel holte damals keiner von ihnen, alle drei Klubs schieden im Halbfinale aus.

Das soll sich diesmal nicht wiederholen: Bayer 04 bekommt es nun mit der AS Rom zu tun. Die Bayern spielen gegen Real Madrid, Borussia Dortmund gegen Paris St. Germain.

ck/sn (dpa, sid)

Ex-Fußballweltmeister Bernd Hölzenbein ist tot

Fußball-Deutschland trauert um Bernd Hölzenbein. Der Weltmeister von 1974 ist am Montagabend nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren gestorben. Das bestätigte Hölzenbeins langjähriger Klub Eintracht Frankfurt. Hölzenbein bestritt für die deutsche Fußballnationalmannschaft 40 Länderspiele. Für die Frankfurter lief er in der Bundesliga 420-mal auf und erzielte 160 Treffer. Damit ist Hölzenbein der Rekordtorschütze der Eintracht.

Außerdem gewann er mit der Frankfurter Mannschaft dreimal den DFB-Pokal (1974, 1975 und 1991) und den UEFA-Pokal (1980).  

Umstrittener Elfmeter im WM-Finale

"Wir verlieren mit Bernd Hölzenbein nicht nur eine der ganz großen Identifikationsfiguren unseres Vereins, sondern auch einen loyalen Mitarbeiter und einen liebenswerten Freund", sagte Axel Hellmann, Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt.

Auch nach der aktiven Karriere blieb Hölzenbein den Frankfurtern treu und besetzte einige Vereinsposten. So war er Vizepräsident, Manager und Chefscout des Klubs. Hölzenbein war auch Ehrenspielführer der Frankfurter. 

Bernd Hölzenbein beim Mannschaftsfoto nach dem Sieg im WM-Finale 1974, neben ihm sitzt Franz Beckenbauer mit dem WM-Pokal.
Bernd Hölzenbein (untere Reihe, 3.v.r.) im Kreise der Weltmeister von 1974null Bongarts/Getty Images

Im Finale der Heim-Weltmeisterschaft 1974 gegen die Niederlande holte Hölzenbein den Elfmeter heraus, den Paul Breitner zum 1:1-Ausgleich verwandelte. Gerd Müller erzielte später den 2:1-Siegtreffer. Deutschland feierte Hölzenbein als Schlitzohr, in den Niederlanden wurde ihm vorgeworfen, den Elfmeter provoziert zu haben. 

Bernd Hölzenbein ist nach Heinz Flohe, Jürgen Grabowski, Gerd Müller, Horst-Dieter Höttges und Franz Beckenbauer der sechste Spieler der deutschen Weltmeister-Mannschaft von 1974, der verstorben ist. 

Dossier: Paris 2024

   

Olympia-Goldprämie in der Leichtathletik: Fluch oder Segen?

Der Leichtathletik-Weltverband World Athletics hat offenbar in ein Wespennetz gestochen. Weltweit wird über den Vorstoß des Verbands debattiert, Olympia-Goldprämien zu zahlen. World Athletics hatte in der vergangenen Woche angekündigt, für Siege in den 48 Leichtathletik-Wettbewerben der Olympischen Sommerspiele in Paris (26. Juli bis 11. August) je 50.000 US-Dollar (rund 46.800 Euro) auszuschütten. Bei den Spielen 2028 in Los Angeles soll es nach Angaben von World Athletics auch Prämien für Silber und Bronze geben. Es ist das erste Mal in der 128 Jahre alten Geschichte der Olympische Spiele der Neuzeit, dass ein Weltverband einer einzelnen Sportart Siegprämien für Olympiasiege auslobt.

"Ich halte es für wichtig, dass wir irgendwo anfangen und dafür sorgen, dass ein Teil der Einnahmen, die unsere Athleten bei den Olympischen Spielen generieren, direkt an diejenigen zurückfließt, die die Spiele zu dem weltweiten Spektakel machen, das es ist", sagte World-Athletics-Präsident Sebastian Coe. Der Olympiasieger im 1500-Meter-Lauf bei den Spielen 1980 und 1984 riskiert damit Streit - nicht nur mit dem Internationen Olympischen Komitee (IOC), sondern auch mit den Weltverbänden anderer Sportarten.

Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, spricht während eines Meetings der Exekutive des Verbands in Monaco.
Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, wird als möglicher Nachfolger von IOC-Chef Thomas Bach gehandeltnull Handout via World Athletics/REUTERS

So gab es bereits deutliche Kritik des Radsport-Weltverbands UCI. "Der olympische Geist besteht darin, die Einnahmen zu teilen und dafür zu sorgen, dass mehr Athleten weltweit antreten können", sagte UCI-Präsident David Lappartient. "Wir sollten nicht alles Geld auf die Spitzensportler konzentrieren, sondern das Geld verteilen."

Gefälle zwischen den Sportarten

Das IOC setzt auf ein Solidarmodell. 90 Prozent der Einnahmen aus Olympischen Spielen fließen an Organisationen der Olympischen Bewegung - in erster Linie an die Weltverbände der Sportarten und die Nationalen Olympischen Komitees. Mit den restlichen zehn Prozent bezahlt das IOC seine Verwaltung und das Olympische Museum in Lausanne.

Nach den Sommerspielen 2021 in Tokio verteilte das IOC rund 540 Millionen Dollar (505 Millionen Euro) an 28 Weltverbände. Am meisten strich World Athletics ein: fast 40 Millionen Dollar. Am unteren Ende der Liste landeten die Weltverbände für Taekwondo, Golf und Rugby mit jeweils knapp 13 Millionen Dollar. Es gibt also hier bereits ein finanzielles Gefälle zwischen den Sportarten.

Das 100-Meter-Rennen der Frauen bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio.
Der Leichtathletik-Weltverband erhielt nach den Spielen 2021 in Tokio den größten Batzen der IOC-Geldernull Dylan Martinez/REUTERS

Darauf wies auch Großbritanniens Ruderlegende Steven Redgrave hin, als er die Entscheidung des Leichtathletik-Weltverbands scharf kritisierte. "Die meisten anderen Sportarten werden dem nicht folgen können. Sie [World Athletics - Anm. d. Red.] machen daraus einen Zweiklassen-Prozess. Das ist in meinen Augen die falsche Richtung", sagte der fünfmalige Olympiasieger der Zeitung "Daily Mail". Die Prämien, so Redgrave, seien eigentlich überflüssig. "Wenn man eine olympische Goldmedaille in einer Leichtathletik-Disziplin gewinnt, kann man damit beträchtliche finanzielle Gewinne erzielen."

World-Athletics-Vorstoß ohne Absprache

In eine ähnliche Richtung geht die Antwort des Tennis-Weltverbands ITF auf eine Anfrage der DW, ob auch er an Prämien für Olympiasieger denke. "Die Möglichkeit, um das Prestige einer olympischen Medaille zu kämpfen, war schon immer ein einzigartiger und besonderer Anreiz für die Spieler, an den [Olympischen] Spielen teilzunehmen", teilte die ITF mit. Der Tennisverband stellte klar, dass er sein Vorgehen, wenn überhaupt, nur in Absprache mit dem IOC und der ASOIF - dem Bündnis der bei Sommerspielen vertretenen Verbände - ändern würde. Der Basketball-Weltverband FIBA lehnte es gegenüber der DW ab, den Vorstoß von World Athletics zu kommentieren. Nur so viel: "Die FIBA plant nicht, [Olympia-] Preisgelder im Basketball einzuführen."

Offenbar wurden das IOC, die Weltverbände der Sportarten und auch die Nationalen Olympischen Komitees von der Initiative des Leichtathletik-Verbands und seines Präsidenten Coe überrascht. "Das ist eine Debatte, die wir führen können, aber wir müssen sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und gemeinsam führen", sagte Andy Anson, Chef der British Olympic Association, gegenüber dem TV-Sender "Sky Sports". "Sie [World Athletics] schaffen ein Problem, denn nun werden andere Sportarten sicherlich ins Visier genommen oder sogar von Athleten unter Druck gesetzt, die sagen: 'Was ist mit unserem Sport? Warum kann dieser Sport es machen und wir nicht?'"

Das jubelnde Team der deutschen Handballerinnen hinter einem großen Schild mit der Aufschrift Ticket to Paris.
Auch Deutschland Handballerinnen haben das Olympia-Ticket für Paris gelöstnull Marco Wolf/wolf-sportfoto/IMAGO

Die Interessenvertretung "Athleten Deutschland" begrüßte dagegen den Vorstoß von World Athletics. Es sei ein "Weckruf für das IOC und die anderen Weltverbände, die Athleten endlich an den durch sie generierten Einnahmen zu beteiligen", sagte Ex-Basketballer Johannes Herber, der Geschäftsführer der Organisation. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) reagierte gelassen. Es liege "in der Verantwortung des Leichtathletik-Weltverbands, wie er die Einnahmen, die er vom IOC erhält, verteilt", ließ die Dachorganisation des deutschen Sports wissen.

Sporthilfe-Prämie für Leichtathleten obendrauf

Der DOSB unterstütze die Prämienvergabe der Stiftung Deutsche Sporthilfe an Aktive, die bei Olympischen Spielen auf den Plätzen eins bis acht landeten. Die Sporthilfe, die über öffentliche Mittel, Spenden, Lotterieeinnahmen und Benefizveranstaltungen finanziert wird, fördert seit über 50 Jahren deutsche Sportlerinnen und Sportler. 2024 wird sie nach eigenen Angaben rund 23 Millionen Euro ausschütten, so viel wie noch nie zuvor. Für Gold in Paris gibt es 20.000, für Silber 15.000 und für Bronze 10.000 Euro. Platz acht wird immerhin noch mit 1500 Euro honoriert. Das gilt für alle Sportarten.

"Die Sporthilfe-Prämien gelten auch für die Leichtathletinnen und Leichtathleten - unabhängig davon, ob sie von Verbänden, privaten Sponsoren oder sonstigen Dritten für ihre Erfolge honoriert werden", teilt die Sporthilfe auf Anfrage der DW mit. Mit anderen Worten: Deutsche Leichtathletik-Gewinnerinnen und Gewinner von Paris 2024 könnten sich doppelt freuen. Sie würden nicht nur die 50.000 Dollar Gold-Prämie von World Athletics kassieren, sondern obendrauf auch noch die 20.000 Euro der Sporthilfe.

100 Tage vor Olympia in Paris: Vorfreude und Sorgen

Der Countdown läuft. In den Ruinen des 2600 Jahre alten Hera-Tempels im antiken Olympia im Südwesten Griechenlands wurde an diesem Dienstag (16. April) die Olympische Flamme für die Sommerspiele in Paris entzündet. 

Vom 26. Juli bis 11. August werden in der französischen Hauptstadt 10.500 Sportlerinnen und Sportler aus 206 Ländern in 32 Sportarten starten. An diesem Mittwoch (17. April) sind es noch genau 100 Tage bis zum Beginn der Olympischen Spiele in Paris.

Wie steht es um die Sicherheitsvorkehrungen?

Auch wenn die französischen Sicherheitsbehörden nach Regierungsangaben aktuell keine konkrete Terrorgefahr für die Olympischen Spiele sehen, werden die Sicherheitskräfte rund um das Sportgroßereignis vom 26. Juli bis 11. August höchst wachsam sein. Bis zu 45.000 Polizisten und Gendarmen werden täglich im Einsatz sein. Hinzu kommen 18.000 Soldaten und rund 20.000 private Sicherheitskräfte.

Außerdem werden mehr als 2000 ausländische Polizisten die Spiele bewachen, unter anderem auch Beamte der deutschen Bundespolizei. Nach dem Anschlag islamistischer Terroristen in Moskau Ende März mit mehr als 140 Toten war auch in Frankreich die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen worden.

Nahe dem Eiffelturm werden Zuschauertribünen für die Olympischen Spiele errichtet.
Nahe dem Eiffelturm werden Zuschauertribünen für die Olympischen Spiele errichtetnull Guillaume Baptiste/AFP/Getty Images

Bereits die Eröffnungsfeier wird eine riesige logistische Herausforderung für die Sicherheitskräfte: Rund 160 Boote sollen Athletinnen und Athleten über den Fluss Seine sechs Kilometer weit durch das Zentrum der Stadt fahren. Mehr als 300.000 Besucher werden dazu erwartet.

"Wir können das machen, und wir werden das machen", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Sollte sich eine akute terroristische Bedrohung ergeben, habe man jedoch alternative Pläne in der Schublade, so Macron, etwa eine Eröffnungsfeier im Stadion.

Wie ist die Olympia-Stimmung?

Die unsichere politische Weltlage - vor allem der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Sorge vor einer weiteren Eskalation der Lage im Nahen Osten - trübt die Vorfreude auf die Olympischen Spiele. Dennoch erwartet Paris einen Ansturm von mehr als 15 Millionen Gästen. Rund 7,9 Millionen der fast zehn Millionen Eintrittskarten für die einzelnen Olympia-Veranstaltungen sind bereits verkauft.

Die Infrastruktur der französischen Hauptstadt wird an ihre Grenzen geraten. Clement Beaune, bis zur Regierungsumbildung im Januar 2024 französischer Verkehrsminister, bezeichnete die Pläne, den Verkehr zu organisieren, im vergangenen Herbst als "hardcore". Tatsächlich wird es zahlreiche Sicherheitsabsperrungen und Umleitungen geben, besonders rund um den Eiffelturm und die Place de la Concorde im Zentrum der Stadt. Einige Metro-Stationen bleiben geschlossen.

Zudem sind die Tickets für die U-Bahn in der Zeit der Spiele doppelt so teuer wie normal - was die Olympia-Begeisterung der Einheimischen nicht steigern dürfte. In einer Umfrage bezeichneten kürzlich 44 Prozent der Pariserinnen und Pariser die Olympischen Spiele als "schlechte Sache".

Wie groß wird das deutsche Team in Paris sein?

Die Zeit der Olympia-Qualifikationen endet offiziell erst am 23. Juni. So hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) einen Olympiastart unter anderem noch vom Abschneiden bei der Europameisterschaft in Rom (7. bis 12. Juni) abhängig gemacht.

Bis zum 8. Juli muss der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Aktiven gemeldet haben, die in Paris starten werden. Der DOSB rechnet mit mehr als 400 deutschen Athletinnen und Athleten. Damit würde das deutsche "Team D" in Paris erneut zu den größten Mannschaften zählen.

Einzug des deutschen Teams bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2021 in Tokio.
Der DOSB hofft in Paris auf mehr Medaillen deutscher Sportlerinnen und Sportler als in Tokio null Dylan Martinez/Getty Images

Bei den Spielen in Tokio 2021 waren 415 Deutsche dabei. Sie kehrten mit zehnmal Gold, elfmal Silber und 16-mal Bronze zurück. Es war die schlechteste Medaillenausbeute seit der Wiedervereinigung 1990. Der DOSB hofft auf eine bessere Bilanz in Paris. "Ich glaube, dass das Team D eine gute Rolle spielen wird und die ein oder andere Überraschung möglich ist", sagt der deutsche Chef de Mission, Olaf Tabor.

Wie ist der Stand in Sachen Olympiateilnahme Aktiver aus Russland und Belarus? 

Im vergangenen Dezember hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Weg für einen Start von Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus freigemacht - mit Einschränkungen. Sie dürfen nur unter neutraler Flagge in Paris dabei sein. Mannschaften sind nicht zugelassen.

Die Nationalhymnen Russlands und Belarus' werden nicht gespielt, ebenso sind nationale Symbole und Fahnen untersagt. Von der Eröffnungsfeier sind die Aktiven beider Länder ausgeschlossen. Außerdem dürfen sie keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben und nicht aktiv ihre Unterstützung für den Krieg in der Ukraine gezeigt haben.

Nach Angaben des IOC haben sich bislang erst zwölf russische und fünf belarussische Aktive für Paris qualifiziert, die Zahlen könnten noch auf 36 (Russland) und 22 (Belarus) steigen. In Tokio 2021 waren noch 330 Russen und 104 Belarussen gestartet. In einem offenen Brief an das IOC forderte die Ukraine in der vergangenen Woche einmal mehr den kompletten Olympia-Ausschluss Russlands und Belarus‘.

Wie steht das IOC und sein deutscher Präsident Thomas Bach 100 Tage vor den Spielen da?

"Ja, es ist möglich, hart gegeneinander zu wetteifern und gleichzeitig friedlich miteinander unter einem Dach zu leben," sagte Thomas Bach im antiken Olympia, als das Olympische Feuer für die Spiele in Paris entzündet wurde. Bach wird nicht müde, den völkerverbindenden Effekt des Sports zu betonen - auch mit Blick auf die Spiele in diesem Sommer. Dabei durchlebt er selbst aktuell unruhige Zeiten.

IOC-Präsident Thomas Bach spricht bei einer Sitzung der IOC-Exekutive, im Hintergrund die Olympische Fahne mit den fünf Ringen.
Hängt Thomas Bach noch vier weitere Jahre als IOC-Präsident an? null Laurent Gillieron/dpa/KEYSTONE/picture alliance

Wegen der IOC-Entscheidungen zu Russland und Belarus wird Bach von unterschiedlichen Seiten angefeindet. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums warf dem IOC-Chef "Rassismus und Neonazismus" vor. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte hingegen, das IOC habe dem Kreml "grünes Licht gegeben, Olympia Waffe zu benutzen". Und die Gesellschaft für bedrohte Völker, eine Nichtregierungsorganisation aus Deutschland, bezeichnete Bach als "lernunfähigen Dinosaurier".

Das IOC stellt sich vor seinen Präsidenten und weist die Kritik an ihm zurück. Bachs Amtszeit endet eigentlich 2025, die Sommerspiele in Paris wären damit seine letzten als IOC-Chef. Einige IOC-Mitglieder haben vorgeschlagen, die Statuten zu ändern, damit Bach vier weitere Jahre IOC-Präsident bleiben kann. Der 70-Jährige will nach eigenen Worten erst nach den Spielen in Paris darüber entscheiden.

Bayer 04 Leverkusen - der Meister mit dem Imageproblem

"Ich und die meisten anderen sehen uns nicht als Pillen- oder Plastikklub, sondern wir sind hundertprozentig ein Traditionsverein", sagte Fernando Carro fast schon trotzig in einem Interview des Internet-Streamingdienstes DAZN. Der Spanier ist seit Mitte 2018 Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen. Carro verwies darauf, dass der Verein in diesem Sommer bereits seinen 120. Geburtstag feiert. Bayer 04 blickt damit auf eine längere Geschichte zurück als einige andere Klubs der höchsten deutschen Spielklasse, die sich die Tradition groß auf die Fahne schreiben, wie Borussia Dortmund (gegründet 1909) oder der rheinische Erzrivale 1. FC Köln (1948).

Nach einer Unterschriftensammlung von Mitarbeitern des Unternehmens war am 1. Juli 1904 der "Turn- und Spielverein der Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co in Leverkusen" ins Leben gerufen worden. Drei Jahre später hatte der Betriebssportverein auch eine Fußballmannschaft. Das Stadion der Leverkusener steht seit 1958 in einer Flussaue am Stadtrand. 2009 wurde es erweitert und zu einem Multifunktionskomplex umgebaut - mit Hotel und Tagungsräumen. Die BayArena fasst 30.210 Zuschauer.

Mannschaft mit hohem Marktwert

Von 1949 an gab es im Bayer-Team auch Vertragsspieler. Sie erhielten Prämien fürs Fußballspielen. Von Profis konnte damals jedoch noch nicht die Rede sein. Noch in der zweite Hälfte der 1970er Jahre arbeiteten die Fußballer der Mannschaft drei bis viermal pro Woche vormittags im Bayer-Werk. Zu dieser Zeit hatte die für die Leverkusener übliche Bezeichnung Werkself noch einen realen Hintergrund.

Heute muss keiner der Bayer-Profis mehr Zeit in anderen Abteilungen des Unternehmens verbringen. Das Team ist seit langem Aushängeschild und Werbeträger des weltweit operierenden Chemie- und Pharmakonzerns. Der Marktwert der Mannschaft von Erfolgstrainer Xabi Alonso wird aktuell mit knapp 600 Millionen Euro veranschlagt. Allein der erst 20 Jahre alte deutsche Nationalspieler Florian Wirtz wird auf 110 Millionen Euro geschätzt. Höher als die Mannschaft der Leverkusener ist in Deutschland nur der Kader des FC Bayern München bewertet: mit rund 930 Millionen Euro.

Der Brasilianer Lucio jubelt 2002 mit seinen Leverkusener Teamkollegen Ze Roberto und Michael Ballack über einen Treffer.
Auch die Brasilianer Lucio (2.v.r.) und Ze Roberto (l.) spielten einst für Bayer 04null Ulmer/IMAGO

Bayer 04 ist der Bundesliga-Verein mit dem derzeit höchsten Anteil internationaler Spieler. 78 Prozent der Profis haben ihre Wurzeln in anderen Staaten. In den zurückliegenden Jahrzehnten galt der Klub als Sprungbrett vor allem für brasilianische Fußballtalente. So begannen die Europa-Karrieren der Weltmeister Jorginho (1989 bis 1992), Paulo Sergio (1993 bis 1997) und Lucio (2001 bis 2004) in Leverkusen.

100-prozentige Tochter des Bayer-Konzerns

Die Bayer AG gehört zu den zehn größten nicht-staatlichen Sportsponsoren des Landes - sowohl im Spitzensport als auch im Breitensport und im Parasport. Der Konzern verweist auf rund 70 Medaillen von Bayer-Sportlerinnen und -Sportlern bei Olympischen Spielen, 90 bei Paralympics und über 200 bei Weltmeisterschaften. Der TSV Bayer 04 Leverkusen ist der erfolgreichste deutsche Leichtathletikverein. Und doch bezeichnet der Konzern die Fußball-Abteilung als "Flaggschiff" der Bayer-Top-Mannschaften. Schließlich ist Fußball Deutschlands Sportart Nummer eins.

Das Werksgelände des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer in Leverkus
Das Werksgelände des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer in Leverkusennull Thomas Banneyer/dpa/picture alliance

Wie viel Geld genau die Bayer AG jährlich in den Verein pumpt, wird nicht veröffentlicht. In Medienberichten taucht immer wieder die Summe 25 Millionen Euro auf, bestätigt ist sie jedoch nicht. Seit 1999 sind die Profimannschaften der Männer und Frauen in der "Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH" ausgelagert. Rund 300 Menschen arbeiten für diese Kapitalgesellschaft. Die Bayer AG hält alle Anteile daran: sechs Prozent direkt und die restlichen 94 Prozent über ein Tochterunternehmen. Aufgrund dieser Konstruktion ist der Konzern nicht verpflichtet, Jahresabschlüsse der Fußball-Abteilung zu veröffentlichen. Vertraglich ist geregelt, dass die wirtschaftliche Bilanz ausgeglichen ist: Wenn die Fußball-GmbH Gewinne macht, führt sie diese an Bayer ab. Schreibt sie rote Zahlen, gleicht der Konzern die Verluste aus.

50+1-Regel gilt für Bayer 04 nicht

Dass die Bayer AG alle Anteile an Bayer 04 Leverkusen halten darf, ist eine Ausnahme von der im deutschen Fußball eigentlich geltenden 50+1-Regel. Diese soll verhindern, dass Großinvestoren die Vereine beherrschen. Die Klubs erhalten nur dann eine Spiel-Lizenz, wenn bei Versammlungen der "Mutterverein" über "50 Prozent der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils" verfügt. Das bedeutet: Auch wenn ein Investor die finanzielle Kontrolle übernimmt, darf er nicht über die Mehrheit der Stimmen verfügen, damit er von den Vereinsmitgliedern noch überstimmt werden kann. Ausnahmen gelten nur für die traditionellen Werksmannschaften Bayer 04 Leverkusen und VfL Wolfsburg. Die Wolfsburger, deutscher Meister 2009, waren aus einem Betriebssportteam des Automobilkonzerns Volkswagen hervorgegangen.

Die Fan-Kurve des VfB Stuttgart präsentiert ein Fahnenmeer hinter einem Transparent auf dem steht "50+1 muss bleiben".
Für die organisierte Fanszene in Deutschland unabdingbar: Die 50+1-Regel muss bleibennull Bernd Feil/MIS/IMAGO

Die Sonderrolle der Leverkusener dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, dass Bayer 04 - zumindest bislang - nicht unter den beliebtesten deutschen Fußball-Klubs auftaucht. So lag Leverkusen bei einer Umfrage im vergangenen Dezember trotz überragender Leistungen nur auf Platz zwölf. Es bleibe bei Bayer 04 ein "Geschmäckle", antwortete das Fanbündnis "Unsere Kurve" auf die Frage, wie die Fanszene dazu stehe, dass ausgerechnet ein Werksklub den Serienmeister FC  Bayern ablöse.

Doch die Vorbehalte gegen Bayer 04 scheinen zu bröckeln. In dieser Saison knackte der Klub die Marke von 50.000 Mitgliedern. Im Vergleich zu den mehr als 300.000 Mitgliedern des Rekordmeisters FC Bayern erscheint die Zahl niedrig. Der Eindruck relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass in der Stadt Leverkusen nur rund 170.000 Menschen leben.

Mit dem ersten deutschen Meistertitel der Vereinsgeschichte hat Bayer 04 Leverkusen einen sportlichen Meilenstein geschafft. Geht es nach Klubchef Carro, ist die Reise damit aber noch lange nicht zu Ende. Erfolgstrainer Alonso bleibt dem Klub erhalten, wahrscheinlich ebenso Ausnahmespieler Florian Wirtz. "Alles, was wir in den letzten Jahren an Potenzial gesehen und erkannt haben, wollen wir in der Zukunft ausschöpfen", sagte der Geschäftsführer. "Alles mit einem Ziel: sportlich so erfolgreich wie möglich zu sein."

Bayer-04-Trainer Xabi Alonso: Der Bessermacher am Ziel

Die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte von Bayer 04 Leverkusen sichergestellt, das Ticket für das DFB-Pokalfinale gelöst, vor dem Sprung ins Halbfinale der Europa League, bisher keine einzige Niederlage: Xabi Alonsos erste komplette Saison als Trainer einer ersten Mannschaft hätte kaum besser laufen können. Als der Spanier im Oktober 2022 zu den Leverkusenern stieß, stand der Bundesligist in der Abstiegszone. Als Trainer konnte Alonso damals lediglich auf die Erfahrung von insgesamt vier Jahren als Junioren-Coach bei Real Madrid und dann als Trainer der zweiten Mannschaft von Real Sociedad verweisen. Anderthalb Jahre später gilt der 42-Jährige als einer der besten Trainer der Welt.

Baske mit deutscher Note

Alonsos Spielerkarriere begann bei Real Sociedad San Sebastian, einem Verein aus dem Baskenland. Dort verbrachte Alonso den größten Teil seiner Jugend. Sein Vater, Periko Alonso, war als Spieler dreimal spanischer Meister - zweimal mit Real Sociedad, einmal mit dem FC Barcelona. Auch Xabi Alonsos älterer Bruder Mikel spielte für den Klub aus San Sebastian.

Xabis Spielintelligenz und Ruhe, sein außergewöhnliches Passspiel und sein taktisches Gespür weckten bald das Interesse europäischer Spitzenklubs. Der Mittelfeldstratege spielte für den FC Liverpool (2004 bis 2009), Real Madrid (2009 bis 2014) und den deutschen Rekordmeister FC Bayern München (2014 bis 2017). "Ich bin Baske, ganz und gar Baske, aber jetzt mit großem deutschen Einfluss", sagte Alonso zu Beginn dieser Saison der britischen Zeitung "The Guardian".

Der Analytiker

Obwohl Alonso etwa die Hälfte seiner Karriere außerhalb Spaniens verbrachte, waren es zwei spanische Trainer, die wohl den größten Einfluss auf ihn hatten. Sowohl Rafael Benitez in Liverpool als auch Pep Guardiola in seiner Zeit als Bayern-Trainer sahen bereits im Spieler Alonso den kommenden Topcoach. "Er war clever und analysierte. Wenn man normalerweise einem Spieler etwas erklärt, muss man es meist wiederholen. Xabi war einer, der schnell lernte", sagte Benitez, unter dem Alonso 2005 den ersten seiner beiden Champions-League-Titel gewann. Den zweiten bejubelte er 2014 mit Real Madrid. Mit der spanischen Nationalmannschaft wurde Alonso 2010 Weltmeister und zweimal in Folge Europameister (2008 und 2012).

"Er war einer der besten Mittelfeldspieler, die ich jemals gesehen habe. Ich war so froh, ihn in München dabei zu haben", erinnerte sich Guardiola. "Er versteht das Spiel und bringt auch die dafür nötige Neugier mit. Er wusste ganz genau, was wir tun mussten, um unsere Spiele zu gewinnen."

Ballbesitz und Pragmatismus

Seine analytischen Fähigkeiten stellt Alonso nun auch als Trainer unter Beweis. Der Spanier legt sehr großen Wert auf den Ballbesitz seiner Mannschaft. So hat Leverkusen in dieser Saison in der Bundesliga von allen Teams die meisten Pässe gespielt und sie auch an den Mann gebracht. Bayer 04 baut das Spiel häufig schnell durch die Mitte auf. Bei Kontern werden die flinken Außenverteidiger mit eingebunden.

Doch Alonso ist auch in der Lage, seine Taktik an den Gegner anzupassen - wie beim wichtigen 3:0-Sieg gegen den FC Bayern im Februar. Er verzichtete in der Startelf auf den rechten Außenverteidiger Jeremie Frimpong, den offensiven Mittelfeldspieler Jonas Hofmann und den tschechischen Stürmer Patrik Schick, um seine Mannschaft kompakter aufzustellen, ohne dabei an Tempo zu verlieren. Alonsos Wechsel überraschten die Bayern. Sie hatten zwar mehr Ballbesitz, brachten in den 90 Minuten aber nur einen einzigen Torschuss zustande.

Leverkusens Trainer Alonso applaudiert während des Bundesliga.Spiels gegen den FC Bayern im Februar.
Alonsos Taktik gegen die Bayern ging hundertprozentig aufnull Hirnschal/osnapix/IMAGO

"Ich denke, wir haben das Spiel gut kontrolliert. Wir haben im richtigen Moment gepresst oder auch gewartet. Für mich war es defensiv eine hervorragende Leistung", freute sich Alonso nach dem Spitzenspiel, das Leverkusens Status als Titelanwärter untermauerte.

Entschlossen und nahbar

Frimpong kam im Spiel gegen die Bayern erst nach gut einer Stunde von der Bank und erzielte in der Nachspielzeit den Treffer zum 3:0-Endstand. Die Chemie zwischen den Spielern und dem nach außen eher ruhigen, aber dennoch leidenschaftlichen und entschlossenen Alonso stimmt. "Alle Spieler haben ihm vertraut, was unsere Spielweise angeht", sagte Frimpong in dieser Woche gegenüber TNT Sports. "Man kann das auch auf dem Platz sehen - an unserer Spielfreude und daran, dass wir immer als geschlossenes Team auftreten. Er [Alonso - Anm. d. Red.] ist der Boss, aber auch einfach ein netter Kerl."

Bayern-Trainer Carlo Ancelotti und sein Spieler Xabi Alonso umarmen sich nach Ende eines Bundesligaspiels im Jahr 2017.
Alonso hat nach eigener Aussage viel von seinem Ex-Trainer Carlo Ancelotti (r.) gelerntnull Peter Kneffel/picture alliance/dpa

In dieser Hinsicht hat sich Alonso nach eigenen Worten ein Beispiel an seinem früheren Trainer Carlo Ancelotti genommen, unter dem er mit Real Madrid Champions-League-Sieger und mit den Bayern deutscher Meister wurde. "Carlo Ancelotti ist ein Meister in Sachen Menschenführung", sagte Alonso. "Er versteht es vorzüglich, Spieler zu überzeugen und gleichzeitig ein gutes Verhältnis zu ihnen zu haben."

Alonso bleibt

Zeitweise sah es nach einem Abschied Alonsos aus Leverkusen nach dem Ende der Saison aus. Es wurde spekuliert, dass der von vielen Klubs umworbene Trainer als Nachfolger von Thomas Tuchel den FC Bayern übernehmen oder aber beim FC Liverpool in die großen Fußstapfen von Jürgen Klopp treten würde. Doch Alonso winkte ab. "Es fühlt sich richtig an. Ich bin hier am richtigen Ort. Ich bleibe bei Bayer 04", sagte der Leverkusener Erfolgstrainer Ende März. "Mein Job ist definitiv noch nicht beendet, und wir haben noch einiges vor."

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert und nach dem 29. Spieltag aktualisiert.

Wie Bayer Leverkusen deutscher Fußball-Meister wurde

Bereits fünf Spieltage vor Saisonschluss steht Bayer 04 Leverkusen als deutscher Fußballmeister fest. Nach dem klaren und ungefährdeten 5:0 (1:0)-Erfolg gegen Werder Bremen an diesem Sonntag (14. April) hat die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso 16 Punkte Vorsprung vor dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart und kann nicht mehr vom ersten Platz verdrängt werden. Damit beendet Leverkusen die Erfolgsserie des deutschen Rekordmeisters München, der elfmal in Serie den Titel geholt hatte. Für Leverkusen ist es die heiß ersehnte erste deutsche Meisterschaft der Klubgeschichte nach insgesamt fünf zweiten Plätzen. Bayer 04 hat den "Vizekusen"-Fluch abgelegt. Wir blicken auf die Gründe:

Die Entscheidung für Xabi Alonso als Bayer-Coach

Bayer 04 Leverkusen hat eine atemberaubende und nicht für möglich gehaltene Saison hingelegt. Als einziges Team ist die Werkself in der Spielzeit 2023/24 bislang ungeschlagen geblieben, wird damit souverän deutscher Meister und versetzt die Fußball-Welt in Erstaunen. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte sicherte sich der Klub den Titel. Der Ursprung dieser Erfolgsgeschichte liegt bereits in der Vorsaison. Damals legte Leverkusen mit Trainer Gerardo Seoane einen miserablen Start hin. Nach Platz drei zum Abschluss der Saison 2021/22 holte der Schweizer in den ersten acht Spielen nur fünf Punkte und wurde im Oktober 2022 entlassen.

Als Nachfolger holte Bayer 04 den Spanier Xabi Alonso. Eine mutige Entscheidung, denn der Weltmeister von 2010 hatte bis dahin als Trainer noch nie die erste Mannschaft eines Vereins betreut. Und der Verein lief zu diesem Zeitpunkt Gefahr, anderen deutschen Fußball-Schwergewichten wie Schalke, Hamburg und Hertha in die zweite Liga zu folgen.

Leverkusens Trainer Xabi Alonso gestikuliert während des Spiels gegen Werder Bremen
Trainer Xabi Alonso spielte einst bei den Bayern, als Trainer versetzte er seinem Ex-Klub entscheidende Nadelstichenull Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

"Das sollte man nicht als Experiment für Leverkusen sehen. Es geht nicht um Erfahrung, sondern um Qualität", betonte Sportdirektor Simon Rolfes bei der Präsentation des Spaniers als neuer Bayer-Trainer. "Es ist immer ein gewisses Risiko dabei, aber man muss sich immer verbessern. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es klappen wird."

Und wie es geklappt hat. Nach durchwachsenen Ergebnissen in seinem ersten Monat begann sich Alonsos Stil durchzusetzen: Ballbesitzfußball, hohes Pressing, sehr offensiv ausgerichtete Außenverteidiger. Mit diesem System holte Leverkusen in der vergangenen Saison 46 Punkte aus den letzten 24 Spielen. Damit qualifizierte sich Bayer 04 noch für die Europa League. Und der Beweis war erbracht, dass Alonso, der ehemalige Mittelfeldspieler von Real Madrid, Liverpool und Bayern München, die richtige Wahl als Trainer war.

Die Zusammenstellung des Bayer-Kaders

Durch den Verkauf des Franzosen Moussa Diaby im Sommer 2023 an den Premier-League-Klub Aston Villa flossen 55 Millionen Euro in die Bayer-Kassen. Damit hatte Sportchef Rolfes die Möglichkeit, für diese Saison einen Kader nach den Vorstellungen Alonsos zusammenzustellen. Der nigerianische Stürmer Victor Boniface, der für 20,5 Millionen Euro verpflichtet wurde, sowie die erfahrenen Mittelfeldspieler Jonas Hofmann (10 Millionen Euro) und Granit Xhaka (15 Millionen Euro) waren entscheidend für Leverkusens Lauf. Boniface sorgte im Offensivspiel für Schwung und erzielte in den ersten fünf Spielen sechs Tore, ehe er sich verletzte. Xhaka sorgte für Stabilität im Mittelfeld, er kam bisher in jedem Spiel zum Einsatz. Hofmann absolvierte 27 von bisher 29 Ligaspielen. Der Offensivspieler, der zuvor sieben Jahre lang bei Borussia Mönchengladbach unter Vertrag gestanden hatte, wurde zum wichtigen Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff.

Hinzu kam ein weiterer Glückgriff: Der ablösefreie Transfer Alex Grimaldos von Benfica Lissabon nach Leverkusen dürfte der beste Deal eines deutschen Vereins in dieser Saison sein. Der Spanier, im Bayer-Team ebenfalls ein Dauerbrenner, erzielte bereits neun Tore und bereitete elf Treffer vor. Gemeinsam mit dem Niederländer Jeremie Frimpong zog er das Spiel der Bayer-Elf in die Breite und sorgte damit für noch mehr  Durchschlagskraft. "Ich denke, es gehört zu meinen Stärken zu wissen, wo die Räume sind und wo ich Schaden anrichten kann", sagte Grimaldo. "Xabi [Alonso - Anm. d. Red.] gibt mir die nötige Freiheit dafür."

Die Verbesserung der Schlüsselspieler

Aber es waren nicht nur die neuen Spieler, die für den Leverkusener Durchmarsch in dieser Saison sorgten. Auch etablierte Spieler wie Frimpong, die deutschen Nationalspieler Jonathan Tah und Robert Andrich oder der argentinische zentrale Mittelfeldspieler Exequiel Palacios spielten - anders als unter früheren Trainern - auf konstant hohem Niveau. 

Das galt auch für Florian Wirtz, das aktuell wohl größte Talent im deutschen Fußball. Als Alonso nach Leverkusen kam, kurierte der Nationalspieler noch seine Kreuzbandverletzung aus, die ihn auch die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2022 gekostet hatte. Nach seinem Comeback wurde der 20-Jährige unter Alonso noch besser. Beide schätzen einander.

Florian Wirtz bejubelt sein Tor zum 3:0 gegen Werder Bremen
Florian Wirtz traf gegen Werder Bremen gleich dreimalnull Federico Gambarini/dpa/picture alliance

"Ich spüre sein Vertrauen", sagte Wirtz über den spanischen Trainer. "Xabi gibt mir viele Freiheiten auf dem Platz und hat immer einen Tipp parat, wie ich mich verbessern kann." Alonso wollte seine Rolle bei der Entwicklung von Wirtz nicht zu hoch bewerten: "Er hat diese Kontrolle zwischen den Linien, kann auf kleinem Raum Außergewöhnliches machen. Es ist etwas, das man einfach hat, das man keinem beibringen kann." Wirtz stand bei allen Ligaspielen dieser Saison auf dem Platz, erzielte elf Treffer und gab elf Torvorlagen. Im Spiel gegen Werder Bremen, in dem Bayer 04 die Meisterschaft perfekt machte, gelang ihm sogar ein Dreierpack.

Kein Wunder, dass Europas Topklubs Schlange stehen, um Wirtz von den Leverkusenern loszueisen. Die Entscheidung seines Trainers Alonso, auch nach dem Meistertitel in Leverkusen zu bleiben, könnte Wirtz dazu bewegen, dem Ruf des Geldes zu widerstehen und mindestens eine weitere Saison für den Werksklub zu spielen.  

Erfolge gegen den FC Bayern

Wer in Deutschland Meister werden will, muss in der Lage sein, den FC Bayern München zu besiegen. In der Hinrunde rettete noch ein Elfmeter-Tor von Palacios in der Nachspielzeit den Leverkusenern einen Punkt in München. Der  3:0-Heimsieg gegen die Bayern in der Rückrunde war dagegen eine Machtdemonstration von Bayer 04. Auch die größten Skeptiker trauten nun den Leverkusenern zu, den Rekordmeister nach elf Titeln in Folge entthronen zu können.

Die Tatsache, dass Bayern-Leihgabe Josip Stanisic das Tor zum 1:0 erzielte, spiegelte die konfuse, zuweilen auch leicht arrogante Personalpolitik der Münchener wider. An jenem Tag wurden die harmlosen Bayern, die nur zu einem Torschuss kamen, von den Leverkusenern regelrecht zerlegte. Es war eine taktische Meisterleistung Alonsos. Der Bayer-Sieg gegen die einst übermächtigen Bayern wirkte wie eine Wachablösung.

Und immer wieder in der Nachspielzeit

Der Spottname Vizekusen haftete Bayer 04 nicht umsonst an. Bislang waren die Leverkusener geradezu prädestiniert dafür, auf der Zielgeraden die Nerven zu verlieren und selbst sicher geglaubte Titel noch zu verpassen. In dieser Saison jedoch gelang es der Elf von Trainer Alonso, den Fluch abzulegen. Der Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft in der Vereinsgeschichte ist nicht der einzige Beleg dafür. Gerade in den Schlussphasen der Spiele bewiesen die Leverkusener diesmal große Nervenstärke: In 29 Ligaspielen erzielte die Werkself nach der 81. Minute sage und schreibe 24 Tore und verwandelte manche drohende Niederlage noch in ein Unentschieden oder sogar einen Sieg. Mit dem Meistertitel sollte der Spottname Vizekusen endgültig Geschichte sein.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Dreifache Mutter Almuth Schult gibt Comeback als Torhüterin

Acht Monate nach der Geburt ihres dritten Kindes steht Almuth Schult, die frühere Nummer eins im Tor der DFB-Frauen, vor ihrem Comeback. Zweitligist Hamburger SV teilte mit, die 33-Jährige werde ab sofort das Tor des HSV-Teams hüten. Ihr Vertrag gelte vorerst bis zum Saisonende.  

Almuth Schult ist die erste Spielerin weltweit, bei der eine neue FIFA-Regel greift. Sie soll Fußballerinnen nach dem Mutterschutz den Wiedereinstieg in den Sport erleichtern. Gemäß der Regel dürfen sich die Mütter auch außerhalb der eigentlich dafür vorgeschriebenen festen Zeiträume als Spielerinnen registrieren lassen - "in Abhängigkeit von ihrem vertraglichen Status". Da Schult vertraglich nicht mehr an ihren ehemaligen Verein Angel City FC gebunden ist, kann sie bereits in der laufenden Saison eingesetzt werden. 

Im Sommer 2022 hatte sich Schult nach neun Jahren beim deutschen Topklub VfL Wolfsburg dem Verein in Los Angeles angeschlossen. Allerdings hatte sie nur ein Spiel für die US-Amerikanerinnen bestritten. Zuletzt arbeitete Schult als TV-Expertin für die ARD. Nach der Geburt ihrer Zwillinge im Frühjahr 2020 hatte sie im August 2023 ihr drittes Kind zur Welt gebracht. 

Olympiasiegerin, Europameisterin, Welttorhüterin

"Ich spüre, welche ernsthaften Ambitionen der HSV hat, und freue mich, wieder ein Teil davon zu sein", sagte Schult zu ihrem Engagement bei dem Hamburger Traditionsverein. Damit kehrt die Torhüterin zu ihren sportlichen Wurzeln zurück. Mit 16 Jahren hatte sie beim HSV ihr Bundesliga-Debüt gegeben.

Insgesamt bestritt Schult 66 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft. 2013 wurde sie mit den DFB-Frauen Europameisterin, 2016 Olympiasiegerin. 2014 wurde sie zur "Welttorhüterin des Jahres" gekürt.

Wegen der Geburt der Zwillinge und einiger Verletzungen hatte Schult nach der WM 2019 lange pausieren müssen. Für die Europameisterschaft 2022 wurde Merle Frohms zur neuen Nummer eins im deutschen Tor berufen. Schult wurde zwar ebenfalls nominiert, bei der EM aber nicht eingesetzt. Zum vorerst letzten Mal hatte sie im November 2022 bei DFB-Frauen zwischen den Pfosten gestanden, in der zweiten Halbzeit eines Testspiels gegen die USA. 

Paris 2024: Tischtennisstar Timo Boll vor siebter Olympiateilnahme

Der ewige Boll. Tischtennis-Bundestrainer Jörg Roßkopf hat den 43 Jahre alten Timo Boll für den Mannschaftswettbewerb der Olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August) nominiert. Wenn das zuständige Gremium des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) Anfang Mai sein Okay gibt, wird Boll in der französischen Hauptstadt zum siebten Mal bei einem olympischen Turnier für Deutschland an den Start gehen.

Damit zöge der Tischtennisstar mit dem ehemaligen Springreiter Ludger Beerbaum und dem Ex-Sportschützen Ralf Schumann gleich, die als deutsche Rekordhalter ebenfalls auf insgesamt sieben Sommerspiele kamen. Wenn man auch die Olympischen Winterspiele mit einbezieht, steht Eisschnellläuferin Claudia Pechstein mit acht Teilnahmen an der Spitze der deutschen Rekordliste.

Nach Verletzung zurückgekämpft

Ein Einsatz in Paris wäre für Boll die Krönung eines kaum mehr für möglich gehaltenen Comebacks. Im vergangenen Jahr hatte der Routinier wegen einer komplizierten Schulterverletzung für mehrere Monate pausieren müssen. In der Weltrangliste war er auf Position 200 abgerutscht. Obwohl er im Februar auch die Team-Weltmeisterschaft in Südkorea wegen einer Augenentzündung verpasste, meldete Boll sich in diesem Jahr eindrucksvoll in der Weltspitze zurück. Unter anderem gewann er im Januar das internationale Turnier in Doha.

Inzwischen hat sich der Tischtennis-Oldie in der Weltrangliste wieder unter die Top 30 vorgearbeitet. Bestplatzierter Deutscher ist als Zehnter Europameister Dang Qiu, der mit Dimitrij Ovtcharov in Paris im Einzel starten soll. Ovtcharov hatte bei den Spielen 2021 in Tokio die Bronzemedaille gewonnen.

Dutzende internationaler Medaillen

"Der Aufwand ist inzwischen zwar sehr hoch, aber ich spüre, dass ich wieder auf ein anderes Level gekommen bin", sagte Timo Boll vor der Entscheidung von Bundestrainer Roßkopf. "Es ist ein gutes Gefühl, gegen die Jungen mithalten zu können."

Als Boll 1996 als Fünfzehnjähriger sein Debüt in der Tischtennis-Bundesliga gab, waren viele seiner heutigen Gegner noch gar nicht geboren. Zwei Jahre später gewann der junge Hesse den ersten seiner 13 deutschen Meistertitel im Einzel. 2002 wurde Boll erstmals Europameister, 2021 gewann er seinen achten EM-Einzeltitel, Boll ist Rekordeuropameister.

Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2016 in Rio trägt Timo Boll die deutsche Fahne ins Stadion.
Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2016 in Rio trug Timo Boll die deutsche Fahnenull Eibner/imago images

Bei Weltmeisterschaften gewann Boll zweimal Bronze: 2011 und 2021. Zudem sammelte er Dutzende internationaler Medaillen im Doppel und im Teamwettbewerb. So gewann er mit der deutschen Mannschaft je zweimal Silber (2008 und 2021)und Bronze (2012 und 2016) bei Olympischen Spielen sowie fünfmal Silber und einmal Bronze bei Weltmeisterschaften. Bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hatte Timo Boll das deutsche Olympia-Team bei der Eröffnungsfeier als Fahnenträger ins Stadion geführt.  

Superstar in China

Mit 37 Jahren war Boll 2018 vorübergehend auch wieder Weltranglisten-Erster, der älteste aller Zeiten. Bereits 2003 und 2011 war der Deutsche für einige Monate in die Phalanx der dominierenden chinesischen Spieler eingebrochen. Boll hatte schon sehr früh in seiner Karriere seine Spielweise auf die wenigen Schwächen der Superstars aus dem Reich der Mitte eingestellt. Bis heute ist er für die Chinesen ein gefürchteter Gegner geblieben.

Ex-Doppelweltmeister Steffen Fetzner nannte Boll deswegen einmal scherzweise "Staatsfeind Nummer eins in China". Im tischtennisverrückten China ist der Linkshänder aus Deutschland ein Superstar, der auf der Straße erkannt wird. 2007 wurde er in China sogar zum "attraktivsten Mann der Welt" gewählt - vor dem damaligen Fußball-Superstar David Beckham.

Pleite in Heidenheim stellt beim FC Bayern vieles infrage

"Wir haben aufgehört, die Dinge mit der gleichen Konzentration und dem gleichen Fleiß zu machen, wie in der ersten Halbzeit", analysierte Bayern Münchens Trainer Thomas Tuchel nach der unerwarteten und bitteren Niederlage seiner Mannschaft bei Bundesliga-Aufsteiger und Außenseiter 1. FC Heidenheim. Das Städtchen nördlich von Ulm hat weniger Einwohner als in München ins Stadion passen. Dementsprechend war ein Sieg gegen den ambitionierten Underdog beim Rekordmeister fest eingeplant.

Doch die Münchener gaben in Heidenheim eine eigentlich komfortable 2:0-Führung innerhalb weniger Minuten aus der Hand und verloren das Spiel am Ende sogar mit 2:3. Nach dem 0:2 zu Hause gegen Borussia Dortmund am Osterwochenende war es die zweite Pleite in der Bundesliga in Folge, die sechste insgesamt in dieser Saison. In keiner ihrer zurückliegenden elf Meister-Spielzeiten hatten die Bayern mehr als fünfmal verloren.

Da Konkurrent und Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen seine Spiele gewann, ist die Meisterschale wohl endgültig weg. Die Werkself mit Erfolgstrainer Xabi Alonso benötigt nur noch drei Punkte zum ersten Titel, und auch das nur, wenn die Münchener die restlichen sechs Spiele allesamt gewinnen sollten. Dann hätten sie 78 auf dem Konto. Leverkusen hat schon jetzt 76. Bereits am kommenden Wochenende könnten die Leverkusen die Meisterschaft unter Dach und Fach bringen.

Diskussionen über ratlosen Thomas Tuchel

Bei den Münchenern herrschte nach der Niederlage in Heidenheim aber nicht wegen der verlorenen Meisterschaft Alarmstimmung, sondern weil man sich Sorgen machen muss, ob Trainer und Mannschaft in der Lage sind, die restliche Saison überhaupt einigermaßen vernünftig über die Bühne zu bringen. Dass Tuchel danach in München keine Zukunft hat, ist bereits entschieden. Sein Abschied im Sommer steht fest. Darüber, ob er wirklich bis zum Saisonende weitermachen darf oder nicht sogar schon früher abgelöst wird, wurde nach der Heidenheim-Pleite heiß diskutiert.

"Thomas Tuchel erreicht die Mannschaft nicht mehr. Die Mannschaft braucht irgendwie einen neuen Impuls, und den kann Thomas Tuchel nicht mehr geben", sagte der frühere Bayern-Profi und deutsche Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus bei Sky. 

Bayern-Trainer Thomas Tuchel reibt sich bei der Pressekonferenz nach der Niederlage in Heidenheim ratlos die Stirn
Bayern-Trainer Thomas Tuchel kann zum wiederholten Male nicht erklären, warum seine Mannschaft verloren hatnull Tom Weller/dpa/picture alliance

"Natürlich ist niemand zufrieden mit der Situation", hatte Tuchel nach dem Spiel gesagt, aber auch eingeräumt: "Ich habe keine Erklärung dafür, wieso wir uns die Butter vom Brot nehmen lassen." Nicht zum ersten Mal in den vergangenen Wochen und Monaten stand Tuchel vor den Mikrofonen der Journalisten und wusste nicht, warum sein Team verloren hatte. Auch diesmal schien er ratlos. "Keine Ahnung, keine Ahnung", sagte Tuchel. "Wir tun uns schwer, die Konzentration hochzuhalten, das war der nächste Beweis dafür."

"Es gibt komische Pressekonferenzen, es gibt komische Aussagen, es gibt komische Kritik von ihm", bemängelte Matthäus. "Deswegen könnte ich mir vorstellen, dass Bayern sogar in den nächsten 24, 48 Stunden reagiert, weil das geht nicht so weiter."

Jobgarantie von Eberl - vorerst

Davon wollte der neue "starke Mann" im Verein aber nichts wissen. Ein Trainerwechsel sei "definitiv nicht der Weg", sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl. "Bayern hat schon den Trainer entlassen, trotzdem steht man da, wo man steht. Es ist nicht immer nur ein Trainerproblem. Er geht auf jeden Fall in die nächsten Wochen." Dass diese Jobgarantie auch bis Saisonende gilt, wollte Eberl aber nicht bestätigen.

Die neuerliche Trainerdiskussion kommt ungelegen, denn der Klub hat noch Ziele - die Qualifikation für die Champions League über die Bundesliga und das Weiterkommen im Viertelfinale der Königsklasse in der laufenden Spielzeit. Der FC Bayern ist in der Bundesliga-Tabelle mit 60 Zählern Zweiter. Bei sieben Punkten Vorsprung auf den Fünften RB Leipzig sollte die Champions-League-Qualifikation wohl nur eine Formsache sein. Allerdings ist der VfB Stuttgart drauf und dran, die Bayern von Rang zwei zu verdrängen. Am Ende "nur" Dritter zu werden, wäre ein weiterer Tiefschlag für die Bayern.

Kein Favorit gegen Arsenal

Auch im anstehenden Viertelfinal-Hinspiel der Champions League steht der FCB am Dienstagabend vor einer schwierigen Aufgabe. Gegen den FC Arsenal, aktueller Tabellenführer der Premier League, sind die Münchener nicht der Favorit. Zumal auch Tuchel nach der Pleite bei der Generalprobe in Heidenheim nicht den Eindruck vermittelte, als hätte er einen Plan, wie man gegen die laufstarken und ballsicheren Engländer gewinnen könnte. Es sei "schwer zu beantworten", wie er jetzt einen positiven Impuls setzen wolle, gab der Trainer zu. "Wir setzen ihn schon. Aber wir setzen ihn morgen oder übermorgen, wir haben noch zwei Tage Zeit", meinte er.

Martin Ödegaard und Kai Havertz vom FC Arsenal beim Torjubel
Kapitän Martin Ödegaard (l.) und Kai Havertz (r.) sind zwei der Erfolgsgaranten beim FC Arsenalnull Frank Augstein/AP Photo/picture alliance

Die Saison 2023/2024 ist für den FC Bayern München schon eine Spielzeit zum Vergessen. Meister werden, das DFB-Pokal-Finale erreichen und um den Titel in der Champions League mitspielen - so lauten jedes Jahr die logischen Saisonziele des besten deutschen Fußballvereins.

Zwei davon haben sie bereits verpasst. Sollte es in Hin- und Rückspiel (9. und 17. April) der Königsklasse gegen Arsenal auch schiefgehen, wäre aus Münchener Sicht die Katastrophe perfekt.

Sturz-Risiko und Angst: Debatte über Sicherheit im Radsport

Es waren schwer zu ertragende Bilder bei der vierten Etappe der Baskenland-Rundfahrt: Minutenlang hatte Tour de France-Sieger Jonas Vingegaard regungslos am Straßenrand gelegen, bevor er von den Sanitätern versorgt und ins Krankenhaus gefahren wurde. Sein Team gab später bekannt, dass sich der Däne das Schlüsselbein und mehrere Rippen gebrochen und eine Lungenquetschung erlitten hat.

Nur wenige Meter von ihm entfernt lagen zwei seiner ärgsten Konkurrenten für die Ende Juni startende Tour de France. Der Belgier Remco Evenepoel hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Schlüsselbein, während Primoz Roglic aus Slowenien - ebenfalls ein Fahrer, der für die Top-Platzierungen der Tour infrage kommt - über den Asphalt humpelte und dann immerhin im Teamwagen die Unfallstelle verlassen konnte. 

Sekunden zuvor war der Eritreer Natnael Tesfatsion auf der Straße weggerutscht und hatte so einen Massensturz verursacht, in dem rund ein Dutzend weitere Fahrer involviert waren. 

Stürze häufen sich

Viele Radprofis nutzen die Baskenland-Rundfahrt, um sich für die großen Rundfahrten im Sommer vorzubereiten, die Tour de France (29. Juni bis 21. Juli) und vorher den Giro d'Italia (4. bis 26. Mai). Nun scheint fraglich, ob einige der Mitfavoriten überhaupt am wichtigsten Etappen-Rennen der Saison teilnehmen können.

Der Crash ist bereits der zweite schlimme Vorfall im Radsport innerhalb kürzester Zeit. Vor rund einer Woche bot sich beim Eintagesrennen "Quer durch Flandern" ein ähnliches Bild. Besonders schlimm erwischte es bei dem Massensturz den Belgier Wout Van Aert. Der neunmalige Tour-Etappensieger verlor bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Rad und brach sich das Schlüsselbein und mehrere Rippen. 

Jonas Vingegaard vom Team Jumbo-Visma im Gelben Trikot stößt auf der letzten Etappe der Tour de France 2023 mit einem Glas Champagner mit Wout Van Aert im Grünen Trikot an
Jonas Vingegaard (l.) gewann 2022 und 2023 das Gelbe, Wout Van Aert (r.) 2022 das Grüne Trikot bei der Tour de Francenull THOMAS SAMSON/AFP

Abseits der Rennen ereignete sich am Mittwoch außerdem ein Trainingsunfall des deutschen Rennfahrers Lennard Kämna auf Teneriffa. Nach Angaben seines Rennstalls Bora-hansgrohe habe ihm ein entgegenkommendes Fahrzeug die Vorfahrt genommen. Kämna erlitt zahlreiche Verletzungen, befindet sich aber in stabilem Zustand. 

Suche nach Ursachen

Neben der Sicherheit der Fahrer stellt sich nun Frage nach den Gründen für die Häufung der Stürze. Als Ursache für den Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt führte der Spanier Mikel Bizkarra, der in der Gegend wohnt, in der es zum Crash kam, Straßenschäden als möglichen Auslöser an.

Der deutsche Radprofi Simon Geschke sah die Schuld dagegen eher bei den Fahrern: "Die waren einfach zu schnell", sagte der 38-Jährige, der für das Cofidis-Team an der Baskenland-Rundfahrt teilnimmt und nach der Saison seine Karriere beenden wird. "Die Straße war gut, es war trocken. Es war keine Kurve, die völlig überraschend kam."

"Es ist diese Wer-bremst-verliert-Mentalität", so Geschke weiter, der weiter hinten im Feld war und an den gestürzten Kollegen vorbeirollte. "Jeder wollte in die ersten Zehn in dieser Abfahrt rein. Und wenn dann keiner bremst, dann passiert so etwas."

Radrennfahrer Nils Politt von Bora-hansgrohe
Der deutsche Radrennfahrer Nils Politt sieht kein strukturelles Sicherheitsproblem im Radsportnull DAVID PINTENS/Belga/IMAGO

Dass vermehrt sehr junge Athleten direkt aus den Juniorenklassen in die WorldTour und kämen und sich dort risikoreich beweisen wollten, sah der deutsche Klassikerspezialist Nils Politt als eine mögliche Ursache ein erhöhtes Sturz-Risiko an. "Allgemein ist das Stresslevel deutlich höher", so Pollit gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). 

Während es früher normal war, dass bei einem Klassiker-Rennen von rund 200 Kilometern Renndistanz erst einmal einige Zeit lang gemütlich und im versammelten Feld gefahren wurde, gäbe es heutzutage kaum Ruhephasen. "Die Rennen werden immer schneller und immer früher eröffnet."

Allerdings sieht Politt kein strukturelles Sicherheitsproblem im Radsport, sondern stellt eher die Veränderungen am Equipment in den Vordergrund. "Wir werden immer schneller, weil das Material immer weiterentwickelt wird", sagte er. "Von Aero-Helmen oder Stoffen für das Trikot, die besser im Wind stehen, bis hin zu Laufrädern - alles wird schneller, alles wird besser."

Entschärfung von Schlüsselstelle bei Paris-Roubaix

Neben den Fahrern sind auch verschiedene Streckenabschnitte oder gar ganze Etappen in der Kritik. Der Sturz bei "Quer durch Flandern" ereignete sich in einer besonders schnellen Abfahrt, die aufgrund ihrer Gefährlichkeit aus der prestigeträchtigen Flandern-Rundfahrt gestrichen worden war. Bei "Quer druch Flandern" blieb sie drin - mit schlimmen Folgen.

Fahrer bei Radrennen Paris-Roubaix 2023 auf langer Kopfsteinpflaster-Passage im Wald von Arenberg
In die Kopfsteinpflaster-Passage im Wald von Arenberg möchten die Fahrer am liebsten ganz vorne einfahren, um Stürzen zu entgehennull Jasper Jacobs/Belga/dpa/picture alliance

Auch die Organisatoren des Klassikers Paris-Roubaix, auch die "Hölle des Nordens" genannt, haben auf die schlimmen Stürze bereits reagiert. Wie die Veranstalter mitteilten, soll beim Rennen am Sonntag kurz vor der Einfahrt in die 2400 Meter lange Kopfsteinpflaster-Passage des berühmt-berüchtigten Waldes von Arenberg eine Schikane eingebaut werden, um das Fahrerfeld von 60 auf etwa 30 Stundenkilometer abzubremsen.

Allerdings kommt die Schikane bei vielen Profis gar nicht gut an. "Die Anfahrt in den Wald ist vielleicht der gefährlichste Moment der ganzen Saison. Ich fühle mich in diesem Moment auch nicht wirklich wohl im Peloton", sagte der Vorjahressieger in Roubaix, Mathieu van der Poel: "Aber ich denke, die Schikane wird es noch gefährlicher machen."

"Lassen Sie uns das Massaker beenden", formulierte es Thierry Gouvenou, Renndirektor von Paris-Roubaix, etwas martialisch. Der frühere Profi forderte in der französischen Sport-Tageszeitung "L'Équipe" eine Grundsatzdebatte: "Fangen wir an, über die Geschwindigkeitsprobleme nachzudenken." Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen.

Die Angst fährt mit

Trotz aller Verbesserungsvorschläge werden sich Stürze in Hochgeschwindigkeitssportarten jedoch wohl auch in Zukunft kaum vermeiden lassen. Jan Bakelants, ehemaliger Träger des Gelben Trikots bei der Tour de France, brachte noch eine weitere Möglichkeit seitens des Equipments ins Spiel. "Ich könnte mir eine Art Airbag vorstellen, den man sich wie beim Skifahren auf den Rücken schnallt", sagte er gegenüber dem belgischen Sender Sporza.

In einer Sportart, in der Ingenieure verzweifelt versuchen, überall Gewicht einzusparen, könnte dies jedoch schwer zu realisieren sein. Weil man nicht gewinnt, wenn man nicht bereit ist, bergab oder in einem engen Finale im rasenden Pulk volles Risiko zu gehen, fährt auch in Zukunft die Angst mit.

Oder wie der französische Radprofi Benoit Cosnefroy es ausdrückt: "Einen Radfahrer, der keine Angst hat, kenne ich nicht."

Wo steht Deutschlands Golfsport nach Stephan Jägers PGA-Titel?

Ungläubig und mit Tränen in den Augen beobachtete Stephan Jäger den wohl größten Moment seiner Golfkarriere. Der in Führung liegende Deutsche hatte soeben mit angesehen, wie der derzeit kaum zu schlagende Weltranglistenerste Scottie Scheffler einen Putt aus kurzer Distanz am Loch vorbeischob und so unfreiwillig Jägers ersten Sieg auf der PGA-Tour perfekt machte.

134 Turniere hatte Jäger bereits auf der PGA-Tour, der höchsten Golf-Liga der Welt, gespielt. Der 135. Anlauf brachte am Ostermontag bei den Texas Children's Houston Open endlich den so lang ersehnten Erfolg.

"Stephans Sieg ist gar nicht hoch genug einzuschätzen", sagt Kariem Baraka, Präsident der PGA of Germany, gegenüber der DW. "Man muss bedenken, dass sich auf der PGA Tour Woche für Woche die 156 besten Spieler der Welt messen. Sich in so einem Feld durchzusetzen, ist eine enorme Leistung." 

Rekordzahlen im deutschen Golfsport

Auch für den deutschen Golfsport im Allgemeinen ist der Erfolg von Stephan Jäger enorm wertvoll. "So ein Sieg löst immer einen kleinen Boom im deutschen Golf aus", sagt Baraka. "Die Medien berichten rauf und runter, Stephans Sieg ist Thema in den deutschen Golfclubs, und man hat wieder eine Identifikationsfigur."

Das deutsche Golf erfreut sich ohnehin seit Jahren enormer Beliebtheit. Ende des vergangenen Jahres zählte der Royal and Ancient Golf Club of St Andrews in seinem Global Golf Participation Report 39,6 Millionen registrierte und nicht registrierte Golfspieler weltweit. Auf Deutschland entfielen dabei 2,1 Millionen Spieler - eine neue Höchstmarke im hiesigen Golf.

Große Erfolge eher Mangelware

Trotz des Golf-Hypes in Deutschland blieben die großen Erfolge auf der PGA-Tour zuletzt aber aus. Jäger ist erst der vierte deutsche Mann, der einen Sieg auf der PGA-Tour feiern konnte. Zuvor war dies nur Bernhard Langer, Martin Kaymer und zuletzt Alex Cejka vor neun Jahren gelungen.

Bei den Frauen zeigt sich ein ähnliches Bild: Auch auf der Tour der Ladies Professional Golf Association (LPGA) gab es bisher vier deutsche Gewinnerinnen. Im Jahr 2000 schrieb Tina Fischer Geschichte als erste deutsche Spielerin, die ein LPGA-Event für sich entscheiden konnte. Es folgten Erfolge von Sandra Gal 2011 und Caroline Masson 2016. Den bisher letzten Titel auf der Tour konnte Sophia Popov 2020 einfahren.

Sophia Popov aus Deutschland reagiert auf ihr Birdie
Sophia Popov konnte als bisher letzte deutsche Frau ein LPGA-Turnier gewinnennull Jorge Lemus/NurPhoto/picture alliance

Dennoch sieht Kariem Baraka keinen Anlass zur Sorge: "Grundsätzlich ist die Entwicklung unserer Spitzenspieler - sowohl bei den Damen als auch bei den Herren - während der letzten Jahre sehr positiv zu bewerten", sagt er und verweist auf viele Erfolge auf der DP World Tour, die Top-Liga in Europa für den Profi-Golfsport. "Wir haben es während der letzten Jahre geschafft, deutlich mehr deutsche Aktive in die internationale Spitze zu bringen. Diesen Prozess müssen wir fortführen, damit Siege wie der von Stephan Jäger kein Einzelfall bleiben."

Deutschland mit Standortnachteil

Der in München geborene Jäger lebt übrigens bereits seit 16 Jahren in den USA. Schon als Teenager wechselte er zum Golfspielen zunächst an eine US-Highschool und spielte anschließend einige Jahre lang sehr erfolgreich für die Mannschaft der University of Tennessee in Chattanooga.

Für deutsche Spitzengolfer ist dieser Weg an eine amerikanische Universität ein gängiger. Muss sich Deutschland demnach in Sachen Spiel-und Trainingsmöglichkeiten verbessern? "Absolut!", sagt Baraka, schränkt aber ein: "Aufgrund der klimatischen Bedingungen werden wir es allerdings nie bewerkstelligen, gleichwertige Möglichkeiten zu schaffen."

Kariem Baraka - der neue Präsident der PGA of Germany im Porttät
Kariem Baraka, Präsident der PGA of Germany, sieht Deutschland im Standortnachteilnull PGA of Germany

Auch auf anderen Ebenen sieht der 45-Jährige, der einst selbst als Playing Professional auf der Tour gespielt hat, die USA im Vorteil. "Die Trainings-und Turnierbedingungen und vor allem die Akzeptanz sind nirgendwo so hoch wie in den USA", sagt er. "Dort lassen sich Bildung und Spitzensport so gut vereinen, wie in sonst keinem anderen Land."

Um weitere junge Menschen früh an den Golfsport heranzuführen, muss er außerdem mehr für die breite Masse zugänglich gemacht werden. "Wenn wir es schaffen, dass der Golfsport auch in Deutschland für jede Gesellschaftsschicht und jedes Einkommen zugänglich ist und für alle eine Freizeitoption ist, wird es in Deutschland mehr Golferinnen und Golfer geben und somit auch mehr Spitzenspielerinnen und Spitzenspieler", so Baraka.

Hoffnung im Nachwuchs

Im deutschen Nachwuchs stehen bereits einige Talente in den Startlöchern. Bei den Frauen gilt Helen Briem als größtes deutsches Golftalent. Die 18-jährige aus Nürtingen bei Stuttgart hat letztes Jahr bereits als erste Deutsche in der 104-jährigen Geschichte das bedeutendste Juniorinnen-Turnier der Welt für sich entscheiden können. Ihr langfristiges Ziel ist die LPGA-Tour in Amerika. Doch zunächst steht in diesem Jahr abseits vom Golf das Abitur an.

"Klar würde ich gerne Profi werden, würde gerne meinen Unterhalt mit dem Golf verdienen", sagte sie gegenüber dem Südwest-Rundfunk. "Aber so ein Plan B schadet nicht." 

Bei den Männern gilt Tiger Christensen als größte deutsche Nachwuchshoffnung, der seinen Vornamen mit einem der besten Golfer aller Zeiten teilt. Ist die Anlehnung an den 15-fachen Major-Sieger Tiger Woods nur ein Zufall? "Meine Eltern wollten einen eher ungewöhnlichen Namen", sagte Christensen gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk. "Die Genehmigung war gar nicht so einfach, aber jetzt steht er in meinem Pass."

Der deutsche Tiger Christensen schlägt am ersten Tag der Open Royal Liverpool
Tiger Christensen gilt als eines der größten deutschen Golftalentenull David Davies/empics/picture alliance

Der 19-jährige aus Hamburg gab im Juli 2023 sein Major-Debüt bei den 151. British Open in Liverpool. Bei den Majors handelt es sich um die wichtigsten vier Turniere des Jahres, ähnlich wie die Grand-Slams im Tennis. Zwar scheiterte Christensen dort bereits am sogenannten Cut, dem Schnitt, der nach den ersten beiden von insgesamt vier Runden bei der Teilnehmerzahl gemacht wird, doch der Zukunft sieht er optimistisch entgegen.

"Ich sehe mich und mein Spiel eigentlich ziemlich sicher hier auf dem Niveau irgendwann", sagte er am Rande des Turniers gegenüber der Deutschen Presse-Agentur und fügte hinzu: "Am Ende meiner Karriere möchte ich so viele Majors gewonnen haben wie möglich."

Golf-Fans in Deutschland dürfen also durchaus zuversichtlich sein, dass sie nicht erneut neun Jahre auf einen weiteren PGA-Tour-Sieg warten müssen.

Xabi Alonso bleibt in Leverkusen: "Job noch nicht beendet"

"Es fühlt sich richtig an. Ich hier am richtigen Ort. Ich bleibe bei Bayer 04", sagte Xabi Alonso und beendete damit alle Spekulation um seine Zukunft nach der laufenden Bundesliga-Saison. Der Spanier bleibt Trainer bei Bayer 04 Leverkusen, obwohl der FC Liverpool und der FC Bayern München ihn gerne verpflichtet hätten. Beide Klubs stehen noch ohne neuen Trainer für die kommende Saison da.

In Liverpool hat Jürgen Klopp zum Ende der Spielzeit nach acht Jahren seinen Rücktritt erklärt. Die Münchener haben entschieden, dass sie im Sommer mit Thomas Tuchel nicht mehr weiterarbeiten möchten. Alonso hatte bei beiden Vereinen früher als Profi gespielt.

Xabi Alonso: "Wir haben noch einiges vor"

"Mein Job ist hier definitiv noch nicht beendet und wir haben noch einiges vor", sagte Alonso nun aber bei der Pressekonferenz des aktuellen Bundesliga-Tabellenführers vor dem Spiel gegen die TSG Hoffenheim.

Das Vertrauen und die gute Zusammenarbeit mit den Bayer-Verantwortlichen, Sportdirektor Simon Rolfes und Geschäftsführer Fernando Carro, habe einen Ausschlag gegeben, aber auch die Qualität der Spieler und die Unterstützung der Fans, so Alonso.

Wie wichtig es ihm war, seine Gründe und Gedanken richtig und für alle verständlich zu erklären, erkannte man daran, dass er - anders als sonst - auf Englisch sprach und Fragen beantwortete. Erst als es um das Hoffenheim-Spiel ging, wechselte er zurück ins Deutsche.

Leverkusen: stetige Weiterentwicklung zum Spitzenteam

Der ehemalige Welt- und Europameister hatte die Werkself Anfang Oktober 2022 auf Tabellenplatz 17 übernommen und in der vergangenen Saison auf Rang sechs der Bundesliga sowie ins Halbfinale der Europa League geführt. 60 Pflichtspiele haben die Bayer-Profis unter Alonso bestritten, 45 davon gewonnen und nur drei verloren.

Leverkusens Trainer Xabi Alonso im Gespräch mit Spieler Florian Wirtz beim Spiel Bayer Leverkusen gegen 1. FC Köln
Xabi Alonso - hier mit Florian Wirtz - pflegt ein enges Verhältnis mit seinen Spielernnull Anke Waelischmiller/Sven Simon/picture alliance

In dieser Saison ist die Werkself in allen 40 Pflichtspielen noch unbesiegt. Im Kampf um die deutsche Meisterschaft liegt Bayer, das in seiner bisherigen Vereinsgeschichte lediglich den UEFA-Pokal 1988 und den DFB-Pokal 1993 gewinnen konnte, 16 Punkte vor München und hat beste Chancen, erstmals Deutscher Meister zu werden. Auch im DFB-Pokal sind die Leverkusener im Finale gegen Zweitligist 1. FC Kaiserslautern favorisiert. Im Viertelfinale der Europa League treffen sie auf West Ham United.

Diese positive Entwicklung der Mannschaft um Jungstar Florian Wirtz hat sehr viel mit Alonso und seiner Arbeit zu tun. Acht seiner Spieler schafften es in dieser Saison erstmal ins Nationalteam ihres Landes. Mindesten eine Saison länger wird er weiter in Leverkusen arbeiten. Sein Vertrag läuft aber noch bis Sommer 2026.

Eberl muss einen neuen Bayern-Trainer finden

Besonders der FC Bayern muss nun umdenken und sich eine Alternative für die Trainerposition suchen. Nachdem man unter dem späteren Bundestrainer Hansi Flick alle Titel gewonnen hatte, wurde die Zusammenarbeit mit den beiden Flick-Nachfolgern Julian Nagelsmann und Tuchel vorzeitig beendet.

Bayern-Sportvorstand Max Eberl
Bayern-Sportvorstand Max Eberl steht unter Druck, den "richtigen" Trainer für den FC Bayern zu findennull Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Mit der Verpflichtung Alonsos hätte man für sich selbst einen guten Trainer gefunden und gleichzeitig seinen ärgsten Konkurrenten entscheidend geschwächt. Davon, wer künftig auf der Münchener Bank sitzen wird, hängt auch die Kaderplanung ab.

"Wir starten in den April, es wäre schön, wenn wir es im April hinbekämen, ohne dass ich mir jetzt sage, das ist der ultimative Tag", sagte Bayerns neuer Sportvorstand Max Eberl im Gespräch mit dem TV-Sender Sky. Die Entscheidung solle "so schnell wie möglich, aber auch so gut wie möglich" getroffen werden: "Wir wollen die beste Entscheidung treffen."

Holt der FCB Zidane mit Ribery oder Ralf Rangnick?

Gerüchte und Namen kursieren bereits einige. Neben Wunschkandidat Alonso, den man nun von der Liste streichen kann, wird über ein Duo mit Cheftrainer Zinedine Zidane und Co-Trainer Franck Ribery spekuliert. Ex-Weltmeister Zidane gewann mit Real Madrid dreimal in Folge die Champions League und ist seit 2021 ohne Trainerjob.

Allerdings spricht er kein Deutsch und gilt daher wie der Portugiese Jose Mourinho (zuletzt AS Rom) sowie die beiden Italiener Antonio Conte (zuletzt Tottenham Hotspur) und Roberto de Zerbi (aktuell Brighton & Hove Albion) als unwahrscheinlicher Kandidat. Zidanes möglicher Assistent Ribery war von 2007 bis 2019 Profi bei den Bayern, ist eine echte Klublegende und spricht passabel Deutsch.

Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick und Assistent Lars Kornetka beobachten beim Training
Wird Ralf Rangnick (l.) Bayern-Trainer? Sein Assistent Lars Kornetka (r.) war 2013/2014 Videoanalyst in München null Robert Jaeger/APA/picturedesk/picture alliance

Außerdem gilt Ralf Rangnick als heißer Kandidat. Wie das Fußball-Fachmagazin "Kicker" berichtet, soll der derzeitige Nationaltrainer Österreichs erste Alternative zu Alonso sein. Dem 65-jährigen Ex-Trainer von Schalke 04 und RB Leipzig wird eine enge Verbindung zu Bayern-Sportdirektor Christoph Freund nachgesagt, da sie lange Zeit im RB-Sportimperium zusammengearbeitet haben.

Rangnick hat aber zunächst eine andere wichtige Aufgabe. Bei der Fußball-Europameisterschaft versucht er mit Österreichs Nationalteam ein möglichst erfolgreiches Turnier zu spielen. Neben Rangnick soll auch Ex-Trainer Hansi Flick eine mögliche Lösung sein.

Leistungsträger warten auf Entscheidung

Klar ist: Die Entscheidung für einen neuen Trainer muss sitzen - und sie muss bald erfolgen, schließlich ist die Zukunft einiger Leistungsträger bei den Bayern aktuell ein  Fragezeichen. Die deutschen Nationalspieler Joshua Kimmich und Leon Goretzka sowie der Kanadier Alphonso Davis wissen nicht, ob sie in München bleiben sollen oder nicht. Davies wird mit Real Madrid in Verbindung gebracht.

Ein guter Trainer würde bei der Entscheidungsfindung sicher helfen. Je früher er feststeht, umso besser.

Der Artikel wurde nach dem Sieg der Leverkusener im DFB-Pokal-Halbfinale und nach dem 28. Bundesliga-Spieltag aktualisiert.

Frauenfußball in England - zu schnelles Wachstum?

Schlangen von himmelblauen Trikots drängen von den Straßenbahnhaltestellen bis zu den Drehkreuzen. Mehr als 40.000 Fans von Manchester City machen sich auf den Weg ins Etihad-Stadion zu einem der größten Spiele der Saison - dem Derby gegen United. Und wir sprechen nicht von der Premier League der Männer - dieser Zustand wird auch bei Frauenfußballspielen in ganz England zunehmend zur Normalität.

Vor weniger als einem Jahrzehnt war diese Situation noch fast undenkbar. Die Liga wurde erst 2018 professionalisiert, und United, der wohl größte Männerverein Englands, hatte bis zum selben Jahr nicht einmal ein Frauenteam. Jetzt wird die WSL als Vorbild angepriesen: Arsenal hat einen Zuschauerschnitt von über 35.000, alle zwölf Teams der Liga haben bis auf eine Ausnahme im Hauptstadion ihres Vereins gespielt, und der kumulierte Zuschauerrekord der Liga wurde bereits bei mehreren ausstehenden Spielen gebrochen. Im Gegensatz dazu steigen die Zuschauerzahlen in der deutschen Frauen-Bundesliga zwar auch, aber nur um sechs Prozent.

"Ich denke, es ist eine wirklich gute Liga", sagte City-Trainer Gareth Taylor der DW. "In den drei Spielzeiten, die ich hier bin, hat sich sehr viel verändert. Der Einzug in die großen Stadien, das Auftreten aller Spieler und das Spielen auf der großen Bühne, das Fernsehen, das sich immer mehr einbringt - ich denke, es ist erstaunlich. Und ich sehe, dass es nur in eine Richtung geht."

Steigende Zuschauerzahlen sind nicht alles

Die Zuschauerzahlen sind jedoch bei weitem nicht der einzige Gradmesser für den Erfolg. Unter den Anwesenden im Etihad-Stadion gab es erhebliche Bedenken, vor allem von denjenigen, die den Frauenfußball schon länger und intensiver verfolgen als die meisten anderen, dass das schnelle Entwicklungstempo dem Frauenfußball einige der Qualitäten raubt, die ihn für sie so besonders gemacht haben.

"Ich habe das Gefühl, wenn man ständig in den größten Stadien spielt, entsteht eine Kluft zwischen den Fans und den Spielerinnen", so Anya, Dauerkarteninhaberin bei Manchester United, gegenüber DW. "Wenn man sich die Ticketpreise ansieht, sind sie schon ziemlich gestiegen. Ich denke zwar, dass die Mädchen es verdienen, aber wie viel von diesem Geld werden sie tatsächlich sehen?"

Volle Stadien, wie hier in Manchester, sind in der WSL inzwischen zur Normalität geworden
Volle Stadien, wie hier in Manchester, sind in der WSL inzwischen zur Normalität gewordennull Cody Froggatt/News Images/Sipa USA/picture alliance

Anya sah sich das Derby mit ihrem Vater Graham an, einem City-Fan. Die beiden saßen zusammen in Rot und Blau, etwas, das sie bei einem Männerspiel nicht tun würden, und Graham fügte hinzu, das "Schöne" am Frauenfußball in kleineren Stadien sei, dass die Spielerinnen "tatsächlich plaudern und Autogramme geben, so dass die Fans geschätzt werden".

Diese Nähe zu den Spielern, die Verbundenheit mit den Vereinen und das Gemeinschaftsgefühl gehören zu den Faktoren, die den erfolgreichen Widerstand gegen Investitionen von außen in der Männer-Bundesliga befeuert haben. Dies ist auch ein Grund dafür, warum Borussia Dortmund, einer der beliebtesten deutschen Männervereine, sein Frauenteam 2021 in der Regionalliga an den Start brachte und nicht wie City bei der Umstrukturierung der WSL im Jahr 2014 in der höchsten Spielklasse antrat.

Marketing und Spielstätten liegen weit auseinander

Während der Wettbewerb zwischen dem englischen und dem deutschen Fußball auf dem Spielfeld auf Augenhöhe weitergeht - England hat mit Chelsea immer noch ein Team in der Champions League, Deutschland dagegen fährt im Sommer zu den Olympischen Spielen nach Paris - unterscheidet sich die Vermarktung der beiden Ligen merklich.

Das Manchester-Derby wurde live auf BBC One übertragen, die Spiele der WSL waren ständig auf den großen Sendern im Vereinigten Königreich zu sehen, und Spiele, Spieler und Fanartikel wurden stark beworben. Im Gegensatz dazu hat die Frauen-Bundesliga so gut wie keine internationale Präsenz.

Die deutsche Nationalspielerin Julia Simic, die 2018 aus der Bundesliga zu West Ham in die WSL wechselte, bevor sie 2021 nach einem Engagement in Mailand ihre Karriere beendete, sagte der DW, dass sie schon in der Frühphase der WSL als Sportlerin viel ernster genommen wurde. "Es ist eigentlich egal, wo man hingeht, weil man überall eine so gute Infrastruktur hat. Wir hatten alles, was wir brauchten: die besten Plätze, wir konnten das Fitnessstudio der Männer benutzen, wir hatten Zugang zu Ernährungsberatern. So etwas habe ich nicht einmal erlebt, als ich für Bayern München, Wolfsburg und Turbine Potsdam gespielt habe, als sie noch eine ernstzunehmende Mannschaft in Deutschland waren. Wir hatten nicht annähernd die Infrastruktur, die die WSL-Teams haben."

Hält der DFB die Bundesliga zurück?

Simic gehört auch zu den prominenten Stimmen im deutschen Fußball, die fordern, dass der DFB die Kontrolle über die Frauen-Bundesliga externen Kräften überlässt. Trotz oder gerade wegen des jüngsten Wachstums ist genau das in England der Fall.

Mit Beginn der nächsten Saison wird die Liga von einer so genannten Newco betrieben, die nicht dem englischen Fußballverband (FA) untersteht. Die Absicht dahinter ist, dass die WSL dadurch weiter wachsen kann, so wie es die Premier League der Männer tat, als sie sich 1992 von der FA abspaltete und schließlich zur lukrativsten Liga der Welt wurde.

Für viele Fans gingen Authentizität, Gemeinschaft und Nähe im Kampf um Investitionen, von denen die Premier League lebt, verloren. Und es gibt Befürchtungen, dass der Frauenfußball ohne eine sorgfältige Kuratierung den gleichen Weg einschlagen könnte.

Im Moment bilden in England noch diejenigen das Fundament für die WSL, die Woche für Woche ins Land reisen, um ihr Team zu verfolgen, und das zu einem hohen Preis. Für sie sind Wachstum und Investitionen willkommen, aber sie schätzen auch die Tradition. Die große Herausforderung für beide Ligen, die WSL und die Frauen-Bundesliga, wird es nun sein, einen Weg zu finden, der beiden gerecht wird.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

Ermüdungsbruch: Wenn sich der gestresste Knochen wehrt

Stressfrakturen können alle erwischen, die sich beim Sport übernehmen. "Leistungs- und Hobbysport sind gleichermaßen betroffen. Es geht um die relative Überlastung", erklärt Karsten Hollander der DW. "Man schreibt sich zum Beispiel an Silvester für einen Frühjahrsmarathon ein und beginnt, von null auf 20, auf 40, auf 60 Kilometer pro Woche zu trainieren. Das sind Hochrisiko-Momente. Das Gleiche kann einem Leistungsläufer nach vier Wochen Pause passieren - etwa einem College-Läufer, der nach den Semesterferien sehr schnell wieder mit hoher Belastung einsteigt."

Hollander ist Professor für Sportmedizin an der Medical School Hamburg und seit Januar auch leitender Verbandsarzt des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV). "In meiner eigenen Karriere als Mittelstreckenläufer bin ich mit nur einer niedrig-gradigen Stressfraktur durchgekommen", verrät der Sportmediziner, der bereits seit seinem Studium zu dieser Verletzungsart forscht.

Schleichender Prozess

Ein klassischer Bruch entsteht, wenn eine Kraft, zum Beispiel durch einen Schlag oder Tritt, plötzlich von außen auf den Knochen einwirkt. Dagegen steht eine Stressfraktur - häufig auch als Ermüdungsbruch bezeichnet - am Ende eines schleichenden Prozesses. Wissenschaftler sprechen deshalb auch von "bone stress injuries", knöchernen Stressverletzungen. Sie reichen von Ödemen - schmerzhaften Wasseransammlungen im Knochen - bis zum Bruch.

Der norwegische Stürmer Erling Haaland von Manchester United verlässt mit skeptischer Miene den Platz.
Der norwegische Fußball-Stürmerstar Erling Haaland musste zuletzt fast zwei Monate wegen einer Stressfraktur pausierennull Nick Potts/empics/picture alliance

"Die Schmerzen sind in der Regel schon zu Beginn des Laufs da und werden eher schlimmer, sodass man gar nicht bis zum geplanten Ende laufen kann", beschreibt Hollander die Alarmsignale, die auf eine mögliche Stressfraktur hindeuten. "Das unterscheidet sich beispielsweise von Sehnenverletzungen, die nach der Aufwärmphase möglicherweise nicht mehr so schmerzhaft sind wie am Anfang."

Risikostellen sind beim Laufen vor allem das Schienbein und der Fuß. Tauchen dort dumpfe oder ziehende Knochenschmerzen auf, sollte man eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Letzte Gewissheit, ob man sich einen Ermüdungsbruch zugezogen hat, bringen dann bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Szintigraphie. 

Meiste Fälle im Laufsport

Prinzipiell können Stressfrakturen in jeder Sportart auftauchen. Gefährdet sind vor allem die Knochen, die besonders beansprucht werden. So treten Ermüdungsbrüche bei Ruderern oder Golfern vermehrt an den Rippen auf, beim Tennisam Ellbogen oder am Unterarmknochen, nahe des Handgelenks, bei Sprungsportarten wie Basketball sind häufig die Fußknochen, sowie Fuß- und Kniegelenke betroffen. Beim Gewichtheben oder auch beim Geräteturnen ist vor allem der Wirbelbogen gefährdet.

Szintigrafie eines Ermüdungsbruchs im Schienbein - rot sichtbar gemacht
Szintigraphie-Aufnahme eines Ermüdungsbruchs im Schienbein null James Cavallini/BSIP/picture alliance

Die meisten Stressfrakturen werden jedoch aus den Laufsportarten gemeldet. "Zum einen ist Laufen in Deutschland eine sehr populäre Sportart mit 18 bis 20 Millionen Aktiven. Das sorgt für hohe Fallzahlen. Zum anderen sind die Aufprallkräfte, die beim Landen wirken, ein wichtiger Faktor für knöcherne Stressverletzungen", erklärt DLV-Verbandsarzt Hollander.

Sportlerinnen sind gefährdeter

Das Risiko von Frauen, sich eine Stressfraktur zuzuziehen, ist laut Studien rund doppelt so hoch wie bei Männern. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen die bei Frauen häufig niedrigere Knochendichte, zum anderen der Hormonspiegel. "Östrogene [weibliche Geschlechtshormone - Anm. d. Red.] sind wichtig für den Knochenstoffwechsel", erklärt Sportmediziner Hollander. "Auch die Art der Verhütung kann eine Rolle spielen: In welchem Maße greifen die Präparate in den Stoffwechsel ein?" Beim DLV gehören deshalb inzwischen auch Sportgynäkologinnen zum medizinischen Netzwerk.

Zudem kommen Essstörungen bei Sportlerinnen häufiger vor als bei Sportlern. Auch sie erhöhen das Risiko von Stressfrakturen. "Zu wenig relative Energiezufuhr muss unbedingt vermieden werden", sagt Hollander.

Ausreichend Calcium, aber nicht zu viel

Um Ermüdungsbrüchen vorzubeugen, sollten Sportlerinnen und Sportler darauf achten, dass ihr Körper ausreichend mit Calcium und Vitamin D versorgt ist. Calcium stabilisiert die Knochen, Vitamin D sorgt dafür, dass Calcium vom Körper besser aufgenommen und in die Knochen eingebaut wird.

Während man in den Sommermonaten beim Sporttreiben normalerweise ausreichend mit dem "Sonnenhormon" Vitamin D versorgt ist, muss Calcium dem Körper zugefügt werden. In der Regel kann man den Tagesbedarf von rund 1000 Milligramm Calcium mit einer gesunden Ernährung gut abdecken, etwa mit Milchprodukten, Gemüse oder auch calciumhaltigem Mineralwasser.

Prof. Karsten Hollander von der Medical School Hamburg
Prof. Karsten Hollander empfiehlt eine ausgewogene Ernährungnull Yusuf Bala/Medical School Hamburg

"Aufpassen sollten Vegetarier oder Veganer, die Milchersatzprodukte nehmen. Da gibt es einige mit, andere ohne Calcium", gibt Hollander zu bedenken. Auch wenn bei intensivem Training über den Schweiß Calcium ausgeschieden wird, sollte man nicht gedankenlos zu Calcium-Tabletten greifen, um das Defizit auszugleichen, warnt der Wissenschaftler: "Es kann auch gefährlich sein, zu viel Calcium zu sich zu nehmen. Das kann unter anderem die Gefahr von Nierensteinen erhöhen."

Training langsam steigern

Da Stressfrakturen eine Folge überlasteter Knochen sind, empfiehlt Hollander ein vernünftiges Trainingsmanagement: "Man sollte das Pensum von Woche zu Woche nicht um mehr als 20 Prozent steigern. Das gilt für die Gesamtstrecke in der Woche, für die Länge des längsten Laufs, aber auch für die Intensität und den Umfang der einzelnen Lauf-Intervalle."

Fitness-Apps auf dem Smartphone oder der Smartwatch können dabei helfen, die Belastung zu kontrollieren. Auch eine biomechanische Analyse kann nicht schaden. Denn auch der persönliche Laufstil entscheidet darüber, wie stark die Knochen belastet werden. "Eine hohe Frequenz, also eher kleinere Schritte sind präventiv. Die Belastung pro Schritt ist dann geringer", sagt DLV-Verbandsarzt Hollander. 

Und wenn es doch zu einem Ermüdungsbruch kommt? Dann ist die oberste Maxime, den betroffenen Knochen zu schonen. Im Gegensatz zu "klassischen" Brüchen verschieben sich bei Stressfrakturen die gebrochenen Knochenteile nur selten. Deshalb ist es meist auch nicht nötig, den Knochen durch einen Gips komplett ruhigzustellen.

Sogar Sport treiben bleibt möglich, wenn auch auf andere Weise. "Für passionierte Läufer ist die Sportpause meist das Letzte, was sie wollen", weiß Karsten Hollander. "Sie steigen eher auf Fahrradfahren oder Aquajoggen um."

Ramadan: Wie Fußballprofi Ahmet Arslan Sport und Fasten verbindet

Jedes Jahr feiern Muslime auf der ganzen Welt den Fastenmonat Ramadan. Der neunte Monat des islamischen Kalenders ist ein Fest des Gebets, der Besinnung, der Gemeinschaft und eben des Fastens. Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang darf nichts gegessen und getrunken werden - eine Herausforderung für viele, besonders aber für Spitzensportler.

Fehlende Gemeinschaft

Für Ahmet Arslan ist das Fasten jedoch nicht die größte Herausforderung. Dem Fußballprofi vom deutschen Drittligisten Dynamo Dresden macht viel mehr die Einsamkeit zu schaffen. "Für mich ist natürlich sehr, sehr traurig, dass meine Familie nicht da ist", sagt Arslan gegenüber der DW. Abends alleine ohne die Familie zu essen gehe ihm sehr nah, "weil das ist schon auch das Fest, wo man sagt, man ist mit der Familie zusammen, dann wird abends zelebriert, alle kommen zusammen, essen gemeinsam und haben eine schöne Zeit", sagt Arslan, doch das sei mit dem Fußball nicht so möglich.

Arslan ist derzeit vom Zweitligisten 1. FC Magdeburg an Dynamo Dresden ausgeliehen. Er ist in mehrfacher Hinsicht alleine, denn: Seine Familie wohnt im fast 500 Kilometer entfernten Lübeck und er ist der einzige Spieler im Kader von Dresden, der fastet. Im Laufe der Jahre ist dieses Gefühl zur Gewohnheit geworden. "In Magdeburg gabs den einen oder anderen Spieler, bei Mohammed El Hankouri weiß ich, dass er das auch den ganzen Monat durchzieht", sagt Arslan, er habe in seiner Karriere noch nie einen Teamkollegen gehabt, mit dem man es hätte gemeinsam machen können. 

Ahmet Arslan (3. v. r.) schätzt die Solidarität seiner Mitspieler
Ahmet Arslan (3. v. r.) schätzt die Solidarität seiner Mitspieler null Joseph Wright/DW

Arslan fastet erst seit Kurzem

Das Fasten während des Ramadans ist für Arslan keine Lebensgewohnheit. Erst vor relativ kurzer Zeit begann er, sich ernsthaft mit der Religion zu befassen und seinen Glauben das ganze Jahr über zu praktizieren. "Als Kind hat man es natürlich ausprobiert wenn die Eltern das gemacht haben, einfach mal um zu gucken wie es ist", sagt der 29-jährige. Vor fünf Jahren habe er den Ramadan dann das erste Mal als aktiver Fußballer zelebriert.

Für Außenstehende scheint es schwer zu begreifen, wie Ramadan und Profisport zusammenpassen können. Denn Ernährung ist mittlerweile ein entscheidender Faktor der Leistungsfähigkeit eines Profisportlers. Der FC Liverpool hat mit Mona Nemmer sogar alleine für diesen Bereich einen "Head of Nutrition", also eine Ernährungsberaterin eingestellt. Einen ganzen Monat lang tagsüber auf Essen und Trinken zu verzichten scheint für viele undenkbar.

"Die Leistung wird vermutlich etwas nachlassen", sagt Michael Bata, Mannschaftsarzt von Dynamo Dresden, gegenüber der DW. "Man weiß, dass der Muskelaufbau nicht mehr so stark stattfindet wenn einem die Nährstoffe fehlen tagsüber, dann geht es eher darum die Muskeln zu erhalten und nicht weiter aufzubauen." Ganz neu ist die Situation für Bata nicht, denn bereits letzte Saison war Arslan an Dresden ausgeliehen und nahm am Fasten teil. Dennoch stellt die Situation für ihn eine besondere Herausforderung dar, denn es mangelt an umfangreichen Erfahrungen im Umgang mit muslimischen Spielern während des Ramadan.

Dynamo Dresdens Mannschaftsarzt Michael Bata sitzt vor einem Fenster
Dynamo Dresdens Mannschaftsarzt Michael Batanull Joseph Wright/DW

Kein zwangsläufiger Leistungsabfall

Die Teamärzte sind somit auch auf die Mithilfe und Ehrlichkeit des Spielers angewiesen und können viel von Arslan lernen. Sie vertrauen darauf, dass er auf sich selbst aufpassen kann, seine eigene Gesundheit überwacht und sie bei Problemen alarmiert. "Es ist nicht gesichert, dass man unbedingt gleich einen Leistungsknick haben muss. Viele Menschen auf dieser Welt führen den Ramadan durch und treiben trotzdem nebenbei Sport", sagt Bata betont aber auch: "Profisport ist natürlich was anderes." Aber nicht die ganze muslimische Welt pausiere ihren Profisport, "nur weil gerade Ramadan ist".

Toleranz im Fußball 

Trotz der mangelnden Erfahrung seines medizinischen Teams fühlt sich Arslan bei seinem Klub akzeptiert und wohl. "Auswärts ist es so, dass wir normalerweise um 18 Uhr essen, wenn wir im Hotel ankommen", erklärt Arslan. Doch das Team habe alles so organisiert, dass alle gemeinsam um 20 Uhr essen können. "Das ist nichts, was ich erwarte, aber es zeigt mir, dass jeder hier darauf bedacht ist, dass es mir gut geht", sagt Arslan. 

Generell schätzt Arslan die Toleranz im Fußball. "Wenn wir am Freitagabend ein Spiel hätten und der Verein sagte vorher zum Schiri: 'Können wir um 18:30 Uhr kurz das Spiel unterbrechen, damit der Spieler etwas trinken oder einen Riegel essen kann, um sein Fasten zu brechen?', würde der Schiedsrichter das machen, ohne zu zögern", glaubt der Fußballprofi. 

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert. 

Hochleistungsanalyse - nicht nur für Profisportler

Sport im Labor ist für den jungen Nachwuchsbasketballer heute angesagt. Auf Kommando springt er mit einem Bein auf eine im Boden eingelassene Kraftmessplatte. "Einen brauche ich noch", ruft Dr. Hauke Dewitz ihm zu. Also nochmal das gleiche Prozedere: Beklebt mit reflektierenden Kügelchen, sogenannten Markern, und Elektroden, die die Muskelaktivität messen, springt der 16-Jährige erneut. Schmerzen im rechten Knie, die ihn seit Monaten plagen, haben ihn in die Praxis geführt. In Abstimmung mit dem behandelnden Sportorthopäden folgt nun die Analyse.

Anhand der Daten sucht Sportwissenschaftler Dewitz nach Ursachen für die Entzündung der Kniescheibensehne. Knickt beispielsweise das Knie kaum merklich zur Seite? Bremst die Muskulatur den Körper sauber ab? Welche Kräfte lasten auf den Gelenken? Solche Anhaltspunkte kann die biomechanische Analyse zutage fördern. Mehr als zwei Stunden lang muss der Patient dafür sein Bewegungsrepertoire abrufen: Laufen, springen, Richtungswechsel vollziehen und Kniebeugen absolvieren. Außerdem muss er sein Balancegefühl und seine Kraftfähigkeit unter Beweis stellen.

Sportstars mit Jedermann-Problemen

Namhafte Profisportler haben sich schon in der Praxis nahe Köln durchchecken lassen. Für solche Profis und ihre Klubs ist die Gesundheit ein Millionenspiel - alle Möglichkeiten werden ausgeschöpft. "Wobei bisher kaum eine Sportlerin oder ein Sportler präventiv zu uns kommt", erklärt Dewitz. Seiner Ansicht nach könnte das manche Probleme und Verletzungen verhindern. "Die meisten kommen nach einer OP oder mit Verletzungen, die immer wieder auftreten, zum Beispiel Faserrissen an einem bestimmten Oberschenkelmuskel."

Sein Fazit aus jahrelanger Erfahrung: Hochleistungssportler plagen meist keine exotischen Wehwehchen, sondern sie haben die gleichen Probleme wie jedermann: schmerzende Sehnen, Muskeln oder Gelenke, die die Belastung nicht vertragen. "Man meint immer, Topathleten sind so austrainiert, dass man in der Analyse kaum Schwächen findet", berichtet Dewitz. Gerade in den Spielsportarten Fußball oder Basketball fehle es jedoch manchmal an Grundlegendem. Beispielsweise der Kraft in entscheidenden Muskelgruppen, was zur Folge habe, dass die Gelenke die Last abbekämen, so Dewitz. "Darüber bin ich immer wieder erstaunt."

KI kann Analyse weiter vereinfachen

Eine Heilung bringt die Bewegungsanalyse an sich nicht. "Sie ist aber eine wertvolle Entscheidungshilfe", erklärt Professorin Maren Witt, Leiterin des biomechanischen Labors der Universität Leipzig, im Gespräch mit der DW. Die Ergebnisse lieferten Ärzten, Physiotherapeuten und Patienten Hinweise darauf, woher die Schmerzen kämen und wie sie zu beheben seien. "Dabei erleben wir gerade, wie diese Technik, die vor wenigen Jahren noch Hochleistungssportlern vorbehalten war, für viele Menschen zugänglich wird", sagt Witt. Nahmen einzelne Analysen früher Tage in Anspruch, gehe das heute in wenigen Stunden.

Porträtaufnahme von Prof. Maren Witt von der Uni Leipzig
Prof. Maren Witt: "Erleben die Entwicklung zur Massentauglichkeit" null Swen Reichhold/Universität Leipzig/SUK

"Künftig wird Künstliche Intelligenz auch das Ankleben der Marker-Punkte überflüssig machen", blickt die Wissenschaftlerin voraus. Neben der Zeitersparnis könne das Menschen helfen, die sich wegen Knie-, Hüft- oder Rückenproblemen zur Analyse begeben, aber einen Horror davor haben, sich in Badebekleidung zu zeigen.

Hauke Dewitz verspricht sich von den nächsten Jahren, Sportler auch im normalen Trainingsumfeld, also auf dem Fußballrasen oder dem Hallenboden, ebenso gut wie jetzt im Labor vermessen zu können. "Das wäre noch mal individueller und damit auch sportartspezifischer", erklärt Dewitz.

Hausaufgaben für den Patienten

Nach zwei Stunden Analyse kann er dem Nachwuchsbasketballer zeigen, dass es tatsächlich einiges zu verbessern gibt. Während der Zwei-Meter-Mann auf dem linken Bein sauber landet, gelingt es ihm rechts nicht so gut. Das Bein rotiert leicht, die Kraftwerte zeigen hohe Belastungsspitzen - Faktoren, die für die entzündete Kniescheiben-Sehne Stress bedeuten. Mit speziellem Training soll er die Probleme angehen. Dazu zählen einfaches Krafttraining für die Oberschenkel und das Gesäß, aber auch feinere Technikübungen fürs Laufen und Landen.

Wie wirksam und alltagstauglich kann solches Training sein? "Im Hochleistungssport gehen wir davon aus, dass es funktioniert", antwortet Maren Witt, "auch wenn es wissenschaftlich nur schwierig allein auf die Bewegungsanalyse zurückzuführen ist, weil eben für Gesundheit und sportliche Leistung viele Faktoren eine Rolle spielen." 

Hauke Dewitz erzählt an dieser Stelle die Geschichte einer Nationalspielerin, deren Oberschenkelrückseite sie über Jahre plagte. Ein Problem, für das auch ein Ärzte-Marathon keine Lösung brachte. In der Analyse wurde der simple Grund offenbar: Ein Muskel kompensierte die Schwäche eines anderen und war deswegen überlastet. Mit gezieltem Training lösten sich die Probleme in Luft auf. "Das kann jeder Physiotherapeut oder auch Sportwissenschaftler leisten", sagt Dewitz. "Dafür brauche ich keinen millionenschweren Fußballklub im Rücken."

Brasiliens Fußball in der Krise - das Ende des schönen Spiels

Es sind traurige Tage für den brasilianischen Fußball. Die Olympia-Auswahl verpasste gerade die Qualifikation für Paris 2024, die Nationalmannschaft Brasiliens, die "Selecao", liegt in der südamerikanischen WM-Qualifikation nur auf Rang sechs. Für den Rekordweltmeister mit fünf Titeln eine indiskutable Bilanz. Mit Dorival Junior saß am Samstag (23. März) beim 1:0-Erfolg im Freundschaftsspiel in England nun der dritte Trainer innerhalb von zwei Jahren auf der Bank der Nationalmannschaft. Es scheint, als habe der Rekord-Weltmeister seine Fußball-Identität verloren.

"Heute gibt es nicht mehr diesen brasilianischen Fußball", sagt Ex-Profi Grafite, der 2009 in der Bundesliga mit dem VfL Wolfsburg Deutscher Meister wurde. Das klassische "Jogo bonito" - das "schöne Spiel", für das frühere brasilianische Weltstars wie der Ende 2022 verstorbene Pelé bewundert wurden - sei nicht mehr erkennbar, findet Grafite, der seit seinem "Tor des Jahres 2009" gegen den FC Bayern in Deutschland so etwas wie Legendenstatus genießt. Damals tanzte der Brasilianer im Strafraum mehrere Bayern-Spieler aus, um den Ball schließlich mit der Hacke ins Tor zu befördern. Heute begleitet Grafite in seinem Heimatland als Experte für den Sender Globo die aktuelle Entwicklung des Fußballs. 

Mehrere hundert Transfers ins Ausland pro Jahr

Vor wenigen Monaten verstarb der legendäre Mario Zagallo, der als Spieler und Trainer Weltmeister mit Brasilien wurde. Bereits nach der Heim-WM 2014, bei der die Selecao im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister Deutschland mit 1:7 untergegangen war, hatte Zagallo vor einem Ausverkauf der einheimischen Talente gewarnt. Der brasilianische Fußball drohe deswegen seine Identität zu verlieren, so Zagallo.

Vor gut 20 Jahren wurde in Europa die Regel aufgehoben, nach der die Vereine nur eine beschränkte Zahl internationaler Spieler einsetzen durften. Damals setzte eine massive Verkaufswelle ein, die bis heute anhält. Inzwischen verliert Brasilien jedes Jahr Hunderte Fußballer in alle Welt.

Brasilianische Betreuer tragen den jubelnden Pelé wird nach dem Sieg im WM-Finale 1970 auf den Schultern.
Pelé - hier nach dem WM-Triumph 1970 - galt als Inbegriff des Jogo bonitonull AP Photo/picture alliance

"Das beeinträchtigt den Aufbau der Identität des brasilianischen Fußballs", findet auch David "Dere" Gomes. Der Historiker beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte des Fußballs von Rio de Janeiro. Den talentiertesten Spielern, die in der Lage sind, ein Spiel auf brasilianische Art zu entscheiden, werde die Zeit genommen, ihr Talent im eigenen Land zu entwickeln, meint Gomes. Die brasilianische Fußball-Identität bestehe aber aus der Fähigkeit, etwa mit Dribblings Spiele zu entscheiden.

Top-Transfers verdecken Substanzverlust

Ex-Fußballprofi Grafit im Einsatz als Experte für den brasilianischen TV-Sender Globo
Der Ex-Wolfsburger Grafite fürchtet um die Identität des brasilianischen Fußballsnull Globo

Meist stehen nur die Top-Transfers von Ausnahmetalenten wie 2018 Vinicius Junior oder jetzt Endrick zu Real Madrid im Fokus. Doch mit vielen eher unbeachteten Spielerverkäufen verliert die brasilianische Liga kontinuierlich an Substanz und an Qualität sowohl in der Breite als auch in der Spitze. Zu vergleichen ist das mit der Ausbeutung von Rohstoffen. Nur dass es hier kein Kupfer, Erdöl oder Lithium ist, das sich die reichen Industrieländer abholen, sondern fußballerisches Talent.

"Es ist normal, dass sich brasilianische Spieler an den Stil des europäischen Fußballs anpassen, aber Brasilien hat damit nicht Schritt gehalten", sagt Grafite. Fußballer, die in Brasilien spielen, hätten eine anderen Rhythmus und eine andere Geschwindigkeit als jene, die in Europa im Einsatz seien, so der 44-Jährige. Dort habe das Spiel einfach eine andere Dynamik. Diese beiden Identitäten prallten dann bei einer Copa America oder einer WM innerhalb der Nationalmannschaft aufeinander und führten zu Abstimmungsproblemen, sagt Grafite: "Das konnte man bei der letzten WM recht gut beobachten." Beim Turnier in Katar Ende 2022 war Brasilien im Viertelfinale an Kroatien gescheitert. 

Erfolge der Premier League auf Kosten anderer

Die englische Premier League gilt derzeit weltweit als das Maß aller Dinge im Vereinsfußball. "Wie kann aber die Premier League die größte Liga der Welt sein, wenn England weder die besten Spieler hat noch eine Tradition vieler WM-Triumphe?", fragt Historiker Gomes und gibt die Antwort selbst: "Das funktioniert nur durch den Import von Spielern. Von Talenten aus Lateinamerika und Afrika. Und Brasilien ist eine der größten Fundgruben für diese Talente. Stellen Sie sich vor, wie stark eine brasilianische Fußballliga wäre, die heute Spieler hätte, die in England ihr Geld verdienen, wie Douglas Luiz, Lucas Paquetá, João Gomes, Bruno Guimarães, Richarlison - oder in anderen europäischen Ligen, wie Vinícius Junior oder Rodrygo."

Fußball-Historiker David "Dere" Gomes
Fußball-Historiker David "Dere" Gomes fordert Reformennull Tobias Käufer/DW

Es sei sehr schwierig, diese Entwicklung zu stoppen - vor allem, wenn es sich um einen globalen Markt handele, auf dem jedes Jahr Milliarden Euro bewegt würden, glaubt Dere Gomes: "Um in Brasilien eine starke Liga aufzubauen, wären ein gutes Vereinsmanagement und finanzielles Fairplay nötig. Außerdem etwas, das die Abhängigkeit der Vereine von großen Umsätzen verringert." Auch die Politik sei gefordert. "Wir brauchen eine Gesetzgebung, die die ausbildenden Vereine schützt."

Der Artikel wurde nach dem Spiel der Brasilianer in England aktualisiert.

Nike statt Adidas - DFB-Entscheidung schlägt hohe Wellen

Warum wechselt der DFB nach über 70 Jahren den Ausrüster?

Die Entscheidung für Nike sei das "Ergebnis einer transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung", ließ der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wissen. "Nike hat das mit Abstand beste wirtschaftliche Angebot abgegeben und zudem mit seiner inhaltlichen Vision überzeugt." Der US-Konzern werde nicht nur alle DFB-Nationalteams ausstatten, sondern auch den Amateurfußball fördern und mit dafür sorgen, dass sich der Frauenfußball in Deutschland nachhaltig weiterentwickle. Eine genaue Summe, wie viel Nike in der Vertragslaufzeit von 2027 bis 2034 an den DFB überweisen wird, nannte der Verband nicht. Nach Medienberichten soll der DFB mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr kassieren - etwa doppelt so viel, wie er angeblich derzeit vom Ausrüster Adidas erhält.

Wie wichtig sind für den DFB die Einnahmen aus dem Ausrüstervertrag?

Der DFB ist mit mehr als 7,3 Millionen Mitgliedern der größte Sport-Einzelverband der Welt. Das bedeutet aber keineswegs, dass er im Geld schwimmt. Vielmehr steckt der DFB in einer finanziellen Krise. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen die sportliche Krise der Männer-Nationalmannschaft: Bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 scheiterte das DFB-Team jeweils bereits in der Gruppenphase, bei der Europameisterschaft 2021 im Achtelfinale.

Frustrierte deutsche Nationalspieler auf der Bank - während des letzten Spiels bei der WM in Katar.
Die zuletzt enttäuschenden Leistungen des DFB-Teams kosteten den Verband viel Geldnull Frank Hoermann/Sven Simon/IMAGO

An Prämien flossen dadurch nur 27 Millionen Euro an den DFB. Zum Vergleich: Zwischen 2010, als Deutschland WM-Dritter wurde, und 2014, als das DFB-Team die Weltmeisterschaft gewann, kassierte der Verband 61 Millionen Euro. Zum anderen drohen durch Steuerstrafverfahren Verluste in zweistelliger Millionenhöhe. Und zusätzlich knabbert der Verband auch noch an den explodierten Kosten des DFB-Campus. Der Neubau der Verbandszentrale in Frankfurt am Main, die 2022 eröffnet wurde, verschlang rund 180 Millionen Euro. Das war doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt.

Was bedeutet die DFB-Entscheidung für Adidas und Nike?

Für Nike, den weltweit führenden Sportartikelanbieter, ist der Vertragsabschluss ein spektakulärer Erfolg, weil die Allianz zwischen DFB und Adidas als unantastbar galt. Nike-Konzernchef John Donahoe sprach von einem "großartigen Beweis dafür, dass uns niemand schlagen kann, wenn wir unser Bestes bringen". 2023 hatte der Konzern einen Umsatz von mehr als 51 Milliarden US-Dollar (rund 47 Milliarden Euro) gemacht, ein Plus von zehn Prozent gegenüber 2022. Der Gewinn war allerdings gefallen, von sechs Milliarden im Vorjahr auf fünf Milliarden Dollar.

Franz Beckenbauers Adidas Fußballschuh, den er bei der WM 1970 trug
Auch Franz Beckenbauer trug Adidas - hier sein Schuh von der WM 1970null Jürgen Fromme/augenklick/firo/picture alliance

Für Adidas bedeutet der Verlust einen weiteren Rückschlag in wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeiten. 2023 sank der Umsatz leicht auf rund 21,4 Milliarden Euro. Erstmals seit über 30 Jahren rutschte der Konzern in die roten Zahlen: Der Verlust lag bei rund 75 Millionen Euro. Einer der Gründe war das Ende der einst lukrativen Zusammenarbeit mit dem US-Skandal-Rapper Kanye West. Adidas hatte sich 2022 von West getrennt, nachdem sich der Rapper mehrfach rassistisch und antisemitisch geäußert hatte.

Wie ist das Echo in Deutschland?

Vor allem aus der deutschen Politik kommen zahlreiche kritische Stimmen. "Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von der Regierungspartei Bündnis 90/Die Grünen. "Adidas und Schwarz-Rot-Gold gehörten für mich immer zusammen. Ein Stück deutscher Identität. Da hätte ich mir ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht."

Ähnlich äußerte sich der bayrische Ministerpräsident Markus Söder. Der Adidas-Stammsitz - die Kleinstadt Herzogenaurach nahe Nürnberg - liegt in Bayern. Die Entscheidung gegen Adidas und für Nike sei "falsch, schade und unverständlich", schrieb der CSU-Politiker auf dem Portal X. "Deutscher Fußball ist Heimat pur - und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe. Kommerz ist nicht alles. Mehr Geradlinigkeit hätte dem DFB trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen gut zu Gesicht gestanden." 

Warum sorgt der Deal für so viel Aufregung?

Weil die Erfolgsgeschichte des deutschen Fußballs nach dem Zweiten Weltkrieg so eng mit Adidas verbunden ist. Damit ist es für viele Menschen in der Fußball-Nation Deutschland auch eine emotionale Angelegenheit. Als die Nationalmannschaft 1954 in der Schweiz sensationell die Weltmeisterschaft gewann, war Adidas-Gründer Adi Dassler Zeugwart des Teams. Die von dem Unternehmen entwickelten neuen Fußballschuhe mit Schraubstollen waren Teil des "Wunders von Bern": Sie sorgten dafür, dass die deutschen Spieler auf dem vom Regen durchweichten Rasen mehr Standfestigkeit hatten als die eigentlich favorisierten Ungarn.

Adi Dassler nach dem WM-Finale 1954 an der Seite der "Helden von Bern": Bundestrainer Sepp Herberger, Kapitän Fritz Walter (mit WM-Pokal) und Torwart Toni Turek
Adi Dassler (l.) an der Seite der "Helden von Bern": Bundestrainer Sepp Herberger, Kapitän Fritz Walter (mit WM-Pokal) und Torwart Toni Turek null picture-alliance/Pressefoto Baumann

Auch bei den drei weiteren WM-Triumphen Deutschlands 1974, 1990 und 2014 trugen die deutschen Spieler Schuhe und Trikots mit den drei Streifen, dem Markenzeichen von Adidas. 2006 und 2007 hatte Nike mit sehr lukrativen Angeboten schon einmal versucht, den DFB abzuwerben - ohne Erfolg. Zu groß war die Macht von Adidas. Der Rekordmeister FC Bayern München drohte sogar damit, keine Spieler mehr für die Nationalmannschaft abzustellen, sollte der DFB sich für Nike entscheiden. Adidas hält gut acht Prozent der Anteile an dem Verein. 

DFB will Bundestrainer Nagelsmann längerfristig binden

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist mit dem Stil und der bisherigen Arbeit von Bundestrainer Julian Nagelsmann offenbar zufrieden. "Die Chemie stimmt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf dem Sport-Informationsdienst und stellte Gespräche über eine Vertragsverlängerung noch vor der Europameisterschaft in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) in Aussicht: "Julian hat gesagt, dass er vor dem EM-Turnier gerne Klarheit über seine Zukunft möchte. Einem solchen Wunsch werden wir uns sicher nicht verschließen." Der Bundestrainer, so Neuendorf, "identifiziert sich voll mit seiner Aufgabe und mit dem Verband und legt eine große Leidenschaft an den Tag."

Nagelsmann ist seit Ende September Bundestrainer - mit 36 Jahren der zweitjüngste in der Geschichte des DFB. Nur Otto Nerz war mit 34 Jahren noch jünger, als er 1926 das DFB-Team übernahm. Der aktuelle Vertrag mit Nagelsmann läuft nur bis zum Ende der EM.

Der Bundestrainer schloss am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Fans des DFB-Teams aus, dass er nach der EM pausieren werde - es sei denn, er habe kein Angebot. Wenn doch, sei beides möglich, "Verband oder Verein", sagte der frühere Trainer der Bundesligisten 1899 Hoffenheim, RB Leipzig und FC Bayern München. In den vergangenen Monaten wurde wiederholt darüber spekuliert, dass Nagelsmann nach der Heim-EM in die englische Premier League wechseln könnte.

Vertrag nach dem Modell Gislason?

"Erfolgreiche Trainer schickt man nicht weg", sagte Andreas Rettig, der für den Sport zuständige Geschäftsführer des DFB, dem "Kicker". Das Magazin berichtet, der DFB wolle sich mit dem neuen Vertrag am Vorgehen des Deutschen Handball-Bunds (DHB) im Fall seines Bundestrainers Alfred Gislason orientieren. Der DHB hatte den Vertrag mit dem Isländer bis 2027 verlängert – unter der Voraussetzung, dass Gislason mit dem Nationalteam das Ticket für die Olympischen Spiele in Paris löste. Das war ihm am vergangenen Wochenende gelungen.

Handball-Bundestrainer Alfred Gislason während des Spiels gegen Österreich beim Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele in Paris.
Der neue Vertrag mit Handball-Bundestrainer Alfred Gislason könnte Vorbild für den Nagelsmann-Kontrakt seinnull David Inderlied/dpa/picture alliance

Auf Nagelsmann übertragen bedeutet dies: Eine Vertragsverlängerung könnte an die Bedingung gebunden werden, dass die Nationalmannschaft eine erfolgreiche EM spielt. Wie der DFB erfolgreich definiert, sei noch offen, berichtet der Kicker. Klar sei jedoch, dass Nagelsmann bei einem Vorrunden-Aus des DFB-Teams - wie bei den Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar - nicht weitermachen dürfe.

Drei Ausfälle für Spiele gegen Frankreich und Niederlande

Die Vorbereitung auf die beiden EM-Testspiele in Lyon gegen Frankreich (23. März) und in Frankfurt am Main gegen die Niederlande (26. März) verlief zunächst holprig. Nagelsmann hatte für die beiden Partien, bei denen Toni Kroos, Weltmeister von 2014, sein Comeback geben wird,  gleich sechs Neulinge für die beiden Partien nominiert.

Zwei von ihnen fielen aus: Der 19 Jahre alte Bayern-Profi Aleksandar Pavlovic wegen einer Mandelentzündung und der 25 Jahre alte Jan-Niklas Beste von Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Heidenheim wegen einer Muskelverletzung. Auch Torwart Manuel Neuer, wie Kroos Weltmeister 2014, musste wegen einer Muskelverletzung passen.

IOC schließt Russland und Belarus von Olympia-Eröffnung aus

Für viele Sportlerinnen und Sportler ist es ein bewegender und unvergesslicher Moment, wenn sie bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele gemeinsam mit ihren Teamkollegen ins Stadion einziehen. Die Olympia-Starterinnen und -Starter aus Russland werden diesen Moment in Paris nicht erleben. Das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) entschied sich am Dienstag nach Beratungen in Lausanne für ein Verbot für russische Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Auch Athletinnen und Athleten aus Belarus, das im Krieg gegen die Ukraine ein enger Verbündeter Russlands ist, sind von der geplanten Athletenparade ausgeschlossen, die in Paris ein ganz besonderes Spektakel werden soll: Alle Olympia-Teilnehmer werden mit 180 Booten auf der Seine fahren und so die Sommerspiele am 26. Juli auf ungewöhnliche Art und Weise eröffnen.

Möglicherweise auch Sperre für Schlussfeier

Die Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus sollen aber die Chance erhalten, die Zeremonie als Zuschauer mitzuerleben, teilte das IOC mit. "Wir werden sicherstellen, dass sie das Erlebnis genießen können", sagte der zuständige IOC-Direktor James Macleod. Ob ihnen eine Teilnahme an der Schlussfeier am 11. August erlaubt wird, werde erst später entschieden.

Anfang März hatten die Macher der Paralympics, die kurz nach den Olympischen Spielen auch in Paris stattfinden, einen ähnlichen Beschluss getroffen. Sowohl bei Olympia wie auch bei den Spielen der Behindertensportler sind Starter aus Russland und Belarus nur unter Auflagen zu den Wettbewerben zugelassen. So müssen Teilnehmer aus diesen Staaten unter neutraler Flagge antreten. Ihre Hymnen dürfen nicht gespielt werden, stattdessen kommt bei Siegerehrungen ein extra produziertes Musikstück ohne Text zum Einsatz.

die Bahnradfahrerinnen Darja Schmeljowa und Anastassija Woinowa aus Russland zeigen bei der Siegerehrung der Olympischen Spiele in Tokio ihre Bronzemedaillen.
Wie neutral ist neutral? Eine russische Fahne ist auch auf den Anzügen der neutralen Athleten aus Russland erkennbarnull Sebastian Gollnow/dpa/picture-alliance

Das Tragen und Zeigen nationaler Symbole an den olympischen Stätten ist Aktiven aus Russland und Belarus verboten. Mannschaften beider Länder sind komplett ausgeschlossen, nur Einzelsportler erlaubt. Die von Russen und Belarussen gewonnenen Medaillen werden nicht im Medaillenspiegel aufgeführt.

Derzeit sind zwölf Russen und sieben Belarussen für Olympia qualifiziert. Erwartet wird eine Zahl zwischen 36 und 54 Russen sowie 22 und 28 Belarussen. Zum Vergleich: Bei den Spielen 2021 in Tokio waren 330 Aktive aus Russland und 104 aus Belarus am Start. 

Harsche Reaktionen aus Russland

Russland reagierte "empört" auf den IOC-Beschluss zum Ausschluss russischer und belarussischer Athleten von der Eröffnungsparade in Paris. Maria Sacharowa, die Sprecherin des Außenministeriums, warf dem IOC sogar "Rassismus und Neonazismus" vor. Sie nannte die IOC-Entscheidungen am Mittwoch "rechtswidrig, ungerecht und inakzeptabel" und verurteilte die "Diskriminierung". Das IOC zeige, wie weit es sich von seinen eigenen Prinzipien entfernt habe, so Sacharowa.

Das IOC hatte in seiner Mitteilung vom Dienstag zudem das Vorhaben Russlands verurteilt, im September sogenannte "Freundschaftsspiele" auszurichten. Die Konkurrenzveranstaltung sei ein "zynischer Versuch, den Sport zu politisieren". Das IOC warnte Nationen der olympischen Bewegung vor einer Teilnahme. "Das ist eine Einschüchterung der Sportler und untergräbt völlig die Autorität des IOC", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

In den vergangenen Tagen hatte sich der Konflikt zwischen dem IOC und Russland zugespitzt. Präsident Thomas Bach, der jahrelang beste Beziehungen zu Russland gepflegt hat, sagte in einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Monde": "Die Aggressivität der russischen Regierung wächst von Tag zu Tag, gegen das Komitee, gegen die Spiele, gegen mich."

asz/sn (SID, dpa)

Ende einer Ära: Christian Streich verlässt SC Freiburg

"Liebe Freundinnen und Freunde des SC Freiburg, liebe Fans, ich möchte euch schweren Herzens mitteilen, dass ich im Sommer meine Tätigkeit als Trainer beim SC Freiburg nicht mehr fortsetzen werde", sagt  Christian Streich in einen Video seines Vereins auf der Social-Media-Plattform X. Damit spricht er aus, was viele bereits erwartet, wenn nicht sogar befürchtet hatten. Streich beendet nach zwölf erfolgreichen Jahren seine Zeit als Cheftrainer des Bundesliga-Klubs. Im Verein ist er sogar noch länger - ganze 29 Jahre.

Bei der 2:3-Heimniederlage gegen Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen am Vortag war er noch sehr engagiert an der Seitenlinie und man konnte sich kaum vorstellen, dass er keine Energie mehr haben könnte, als Trainer weiterzumachen. "Jede 50:50-Entscheidung in der zweiten Halbzeit wird gegen uns gepfiffen", beschwerte sich Streich schon während des Spiels lautstark beim vierten Offiziellen. Nach dem Spiel wiederholte er den Vorwurf im Radio-Interview und auch in der Pressekonferenz, klang nun aber schon recht niedergeschlagen und fast ein wenig kraftlos. Fragen zu seiner Zukunft wehrte er brüsk ab: "Das erfahren sie alles morgen", sagte er nur.

SC Freiburg - alternativer Verein mit eigenem Weg

Streichs Entscheidung ist deshalb weitreichend, weil er die sportlichen Geschicke des SC Freiburg prägte und den Klub verkörpert, wie niemand sonst. Er ist nicht nur sportlich eine Instanz, sondern äußert sich auch immer wieder zu gesellschaftlichen Themen. Zuletzt war das der Fall, als Anfang des Jahres überall in Deutschland Menschen auf die Straße gingen, um gegen Rassismus und die Partei AfD (Alternative für Deutschland) zu protestieren. "Wer jetzt nicht aufsteht, der hat nichts verstanden. Es ist fünf vor zwölf", sagte Streich im Januar.

Auch deswegen passte der Trainer zu Freiburg. Der "Sportclub" geht schon seit langer Zeit einen anderen Weg als viele andere Profivereine - auf und neben dem Platz. Schon früh entdeckte der Klub das Thema Nachhaltigkeit für sich, achtete auf Umweltschutz, installierte die erste Photovoltaik-Anlage auf einem deutschen Stadiondach.

Freiburgs Trainer Volker Finke verfolgt ein Spiel seiner Mannschaft aus einem Strandkorb, der als Trainerbank diente
Trainer Volker Finke prägte die erste sportlich erfolgreiche Ära in Freiburgs Bundesliga-Geschichtenull Sven Simon/picture-alliance

"Der Verein war auf der Suche nach einer eigenen Identität und einer eigenen DNA", erinnerte sich Hanno Franke, der Marketingleiter des SC, einst im Gespräch mit der DW an diese Zeit. "Freiburg war schon damals eine sehr nachhaltig geprägte Stadt. Für uns als Fußballverein und Teil der Stadt erschien es damals nur logisch, sich da mit einzuklinken."

Sportlich setzte der Verein auf Kontinuität. Das fing an mit der Verpflichtung von Trainer Volker Finke im Jahr 1991. Finke führte den Verein 1993 erstmals in die Bundesliga und blieb bis 2007 Trainer - trotz einiger Abstiege und sportlicher Krisen. Wohl bei keinem anderen Bundesligisten wären Geduld und Verständnis so groß gewesen.

Streich - im Herzen immer noch Jugendtrainer

Geduld ist auch eine der sportlichen Philosophien bei den Spielern. Der SC Freiburg setzt stärker als andere Vereine auf Jugendarbeit und schafft es immer wieder, Talente aus dem eigenen Nachwuchs ins Profiteam zu bringen. Dort bekommen sie dann die Zeit, sich zu entwickeln. Dass junge Spieler sich aus Freiburg zu anderen Vereinen ausleihen lassen, weil sie dort auf mehr Spielpraxis bekommen, ist selten.

Spielszene SC Freiburg mit Torhüter Noah Atubolu gegen Borussia Dortmund
In Freiburg dürfen junge Profis wie Torhüter Noah Atubolu (r.) regelmäßig spielen und Fehler machen, ohne gleich auf die Bank zu müssennull Joachim Bywaletz/Jb-sportfoto/picture alliance

Das hat auch viel mit Christian Streich und seiner Geschichte im Verein zu tun. Der 58-Jährige ist in der Region verwurzelt. Als Spieler war er die meiste Zeit für den Lokalrivalen Freiburger FC aktiv, ging aber eine Saison lang auch für den SC Freiburg in der 2. Liga auf Torejagd. Einer seiner Mitspieler war damals der spätere Bundestrainer Joachim Löw.

Nachdem Streichs Zeit als Spieler 1994 beim Freiburger FC endete, kam er zurück zum SC Freiburg und arbeitete dort ab 1995 anderthalb Jahrzehnte lang in der Nachwuchsabteilung. Was Volker Finke für die Bundesliga-Mannschaft war, war Streich für die Jugend. Er betreute als Trainer die U19 des Klubs und damit viele Talente, die davon träumten oder es tatsächlich schafften, in die Profi-Mannschaft zu kommen. 

"Ich durfte mit meinen Mitstreitern die Fußballschule aufbauen und gestalten, hatte hunderte Jugendspieler, die ich betreuen durfte", sagt Streich in seinem Video zur Rücktrittsankündigung. "Auch hunderte Profispieler - und nicht wenige sind durch die Fußballschule zu den Profis gegangen."

Neben seiner Arbeit als Mentor junger Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden und Talententwickler hatte Streich Erfolg: 2006, 2009 und 2011 gewann er mit Freiburgs A-Junioren den DFB-Junioren-Vereinspokal und 2008 sogar die deutsche A-Jugendmeisterschaft.

Durch Höhen und Tiefen

Als es ein halbes Jahr später in der Bundesliga-Mannschaft kriselte, suchte der Verein nicht lange nach einer externen Trainerlösung. Streich übernahm die verunsicherte Mannschaft zur Rückrunde auf dem letzten Tabellenplatz und führte sie noch ins gesicherte Mittelfeld. Ein Jahr später erreichte er mit dem Team sogar den Europapokal. Später standen Streich und sein Team zweimal sogar im Europa-League-Achtelfinale und 2022 im Endspiel um den DFB-Pokal, das man gegen RB Leipzig verlor.

Freiburgs Trainer Christian Streich steht nach dem Wiederaufstieg 2016 umringt von seinen Spielern vor den Fans und kämpft mit den Tränen
Stolz und gerührt: Nach dem Wiederaufstieg 2016 kommen Christian Streich bei der Feier mit den SC-Fans die Tränennull Christopher Neundorf/firo Sportphoto/picture alliance

Wie einst Finke blieb auch Streich auf seinem Posten, wenn es mal nicht gut lief. 2015 stieg der Klub aus der Bundesliga ab - und mit Streich auch direkt wieder auf. "Die Menschen wissen, dass wir alles für den Erfolg tun, sie anerkennen, dass wir von morgens bis es dunkel wird für dieses Ziel arbeiten", sagte Streich 2016 nach dem Aufstieg in einem Interview mit der Tageszeitung "Südkurier" über die andere Erwartungshaltung in Freiburg. "Daran sieht man, dass der Fußball, dass der SC Freiburg gewachsen ist in dieser Stadt und dass dann nicht alles ergebnisabhängig ist."

Streich: "Immer vorwärts, mit dem Kopf immer oben"

Diese andere Haltung hat dazu geführt, dass Streich der Freiburger Trainer mit den meisten Bundesliga-Spielen und -Punkten ist. Ein Rekord, der ihm selbst nicht so wichtig war, als er ihn im Januar 2023 erreichte. "Das hat keine so große Relevanz. Ich bin ja schon mein halbes Leben Trainer beim SC", sagte Streich damals. "Wenn ich darüber nachdenke, dann ist das schon sehr lange."

Rausgeworfen hätten sie ihren Trainer beim SC Freiburg wohl nie. In den vergangenen Jahren hatte Streich seinen Vertrag stets im Februar oder März verlängert. Zuletzt war das im März 2023 der Fall - einen weiteren Kontrakt wird es aber nicht geben.

Freiburgs Trainer Christian Streich schreit und gestikuliert bei seinem Bundesliga-Debüt im Januar 2012
Von Anfang an mit Feuer bei der Sache: Christian Streich bei seinem Bundesliga-Debüt im Januar 2012null Oryk Haist/Sven Simon/picture alliance

Streichs Spieler hatten bis zuletzt gehofft, dass ihr Trainer bleibt. "Er ist ein herausragender Trainer und ein herausragender Mensch, für den es mehr gibt als Fußball", sagte SC-Kapitän Christian Günter. "Er hat eine Ära geprägt, das steht außer Frage." Umstimmen konnte Streich keiner mehr und wahrscheinlich hat man es aus Respekt vor ihm auch gar nicht versucht.

"Dieser Verein ist mein Leben und ich bin außergewöhnlich dankbar für die Unterstützung und die Zuneigung, die ich immer erfahren habe", bedankt sich der Trainer in seinem Video und sieht positiv in die Zukunft. "Ich weiß, dass sehr gute Entscheidungen getroffen werden, dass es in diesem Verein so weitergeht wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten: Immer vorwärts - und auch wenn es mal schwer war, mit dem Kopf oben."

Der Text wurde nach dem Spiel der Freiburger am Sonntag gegen Bayer Leverkusen und am Montag nach Bekanntgabe des anstehenden Rücktritts aktualisiert.

Fabienne Königstein fordert mehr Hilfen für Mütter im Sport

Der Himmel leuchtet in unterschiedlichsten Farbtönen, Grillen und kleine Insekten zirpen und die ersten Vögel machen lautstark auf sich aufmerksam. Es ist 6 Uhr morgens in Kenia. In der kleinen Stadt Iten, rund 2400 Meter über dem Meeresspiegel, gut 350 Kilometer nordwestlich von der Hauptstadt Nairobi, gehen in kleinen Bungalows die ersten Lichter an. Mehrere hundert Athletinnen und Athleten reisen regelmäßig hierher ins Höhentrainingslager. Das "Home of Champions", wie der kleine Ort genannt wird, ist ein Läuferparadies. Hier bereitet sich die Laufelite auf Marathonläufe und auf die Olympischen Spiele vor.

Der Ort bietet fantastische Aussichten auf das Kerio Valley. Doch dafür haben die angereisten Läuferinnen und Läufer nur wenig Zeit. Auch die deutsche Marathonläuferin Fabienne Königstein ist in das ostafrikanische Land gereist. Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter Skadi hat sich die 31-Jährige für vier Wochen in Iten einquartiert, um sich für die bevorstehenden Wettkämpfe - unter anderem dem prestigeträchtigen Boston-Marathon - in eine gute Form zu bringen.

Während Königstein sich die Laufschuhe schnürt, wickelt ihr Mann Karsten noch schnell Tochter Skadi, bevor es zur ersten Trainingseinheit des Tages geht. "Es ist wunderschön die Familie hier zu haben", sagt Königstein im DW-Interview. "Ich genieße die Zeit und vor allem, dass ich neben dem Training auch viel Qualitätszeit mit meiner Tochter verbringen kann."

Ohne Tochter geht es nicht

Während ihrer Karriere war die Sportlerin schon oft in Kenia im Trainingslager. Damals gemeinsam mit ihrem Team und fast immer ohne familiäre Begleitung. Doch seit Königstein 2022 Mutter geworden ist, hat sich ihr Leben verändert: privat, aber auch sportlich.

Fabienne Königstein sitzt mit ihrer kleinen Tochter Skadi auf einer Laufbahn und schnürt sich die Laufschuhe
Fabienne Königstein mit ihrer kleinen Tochter Skadi beim Training in Itennull Königstein

"Skadi ist erst anderthalb Jahre alt und ohne meine Tochter könnte ich gar nicht hier sein", erklärt die Marathonläuferin, die sich zwischen den Trainingseinheiten im Wechsel mit ihrem Mann Karsten um das jüngste Familienmitglied kümmert. "In dem Alter ist die Mutter immer noch die wichtigste Bezugsperson", sagt sie. So richtig daran geglaubt, auch mit Familie weiterhin ins Höhentrainingslager fahren zu können, hat Königstein nicht, denn der Aufwand ist nicht gerade gering.

"Eigentlich habe ich gedacht, dass ich nach der Geburt öfter im kalten Winter trainieren muss und nicht in der Höhe", verrät sie und ergänzt: "Da Karsten sich beruflich umorientiert hat und wir als Familie meine sportlichen Ziele priorisiert haben, können wir nun aber hier oben sein."

Königstein: "Finanzielle Unterstützung ist nicht vorhanden"

Karsten Königstein hat seine Festanstellung als Kinder- und Sportmediziner aufgegeben und seine wissenschaftliche Karriere pausiert. Er hält derzeit die Familie als Honorararzt mit Nachtdiensten finanziell über Wasser. Ohne seine Hilfe wäre eine Fortsetzung der Laufkarriere seiner Frau nur schwer möglich gewesen, denn es hapert an Unterstützung für Sportlerinnen wie Königstein, die während ihrer aktiven Zeit Mutter geworden sind oder es werden wollen.

Marathonläuferin Fabienne Königstein psoiert mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter Skadi mit einer kenianischen Familie für ein Foto
Ohne die Unterstützung der ganzen Familie wäre ein Trainingslager in Kenia für Fabienne Königstein (2.v.r.) nicht möglich null Königstein

Die Zusatzkosten für Skadi und ihren Mann Karsten für Flüge, Hotel und Essen, muss die Familie selbst tragen, denn "die finanzielle Unterstützung der Verbände ist nicht vorhanden", kritisiert Königstein. Sie hielte es daher für wünschenswert, wenn die Verbände oder auch Olympiastützpunkte mehr für Sportlerinnen mit Kindern tun würden.

Anders als bei Arbeitnehmerinnen im "normalen" Berufsleben, haben Profisportlerinnen keinerlei Unterstützung. "Mich ärgert es, wenn ich zum Beispiel an meine Rentenvorsorge denke, wo wir nicht unterstützt werden. Ich bin nicht bei der Bundeswehr oder Bundespolizei, also komplett selbstständig. Ich muss meine gesamte Vorsorge privat regeln", sagt Königstein, die während ihrer Schwangerschaft keine Einnahmen hatte, weil sie keine Wettkämpfe absolvieren konnte.

Viele Sportlerinnen entscheiden sich gegen ein Kind

Königstein fordert mehr Verbindlichkeiten der Verbände für Athletinnen, die Mutter werden wollen. "So könnten sie besser planen und hätten die Sicherheit, dass sie im Bundeskader bleiben und weiterhin die Sporthilfe bekommen." Die studierte Molekularbiologin ist aktuell auf ihren Mann angewiesen, der ihre Karriere mitfinanziert. "Wenn man ein abgeschlossenes Masterstudium hat, würde man gerne auf eigenen Füßen stehen und selber Geld verdienen", ärgert sich Königstein.

Marathonläuferin Fabienne Königstein trainiert in Iten mit anderen Läufern
Marathonläuferin Fabienne Königstein trainiert in Iten mit anderen Läuferinnen und Läufernnull Königstein

Doch ihr Mann ist nicht nur ihr finanzieller Rückhalt, auch beim Sport unterstützt er sie. Der Sportmediziner hat vor einigen Jahren das Training seiner Frau übernommen. Während der ersten Einheit sitzt Karsten im Begleitfahrzeug, Skadi sitzt auf seinem Schoß. Während Skadi sich für Giraffen und Vögel am Straßenrand begeistert, gibt Karsten immer wieder Anweisung an seine Frau weiter.

Nicht jede Sportlerin hat die Möglichkeit auf die Familie zurückzugreifen. Daher wünscht sich Königstein mehr Unterstützung bei der Betreuung. Denn viele Athletinnen würden sich aufgrund der Unsicherheit immer noch gegen ein Kind während der Karriere entscheiden, so die Marathonläuferin. "Sie haben keine verlässliche Säule, auf die sie sich stützen können, wenn sie gerne eine Familie gründen würden."

Königstein: "Keiner fühlt sich verantwortlich"

Die Übungseinheit, ein 30-Kilometer-Dauerlauf ist beendet. Kurze Pause, dann geht es für die Mutter schon wieder weiter: Video-Call mit dem Verein "Athleten Deutschland". Königstein kämpft auch auf der sportpolitischen Bühne für mehr Aufmerksamkeit für Frauen im Sport. "Natürlich ist 'Muttersein im Profisport' ein Baustein, der mir sehr am Herzen liegt", sagt sie. "Ich habe das Gefühl die Dringlichkeit und Wichtigkeit des Themas ist bekannt, aber es fehlt schlichtweg an finanziellen Ressourcen und an Verantwortlichkeiten."

Fabienne Königstein und die anderen Präsidiumsmitglieder auf der Bühne bei der DOSB-Mitgliederversammlung im Dezember 2022
Fabienne Königstein (3.v.r.) ist als Athletenvertreterin Mitglied im Präsidium des DOSBnull Helge Prang/GES/picture alliance

Die große Frage sei, wen man in die Verantwortung nimmt: den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), als Dachorganisation des deutschen Sports? Die einzelnen Sportverbände oder doch die Olympiastützpunkte? "Es fühlt sich keiner so richtig verantwortlich", beklagt Königstein.

Dennoch gibt es Athletinnen, die den Schritt gewagt haben und auch als Mütter weiterhin ihre Karrieren als Sportlerinnen verfolgen. Hindernisläufern Gesa Krause, Fußballerin Melanie Leupolz oder eben auch Königstein, die nur neun Monate nach Skadis Geburt beim Marathon in Hamburg mit einer Zeit von 2:25:48 ihre persönliche Bestzeit um fast sieben Minuten verbessern konnte.

"Ich bin stolz, dass ich gesund bin und Familie und Sport unter einen Hut bekomme, was nicht immer einfach ist und ich auch immer mal an meine Grenzen stoße", sagt Königstein der DW. Die Marathonläuferin will mit ihrer Geschichte anderen Frauen Mut machen und Vorbild sein - dafür kämpft sie auf der Laufstrecke und wird nicht müde das Thema "Mutter sein im Profisport" immer wieder anzusprechen.

Bundestrainer Nagelsmann holt Pavlovic und fünf andere Neulinge ins DFB-Team

Mit einer personell stark veränderten Fußball-Nationalmannschaft startet Bundestrainer Julian Nagelsmann in das EM-Jahr. Exakt drei Monate vor dem Eröffnungsspiel der Heim-Europameisterschaft am 14. Juni in München gegen Schottland nominierte der DFB-Chefcoach gleich sechs Neulinge für die anstehenden Testspiele in Frankreich (23. März in Lyon) und gegen die Niederlande (26. März in Frankfurt am Main).

Pavlovic für Deutschland statt für Serbien

Der wohl interessanteste Neu-Nominierte ist der 19 Jahre alte Aleksandar Pavlovic vom FC Bayern München. Der Mittelfeldspieler, der sich in den vergangenen Wochen mit guten Leistungen in die Münchener Stammelf gespielt hat, hätte auch für Serbien spielen können, entschied sich aber für den DFB. Der Sohn eines serbischen Vaters und einer deutschen Mutter ist in München geboren und aufgewachsen. Er hat bislang 14 Mal für den FC Bayern gespielt, stand aber auch schon für die deutsche U20-Auswahl auf dem Platz.

"Ich möchte mich ausdrücklich beim serbischen Verband bedanken, die sich auch sehr um mich bemüht haben. In meiner Brust schlagen beide Herzen", sagte Pavlovic der Boulevardzeitung "Bild". "Mein Plan war es, mich erst nach der EM in diesem Jahr zwischen Deutschland und Serbien zu entscheiden. Diese Entscheidung musste ich nun sofort treffen." Bundestrainer Nagelsmann betonte, dass es keine politische Entscheidung war, Pavlovic zu nominieren, sondern eine leistungsabhängige. "Hätte er gesagt, dass er lieber für Serbien spielen wollen würde, hätte ich ihn nicht nominiert. Bei der Entscheidung rede ich keinem Spieler rein", so Nagelsmann.

Die Stuttgarter Spieler Waldemar Anton, Deniz Undav und Maximilian Mittelstädt gehen nach einem Spiel lachend nebeneinander über den Platz
Gemeinsam mit dem VfB Stuttgart erfolgreich - bei der EURO auch für den DFB? Waldemar Anton, Deniz Undav und Maximilian Mittelstädt (v.l.n.r.)null Jürgen Kessler/Kessler-Sportfotografie/IMAGO

Neben Pavlovic ist zudem ein "Dreierblock" des VfB Stuttgart neu im Nationalteam dabei: Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav, der wie Pavlovic auch für einen anderen Verband hätte spielen können - in seinem Fall, den türkischen. Undav hatte sich aber schon im vergangenen Dezember nach Gesprächen mit Nagelsmann für den DFB entschieden. Weitere Neulinge sind Standardspezialist Jan-Niklas Beste von Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Heidenheim und der Hoffenheimer Angreifer Maximilian Beier.

Kroos kehrt zurück, Hummels und Goretzka nicht mit dabei

Der siebte Akteur ohne Länderspiel-Einsatz ist Torwart Oliver Baumann. Der 33-jährige Hoffenheimer war aber schon mehrmals im DFB-Kader dabei. Nach längerer Abwesenheit sind mit Manuel Neuer und Toni Kroos zwei Weltmeister von 2014 wieder mit dabei, ebenso der Frankfurter Defensivspieler Robin Koch. Kroos hatte Ende 2021 seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt, sich jüngst aber zu einem Comeback bei der Heim-EM bereiterklärt. Trotz der Rückkehr von Neuer und Kroos bleibt Ilkay Gündogan weiterhin Kapitän der Nationalmannschaft.

Dafür sortierte Bundestrainer Nagelsmann mehrere prominente Spieler aus, unter anderen die Dortmunder Abwehrspieler Mats Hummels und Niklas Süle, Bayern-Profi Leon Goretzka, Union Berlins Robin Gosens und den Frankfurter Torwart Kevin Trapp.

Nagelsmann reagiert mit seiner beim DFB bisher beispiellosen Radikalkur zum Start in ein Turnierjahr auch auf die ernüchternden Niederlagen im vergangenen November gegen die EM-Teilnehmer Türkei (2:3) und Österreich (0:2). Großer Verlierer der Nominierung ist als Verein Borussia Dortmund. Der BVB stellt mit Angreifer Niclas Füllkrug nur noch einen Spieler des 26-köpfigen Kaders.

Gewinner ist der formstarke VfB Stuttgart, aktuell auf Tabellenplatz drei der Bundesliga, mit vier Profis. Am kommenden Montag (18. März) trifft sich das Team in Frankfurt und bereits sich auf die beiden ersten beiden Länderspiele im Jahr 2024 vor. 

Neues Outfit

Unabhängig von der Leistung wird die Mannschaft bei der Partie in Frankreich schon durch ihr Outfit für Aufsehen sorgen. Bei dem Spiel werden Gündogan und Co. erstmals das neue offizielle Auswärtstrikot tragen, das der DFB-Ausrüster Adidas am Donnerstag präsentierte. Es ist in Pink und Lila gehalten.

Das Trikot solle "die neue Generation an deutschen Fußballfans und die Vielfalt des Landes stehen", ließ der Konzern wissen. Das Heimtrikot ist dagegen klassisch-schlicht gestaltet: überwiegend in Weiß. Das DFB-Team wird die beiden Trikots auch bei der Europameisterschaft im Sommer tragen.

Milliarden-Angebot: Übernimmt Saudi-Arabien Kontrolle im Profi-Tennis?

Jeder Sport hat seinen Preis. Es kommt nur auf die Höhe an. So könnte man die Logik beschreiben, die hinter den Investitionen Saudi-Arabiens in den Sport stehen. Seit Jahren pumpt der Golfstaat Unsummen in den Sport, zum Beispiel in die Golf-Turnierserie LIV, die Formel 1 - und auch in den Fußball, wo das Land aller Voraussicht nach die Weltmeisterschaft 2034 ausrichten wird. Nach Lesart der Regierung sind die Investitionen lediglich ein Teil des Entwicklungsplans "Vision 2030", mit dem der saudische Kronzprinz und Ministerpräsident Mohammed Bin Salman sein Land modernisieren und unabhängiger von Öleinnahmen machen will. Dagegen werfen  Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International  oder Human Rights Watch den Machthabern in Riad seit Jahren "Sportswashing" vor: Mit Hochglanz-Sportveranstaltungen wolle Saudi-Arabien von den andauernden eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Land ablenken. Nun greift der Golfstaat auch nach dem Tennis-Sport - mit einem geradezu unmoralischen Angebot.

Mega-Angebot mit Ablauffrist

Nach Informationen der britischen Zeitung "Telegraph" bot der saudische Staatsfond PIF (Public Investment Fund) zwei Milliarden US-Dollar für die ATP- und WTA-Turniere der zweithöchsten Kategorie – nach den vier Grand-Slam-Turnieren Australian Open, French Open, Wimbledon und US-Open. Innerhalb von 90 Tagen müssten sich die Profitennis-Organisationen der Männer (ATP) und der Frauen (WTA) entscheiden, ob sie die Offerte annehmen oder nicht, berichtet die Zeitung. Vor einem halben Jahr hatten ATP und WTA über einen Zusammenschluss der Verbände verhandelt - dem Vernehmen nach, um dem zunehmenden Einfluss Saudi-Arabiens im Welttennis entgegenzuwirken.

Das Vorgehen Saudi-Arabiens im Tennis erinnert an jenes im Golfsport. Auch dort hatte es zunächst einen heftigen Streit mit der etablierten PGA-Tour um eine neue, von den Saudis finanziert Golfserie gegeben. Am Ende hatten beide Seiten einen Deal verkündet, "um den Golfsport zu vereinen". Wie viel Geld dafür an die PGA floss, wurde nicht bekannt. An finanziellen Mitteln mangelt  es den Saudis nicht. Nach Angaben des Sovereign Wealth Fund Institute - eines US-Unternehmens, das Staatsfonds und andere öffentliche Investoren weltweit analysiert - stieg das Vermögen des PIF unlängst um über 20 Prozent auf rund 940 Milliarden Dollar. Grund war eine Verdopplung der Anteile am saudischen Erdölkonzern Aramco von vier auf acht Prozent. Aramco ist der finanzstärkste Öl- und Gaskonzern der Welt.

Nadal als Tennisbotschafter Saudi-Arabiens

Saudi-Arabien versucht seit einiger Zeit, im Tennis Fuß zu fassen. Im Januar wurde der spanische Tennis-Superstar Rafael Nadal als neuer Tennis-Botschafter des Landes vorgestellt. Im Oktober soll in der Hauptstadt Riad der Six Kings Slam Premiere feiern: ein Showturnier mit den sechs Tennis-Topstars Nadal, Novak Djokovic, Jannik Sinner, Daniil Medvedev, Carlos Alcaraz und Holger Rune. Angeblich könnten in diesem Jahr auch die WTA-Finals, das Saison-Abschlussturnier der acht besten Spielerinnen des Jahres, erstmals in Saudi-Arabien über die Bühne gehen.

Als Rafael Nadal gefragt wurde, ob er sich als Tennis-Botschafter des Landes nicht zum Komplizen für Sportswashing mache, antwortete der Spanier: "Ich glaube nicht, dass Saudi-Arabien mich braucht, um sein Image aufzupolieren. Es ist ein Land mit großem Potenzial, also ist es logisch, dass die Welt dorthin geht." Alles eine Frage des Preises.

Die "Gallier" aus Saarbrücken mischen den DFB-Pokal auf

Es erinnert an Asterix, Obelix und Co. Der 1. FC Saarbrücken wirkt wie das kleine gallische Dorf im Comic-Klassiker, das den Aufstand gegen die mächtigen Römer probt. Nur dass es hier um den deutschen Fußball geht. Der Verein aus der dritten Liga steht sensationell im Halbfinale des DFB-Pokals. Der 2:1-Erfolg im Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach war bereits der dritte Sieg gegen einen Verein, der in der deutschen Eliteklasse Bundesliga spielt. Zuvor hatten die Saarbrücker bereits in der zweiten Runde des Wettbewerbs den deutschen Rekordmeister FC Bayern München aus dem Rennen geworfen und dann im Achtelfinale Eintracht Frankfurt. 

Mittelstürmer Brünker: "Der Wahnsinn"

"Es ist ein Wunder, aber auch ein bisschen Qualität", sagte Trainer Rüdiger Ziehl nach dem neuerlichen Coup. Wenn man im Bild des Comics bleibt, ist Ziehl der mutige Asterix, der zum richtigen Zeitpunkt den Zaubertrank auspackt. Eigentlich war er 2022 als Manager nach Saarbrücken geholt worden. Zwei Monate später sprang Ziehl vorübergehend auch als Trainer ein, inzwischen ist Ziehl die Dauerlösung. Dass eine Person über lange Zeit die beiden wichtigen Funktionen eines Managers und eines Trainers gleichzeitig übernimmt, hat es auch in großen Fußballvereinen schon gegeben, ist aber sehr selten.

Kai Brünker bejubelt seinen Treffer zum 2:1, auch sein Teamkollege Tim Civeja reißt die Arme hoch
Kai Brünker (l.) schoss mit seinem Treffer in der Nachspielzeit den Außenseiter ins Halbfinalenull Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Der Obelix der Saarbrücker - im Comic ist er als Kind in einen Bottich mit Zaubertrank gefallen und deshalb permanent mit übermäßiger Kraft ausgestattet - heißt Kai Brünker. Der bullige Mittelstürmer traf gegen Frankfurt und war auch gegen Mönchengladbach der Matchwinner: mit einem Tor in der Nachspielzeit. "Wir haben Bayern, Frankfurt und Gladbach rausgehauen und stehen im Halbfinale, und ich sag mal, mit einem Bein auch in Berlin [im Pokalfinale - Anm.d. Red.]. Wir haben nur noch eine Hürde zu überspringen. Das ist der Wahnsinn."

Zum fünften Mal im Pokal-Halbfinale

Der 1. FC Saarbrücken ist 121 Jahre alt und damit ein deutscher Traditionsverein. Er gehörte auch zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga. In der Saison 1992/93 spielte der Klub letztmals in der höchsten deutschen Spielklasse. Danach ging es abwärts. Die Saarbrücker sind allerdings nicht erst seit dieser Saison Spezialisten für Pokal-Überraschungen. So zogen sie 2020, ebenfalls mit zwei Erfolgen gegen Bundesligisten, als Viertligist ins Halbfinale ein. Dort war dann aber Endstation gegen Bayer 04 Leverkusen - jenen Klub, der derzeit in der Bundesliga überlegen die Tabelle anführt. Die Leverkusener stehen auch im Pokal-Halbfinale und könnten Finalgegner der Saarbrücker werden. 

In der Runde der besten Vier trifft die Mannschaft von Trainer Ziehl am 2. April den Zweitlisten 1. FC Kaiserslautern. Saarbrücken steht zum fünften Mal in der Vereinsgeschichte im Halbfinale. Weiter kam der Klub jedoch nie. 

In der Geschichte des DFB-Pokals konnte bisher nur ein Verein aus einer Spielklasse unterhalb der Bundesliga den Wettbewerb gewinnen: der Zweitligist Hannover 96 im Jahr 1992. Zweimal zogen Drittligisten ins Finale ein, wo sie allerdings gegen Bundesligisten verloren: 1992 die Amateure von Hertha BSC und 2001 der 1. FC Union Berlin, der heute in der Bundesliga spielt. Vielleicht gelingt den "Galliern" aus Saarbrücken ja diesmal sogar der ganz große Coup.

CAS - Sportgerichtshof als unabhängige und letzte Instanz?

Was ist der CAS?

Der CAS ist der Internationale Sportgerichtshof mit Sitz in der Schweizer Stadt Lausanne. CAS ist die Abkürzung für Court of Arbitration for Sport, auf Französisch TAS (Tribunal arbitral du sport). Es handelt sich um ein unabhängiges Schiedsgericht, das Urteile in internationalen Sportfragen fällt - zum Beispiel über die Rechtmäßigkeit von Dopingsperren, wenn es um die Einhaltung von Wettkampfregeln geht oder bei Kündigungen und Vertragsfragen.

Insgesamt gehören dem Sportgerichtshof über 400 Schiedsfrauen und -männer aus 87 Staaten an. Sie wurden ausgewählt, weil sie Expertise in Schiedsgerichtsbarkeit und Sportrecht besitzen. Der CAS kann von Sportlern, Vereinen, Sportverbänden, Organisatoren von Sportveranstaltungen, Fernsehanstalten und Sponsoren angerufen werden.

Jährlich werden rund 300 Fälle verhandelt. Die CAS-Urteile gelten zwar innerhalb des Sports, haben aber keine strafrechtliche oder zivilrechtliche Wirkung.

Wie kam es zur Gründung des CAS?

Den CAS gibt es seit dem 30. Juni 1984. Die Idee, eine Gerichtsbarkeit für Streitfälle im internationalen Sport zu schaffen, stammt vom ehemaligen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch.

Chateau de Bethusy in Lausanne, Hauptquartier des Internationalen Sportgerichtshofs CAS
Das Hauptquartier des CAS befindet sich im Chateau de Bethusy in Lausannenull Laurent Gillieron/AP Photo/picture alliance

Anlass für den Spanier war Anfang der 1980er Jahre, dass der Sport immer professioneller wurde und es mehr und mehr Fragen gab, in denen geschlichtet werden musste.

Anfangs hatte der CAS 60 Mitglieder, die ausschließlich vom IOC, dem IOC-Präsidenten, internationalen Sportverbänden und den Nationalen Olympischen Komitees bestimmt wurden.

Warum wurde der CAS 1994 reformiert?

Es gab Kritik an der Abhängigkeit des CAS vom IOC. Der Olympische Dachverband finanzierte den Gerichtshof zu 100 Prozent und hatte zudem das Recht, die Statuten zu ändern.

Es folgte daher eine Reform: Man gründete im November 1994 die Stiftung ICAS (International Council of Arbitration for Sport), die seitdem statt des IOC für die Verwaltung und die Finanzierung des CAS zuständig ist. Das ICAS ernennt auch die CAS-Richterinnen und -richter. Die Stiftung finanziert sich zum größten Teil über Verfahrensgebühren, außerdem steuern IOC, FIFA und andere Sportverbände Gelder bei.

Seit 1996 unterhält der CAS bei sportlichen Großereignissen wie den Olympischen Spielen oder der Fußball-WM Ad-hoc-Kammern, die zügig Streitfragen schlichten, die während der Wettkämpfe auftreten und geklärt werden müssen.

Warum gibt es immer noch Kritik?

Viele Kritiker halten den CAS nach wie vor nicht für unabhängig. Nach ihrer Meinung haben die Sportverbände wie das IOC oder die Europäische Fußball-Union UEFA zu großen Einfluss - finanziell und personell. So werden die CAS-Richter von einem Gremium berufen, in dem zum Großteil Vertreter großer Sportorganisationen sitzen.

Mehrfach soll es bei Verfahren zu potenziellen Interessenkonflikten gekommen sein, weil der CAS-Richter zugleich auch Berater eines Sportverbands war, der an dem Verfahren als eine der Streitparteien beteiligt war.

CAS-Generalsekretär Matthieu Reeb vor einer Wand mit dem Logo des CAS
Über seinen Schreibtisch geht jeder verhandelte Fall: CAS-Generalsekretär Matthieu Reebnull Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa/picture alliance

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ein kleiner Kreis von CAS-Richtern sehr viele Fälle bearbeitet, während viele andere fast arbeitslos sind. Außerdem ist ungewöhnlich, dass vor ihrer Verkündigung alle Entscheidungen dem Generalsekretär des CAS vorgelegt werden müssen und er noch einmal Einfluss nehmen und Vorschläge zum Urteil machen kann.

Wie läuft ein Schiedsverfahren vor dem CAS ab?

Wer einen Streitfall vom CAS klären lassen möchte, muss dort zunächst einen Antrag auf ein ordentliches Schiedsverfahren oder ein Berufungsverfahren stellen - je nachdem, wie der Fall gelagert ist. Ein Berufungsverfahren ist allerdings erst dann möglich, wenn alle anderen Rechtsmittel innerhalb der betreffenden Sportorganisation ausgeschöpft sind.

Nach Einreichung des Antrags schickt der Beklagte eine schriftliche Antwort an den CAS. Die weitere Kommunikation erfolgt zunächst wechselseitig ebenfalls schriftlich, bis es schließlich zu einer Anhörung mit beiden Parteien kommt. Beide Seiten können Argumente vortragen und Beweise vorlegen. Der endgültige Schiedsspruch wird einige Wochen später mitgeteilt. Bei einem Berufungsverfahren wird er noch am selben Tag verkündet.

Jedes Schiedsverfahren wird von drei Schlichtern begleitet. Beide Streitparteien dürfen sich aus der Liste der Schlichterinnen und Schlichter jeweils einen aussuchen. Die beiden Gewählten entscheiden dann gemeinsam, wer aus ihrem Kollegium den Vorsitz im Schiedsverfahren führen soll.

Sind Urteile des CAS noch anfechtbar?

Die Entscheidungen des Sportgerichtshofs können - wegen des Standorts in Lausanne - vor dem Schweizer Bundesgericht angefochten und auch aufgehoben werden. Allerdings müssen dazu qualifizierte Beschwerdegründe vorliegen. Beispielsweise müssen dem CAS im Schiedsverfahren grobe Verfahrensfehler unterlaufen sein.

Außerdem wird der CAS nicht von allen nationalen Sportverbänden als letzte Instanz anerkannt. Daher ist eine internationale Gleichbehandlung aller Aktiven in Sportrechtsfragen bislang nicht gegeben.

Welche aufsehenerregenden Fälle wurden vor dem CAS verhandelt?

Im November 2009 bestätigte der CAS eine Sperre wegen Blutdopings gegen die deutsche Eischnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein. Pechstein führte jedoch Beweise für eine vererbte Blutanomalie an und zog in der Folge vor mehrere Gerichte in der Schweiz, in Deutschland und sogar vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Noch immer läuft ihr Kampf um Schadensersatz gegen den Eislauf-Weltverband ISU. Für Oktober 2024 ist dazu ein weiterer Prozess in München angesetzt.

Die deutsche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein verlässt nach einer Anhörung vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof für Sport das CAS-Hauptquartier in Lausanne
2009 klagte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein vor dem CAS gegen eine Dopingsperre null Anja Niedringhaus/AP Photo/picture alliance

Im Februar 2012 verlor Radprofi Alberto Contador seine Siege bei der Tour de France 2010 und dem Giro d'Italia 2011, weil der CAS eine Dopingsperre gegen den Spanier bestätigte.

Im Mai 2019 beschäftigte der Fall der intersexuellen Läuferin Caster Semenya den CAS. Die Südafrikanerin wehrte sich gegen die Auflage des Leichtathletik-Weltverbands IAAF, ihren höheren Testosteronlevel mit Medikamenten künstlich zu senken, um weiterhin an Frauen-Wettbewerben teilnehmen zu dürfen. Der CAS bestätigte zwar, dass dadurch eine Diskriminierung vorliege, stützte aber gleichzeitig die Regelung der IAAF. Erst vor dem EGMR wurde im Juli 2023 im Sinne Semenyas und anderer intersexueller Athletinnen entschieden.

Im Dezember 2020 halbierte der CAS die von der WADA wegen organisiertem Staatsdoping gegen Russland verhängte Vier-Jahres-Sperre auf zwei Jahre und wurde dafür als zu Russland-freundlich kritisiert. 2016 hatte der Sportgerichtshof im Fall der Olympia-Sperre für Russlands Leichtathleten durch die IAAF noch gegen die russische Klage entschieden. Auch die Suspendierung Russlands als IOC-Mitglied wegen der Aufnahme von vier annektierten ukrainischen Gebieten im Zuge des Ukraine-Kriegs bestätigte der CAS Anfang dieses Jahres.

Weitere aktuelle Entscheidungen, die für größere Resonanz sorgten, waren zuletzt die Bestätigung einer vierjährigen Dopingsperren gegen die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa sowie die Reduzierung der Dopingsperre von Tennisprofi Simona Halep von vier Jahren auf neun Monate.

Dopingkontrollen: Chancengleichheit vor Olympia 2024 in Paris?

"Angesichts der Geschichte des Dopings in Russland bleibt die WADA wachsam und aufmerksam", räumt die Welt-Anti-Doping-Agentur auf Anfrage der DW ein. "Wir dürfen nichts unversucht lassen, um sicherzustellen, dass im Vorfeld von Paris die ordnungsgemäßen Aufklärungsmaßnahmen und Tests in vollem Umfang durchgeführt worden sind. Wir ermutigen die Anti-Doping-Organisationen, einen biologischen Pass für alle Athletinnen und Athleten aus Russland einzubinden, die möglicherweise als neutrale Aktive in Paris antreten werden."

Der Biologische Athletenpass enthält ein Langzeitprofil aus den Dopingkontrollen der Sportlerin oder des Sportlers. Daraus lassen sich Auffälligkeiten oder Abweichungen von der Norm ablesen, die auf Doping hindeuten - auch ohne dass bei einem Test eine verbotene Substanz nachgewiesen wurde.

Analyse in Ankara

Einige deutsche Sportverbände, darunter der Deutsche Schwimm-Verband, hatten ihre Zweifel geäußert, ob die russischen Athletinnen und Athleten angesichts des fortdauernden Angriffskriegs in der Ukraine in gleichem Maße auf mögliche Dopingvergehen getestet würden wie andernorts. Die Chancengleichheit bei den Olympischen Spielen in Paris (26. Juli bis 11. August) sei gefährdet, hieß es bei den Verbänden.

"Russische (und weißrussische) Athleten unterliegen weiterhin der Dopingkontrolle", lässt die WADA wissen. "Die Proben werden zur Analyse an WADA-akkreditierte Labors in anderen Ländern geschickt." Für die Tests ist die Russische Anti-Doping-Agentur (RUSADA) zuständig. Nach eigenen Angaben führte sie 2023 mehr als 11.000 Kontrollen durch, in diesem Jahr bereits mehr als 2000.

Die WADA hatte die RUSADA infolge des Dopingskandals im Umfeld der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi suspendiert. Im September 2018 war die Agentur unter Auflagen wieder zugelassen worden. Ein von der WADA akkreditiertes Dopinglabor gibt es in Russland nicht. Im März 2022 vereinbarte die RUSADA mit dem von der WADA anerkannten Labor in der türkischen Hauptstadt Ankara, dass dort Dopingproben aus Russland kontrolliert werden. 

WADA zu Bloemfontein: "Verstöße gegen internationalen Standard"

Seit dieser Woche gibt es auf dem ganzen afrikanischen Kontinent kein von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditiertes Kontrolllabor mehr. Die WADA suspendierte das Labor in der südafrikanischen Stadt Bloemfontein für bis zu sechs Monate, unter Umständen also über das Ende der Olympische Spiele in Paris hinaus. Grund waren "mehrfache Verstöße gegen den internationalen Standard für Labore", so die WADA, unter anderem bei den Dopinganalysen.

Bloemfontein war bislang unter den 30 von der WADA anerkannten Laboren das einzige afrikanische. Ein 2018 von der Weltagentur zugelassenes Labor in Nairobi in Kenia und ein weiteres in Kairo in Ägypten dürfen nur Blutproben für den Biologischen Athletenpass analysieren.

Doch sind die Kontrollen der Olympia-Startenden aus Afrika nach dem vorläufigen Aus für Bloemfontein und den damit verbundenen weiteren Wege noch gewährleistet? Urinproben sollten spätestens sieben Tage nach der Entnahme im Labor eintreffen, Blutproben - je nach Analyse-Methode - schon nach drei bis fünf Tagen. Vor allem hohe Temperaturen gefährden die Haltbarkeit der Proben.

"Die Proben afrikanischer Sportler können an jedes von der WADA akkreditierte Labor geschickt werden", versichert dagegen die WADA. Die Labore mit der größten geographischen Nähe zu Afrika sind jene in Katar, Indien, Spanien, Portugal und der Türkei. Südafrika und Nigeria erklärten bereits, dass sie ihre Proben nun in Katar analysieren lassen wollten.

Wenige Kontrollen in Afrika

Die WADA weist zudem darauf hin, dass ohnehin "nicht alle Anti-Doping-Organisationen, die in Afrika Proben sammeln, das Labor in Bloemfontein für die Analyse genutzt" hätten. Die Läufernation Kenia etwa schickte ihre Proben bislang nicht nur nach Südafrika, sondern auch an das Anti-Doping-Labor an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Ein Blick auf die letzte von der WADA veröffentliche Statistik zu den weltweiten Dopingkontrollen zeigt, dass Bloemfontein bislang ein Labor mit vergleichsweise kleinem Testumfang war. 2021 wurden dort nur rund 3000 der weltweit über 270.000 Dopingproben analysiert, das entspricht etwas mehr als einem Prozent. Zum Vergleich: Das Labor in Köln, Spitzenreiter der Liste, prüfte mehr als 32.000 Proben (zwölf Prozent).

Eine Wissenschaftlerin im Anti-Doping-Labor in Río De Janeiro greift nach einer Dopingprobe.
Deutschland liegt im Anti-Doping-Kampf bei der Zahl der Kontrollen und Analysen mit an der Spitze null Felipe Dana/AP/picture alliance

Weltweit lag Deutschland 2021 mit rund 14.738 angeordneten Dopingkontrollen auf dem zweiten Platz hinter China (24.501), vor Russland (10.001). Die erste afrikanische Nation, Kenia (1159), tauchte erst auf Platz 36 auf. Mit anderen Worten: Bei der Zahl der Kontrollen ist in Afrika noch viel Luft nach oben.

"Wenn sie sich an der Startlinie versammeln, wollen die Athleten der Welt wissen, dass alle ihre Konkurrenten, egal woher sie kommen, vor den Spielen denselben Anti-Doping-Bedingungen ausgesetzt waren wie sie selbst und dass sie sicher sein können, dass das System sie schützt", schreibt die WADA an die DW. "Um dies zu erreichen, müssen die Anti-Doping-Organisationen alle verfügbaren Mittel einsetzen."

Bleibt Boxen auch nach Paris 2024 olympisch? IOC erhöht Druck

Kit McConnell, Sportdirektor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), wurde deutlich. "Die IBA [International Boxing Association - Anm. d. Red.] wird in keiner Weise beteiligt sein, wenn - und ich sage ausdrücklich wenn - Boxen im Programm der Olympischen Spiele von Los Angeles 2028 steht."

Zum jetzigen Zeitpunkt sei Boxen nicht als Sportart für die Spiele in vier Jahren bestätigt, betonte McConnell am Dienstag (19. März) bei einer Pressekonferenz des IOC. Boxen werde 2028 nur dabei sein, "wenn wir einen neuen Boxverband haben, der von den nationalen Verbänden unterstützt wird und mit dem wir partnerschaftlich zusammenarbeiten können." 

Boxen hat eine lange olympische Tradition. Es wurde bereits bei den Olympischen Spielen der Antike ausgeübt und ist seit 1904 Teil der Olympischen Spiele der Neuzeit.

Die IOC-Vollversammlung hatte der IBA im Oktober 2023 in Mumbai in Indien die olympischen Rechte endgültig entzogen. Der Weltboxverband war bereits seit 2019 suspendiert, unter anderem wegen des Verdachts der Korruption sowie manipulierter Kampfurteile.

An der Spitze der IBA steht der Russe Umar Kremlev, ein enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. Finanziert wird der Verband in erster Linie vom russischen Staatskonzern Gazprom.

27 Verbände - noch zu wenig für das IOC

Bei den Sommerspielen 2021 in Tokio hatte das IOC das olympische Boxturnier selbst organisiert. Und auch für die bevorstehenden Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August) ist ein IOC-Gremium zuständig: die "Paris Boxing Unit". Danach sei mit dieser Praxis aber Schluss, hat das IOC mehrfach klargestellt. Normalerweise sind die Weltverbände der Sportarten für ihre olympischen Wettkämpfe verantwortlich, nicht das IOC.

Präsidiumsmitglieder des Boxverbandes World Boxing beim Eröffnungskongress 2023 in Frankfurt am Main
Das neu gewählte Präsidium des Boxverbands World Boxing mit dem deutschen Vertreter Michael Müller (4.v.l.)null Norbert Schmidt/picture alliance

Im vergangenen Jahr hatten einige nationale Verbände der IBA den Rücken gekehrt und einen neuen Weltverband mit dem Namen World Boxing gegründet. "Wir haben festgestellt, dass es die einzige Möglichkeit ist, das olympische Boxen zu retten. Das haben wir entschlossen umgesetzt", sagt Michael Müller der DW. Der Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV) gehörte zu den treibenden Kräften der Revolte gegen die IBA und sitzt im Vorstand von World Boxing.

27 nationale Verbände haben sich inzwischen World Boxing angeschlossen, darunter auch der Verband der USA, der erfolgreichsten Box-Nation bei Olympischen Spielen. Noch ist die Zahl der Mitglieder jedoch zu gering, um vom IOC als Ansprechpartner akzeptiert zu werden. Zum Vergleich: Die IBA vertritt nach eigenen Angaben immer noch 195 Verbände.

IBA versucht immer noch mitzumischen

Auch Deutschland taucht in der IBA-Liste weiter auf, allerdings mit dem Vermerk "provisorisch". "Die IBA versucht massiv, Einfluss zu nehmen. Sie hat mitgeholfen, einen neuen deutschen Verband zu gründen, die German National Boxing Association", erläutert DBV-Sportdirektor Müller.

"Das Geld dafür stammt von der IBA, vermutlich Gazprom. Das hat der Generalsekretär dieses Verbands uns gegenüber unumwunden bestätigt. Damit wird versucht, den DBV zu destabilisieren, was ein aussichtsloses Unterfangen ist. Das ist in anderen Ländern ähnlich." Etwa in Brasilien, wo sich der nationale Verband ebenfalls World Boxing angeschlossen hatte und danach auch ein neuer, IBA-loyaler Verband gegründet wurde.

IBA-Präsident Umar Kremlev
IBA-Präsident Umar Kremlev gilt als enger Vertrauter Wladimir Putinsnull Sondeep Shankar/Pacific Press/picture alliance

Noch sind in World Boxing überwiegend Nationen aus Europa, Nord- und Südamerika sowie Ozeanien vertreten. Die Verbände Afrikas und Asiens halten sich noch weitgehend zurück - möglicherweise auch, weil die finanzstarke IBA ihnen viel Geld verspricht.

Das Konzept des neuen Verbands World Boxing sei ein anderes, sagt Müller: "Wir wollen in den Sport investieren. In professionelle Kampfrichter, elektronische Handschuhe und Mundschutze sowie objektive Kamerasysteme, damit wir zu wirklich neutralen, objektiv gemessenen Urteilen kommen. Das ist teuer. Aber alles andere ist zweitrangig."

CAS-Urteil mit Schlüsselrolle

Viel wird von einem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS) abhängen, das in zwei bis drei Wochen erwartet wird. Die IBA hatte gegen die Aberkennung der olympischen Rechte durch das IOC geklagt. Michael Müller rechnet nicht damit, dass der Einspruch des alten Verbands Erfolg hat.

"Die Faktenlage ist eigentlich klar. Die IBA hat in erheblichem Maße gegen die Olympische Charta verstoßen", sagt das Vorstandsmitglied von World Boxing. "Dennoch ist das IOC verpflichtet, bis dahin Neutralität zu wahren. Wenn der CAS zugunsten des IOC urteilt, stehen wir jederzeit für Gespräche zur Verfügung."

IOC-Sportdirektor McConnell machte klar, dass es keinen festen Zeitplan für das weitere Vorgehen gebe. Nur so viel: "Es liegt jetzt in der Hand der nationalen Verbände selbst, wenn sie wollen, dass es weiterhin Boxen bei Olympischen Spielen gibt." Mit anderen Worten: Sie müssen dem neuen Verband beitreten. Michael Müller von World Boxing gibt sich gelassen.

"Sollte World Boxing vom IOC die olympischen Rechte übertragen bekommen, dann ist klar: Nur der kann an der Olympia-Qualifikation für Los Angeles und auch am olympischen Turnier teilnehmen, der Mitglied von World Boxing ist", sagt der deutsche Boxfunktionär der DW: "Sie werden erleben, wie schnell sich die Nationen für einen fairen und sauberen Sport entscheiden werden. Da bin ich sehr optimistisch."