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Sprachverein wegen Treffen mit Rechtsextremen unter Druck

An einem Treffen von AfD-Vertretern und Neonazis hat auch ein Vorstandsmitglied des Vereins Deutsche Sprache teilgenommen. Trotz ihres Rücktritts häuft sich die Kritik an dem sprachkonservativen Verein.

Durch ein Metalltor mit einem Adler sieht man ein historisches Gebäude (Quelle Jens Kalaene/dpa/picture alliance)

Der Verein Deutsche Sprache (VDS) ist lautstark und hat viele prominente Unterstützerinnen und Unterstützer. Seit 1997 hat sich die in Dortmund ansässige Initiative dem Ziel verschrieben, die deutsche Sprache zu bewahren. „Die deutsche Sprache ist derzeit zwei lebensbedrohenden Attacken ausgesetzt“, heißt es auf der Homepage. Gemeint sind eine vermeintliche Verdrängung des Deutschen durch die englische Sprache und das Gendern.

Kampf um die “Reinheit” der Sprache 

Der Kampf um die „Reinheit“ der deutschen Sprache: Ist das ein ehrenwertes Anliegen oder verbirgt sich dahinter eine reaktionäre Agenda? Diese Frage stellt sich spätestens, seit bekannt geworden ist, dass das Vorstandsmitglied Silke Schröder laut Medienberichten im November an einem rechtsextremen Vernetzungstreffen in Potsdam teilgenommen hat, bei dem auch über die Deportation von Millionen Deutschen mit Migrationsgeschichte gesprochen wurde. Rechtsextreme bezeichnen diese geplanten Deportationen als “Remigration”. Öffentlich bekannt wurde das Treffen durch eine Recherche der Journalisten-Plattform Correctiv. Zugleich berichtete der Deutschlandfunk am Wochenende, dass die Immobilien-Unternehmerin Schröder, die mittlerweile von ihrem Vorstandsposten zurückgetreten ist, auf mehreren rechten oder rechtsradikalen Medienplattformen unterwegs ist.

Silke Schröder sei „mit ihrem Rücktritt einem Vereinsausschluss auf der Vorstandssitzung am kommenden Freitag zuvorgekommen“, teilte Walter Krämer, Gründer und Vorsitzender des Vereins am Montag mit. Sie habe zudem ihre Mitgliedschaft gekündigt. Der Verein hatte sich bereits in der Vorwoche nach Bekanntwerden des Potsdamer Treffens in einer Stellungnahme „von den privaten Tätigkeiten seines Vorstandsmitglieds Silke Schröder“ distanziert.

DJV: Distanzierung des VDS ist nicht ausreichend 

Aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) ist die Distanzierung des Sprachvereins nicht weitgehend genug. Der VDS habe sich lediglich von „privaten Tätigkeiten seines Vorstandsmitglieds” distanziert, heißt es in einer Pressemitteilung des DJV vom 12. Januar.

In einem Schreiben zu ihrem Austritt, das sie auf der Online-Plattform X, ehemals Twitter, veröffentlichte, kritisierte Schröder die Distanzierung des Vereins als „inquisitionsartig“ und „undemokratisch“, bestätigte aber ihre Teilnahme an dem Treffen. Der VDS habe übereilt reagiert und damit den Boden für Diffamierungen bereitet. Als Reaktion auf die Correctiv-Recherchen schrieb sie zuvor in einem Post auf X sogar: „Vielleicht Zeit für Remigration von sog. Journalisten an Ausbildungsstätten, die ihnen ideologiebefreit die Grundlagen ihres Handwerks beibringen“. Dazu merkte der DJV-Vorsitzende Mika Beuster an: „Wer mit rechtsextremen Kampfbegriffen um sich wirft und die Axt an das Grundrecht der Pressefreiheit legen will, hat im Vorstand eines Vereins, der als gemeinnützig anerkannt ist, nichts zu suchen.“ Drohungen und Angriffe auf Medienschaffende nähmen schon länger beunruhigende Ausmaße an, so Beuster weiter.

Verschwörungstheorien zum Untergang der deutschen Sprache 

Der Verein steht nun unter Druck. Der Philosoph Peter Sloterdijk verkündete seinen Austritt. Andere Prominente hatten eine klare Distanzierung und Trennung von Schröder gefordert. Fest steht: Der VDS bedient sich einer scharfen und von Schwarz-Weiß-Denken geprägten Sprache, die bisweilen in Richtung Verschwörungstheorien geht: „Durch die Gendersprache setzt eine kleine, aber in den Spitzen von Politik und Verwaltung bestens verankerte und vernetzte Clique von angeblich für Frauenrechte eintretenden Ideologen in selbstherrlicher Weise bewährte Regeln der deutschen Grammatik außer Kraft“, heißt es beispielsweise in den „Leitlinien“ des VDS auf seiner Internetseite.

Jährlich im Sommer kürt der VDS einen „Sprachpanscher des Jahres“ für aus Sicht des Vereins „besonders bemerkenswerte Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache.“ Zuletzt erhielt Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Negativauszeichnung, weil sie „künftig in deutschen Behörden Englisch als Verwaltungssprache einführen“ wolle. 2021 wurde EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Sprachpanscherin ernannt: Sie hätte die Verpflichtung, auch in Brüssel mehr Deutsch zu reden, so die Begründung.

Politische Instrumentalisierung von Sprache 

Lieblingsgegner des Vereins ist der Duden. Krämer schimpft – so zitieren ihn deutsche Medien – über die „große Hure Duden“, die gedankenlos Anglizismen aufnehme und sie damit gesellschaftsfähig mache. Dieses „einstmals respektierte Nachschlagewerk“ sei zum „billigen Handlanger von Modefuzzis und Amitümlern aller Art verkommen“, bemängelte Krämer – und verwies auf englischstämmige Begriffe wie downloaden oder upgraden, Jobhopping, Eyecatcher, Moonboots und Sunblocker.

Unter Sprachwissenschaftlern ist der VDS wegen seines missionarischen Kampfes umstritten. Henning Lobin, Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, schreibt in einem 2021 erschienenen Buch, dass rechte Gruppierungen wie die AfD die vermeintliche Reinheit der deutschen Sprache als Hebel zur Mobilisierung für ihre Politik entdeckt hätten. Sie instrumentalisierten den Sprachkampf, um in die (kultur-)bürgerliche Mitte der Wähler vorzudringen. Wegbereiter für die AfD und ihren Versuch, die Auseinandersetzung um die deutsche Sprache mit ihren politischen Zielsetzungen zu verbinden, sei auch der VDS, den er in der Tradition des Sprachnationalismus sehe. Dem Verein sei es über mittlerweile 25 Jahre hinweg gelungen, die öffentliche Diskussion durch Polarisierung stark zu beeinflussen.

rh (mit KNA, dpa)/ip