Ein Fußballtrainer steht im Stadion und schreit

Sprechtempo: Immer mit der Ruhe

Wenn man eine Fremdsprache möglichst authentisch sprechen will, muss man nicht unbedingt schnell sprechen. Wichtig sind vor allem die Pausen – und die sind in den meisten Sprachen ähnlich, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Vor Substantiven sprechen Menschen langsamer als vor Verben – das gilt im Niederländischen genauso wie in den indigenen Sprachen Bora, Even und Chintang. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt ein aktuelles Forschungsprojekt, das der Kölner Sprachwissenschaftler Frank Seifart gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus aller Welt durchgeführt hat.

„Wir nutzen Substantive immer dann, wenn eine Person oder Sache neu in einen Diskurs eingeführt wird. Wird diese Person oder Sache im späteren Verlauf wieder erwähnt, verwenden wir ein Pronomen. Wenn Sprecher ein Substantiv verwenden möchten, müssen sie es also erst im mentalen Lexikon identifizieren und formulieren, wodurch der Redefluss verlangsamt wird. Bei Verben ist das nicht der Fall, denn Verben müssen wir immer verwenden, um vollständige Sätze bilden zu können“, erklärt der Linguist, der selbst zu Bora-Sprachen im Amazonasgebiet Kolumbiens und Perus forscht.

So sprechen Menschen (fast) überall auf der Welt

Die Beobachtung bestätigte sich in einer systematischen Vergleichsstudie mit Sprachen aus aller Welt: In acht der neun untersuchten Sprachen zeigte sich, dass die Sprecher vor Substantiven längere Pausen einlegten als vor Verben. Einzige Ausnahme: das Englische. „Wir wissen nicht, warum gerade im Englischen die Pausen vor Verben häufiger sind als vor Substantiven. Klar ist aber, wenn wir – wie viele andere Forscherinnen und Forscher – nur Englisch untersucht hätten, hätten wir ein vollkommen falsches Bild bekommen“, betont der Forscher, der die Untersuchung gemeinsam mit seinem Team jetzt auf eine Stichprobe von fünfzig Sprachen ausgeweitet hat.

Doch nicht nur vor Substantiven verlangsamen Sprecherinnen und Sprecher ihr Tempo, sie tun es immer dann, wenn es komplizierter wird. „Es kann ein abstraktes schwieriges Thema sein oder die Tatsache, dass man etwa komplexe Satzstrukturen, seltene Wörter oder schwer auszusprechende Silben benötigt, um eine Nachricht zu formulieren“, sagt Nivja de Jong von der Universität Leiden, die ebenfalls an dem Kölner Forschungsprojekt beteiligt ist. Wenn komplexe Sprache aufkommt, helfe die Verlangsamung nicht nur dem Sprecher bei seinem Sprechprozess, sondern natürlich auch dem Hörer, der dann seine Aufmerksamkeit erhöht.

Und doch sind einige Sprachen schneller als andere

Lernenden einer Fremdsprache fallen diese Pausen und Verzögerungen anfangs meist nicht auf, sie achten eher darauf, wie schnell manche Sprachen insgesamt gesprochen werden. Und da gibt es tatsächlich erstaunliche Unterschiede, wie die Forscher bestätigen: „Deutsch zum Beispiel ist mit 5,97 Silben pro Sekunde langsamer als Spanisch mit 7,82 Silben pro Sekunde. Bei einer Untersuchung von acht Sprachen war Mandarin mit 5,18 Silben pro Sekunde am langsamsten und Japanisch mit 7,84 Silben pro Sekunde am schnellsten“, erklärt de Jong.

Wie schnell eine Sprache gesprochen wird, hängt aber nicht zuletzt auch von individuellen Voraussetzungen ab. Entscheidend ist, wie hoch das Sprachwissen ist und wie gut die Automatismen funktionieren. Deshalb gilt das Sprechtempo auch als Indikator für Sprachkompetenz: Kompetentere Sprecher sprechen schneller als weniger kompetente Lernende.

Zögern wie die Muttersprachler

Doch für Lernende bedeutet das nicht, dass sie in erster Linie schneller sprechen sollten. Für einen möglichst authentischen Redefluss sind die Rhythmisierung und damit auch die Pausen wichtiger. Nicht umsonst sollen die Ergebnisse der Forschergruppe auch bei der Weiterentwicklung von automatische Sprachverarbeitungssysteme eingesetzt werden: „Damit etwa Siri und Alexa wie Menschen klingen können, muss der Computer an den richtigen Stellen beschleunigen und verlangsamen. Den Programmierern hilft dabei das Wissen, das wir über die natürlichen Sprachen haben“, erklärt Seifart.

Auf den Sprachunterricht übertragen heißt das, möglichst aktuelle authentische Konversationen zu hören und sich darauf zu konzentrieren, wie die Muttersprachler die Gespräche verlangsamen. Wie ein Muttersprachler zu zögern, könne dann auch zu einer Strategie werden, um mit Schwierigkeiten beim Sprechen in der Fremdsprache umzugehen, sagt de Jong. Die Expertin erklärt: „Dazu gehört nicht nur, dass man stille Pausen verwendet, sondern auch Verzögerungen wie ‚Ähm‘, die sich übrigens von Sprache zu Sprache unterscheiden. Wenn englische Muttersprachler im Deutschen nicht ‚Uhm‘, sondern ‚Ähm‘ sagen, klingen sie zum Beispiel schon ‚deutscher‘ und verständlicher.“