Nachrichten für Lehrkräfte

Sprichwörter aus der Oster-Geschichte

„Da kräht kein Hahn nach“, „von Pontius zu Pilatus laufen“ und „das Unschuldslamm“ – viele Menschen kennen diese Redensarten und Ausdrücke. Ihr Ursprung hat mit der Passionsgeschichte und Ostern zu tun.

Kleine Lämmer, die in die Kamera schauen. (Quelle: The Yomiuri Shimbun/AP Photo/picture alliance)

„Jemanden von Pontius zu Pilatus schicken“ taucht als Redewendung schon in Nachschlagewerken des 19. Jahrhunderts auf. Gemeint ist damit, dass jemand sinnlos hin- und hergeschickt wird. Heute wird der Ausdruck etwa benutzt, um den sprichwörtlichen deutschen „Behördendschungel“ zu beschreiben, so der Theologe und Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Johann Hinrich Claussen. Die Redensart nimmt Bezug auf den römischen Statthalter Pontius Pilatus, der laut der Passionsgeschichte in den Evangelien das Todesurteil über Jesus fällt – aber erst, nachdem Jesus verschiedene Instanzen durchlaufen hat.

Auch „Da kräht kein Hahn nach“ geht auf die Bibel zurück. Im Matthäus-Evangelium sagt Jesus seinem Jünger Petrus voraus: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Heute wird dieses Bild im Umkehrschluss gebraucht, wenn einer Person oder Sache keine Bedeutung zugemessen wird.

Durch die Bibelübersetzung in den deutschen Wortschatz

Solche Redewendungen gehören zum Teil seit über vier Jahrhunderten zum deutschen Sprachschatz, ihre Herkunft ist vielen aber nicht geläufig. Laut Claussen haben sie durch die Bibelübersetzung des Reformators Martin Luther (1483-1546) ihren Weg in die deutsche Sprache gefunden. Das bestätigt auch die Mannheimer Sprachwissenschaftlerin Kathrin Steyer. Luther habe dem Volk buchstäblich „aufs Maul geschaut“. Für seine Übersetzung habe er sich auch bereits bestehender Sprichwörtersammlungen bedient. Luther gelte daher nicht umsonst als „großer Sprachgeist“.

Stilprägend waren auch geistige Eliten wie Geistliche, Philosophen, Dichter oder Lehrer, wie Steyer sagt. Dennoch gelte für die Langlebigkeit von Redewendungen, dass die Sprachgemeinschaft „mit den Füßen“ abstimme. Dieser Prozess sei nicht steuerbar. Oft hätten sich Redewendungen durchgesetzt, die alltägliche Erfahrungen besonders anschaulich auf den Punkt brächten und die besonderen sprachlichen Mustern folgten, etwa „Wer, der“-Konstruktionen wie in „Wer rastet, der rostet“.

Dass so viele Redewendungen auf die Passionsberichte über Gründonnerstag und Karfreitag sowie das Oster-Evangelium zurückgingen, liege daran, dass Jesu Tod und Auferstehung vor allem in der ikonografischen Tradition der Kunst im Zentrum stehe, sagt Claussen: „Fast alles konzentriert sich auf diese drei Tage.“

Ironische Verwendung von Redewendungen

Zu unterscheiden sind sprichwörtliche Redewendungen von direkten biblischen Zitaten: „Möge dieser Kelch an mir vorübergehen“ – dieser Ausspruch begegne einem nur noch gelegentlich, sagt Claussen. Kelch ist gleichbedeutend mit Schicksal. Dieses fast wörtliche Zitat aus Luthers Übersetzung des Matthäus-Evangeliums stammt von Jesus selbst, als er im Garten Gethsemane auf seine Peiniger wartet und im Bewusstsein seines nahenden Schicksals in einem Augenblick der Angst Gott bittet, ihn zu verschonen. Im Markus-Evangelium sagt Jesus wenig später den Satz „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Dieser Ausspruch werde heute eher ironisch verwendet, sagt Claussen. Etwa wenn sich jemand in der Passionszeit vorgenommen habe zu fasten, aber sich trotzdem „eine dicke Sahnetorte gönnt“.

Eine Anlehnung an die Passion ist auch der Begriff „Unschuldslamm“. Das „Unschuldslamm“ finde sich in der liturgischen und musikalischen Tradition des Christentums, so Claussen. Es gehe auf die Darstellung von Jesus Christus als „Lamm Gottes“ zurück. Ein Lamm war zugleich ein Opfertier. Heute werde das Wort aber auch häufig ironisch verwendet, wenn jemand unschuldig oder arglos tue – wie bei einem Kind, das Unsinn angestellt hat und von seinen Eltern gerügt wird.

Mittlerweile sei nicht mehr die Bibel stilprägend für die Sprache, sagt Sprachwissenschaftlerin Steyer: Heute übernehmen Menschen Sprachbilder von Politikern, aus dem Sportbereich, der Werbung und aus den sozialen Medien.

epd