Wetter extrem: Was El Niño und La Niña bewirken

Südostasien erlebt derzeit eine extreme Hitzewelle und die Behörden warnen. In Thailand sind Berichten zufolge bisher 30 Menschen an einem Hitzeschlag gestorben.

Schulen mussten in der gesamten Region schließen. In Bangladesch sind davon schätzungsweise 33 Millionen Kinder betroffen. Auf den Philippinen leiden mehr als die Hälfte der Provinzen des Landes unter Dürre. 

Dieser El Niño-Zyklus begann laut Wissenschaftlern im Juni und erreichte im Dezember seinen Höhepunkt, bevor er nachließ. Er ist die Ursache für extreme Hitze und Dürre in der Region. Asien erwärmt sich schneller als der globale Durchschnitt und war im Jahr 2023 die Region der Welt, die am stärksten von Wetter- und Klimaereignissen heimgesucht wurde. 

Aber El Niño richtet auch in ganz Afrika verheerende Schäden an. Am 4. April hat Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa den Katastrophenzustand für sein Land ausgerufen. Der Grund für die aktuelle "Dürrekatastrophe" mit "ernster Ernährungslage"ist das Klimaphänomen El Niño, das im Pazifischen Ozean beginnt und immer wieder Dürren und Ernteschäden im südlichen Afrika verursacht.

Sambia und Malawi hatten bereits kurz zuvor den Katastrophenzustand ausgerufen.

Woher kommt der Name El Niño für das Wetterphänomen?

Südamerikanische Fischer beschrieben im 17. Jahrhundert das Klimaphänomen erstmals und nannten es "El Niño de Navidad", spanisch für das Christkind, denn das Phänomen erreichte seinen Höhepunkt um die Weihnachtszeit.

Auch die globalen Rekordtemperaturen 2023, dem wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, werden mit El Niño in Verbindung gebracht. 

Das gegenläufige Phänomen, La Niña (spanisch: das Mädchen), bringt dagegen Wetterlagen mit mehr Feuchtigkeit, heftigen Stürmen und Hurrikans.

Wie genau verursacht El Niño Wetterextreme?

El Niño bildet sich alle zwei bis sieben Jahre. Es gehört zur sogenannten El Niño-Southern Oscillation (ENSO), einem Klimamuster, das im Pazifischen Ozean ausgelöst wird. 

Meist wehen die sogenannten Passatwinde nach Westen über den Pazifik. El Niño entsteht wenn diese Winde schwächer werden und sich manchmal sogar in die Gegenrichtung umkehren.

Normalerweise wehen diese Winde entlang des Äquators und sie treiben warmes Wasser von Südamerika in Richtung Südostasien und Australien.

Doch wenn die Winde abflauen, wird das wärmere Wasser nicht mehr nach Westen getrieben sondern bleibt im Ostpazifik nahe Südamerika. Die Wärme verhindert dort, daß kaltes Wasser an die Wasseroberfläche steigt. Und die zusätzliche Wärme in der Atmosphäre bindet mehr Feuchtigkeit, das führt zu verstärkten regionalen Regenfällen und Überschwemmungen in Ländern wie Bolivien im nördlichen Südamerika.

Zwei Männer transportieren einen Tischkicker durch eine überflutete Region in Cobija/Bolivien. Im Hintergrund Gebäude.
Überschwemmung im bolivianischen Cobija (Aufnahme vom 28. Februar)null AFP/Getty Images

Gleichzeitig fehlt warmes Wasser im westlichen Pazifik, was dort an Land zu mehr Dürre und extremen Temperaturen führen kann.

Zwar blieb Australien im Sommer 2023-24, auf dem Höhepunkt des El-Niño-Zyklus, von besonders schlimmen Feuern verschont, die man befürchtet hatte. Doch die Monate von August bis Oktober 2023 waren dort die trockensten seit 120 Jahren.

Die durch El Niño verursachte Störung der Ozeanwärme kann die starken Winde in großer Höhe verändern, den sogenannten Jetstream. Damit kann sich auch der sonst übliche Regen weltweit verändern. Dies führt zu weitreichenden Klimastörungen, wie z. B. dem Abflauen des Monsuns in Indonesien und Indien. Gleichzeitig entstehen so zeitweise weniger Wirbelstürme als sonst üblich im Atlantik.

Außerdem war der jüngste El Niño Zyklus mitverantwortlich für die schweren Regenfälle und Überschwemmungen in Ostafrika Ende 2023. In Kenia kamen Ende letzten Jahres bei Überschwemmungen mehr als 120 Menschen ums Leben, 700.000 Menschen verloren ihre Häuser. 

Zwar haben Forscher festgestellt , dass die direkten Auswirkungen von El Niño auf die Niederschläge in Ostafrika relativ gering sind. Doch sie haben herausgefunden, dass El Niño den sogenannten Indisch-Ozeanischen Dipol auslösen kann, ein weiteres Klimaphänomen, das der Region extreme Überschwemmungen beschert.

La Niña verstärkt Stürme und Hurrikane

La Niña gehört ebenfalls zur sogenannten El Niño-Southern Oscillation (ENSO) und hat die gegenteilige Wirkung von El Niño. La Niña entsteht, wenn die vorherrschenden Ost-West-Winde über dem Pazifik stärker werden als üblich. Damit erreicht auch mehr wärmeres Meerwasser den Westpazifik. In Australien und Südostasien gibt es dann mehr Niederschläge als sonst.

Gleichzeitig können La-Niña-Phasen im östlichen Pazifik mehr Trockenheit und Waldbrände auslösen, das betrifft den Südwesten der Vereinigten Staaten, Mexiko und Südamerika. Durch regionale Schwankungen sind jedoch die nordöstlichen US-Bundesstaaten und Kanada in La-Niña-Wintern tendenziell feuchter und kälter.

La Niña verstärkt häufig auch die Hurrikane im Atlantik - ein Phänomen, das durch die derzeit rekordwarmen Oberflächentemperaturen im Atlantischen Ozean noch verschärft wird.

Auswirkungen der zyklischen Wettermuster sind schwer vorherzusagen

La Niña und El Niño sind natürliche Wetterphänomene. Die Auswirkungen variieren und sind abhängig vom Zeitpunkt, von der Dauer und komplexen Klimaeinflüssen, zu denen auch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung gehört.

Es gibt einige Hinweise darauf, dass ENSO-Ereignisse durch den Klimawandel häufiger und intensiver geworden sind.Wissenschaftler sagen, dass die El-Niño- und La-Niña-Zyklen mit der Erwärmung des Planeten wahrscheinlich stärker ausfallen werden. Heißere Luft speichert mehr Wasser und das führt zu extremeren Niederschlägen.

Doch die Forscher sagen auch: Wenn es gelingt, durch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen Klimaneutralität zu erreichen und die globale Erwärmung zu begrenzen, kann das auch die Auswirkungen von EL Niño und La Niña vermindern.

Der Beitrag erschien erstmalig am 10.4.2024 und wurde am 26.4. aktualisiert. Redaktion Tamsin Walker. Der Artikel erschien in Englisch. Adaption: Gero Rueter

Quellen:

US National Environmental Education Foundation: "El Niño und La Niña: What's the Difference?"

https://www.neefusa.org/story/climate-change/el-nino-and-la-nina-whats-difference

Welternährungsprogramm: "WFP drängt auf weltweite Unterstützung, da Malawi vor einer drohenden, durch El Niño ausgelösten Nahrungsmittelkrise steht" 2. April 2024

https://www.wfp.org/news/wfp-urges-global-support-malawi-faces-looming-food-crisis-triggered-el-nino

Climate Council: "Spring Heatwave and Sweltering El Niño Summer Ahead Reignites Call for Net-Zero Emissions By 2035," September 20, 2023

https://www.climatecouncil.org.au/resources/spring-heatwave-and-sweltering-el-nino-summer-ahead-reignites-call-net-zero-emissions-2035/

News kompakt: Neues Schutzgebiet im Pazifik

Die peruanische Regierung stellt ein weiteres Meeresgebiet unter Schutz. Es umfasst 1160 Quadratkilometer und liegt vor der Küste von Nordperu nahe der Grenze zu Ecuador. In dem Gebiet leben zahlreiche Arten. Dort liegen auch die einzigen Korallenriffe des südamerikanischen Landes und es ist Lebensraum von Buckelwalen.

Umweltminister Juan Carlos Castro sprach von einem "wichtigen Meilenstein" für den Schutz des Ökosystems des Pazifiks. Unter anderem hatten Fischerei-Organisationen diesen Schritt gefordert, damit die Artenvielfalt in dem Seegebiet erhalten bleibt. Peru will auf diese Weise auch die Meeresforschung und die Entwicklung des Tourismus fördern.

Prozess Nicaraguas gegen Deutschland kurz vor der Entscheidung

Der Internationale Gerichtshof wird am kommenden Dienstag über einen Eilantrag im Zusammenhang mit dem Israel-Hamas-Krieg entscheiden. Das teilte das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag mit. Dabei geht es um die Klage Nicaraguas gegen Deutschland. Das mittelamerikanische Land wirft der Bundesrepublik Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen vor. Nicaragua fordert unter anderem den sofortigen Stopp deutscher Rüstungslieferungen an Israel.

Niederlande Den Haag | Friedenspalast (08.04.2024)
Sitz des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag (Archivbild)null Piroschka van de Wouw/REUTERS

Deutschland bestreitet die Vorwürfe. Die Bundesrepublik liefere Waffen "nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Prüfung, die weit über die Anforderungen des Völkerrechts hinausgeht", hieß es dazu von einer Vertreterin des Auswärtigen Amts in Berlin. Mit dem Militäreinsatz im Gazastreifen reagiert Israel auf den terroristischen Großangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober.

Burkina Faso erteilt BBC und Voice of America zweiwöchiges Sendeverbot

Burkina Faso hat den internationalen Radiosendern BBC und Voice of America für zwei Wochen die Ausstrahlung ihrer Programme verboten. Als Grund nannte die Kommunikationsbehörde CSC die Verbreitung eines Berichts über Misshandlungen von Zivilisten durch die burkinische Armee. Die Behörde sprach von voreingenommenen Aussagen "ohne greifbare Beweise".

Laut Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch soll Burkina Fasos Militär bei Rachefeldzügen gegen dschihadistischen Rebellen 223 Dorfbewohner getötet haben, darunter 56 Kinder. Neben dem Ausstrahlungsverbot wies die Behörde zudem Internetanbieter an, die Online-Angebote von BBC, Voice of America und Human Rights Watch in dem westafrikanischen Land zu sperren.

Viele Firmenchefs sehen Gefahr durch Hacker-Angriffe

Die große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland und vielen weiteren Ländern fürchtet eine Cyberattacke. Das hat eine Firmenumfrage in 15 Ländern im Auftrag des Rückversicherers Munich Re ergeben. Demnach antworteten 72 Prozent der teilnehmenden Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, dass sie wegen möglicher Cyberangriffe besorgt oder sehr besorgt sind. Mehr als die Hälfte räumte in der Umfrage ein, dass ihr Unternehmen bereits von Hackern angegriffen wurde. Dabei stand Datendiebstahl an erster Stelle.

Die Munich Re hat ein Eigeninteresse an dem Thema, da der Konzern Versicherungen gegen Cyberattacken anbietet. Laut Umfrage haben etliche internationale Unternehmen wegen zu hoher Kosten oder anderer Gründe bislang keine Cyberversicherung abgeschlossen.

Deutsche Liberale beraten über eigenes Profil

Die Freie Demokratische Partei (FDP) bestimmt an diesem Wochenende ihre weiteren Ziele in der Regierungskoalition mit Sozialdemokraten und Grünen. Auf einem zweitägigen Bundesparteitag in Berlin geht es unter anderem darum, wie die aktuelle Wirtschaftsschwäche in Deutschland überwunden werden kann. Die Parteispitze fordert unter anderem Einschnitte beim Bürgergeld und eine Abschaffung der Rente mit 63.

FDP-Chef Christian Lindner, der als Finanzminister Mitglied der Bundesregierung ist, wird am Samstagmittag eine Grundsatzrede halten. Danach spricht die Spitzenkandidatin zur Europawahl, die Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Wahlen zum Führungspersonal der FDP stehen nicht an.

Trauer um Michael Verhoeven

Der deutsche Filmemacher Michael Verhoeven ist tot. Der Ehemann der Schauspielerin Senta Berger starb bereits am Montag im Alter von 85 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit, wie die Familie in München jetzt mitteilte.

Michael Verhoeven beim Filmfest München (26.06.2023)
Filmemacher Verhoeven beim Filmfest München (2023)null Felix Hörhager/dpa/picture alliance

Der gebürtige Berliner setzte sich in seinem Werk intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinander, etwa in dem Spielfilm "Die weiße Rose" aus dem Jahr 1982 über den Widerstand von Sophie Scholl. Seine Satire "Das schreckliche Mädchen" von 1990 wurde für den Oscar nominiert. Darin geht es um Versuche im Nachkriegsdeutschland, Verbrechen der Nazis zu vertuschen. Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth würdigte Michael Verhoevens Produktionen als "eindringliche filmischen Meisterwerke".

King Charles übernimmt wieder royale Aufgaben

Der an Krebs erkrankte britische König Charles III. wird ab kommender Woche wieder einige öffentliche Termine wahrnehmen. Dies sei dank der Fortschritte bei der Behandlung des 75-Jährigen möglich, heißt es aus dem Buckingham-Palast in London.

Großbritannien London | König Charles III. und Königin Camilla im Garten des Buckingham Palace (10.04.2024)
Königspaar Charles und Camilla im Garten des Buckingham Palace (Mitte April)null Millie Pilkington/Buckingham Palace/AP/picture alliance

Demnach will der König am kommenden Dienstag gemeinsam mit seiner Frau Camilla eine Klinik besuchen und sich dort mit Ärzten und Patienten treffen. Für Ende Juni hat Charles Japans Kaiserpaar zu einem Staatsbesuch nach Großbritannien eingeladen. Der Buckingham-Palast will die Teilnahme an möglichen weiteren Terminen kurzfristig bekanntgegeben. König Charles hatte Anfang Februar seine Krebserkrankung öffentlich gemacht.

AR/kle/ack/jj (afp, rtr, dpa, efe)

Dieser Artikel wurde um 9.20 Uhr (MESZ) erstellt und wird nicht weiter aktualisiert.

Bundestag billigt umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes

Für die Gesetzesänderung stimmten die Abgeordneten der Fraktionen des rot-grün-gelben Regierungsbündnisses. Die Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag votierten gegen die Reform. Die Gesetzesnovelle kam vor allem auf Verlangen der Regierungspartei FDP zustande. Ebenso wie auch Umweltverbände warfen Rednerinnen und Redner von CDU/CSU und Linkspartei der Koalition ein Aufweichen der Klimavorgaben vor. Der Bundesrat, also Deutschlands Länderkammer, muss der Neuregelung noch zustimmen.

Die Reform des Klimaschutzgesetzes sieht grundlegende Änderungen vor. Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche Vorgaben zum Kohlendioxid-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Im vergangenen Jahr verfehlten der Verkehrs- sowie der Gebäudebereich die Vorgaben.

Made in Germany: Scheitert die Energiewende am Geld?

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte mit drastischen Maßnahmen bis hin zu Fahrverboten am Wochenende gedroht, sollte der Bundestag die Reform des Klimaschutzgesetzes nicht bis Sommer beschließen - dann hätte der FDP-Politiker ein Sofortprogramm vorlegen müssen, damit der Verkehrssektor die Klimaziele einhält.

Entscheidend ist künftig das große Klimaziel

Mit der Reform soll die Einhaltung der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Entscheidend ist, dass Klimaziele insgesamt erreicht werden. Wenn sich in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern. Dies wird 2026 erstmals geprüft, sodass die jetzige Regierung keine neuen Klimaschutzbeschlüsse mehr fassen muss.

Deutschland insgesamt hatte für 2023 zwar sein Klimaziel unter anderem wegen der Wirtschaftsflaute erreicht. Mit Blick auf kommende Jahre gilt dies aber angesichts des fortschreitenden Klimawandels keinesfalls als sicher.

Vertreter der Regierungskoalition verteidigten die Reformschritte. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sagte, das alte Klimaschutzgesetz sei planwirtschaftlich gewesen. Dem Klima sei es vollkommen egal, ob CO2-Emissionen im Energie-, Industrie- oder Verkehrssektor eingespart werden.

Die Fraktionschefin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katharina Dröge
Die Fraktionschefin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katharina Drögenull Martin Schutt/picture alliance/dpa

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte: "Das Klimaschutzgesetz schaut in Zukunft nach vorne." Die Emissionsziele blieben. "Kein Gramm CO2 darf in Zukunft mehr emittiert werden." Dröge räumte aber ein, die Grünen hätten sich eine noch klarere Verantwortung der einzelnen Sektoren gewünscht.

Scharfe Kritik von der Opposition

Der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung sprach im Parlament von einer Entkernung des Klimaschutzgesetzes und einem Rückschritt für den Klimaschutz. Jung kritisierte, die Ampel stelle sich einen Freibrief aus. Mit der Aufweichung der verbindlichen Sektorziele werde dem Gesetz sein Herzstück entrissen.

Bis 2030 muss Deutschland laut Gesetz seinen Treibhausgas-Ausstoß um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die Treibhausgase um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden - dann dürften also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als auch wieder gebunden werden können.

kle/AR (dpa, rtr, afp)

Zahlreiche Wale an der Westküste Australiens gestrandet

Nach der Massenstrandung von etwa 160 Grindwalen an der Westküste von Australien sind etwa 30 von ihnen verendet. Die Meeressäuger gerieten bei Dunsborough in flachem Gewässer in Not. Zahlreiche Tierschützer und Anwohner waren an den Strand geeilt, um bei der Rettung zu helfen und die Tiere mit Wasser zu überschütten. Rund 100 Wale schafften es dank der Helfer wieder hinaus auf offene See, wie die Behörde für Artenvielfalt und Naturschutz DBCA mitteilte. Es bestehe aber weiterhin Sorge um die Tiere. 

Wale laufen Gefahr, erneut zu stranden

Helfer in Booten versuchten die Wale daran zu hindern, erneut in Richtung Küste zu schwimmen. "Wir sind mit Schiffen und einem Sichtungs-Flugzeug im Einsatz, das alle paar Stunden verfolgt, wo sich die Tiere befinden", sagte eine DBCA-Sprecherin. Die Gefahr sei, dass die Wale an einem anderen Küstenabschnitt wieder in Lebensgefahr geraten könnten. Wenn Wale stranden, müssen sie ständig befeuchtet werden, denn ihre Haut verbrennt unter der Sonneneinstrahlung. Zudem droht ein Tod durch Ersticken, weil das Gewicht der Tiere auf ihre Lungen drückt. Andere ertrinken, wenn bei aufkommender Flut Wasser in ihr Blasloch eindringt und sie nicht mehr atmen können.

Warum stranden Wale? 

Das Phänomen der Strandung ganzer Walgruppen ist weiterhin rätselhaft, jedoch gibt es verschiedene Theorien. Eine besagt, dass sich kranke oder verletzte Tiere verirren und die anderen ihnen im Rudel folgen. Denn speziell Grindwale bauen extrem enge Bindungen untereinander auf. Zu bestimmten Jahreszeiten sind sie in großen Verbänden unterwegs, was das Risiko einer Massenstrandung erhöht. Wissenschaftler halten es auch für möglich, dass Wale durch akustische Umweltverschmutzung, etwa Sonargeräte von Schiffen, die Orientierung verlieren. 

In der gleichen Region in Westaustralien war es 1996 zu einer Massenstrandung von 320 Grindwalen gekommen. Damals konnten fast alle Tiere dank Helfern gerettet werden. Andere Massenstrandungen an der Westküste endeten tragischer: 2018 starben in Hamelin Bay weit mehr als 100 Ozeanriesen am Ufer.

aa/kle (dpa, ape)

Copernicus-Bericht: 2023 - Jahr der Klima-Extreme in Europa

Europa ist keine Ausnahme, wenn es um die Folgen des Klimawandels geht - das wird schnell klar, wenn man die Klimadaten betrachtet, die der EU-Klimawandeldienst Copernicus Climate Change Service (C3S) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ihn ihrem jüngsten Bericht zusammengetragen haben. Die drei wärmsten Jahre in Europa wurden alle seit 2020 aufgezeichnet, die zehn wärmsten seit 2007.

Auch 2023 brach wieder Negativrekorde: Gemeinsam mit dem Jahr 2020 war es das wärmste Jahr in Europa mit etwa einem Grad über dem Referenzzeitraum 1991 bis 2020. Insgesamt sei 2023 in Sachen Klimagefahren in Europa ein komplexes und vielschichtiges Jahr gewesen, fasst Copernicus-Direktor Carlo Buontempo die Ergebnisse der Klimabeobachtungen zusammen. "Im Jahr 2023 gab es in Europa die größten jemals aufgezeichneten Waldbrände, eines der feuchtesten Jahre, schwere marine Hitzewellen und weit verbreitete verheerende Überschwemmungen."

Fast 11 Milliarden Euro Schaden durch Überschwemmungen

Insgesamt fielen in Europa 2023 etwa sieben Prozent mehr Niederschläge als üblich. Ein Drittel der Flüsse führte Hochwasser, teilweise sogar schweres Hochwasser.

Von Überschwemmungen in Europa waren nach vorläufigen Schätzungen der Internationalen Katastrophendatenbank etwa 1,6 Millionen Menschen betroffen, mindestens 40 verloren dabei ihr Leben. 63 Menschen starben durch Stürme, 44 kamen durch Waldbrände ums Leben. 13,4 Milliarden Euro - so hoch war der Schaden, den wetter- und klimabedingte Ereignisse in Europa verursachten - mehr als 80 Prozent davon durch Überschwemmungen.

Luftaufnahme von Überschwemmungen in der Region Karlowo im September 2023
1000 Häuser unter Wasser: Bulgarien war eines der Länder, das 2023 von schweren Überflutungen betroffen warnull Impact Press Group/NurPhoto/IMAGO

"Die Klimakrise ist die größte Herausforderung für unsere Generation. Die Kosten für Klimamaßnahmen mögen hoch erscheinen, aber die Kosten der Untätigkeit sind viel höher", so Celeste Saulo, Generalsekretärin der WMO.

Immer mehr Tage mit extremer Hitze in Europa

Auch die gesundheitsschädlichen Folgen extremer Wetter- und Klimaereignisse in Europa nähmen zu, so die Forschenden. Die Zahl der Menschen, die an Folgen von Hitze starben, stieg in letzten 20 Jahren um etwa 30 Prozent. In ganz Europa gibt es immer mehr Tage mit starker Hitzebelastung - und das Jahr 2023 brach den Rekord von Tagen mit extremer Hitzebelastung.

Auf dem Höhepunkt einer Hitzewelle im Juli litten 41 Prozent des südlichen Europas unter starker, sehr starker oder extremer Hitze - und viele Menschen unter Hitzestress.  Dieser Begriff beschreibt die Auswirkungen, die hohe Temperaturen in Kombination mit anderen Faktoren wie Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit, Sonnen- und Wärmestrahlung auf den menschlichen Körper haben.

Risiko durch Hitzestress in Europa oft noch unterschätzt

Längerer Hitzestress kann gesundheitliche Probleme verschlimmern. Zudem erhöht er das Risiko für Erschöpfung und Hitzschlag, insbesondere bei Kleinkindern, alten Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.

Dennoch, so die Autorinnen und Autoren des Klimadaten-Berichts, werde das Gesundheitsrisiko in der Öffentlichkeit, in den gefährdeten Gruppen, wie teils auch von Gesundheitsdienstleistern als zu gering eingeschätzt.

Starker Eisverlust in den Alpen und brennende Wälder

Die Hitze in Europa machte 2023 auch den Gletschern des Kontinents zu schaffen. Überall verloren sie Eis - und in den Alpen sogar außergewöhnlich viel. Das lag auch daran, dass dort im Winter sehr wenig Schnee gefallen war. In den letzten beiden Jahren zusammen haben die Alpengletscher rund zehn Prozent ihres verbleibenden Volumens verloren, so der Copernicus-Bericht.

Wie sehr Hitze, Schnee und Dürre zusammenhängen, wird genau hier deutlich: Durch die geringe Schneedecke lag beispielsweise die Wassermenge des Alpenflusses Po das ganze Jahr über unter dem Durchschnitt. Dieses Wasser fehlte dann in Norditalien, wo schon zuvor Dürre herrschte.

Griechische Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis
Flammeninferno: Griechische Feuerwehrleute kämpfen gegen einen Waldbrand in der Nähe von Alexandroupolis null Achilleas Chiras/AP/picture alliance

Hitze und Dürre treiben auch Waldbrände an. Diese gab es 2023 in ganz Europa. Im Laufe des Jahres verbrannte eine Fläche so groß wie London, Paris und Berlin zusammen. Den größten jemals in der EU verzeichneten Waldbrand gab es in Griechenland: Er hatte die doppelte Fläche von Athen.

Warum erwärmt sich Europa so extrem?

Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt, wobei die Temperaturen etwa doppelt so schnell steigen wie im globalen Durchschnitt. Das liegt laut Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess unter anderem an Europas Nähe zur Arktis. Sie erwärmt sich etwa viermal so schnell wie der Rest der Welt. Auch die Verbesserung der Luftqualität in Europa hat laut Burgess dazu geführt, dass weniger Partikel in der Luft vorhanden sind, die das Sonnenlicht zurückwerfen und zu einer Abkühlung beitragen.

Positives zum Schluss: Rekord an erneuerbaren Energien

Noch nie gab es in Europa so viel Strom aus erneuerbarer Energie wie 2023: insgesamt machte sie 43 Prozent an der Stromerzeugung aus. Zum Vergleich: 2022 waren es noch 36 Prozent. Die Herbst- und Winterstürme sorgten für überdurchschnittlich viel Windenergie und die hohen Pegelstände der Flüsse für mehr Strom aus Wasserkraft.

Damit wurde das zweite Jahr mehr Strom aus Erneuerbaren als aus klimaschädlichen fossilen Brennstoffen erzeugt. Doch die Autorinnen und Autoren mahnen: Auch 2023 seien dieTreibhausgas-Emissionen weiter angestiegen, die für die beobachteten Folgen der Erderhitzung verantwortlich waren.

Kleiner Ausblick auf 2024: Licht und Schatten

Leider, so Copernicus-Direktor Buontempo, sei es unwahrscheinlich, dass diese Klimafolgen kleiner werden, zumindest in naher Zukunft. Und so sei damit zu rechnen, dass man solange immer weitere Rekorde sehen werde, bis das Netto-Null-Ziel erreicht sei und das Klima stabilisiert werde, ergänzt Co-Direktorin Samantha Burgess.

Immerhin aber sei es wahrscheinlich, so Burgess, dass es im kommenden Sommer keine weiteren Temperaturrekorde in Europa geben werden. Das liege vor allem daran, dass der El-Niño-Effekt dieses Jahr auslaufe.

Quellen:

Nature-Studie zur Erwärmung der Arktis (https://www.nature.com/articles/s43247-022-00498-3)

Was macht europäischer Müll auf südostasiatischen Deponien?

Länder in Südostasien, darunter Malaysia, Vietnam, Thailand und Indonesien, haben mit illegalen Abfalllieferungen aus den Industrienationen zu kämpfen. Ein großer Teil davon kommt aus Europa.

In einem neuen UN-Bericht werden die Wege des Abfallhandels von Europa nach Südostasien nachgezeichnet. Kriminelle Akteure nutzen demnach Schlupflöcher und legale Unternehmensstrukturen und machen den Handel mit Müll so zu einem der wichtigsten Verbrechen gegen die Umwelt. Eine oft wirkungslose Umsetzung gesetzlicher Regelungen und die geringen Strafzahlungen im Fall einer Entdeckung ermutigen die Händler. Somit ist die Versuchung groß, schnelle Gewinne zu machen.

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission sind 15 bis 30 Prozent der Abfalllieferungen aus der EU illegal. Die illegalen Einnahmen daraus bewegen sich jährlich in Höhe mehrerer Milliarden Euro. "Sobald Abfall unrechtgemäß entsorgt wurde, wird er das Problem von uns allen", sagt Masood Karimipour, Regionalrepräsentant für Südostasien und Pazifik des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, der DW. "Die Dringlichkeit, mit der gegen den Abfallhandel vorgegangen werden muss, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden."

Gegen Plastikmüll: Nachfüllen statt Wegwerfen

Dem UN-Bericht zufolge importierten die ASEAN-Länder in den Jahren 2017 bis 2021 mehr als 100 Millionen Tonnen Metall-, Papier- und Plastikabfall mit einem Wert von fast 50 Milliarden US-Dollar (47 Milliarden Euro).

Indonesien, Epizentrum des Abfallhandels

Global hat sich der Handel mit Abfällen in den vergangenen Jahren stark verändert. China hatte im Jahr 2018 eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Einfuhr unerwünschten Mülls in das Land zu unterbinden. Das führte zu einer Umlenkung der weltweiten Abfallströme, insbesondere nach Südostasien.

Länder wie Indonesien wurden so zu bevorzugten Zielländern sowohl für legalen, als auch für illegalen Abfall. "In Indonesien besteht kein Umfeld, das Nachhaltigkeit bei Konsum, Produktion und Recycling fördert", erläutert Yuyun Ismawati, leitender Berater bei der regierungsunabhängigen Organisation Nexus3 Foundation, der DW.

Papier- und Plastikmüll wurde seit 2018 hauptsächlich aus westeuropäischen Ländern nach Indonesien verschifft, so die indonesische Statistikbehörde. Wie Nexus3 herausfand, ist das Altpapier häufig mit Plastikabfällen verunreinigt. In Regionen wie Java oder Sumatra stellt das eine alarmierende Bedrohung für Umwelt und Gesundheit dar.

Blick auf qualmende Fabrikschornsteine vor Feldern
Hier werden Plastikabfälle als Brennstoff genutzt; die Giftstoffe gelangen ungefiltert in die Luftnull Yuyun Ismawati/2024

Problematische Kunststoffe werden häufig weggeworfen oder von den Unternehmen, die Altpapier importieren, den Gemeinden vor Ort überlassen, die dann das Plastik unreguliert sortieren und verbrennen. Bei der Verbrennung werden Dioxine und gefährliche Chemikalien in alarmierender Konzentration freigesetzt, die letztlich auch ihren Weg in die menschliche Nahrungskette finden.

Bei vielen Dorfbewohnern führen der Rauch und die vergifteten Nahrungsmittel zu Erkrankungen der Atemwege und des Verdauungssystems bis hin zu Krebserkrankungen. Oft sehen sie sich gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen.

Ein profitables Geschäft

Trotz seiner negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt bleibt der Abfallhandel in Südostasien ein äußerst lukratives kriminelles Geschäft, dem nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wie Serena Favarin, Kriminologin an der Universita Cattolica del Sacro Cuore in Italien ausführt, umgehen die Händler mit ausgeklügelten Methoden und Lieferketten die Kontrollen, um die Abfälle in andere Länder zu verbringen, in denen die Vorschriften weniger streng und die Strafen für die illegale Abfallentsorgung deutlich niedriger sind.

"Dieses Verbrechen wird nicht in allen Ländern gleichermaßen verfolgt. Das führt zu einem unterschiedlichen Umgang mit den Abfällen", sagt sie der DW. In vielen Zielländern fallen die Regelungen zum Abfallhandel nicht unter das Strafrecht, sondern unter zivil- und verwaltungsrechtliche Vorschriften. Selbst wenn illegale Abfallhändler die Vorschriften unverhohlen und wiederholt umgehen, sind die Strafen häufig gering. Für die Händler bleibt es also ein lohnendes Geschäft.

Es fehlen internationale Regelungen

In vielen Gemeinden führt der illegale Abfallhandel zu zahlreichen Problemen. Experten sind sich einig, dass die Abfallverwertung gut reguliert werden muss. So könnten Umweltschäden vermieden und die Kreislaufwirtschaft durch Reduzierung, Wiederverwendung und Recycling gestärkt werden.

In Asien und Europa bemühen sich daher einzelne Länder und internationale Strafverfolgungsbehörden, die Lücken zu schließen, in denen kriminelle Unternehmer agieren und den Wirtschaftskreislauf stören können.

Ein Strand voller Plastikmüll
Illegal deponierte Abfälle werden auch an die Strände in Touristenregionen gespültnull Johannes Panji Christo/Anadolu/picture alliance

"Es ist wichtig, die transnationale Dimension zu stärken und die Regelungen der einzelnen Länder aneinander anzugleichen. Das erleichtert die Diskussionen", meint Favarin. Eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen würde die Verabschiedung strengerer Gesetze und die Verhängung härterer Strafen für Verbrechen im Zusammenhang mit dem Abfallhandel erleichtern.

Gegenwärtig überarbeitet die EU ihre Regelungen zur Abfallverbringung, um die Zahl problematischer Exporte zu verringern und die Durchsetzung der Regelungen zu verbessern. Voraussichtlich werden diese Änderungen Ende des Monats verabschiedet.

Auch neue Technologien können beim Schutz der Umwelt nützlich sein, wie Favarin erklärt: "Drohnen- oder Satellitenaufnahmen können dabei helfen, große Abfallmengen oder Abfallberge in bestimmten Regionen zu erkennen und illegale Deponien oder Feuer in geschützten Gebieten zu identifizieren."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Was bringt ein Autobahn-Tempolimit in Deutschland?

"Freie Bürger fordern freie Fahrt" - mit diesem Motto protestierte 1973/1974 der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) gegen das Tempolimit von 100 Stundenkilometern (km/h) auf deutschen Autobahnen. Das hatte die damalige Bundesregierung wegen der Öl-Krise angeordnet, um Benzin zu sparen. Obwohl es nur ein paar Monate lang galt, war die Empörung im Land groß. 

Seitdem sind in den letzten 50 Jahren diverse Versuch gescheitert, ein generelles Tempolimit einzuführen.

Dabei ist inzwischen mehr als die Hälfte der Deutschen - und auch der ADAC-Mitglieder - für ein Tempolimit. Doch viele Gegner lehnen es weiter strikt ab. Die bayrische Partei CSU startete sogar eine Unterschriftenaktion dagegen. 

Tempolimits auf Autobahnen: (fast) überall - außer in Deutschland

Anders als fast überall sonst auf der Welt gibt es in Deutschland kein Tempolimit auf Autobahnen. Zwar ist die Geschwindigkeit auf einigen Strecken begrenzt. Doch auf 70 Prozent aller Autobahnkilometer gilt nur eine freiwillige "Richtgeschwindigkeit" von 130 km/h. Schneller fahren ist also erlaubt. Und so wird das Rasen auf deutschen Autobahnen sogar von Sportwagen-Verleihern im Ausland als Touristenattraktion beworben.

Was bringt ein Tempolimit?

Je langsamer ein Auto fährt, desto weniger Kraftstoff verbraucht es - und desto weniger Schadstoffe stößt es aus, etwa klimaschädliches Kohlendioxid (CO2), Stickoxide oder Feinstaub. 

Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen würde 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen, so jüngste Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA). Verglichen mit den Emissionen von 2018 wären das 2,9 Prozent weniger.

Geht man davon aus, dass Menschen wegen des Tempolimits auf die Bahn umsteigen, kürzere Routen über Land wählen oder auf Fahrten verzichten, dann könnten laut UBA sogar 6,7 Millionen Tonnen oder 4,2 Prozent eingespart werden.

Und wenn zusätzlich auf Landstraßen Tempo 80 eingeführt, wären es sogar acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalente weniger.

Ein weiterer Vorteil: Es könnte weniger Unfälle geben. Denn langsamer fahrende Autos bremsen schneller. Allerdings würde es erst bei einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen rund 70 Prozent weniger Unfälle geben. 

Wer langsamer fährt, macht auch weniger Lärm: So ist das Fahren bei 100 km/h etwa um die Hälfte leiser als bei 130 km/h. Außerdem gäbe es weniger Staus, weil mehr Autos gleichzeitig auf der Straße fahren könnten. Der Effekt wäre noch ausgeprägter, wenn alle nur Tempo 100 oder noch etwas langsamer fahren, sagen Verkehrsexperten. 

Was sind die Argumente gegen ein Tempolimit?

Laut einer Umfrage der Allianz-Versicherung waren besonders Männer, sowie Menschen, die sehr viel Auto fahren (mehr als 50.000 km pro Jahr) und auch jüngere Fahrer unter 24 gegen Tempolimits. Sie fürchten mehr Staus und längere Fahrzeiten. 

Tatsächlich fahren die meisten Menschen (77 Prozent) schon jetzt freiwillig langsamer als 130 auf der Autobahn. 

Es ist unklar, wie viele Unfälle durch das Tempolimit auf deutschen Autobahnen tatsächlich vermieden werden könnten. 

Laut ADAC gibt es Deutschland derzeit nicht mehr schwere Unfälle auf Autobahnen als in Ländern mit einem Tempolimit. Vergleicht man die Zahl der Getöteten pro gefahrenen Autobahnkilometern gab es 2020 in Frankreich, Italien, Litauen, Tschechien, Ungarn und den USA mehr Tote. In absoluten Zahlen lag Deutschland mit 317 Toten an der Spitze. 

Wer ist für ein Tempolimit in Deutschland?

Ein Tempolimit fordern Umweltverbände, ebenso wie die Gewerkschaft der Polizei im Bundesland Nordrhein-Westfalen oder der Verein Verkehrsunfall-Opferhilfe. Sie wollen auch, dass auf deutschen Landstraßen statt 100 nur noch 80 km/h erlaubt ist. Das würde die Sicherheit dort tatsächlich stark verbessern, hat die Versicherungswirtschaft errechnet.

Unter den politischen Parteien sind die Grünen und die SPD für ein Tempolimit auf Autobahnen. Auch die Linkspartei hatte dies gefordert. Und, wie gesagt, mehr als die Hälfte der Deutschen ist inzwischen dafür, weniger schnell zu fahren.

Wer ist gegen ein Tempolimit?

Die konservative Union aus CDU und CSU, die in Teilen rechtsextreme AfD und die liberale FDP wollen kein Tempolimit. Die Gegner des Tempolimits meinen, dass es kaum Auswirkungen auf die Umwelt hätte und die Menschen zu stark einschränken würde. Die FDP, die gemeinsam mit den Grünen und der SPD die Bundesregierung bildet, verhinderte das Tempolimit schon im Koalitionsvertrag.

Gas geben ohne Limit

Sie gab auch eine Gegenstudie zu der des UBA in Auftrag, die auf deutlich weniger CO2-Einsparungen kommt. Allerdings wurde die Gegenstudie von Wirtschaftsprofessoren verfasst, die den menschengemachten Klimawandel in Zweifel ziehen. Sie wird vom UBA, von Umweltverbänden und auch von anderen politischen Parteien kritisiert.

Tempolimit im deutschen Klimaschutzgesetz: Fehlanzeige 

Weil der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor auch 2023 zu hoch war, hätte Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP eigentlich ein Sofortprogramm starten müssen, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen. So sah es das Klimagesetz der Großen Koalition aus SPD und CDU von 2021 vor. 

Die regierende Ampelkoalition hat nun aber eine Reform des Gesetzes beschlossen. Jetzt können zu hohe Emissionen, wie beim Verkehr, an anderer Stelle ausgeglichen werden - etwa durch mehr erneuerbare Energie.

Laut Klimagesetz muss Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent und bis 2040 um 88 Prozent verringern (im Vergleich zu 1990).

Über ein Tempolimit steht weiterhin nichts im Klimagesetz.

Redaktion: Anke Rasper

Quellen u.a.: 

Gutachten Tempolimit Universität Stuttgart (2023): https://www.isv.uni-stuttgart.de/vuv/publikationen/downloads/ISV_2023_UBA-FV_Gutachten_FDP_Tempolimit_20230303.pdf 

Unfallursache Geschwindigkeit:  https://www.udv.de/resource/blob/112634/81f8e441aadad1d01047e5510233f5b1/neuer-inhalt-2--data.pdf

FDP gegen Tempolimit: https://www.fdpbt.de/kurzstudie-tempolimit-autobahnen

Faktencheck: Dubai, Überflutung und Cloud Seeding

Land unter - nicht nur in Dubai: An manchen Orten im Südosten der arabischen Halbinsel hat es innerhalb eines Tages mehr geregnet als sonst in einem ganzen Jahr. Die Folgen: Straßen stehen unter Wasser, der Flughafen von Dubai ist überflutet, und Dächer brechen unter dem Druck der Wassermassen ein.

Doch nicht nur die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), sondern auch andere Teile der Region, namentlich das Nachbarland Oman, haben epochale Regenfälle erlebt. Neben Sachschäden sind mindestens 20 Todesopfer zu beklagen.

Während die Betroffenen unter den Folgen des Unwetters leiden, quellen die Sozialen Medien über von Theorien, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.

Behauptung: "Wolkenimpfen geht schief", schreibt ein User auf X, ehemals Twitter. Ein Instagram-Kanal stellt außerdem die Frage, ob Wolkenimpfen, im Englischen Cloud Seeding, die Überschwemmungen in Dubai ausgelöst oder verstärkt haben könnte. Viele Nutzer beantworten die Frage mit "Ja".

DW Faktencheck: Falsch.

Cloud Seeding ist eine Methode, um mit künstlichen Instrumenten Regen auszulösen. Dabei versprühen Flugzeuge bestimmte Salze, die sich nicht in Wasser lösen. Die Feuchtigkeit der Wolken kondensiert dann an den Salzpartikeln und fällt als Regen zu Boden. Die Methode wird in vielen Teilen der Welt eingesetzt, teils um Niederschlag zu erzeugen, aber zum Beispiel auch mit dem Ziel, um Hagelschlag zu verhindern.

Tiktok-User-Umfrage: Ist Cloud Seeding an der Überflutung in Dubai schuld? 69% von 22.100 Antworten lauten: "Es ist wegen dem Vloud Seeding"
Zwei Drittel von 22.100 Abstimmenden in dieser Tiktok-Umfrage geben an, dass sie die Überschwemmungen dem Wolkenimpfen zuschreibennull Tiktok

Auf Satellitenbildern ist zu sehen, dass sich in den vergangenen Tagen über dem Südosten der arabischen Halbinsel und dem Süden des Iran ein Sturm mit massiven Regenwolken gebildet hatte. Durch die Wolkenbildung war die Voraussetzung zum Cloud Seeding also gegeben.

"Regenernte" in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Das National Center of Meteorology (NCM) der VAE in der Hauptstadt Abu Dhabi erforscht das Wolkenimpfen seit den späten 1990er Jahren. Der Wüstenstaat nutzt die Methode, um die Niederschlagsmenge und damit die Menge des verfügbaren Süßwassers zu erhöhen.

Zunächst hatte "Bloomberg" berichet, dass Wolkenimpfungen durch das NCM die Regenfälle verstärkt hätten. Offizielle Stellen der VAE haben jedoch dementiert, zu Wochenbeginn überhaupt solche Maßnahmen durchgeführt zu haben. DW Factchecking hat beim NCM nachgefragt, bis zur Veröffentlichung dieses Artikels jedoch keine Antwort erhalten.

Cloud Seeding

Geantwortet hat hingegen ein Forscherteam der deutschen Universität Hohenheim, das ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem NCM durchführt. Über etwaige Wolkenimpfungen Anfang der Woche lägen ihm keine Informationen vor, schreibt der Meteorologe Oliver Branch.

Allerdings sei es völlig unrealistisch, eine solche Niederschlagsmenge durch Cloud Seeding zu bewirken: "Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen Cloud-Seeding-Aktivitäten und den Überschwemmungen in Dubai geht gegen Null." Viele Medien zitieren andere Experten mit ähnlichen Einschätzungen - auch "Bloomberg"

Globale Erwärmung verstärkt extreme Wetterlagen

Behauptung: "Die Effekte von globaler Erwärmung und Klimawandel sind alarmierend und werden keine Stadt verschonen", heißt es auf einem Account. Ein anderer Account wird noch deutlicher: "DIES ist der menschengemachte #Klimawandel."

DW Faktencheck: Unbelegt.

Viele Klimaforscher sehen durchaus Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Starkregen: "Häufig spielt die globale Klimaerwärmung bei extremen Wetterereignissen tatsächlich eine Rolle, aber ihr Einfluss wird teilweise pauschal angenommen oder überbetont", sagte die Klimatologin Friederike Otto vom Imperial College in London der DW bereits vor einiger Zeit. Zu den Ereignissen in Dubai sagte sie der Nachrichtenagentur AFP, die Stürme seien "höchstwahrscheinlich" durch die globale Erwärmung verschlimmert worden.

In einem Post auf X wird ein Tiktok-Video verlinkt, das die heftigen Regenfälle in Dubai zeigt
"Dubai ist nicht dafür gemacht, so heftigen Regenfällen zu widerstehen", heißt es in dem Post auf X, der ein Tiktok-Video verlinktnull X

Die Begründung hat einen einfachen physikalischen Hintergrund: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Deshalb regnet es in den Tropen stärker als in den gemäßigten Breiten, in denen Deutschland liegt. Regengüsse fallen in Mitteleuropa im Sommer auch deutlich heftiger aus als um die Jahreswende.

Deshalb ist unter vielen Klimaforschern Konsens, dass die Erderwärmung Extremwetterlagen zwar wahrscheinlicher macht und sie tendenziell extremer ausfallen. Sie betonen aber auch wie die Klimaforscherin Sjoukje Philip vom Königlich-Niederländischen Meteorologischen Institut (KNMI): "Extremwetter hat es immer gegeben, und wird es immer geben."

Ähnliche Falschbehauptungen tauchen übrigens immer wieder auf, wenn Starkregen zu Überschwemmungen führt - insbesondere, wenn dies in Regionen auftritt, in denen man eher Dürren als ausgiebige Niederschläge erwarten würde wie Kalifornien, Australien oder die Türkei.

Mode und Umwelt: Zara, H&M und die Abholzung in Brasilien

Bevor sie in den Schaufenstern von Modegiganten wie Zara und H&M landen, hinterlassen Hosen und Hemden, Shorts und Shirts aus Baumwolle eine Spur aus Abholzung, Land Grabbing und Menschenrechtsverletzungen in Brasilien.

Obwohl viele dieser Kleidungsstücke laut Kennzeichnung aus nachhaltiger Produktion stammen sollen, belegt eine ausführliche Studie der britischen NGO Earthsight: Es gibt eine enge Verbindung zwischen europäischen Textilmarken und dem Anbau in Brasilien, dem viertgrößten Baumwollproduzenten weltweit. Earthsight hat Satellitenbilder und Versandlisten analysiert, in Archiven recherchiert und die Anbaugebiete besucht - und die Reise von 816.000 Tonnen Baumwollen im Detail nachvollzogen.

Dem Bericht nach wurde der Rohstoff eigens für acht asiatische Unternehmen hergestellt, die zwischen 2014 und 2023 rund 250 Millionen Artikel für den Einzelhandel herstellten. Viele dieser Firmen, so die Untersuchung, belieferten unter anderem Marken wie H&M und Zara.

"Es ist schockierend, diese Verbindung zu bekannten Markennamen zu sehen, die sich offenbar nicht besonders anstrengen, die Lieferketten zu kontrollieren. Also zu wissen, woher die Baumwolle kommt und welche Auswirkungen das hat", sagt Rubens Carvalho, Chef der Recherchegruppe Abholzung bei Earthsight, gegenüber der DW.

Deutschland Köln | Textilkette H&M | Skandal um Bio-Textilien
Alles Bio? Schon vor Jahren wurde H&M vorgeworfen, seine Linie Organic Cotton enthalte gentechnisch veränderte Baumwollenull Oliver Berg/dpa/picture alliance

Das Problem liegt in der Herkunft: Baumwolle für den Export wird vor allem im Westen des brasilianischen Bundesstaates Bahia angebaut, einer Region, die zu den tropischen und besonders biodiversen Feuchtsavannen gehört, den Cerrados. Die Vegetation wird hier oft illegal gerodet, um Platz zu schaffen für den Anbau von Nutzpflanzen. Die abgeholzte Fläche habe sich hier in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt, so das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung INPE.

Abholzung und Land Grabbing

Die Baumwolle, so der Report, wird vor allem von zwei großen Agrarkonzernen angebaut: SLC Agrícola und Horita. SLC Agrícola ist nach eigenen Angaben für elf Prozent von Brasiliens Baumwollexporten verantwortlich und einer der größten brasilianischen Sojaproduzenten. Die Earthsight-Studie schätzt, dass die SLC-Landwirtschaftsbetriebe in den vergangenen zwölf Jahren ein Cerrado-Gebiet zerstört haben, das 40.000 Fußballfeldern entspricht. Im Jahr 2020 sei SLC Agrícola zum größten Abholzer der Ökoregion erklärt worden, so der US-amerikanische Thinktank Chain Reaction Research.

2021 verpflichtete SLC sich und seine Zulieferer zu einer Null-Abholzung-Politik. Ein Jahr später fand das gemeinnützige Beratungsunternehmen Aidenvironment heraus, dass auf Grundstücken mit Baumwollanbau 1365 Hektar der Cerrados zerstört wurden. Und fast die Hälfte davon befand sich in einem Schutzgebiet.

Brasilien: Kampf gegen Regenwald-Abholzung

Als wir SLC Agrícola mit diesen Vorwürfen konfrontierten, antwortet der Konzern der DW, bei SLC geschähen "alle Umwandlungen natürlicher Vegetation im Rahmen der Gesetze". Zu Aidenvironments Anschuldigungen sagte das Unternehmen, die Zerstörung von Cerrado-Gebiet sei geschehen durch "ein natürliches Feuer, nicht um neue Flächen für die Produktion zu schaffen".

Der andere Konzern, dessen Gebaren der Earthsight-Bericht analysiert, ist Horita. Der Vorwurf hier: Gewalttätige Landstreitigkeiten mit traditionellen indigenen Gruppen. Eine Nachfrage der DW bei Horita blieb unbeantwortet.

Brasilien Baumwolle und Europas Einzelhandel

Für seinen Bericht hat Earthsight den weiteren Weg der Baumwolle recherchiert. Er führte vor allem nach Indonesien, Bangladesch und Pakistan, nach China, Vietnam und in die Türkei. Nachvollziehbar waren die Spuren zu acht Bekleidungsherstellern in Asien.

Diese Zwischenhändler sind: PT Kahatex in Indonesien, die Noam Group und die Jamuna Group in Bangladesch, sowie Nisha, Interloop, YBG, Sapphire und Mtmt in Pakistan. Sie liefern ihre Produkte an Marken wie Zara und H&M, so der Bericht. Und dort tragen sie oft ein Ökosiegel.

 

"Die Baumwolle, die wir mit dem Missbrauch von Landrechten und Umwelt in Bahia in Verbindung bringen konnte, ist zertifiziert als Better Cotton", so die Earthsight-Studie. "Das System konnte offensichtlich nicht verhindern, dass diese Baumwolle besorgte Verbraucher erreicht."

Das Ökosiegel Better Cotton haben die Modeindustrie und Naturschutzorganisationen wie der WWF 2009 eingeführt, um den sicheren Ursprung der Rohstoffe zu garantieren. Der Initiative zufolge gibt es in Brasilien 370 zertifizierte Agrarbetriebe in Kooperation mit dem heimischen Baumwollherstellerverband, Abrapa.

Fehlende Kontrolle über Lieferketten

Die Better Cotton Initiative hat der DW auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie gerade eine umfassende unabhängige Prüfung der beteiligten Landwirtschaftsbetriebe abgeschlossen habe. Es brauche jetzt Zeit, die Ergebnisse zu analysieren und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen.

"Die (in der Studie) angesprochenen Punkte belegen den dringenden Bedarf an staatlicher Unterstützung, um die aufgedeckten Probleme anzugehen und sicherzustellen, dass gesetzliche Regelungen fair und wirkungsvoll umgesetzt werden", so die E-Mail von Better Cotton.

Auch die Bekleidungskette H&M hat reagiert. "Die Ergebnisse des Berichts sind äußerst besorgniserregend", heißt es in einer E-Mail an die DW, und das Thema werde sehr ernst genommen. "Wir sind im Gespräch mit Better Cotton bezüglich des Resultats der Untersuchung und der nächsten Schritte, die die Standard überprüfen und stärken sollen", so das Unternehmen weiter.

Fast Fashion zerstört Umwelt

Auch Zara hat der DW mitgeteilt, dass man "die Vorwürfe gegen Better Cotton äußerst ernst" nehme. Der Zertifizierer müsse das Ergebnis seiner Ermittlungen so bald wie möglich mitteilen. Am 10. April - einen Tag vor der angekündigten Veröffentlichung des Earthsight-Reports - forderte der Zara-Mutterkonzern Inditex von Better Cotton mehr Transparenz. Inditex schickte der Initiative einen auf den 8. April datierten Brief, in dem es Aufklärung über das Zertifizierungsverfahren verlangte. Inditex kauft Baumwolle nicht direkt bei Zulieferern, doch die Unternehmen, die sie herstellen, werden durch Zertifizierer wie Better Cotton geprüft.

Es gehe nicht nur um die Hersteller in Brasilien - auch europäische Unternehmen müssten zur Verantwortung gezogen werden, sagt Rubens Carvalho von Earthsight. Das sei Teil der Lösung, um die Abholzung und die Menschenrechtsverletzungen in rohstoffproduzierenden Ländern wie Brasilien zu beenden. "Der europäische Markt für Baumwolle ist noch immer kaum reguliert. Der Konsum muss reguliert und von den negativen ökologischen und menschlichen Auswirkungen entkoppelt werden", so Rubens Carvalho. "Wir brauchen strenge Vorschriften, die Verstöße bestrafen. Das erhöht den Druck auf die Produzenten."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Afrika: Schmutzige Luft erhöht Gesundheitsrisiko

Im Herzen der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé vibriert die Luft vom Brummen der Motoren. Abgase aus den Autos, von Fabriken, dazu der Qualm brennender Abfälle in Wohngebieten - das alles hüllt als grauer Smog die Stadt ein.

Felix Assah ist Mitarbeiter der Forschungsgruppe für Bevölkerungsgesundheit an der Universität Yaoundé. "Mit der Verstädterung und der wirtschaftlichen Entwicklung nehmen die Luftverschmutzung in städtischen Gebieten, aber auch die Krankheiten zu", sagt Assah zur DW. Dazu zählten Erkrankungen des Herzkreislaufsystems, der Atemwege und Krebs.

Fachleute und Organisationen, die sich für eine sauberere Luft in Afrika einsetzen, trafen sich kürzlich in Yaoundé. Sie diskutierten wie sie zusammen die Luftqualität mit moderner und günstiger Sensortechnologie kontrollieren können.

Innovative Technologie

Bisher sei die Messung kostspielig gewesen, doch es gebe innovative Fortschritte, sagt Deo Okure, Wissenschaftler für Luftqualität an der Makerere-Universität in Kenia. Mit Forscherkollegen entwickelte Okure 2015 ein "lokales Luftüberwachungssystem", das günstiger ist, aber trotzdem wirksam. Ein Vorteil: Das System könne mit verschiedenen Energiequellen betrieben werden, erklärt Okure: "Gleichzeitig sind wir in der Lage, Daten über GSM oder Sim-Karten zu übertragen, die in allen Teilen Afrikas verwendet werden, anstatt WLAN zu benötigen." Die Technologie liefere zwar wichtige Daten, aber das sei immer noch unzureichend, sagt Okure, da damit noch nicht die Quellen der Luftverschmutzung eindeutig bestimmt werden können.

Männer verbrennen Elektroschrott unter freiem Himmel
Diese Männer nahe Accra in Ghana wollen an Kupferkabel gelangen und verbrennen Elektroschrott unter freiem Himmel - der Qualm gelangt ungehindert in die Atmosphärenull The Yomiuri Shimbun/AP Photo/picture alliance / ASSOCIATED PRESS

In Yaoundé wurden im Rahmen eines Projekts Geräte installiert, die die Luftqualität in Echtzeit überwachen. Trotz technologischer Einschränkungen erwartet Ashu Ngono Stephanie vom kamerunischen Amt für Meteorologie, dass der Staub so besser im Blick behalten werden kann: "Es ist sehr wertvoll, Messgeräte vor Ort zu haben, denn so können wir genau verfolgen, was mit den Staubkonzentrationen in der Atmosphäre geschieht."

Yaoundé ist die zehnte afrikanische Stadt, die diese Technologie zur Überwachung der Luftqualität einsetzt. Mehr als 200 Überwachungsgeräte sind auf dem gesamten Kontinent installiert. Die gesammelten Daten dienen auch als Grundlage für politische Entscheidungen zur Verbesserung der Luftqualität.

Hohe Luftverschmutzung in Afrika

Aber Organisationen warnen: Die Messkapazitäten hinken der raschen Urbanisierung in Afrika hinterher. Der Kontinent ist in Studien unterrepräsentiert, weil Daten unzureichend oder gar nicht erhoben werden. So steht es auch im World Air Quality Report des Schweizer Technologie-Unternehmens IQAir, das sich auf den Schutz vor Luftschadstoffen, die Entwicklung von Produkten zur Luftqualitätsüberwachung und Luftreinigung spezialisiert hat.

In den Bericht fließen Daten von Messstationen in 134 Ländern und Gebieten aus dem Jahr 2023 weltweit. Allerdings: 34 Prozent der afrikanischen Bevölkerung sei gar nicht im Bericht vertreten, da es an öffentlich zugänglichen Daten zur Luftqualität mangelt, sagen die Autoren. Aus diesem Grund seien beispielsweise Länder wie Tschad und Sudan nicht Teil des aktuellen Berichts.

Der Bericht bezieht sich auf die sogenannten PM2,5-Werte. Das sind Feinstaubpartikel, die im Durchmesser nicht größer als 2,5 Mikrometer sind. Das entspricht ungefähr der Dicke von Spinnweben. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass von diesen Partikeln im Jahr durchschnittlich nicht mehr als 5 Mikrogramm je Kubikmeter in der Luft vorhanden sein sollten. 

Ägypten Kairo | Luftverschmutzung | Morgenansicht von Kairo mit Smog: Über dem Häusermeer von Kairo hängt grauer Dunst
Smog über Kairo: Ägypten zählt zu den größten Luftverschmutzern in Afrika laut Greenpeace Internationalnull imageBROKER/dpa/picture alliance

Die schmutzigsten Städte in Afrika, die in dem Bericht berücksichtigt wurden, überschreiten diesen Wert um das Acht- bis Elffache. Dazu gehören die Hauptstädte Kinshasa (Demokratische Republik Kongo), Kairo (Ägypten), Abuja (Nigeria) und Ouagadougou (Burkina Faso). Die Top-Plätze nehmen zwei Städte in Südafrika ein: Bloemfontein und die Kohlebergbau-Stadt Benoni. 

Vorzeitige Todesfälle

In punko Krankheiten durch Luftverschmutzung sind Ägypten, Nigeria und Südafrika die am stärksten verschmutzten Länder Afrikas. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace, die Ende März ihren Bericht zu den hauptsächlichen Luftverschmutzern in Afrika veröffentlichte. Untersucht wurden die wichtigsten Industrie- und Wirtschaftssektoren, einschließlich der Industrie für fossile Brennstoffe.

Daten von Satelliten und sogar Kraftstoffverkäufen in den einzelnen Ländern ermöglichten es, die Emissionsquellen zu untersuchen. "Wir haben herausgefunden, dass Satelliten, die die Luftverschmutzung überwachen, regelmäßig Emissionsschwerpunkte finden, die mit Wärmekraftwerken, Zementwerken, Metallhütten, Industriegebieten und städtischen Gebieten übereinstimmen", sagt Cynthia Moyo, Klima-und Energie-Kampagnenleiterin bei Greenpeace Africa in Johannesburg zur DW. "Sechs der zehn größten Stickstoffdioxid-Emissions-Hotspots der Welt und zwei der zehn größten Schwefeldioxid-Emissions-Hotspots befinden sich hier in Südafrika", betont Moyo.

Südafrika Kohlekraftwerk Lethabo: Kühltürme eines Kohlekraftkwerkes im Abendlicht, Rauchschwaden steigen aus den Türmen
Kohlekraftwerk Lethabo in Südafrika: Das Land nutzt hauptsächliche fossile Brennstoffe zur Energiegewinnungnull Themba Hadebe/dpa/AP/picture alliance

Gebiete wie Mpumalanga im Osten des Landes, wo die Kohleverbrennung zur Stromerzeugung ein wichtiger Wirtschaftszweig ist, stechen laut Moyo besonders hervor. Eskom, ein öffentliches Versorgungsunternehmen, dessen einziger Anteilseigner die südafrikanische Regierung ist, betreibt laut Greenpeace viele der umweltschädlichsten Kraftwerke Südafrikas.

Alarmierend findet Moyo, dass keine der Schlussfolgerungen zu den Schadstoffbelastungen in Afrika neu ist: Die Luftverschmutzungskrise in Afrika ist gut dokumentiert, sagt sie. Doch es fehle an Investitionen in saubere Energie. "Wenn die Menschen über Daten verfügen, haben sie eine Stimme, um Veränderungen zu fordern. Wir brauchen eine angemessene Umweltüberwachung, um unsere Regierung und die Verursacher von Umweltverschmutzung zur Rechenschaft zu ziehen."

Versteckte Umweltkosten beim Sandabbau

Schwere Winterstürme trafen besonders im Dezember 2023 auch die deutsche Nordseeküste. Auf den beliebten Inseln wurden dabei viele schützende Sanddünen und Badestrände weggespült.

Die Küsten von Sylt, Borkum oder Norderney ziehen jährlich Millionen von Touristen an und sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Darum sollen sie noch vor den Sommerferien wieder aufgeschüttet werden - ein umfangreicher und teurer Prozess.

Die niedersächsische Landesregierung, in deren Zuständigkeitsbereich Borkum und Norderney liegen, will dafür bis zu 700.000 Euro bereitstellen. Bei der sogenannten Strandaufspülung werden neue Langen Sand auf den abgetragenen Strand aufgebracht. 

Schadet die Wiederherstellung der Strände der Umwelt?

Der neue Sand für die Nordseestrände wird meist nicht weit transportiert. In den vergangenen Jahren kam er zum Beispiel von benachbarten Inseln oder aus dem Meer vor den Inseln. So wurden auf der Insel Sylt in den letzten 40 Jahren die Strände regelmäßig mit Sand aus dem Meeresboden aufgefüllt.

Baggerschiffe saugen dabei etwa acht Kilometer vor der Küste ein Gemisch aus Sand und Wasser vom Meeresboden auf. Dann wird dieser Sand am Strand und in vorgelagerten Riffzonen abgeladen. Das verringert die Kraft der ankommenden Wellen. 

Diese Methode ist zwar besser als die Verwendung von Sand, der vom anderen Ende der Welt herbeigeschafft wird. Doch die Entnahme vom Meeresboden hat negative Folgen für die Ökosysteme von Küsten und Flüssen: Sie kann die Unterwasserwelt zerstören und die Aufschüttung kann Nistplätze von Vögeln und anderen Tieren beeinträchtigen.

Zudem könnten Küstenerosion und Erdrutsche - die aufgrund des Klimawandels bereits jetzt schon zunehmen - auf lange Sicht noch wahrscheinlicher werden.

Wenn Sand vom Meeresboden abgetragen wird, rutscht Sand vom Ufer nach, um die Lücke zu füllen, die durch das Abtragen entsteht. Dadurch verschiebt sich der Strand weiter. Zudem ist das Aufschütten von Sand nie von Dauer, denn Wind und Wellen wirken weiter. Schon bald wird der aufgeschüttete Strand wieder weggeschwemmt und neuer Sand wird benötigt.

Um Umweltauswirkungen von Saugbaggern zu vermeiden, kann stattdessen weiter entfernt Sand aus abtransportiert und am Strand angeschüttet werden.

Städte wie Manila auf den Philippinen und Miami in den USA bauen Sand an Land ab oder baggern ihn aus Steinbrüchen, Flüssen und Seen. Dabei ist es laut Experten wichtig, Sand zu verwenden, der in seiner Zusammensetzung dem Strand entspricht, an dem er verwendet werden soll. Nur so können mögliche Verunreinigungen vermieden und Tiere und Pflanzen geschützt werden, die sich an einen bestimmten Sandtypus angepasst haben.

Ein Bagger arbeitet an einem Strand, wo ein Berg ünstlicher weißer Sand aufgeschüttet wurde. Im Hintergrund sieht man das Meer mit Schiffen. Manila Baywalk Area
In Manila (Philippinen) werden Strände mit zerkleinertem Dolomitstein aus einer Mine im Landesinneren wieder aufgefüllt null Joel Mataro/Pacific Press/picture alliance

Warum ist Sand eine so wichtige Ressource?

Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP, ist Sand nach Wasser die am zweithäufigsten genutzte Ressource auf der Erde. Er wird nicht nur für die Wiederherstellung von Stränden benötigt. So ist Sand besonders im Bausektor sehr wichtig. Regulärer Sand -  eine natürliche Mischung aus zerkleinertem Gestein, Mineralien und anderem organischen Material - wird dort vor allem für die Herstellung von Glas und Beton gebraucht.

In großen Metropolen wie Singapur und den chinesischen Städten Hongkong und Schanghai, wo Platz knapp ist, wird Sand auch zur Aufschüttung neuer Flächen verwendet.

Ganz anders wird Sand aus Siliziumdioxid verwendet. Daraus wird Silizium hergestellt, ein wichtigen Bestandteil von Schaltkreisen und Mikrochips.

Deutschland importiert jedes Jahr viele Schiffsladungen Sand. Im Jahr 2022 waren es laut dem Portal Statista rund 1,55 Millionen Tonnen - regulärer Sand und Spezialsand. Damit gehört Deutschland zu den zehn größten Sandimporteuren der Welt, zusammen mit den Vereinigten Staaten, Belgien, den Niederlanden, Kanada und China an der Spitze.

Bauarbeiter mit Schutzhelmen laufen über ein Baustelle, im Hintergrund stehen große Kräne auf der Baustelle der Fengtai Railway Station, Beijing in China
Ohne Sand kein Beton: Der weltweite Bauboom steigert die Nachfragenull Wang Yuguo/Xinhua News Agency/picture alliance

Gibt es Alternativen zu Sand?

Zwar gibt es auf unserer Erde riesige Sandwüsten wie die Sahara, die etwa neun Millionen Quadratkilometer groß ist. Doch ein Großteil des Wüstensandes ist für die Bauindustrie unbrauchbar. Denn der Wüstensand wird vom Wind zu winzigen Kugeln geglättet und ist damit nicht nutzbar zum Binden von Beton. Nur ungeschliffene, kantige Sandpartikel, wie etwa vom Grund von Flüssen, Seen und dem Meer eignen sich gut für Beton und andere Produkte.

Durch die wachsende Urbanisierung und Digitalisierung steigt die Nachfrage nach Sand weiter. Der weltweite Sandabbau hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht, und liegt nun nach UN-Angaben bei über 50 Milliarden Tonnen pro Jahr.

Die USA sind bei weitem der größte Exporteur und verschifften 2022 fast 6,3 Milliarden Tonnen Sand. Dies entspricht etwa 31,5 Prozent der weltweiten Ausfuhren. Aus Europa exportieren die Niederlande (12,4 Prozent), Deutschland (8,2 Prozent) und Belgien (5,9 Prozent) viel Sand.

Die gestiegene Nachfrage führt zu immer mehr illegalem Sandabbau in Ländern wie Indien, Vietnam und China , wo Umwelt- und Arbeitsgesetze oft nicht eingehalten werden. 

Was tun gegen Umweltschäden durch immer mehr Sandabbau? 

Aber selbst in genehmigten Minen in Exportländern wie den USA, Malaysia, Kanada oder den Staaten Europas kann der Abbau von Sand die Artenvielfalt beeinträchtigen und den Grundwasserspiegel stören. Außerdem kann er Erosion verstärken, Küstenland zerstören und es anfälliger für Wetterextreme machen. Zudem verschmutzt der Abbau von Sand die Gewässer und sein Transport verursacht CO2.

Doch es gibt Alternativen zum Sandabbau. So kann zum Beispiel Glas  recycelt und in winzige Partikel zermahlen werden. Der dabei entstehende Sand kann im Bausektor und zur Wiederauffüllung von Stränden verwendet werden.

Auch Flugasche - also die winzigen Asche-, Staub- und Rußpartikel, die bei der Verbrennung von Brennstoffen entstehen - kann als primäres Bindemittel für Beton verwendet werden und den Sandbedarf dabei ersetzen.

Die UN empfiehlen, Sand auf möglichst sozial- und umweltverträgliche Weise abzubauen und zu transportieren. Geschädigte Ökosysteme sollten mit "naturbasierten Lösungen" wiederhergestellt werden.

Redaktion: Jennifer Collins.

Adaption aus dem Englischen: Gero Rueter

Der Welt geht der Sand aus

 

Was sind Biopestizide?

Seit den Anfängen der Landwirtschaft kämpfen Landwirtinnen und Landwirte gegen Schädlinge, um ihre Pflanzen zu schützen. Im alten Persien (dem heutigen Iran) wurde aus getrockneten Blüten von Chrysanthemen das natürliche Insektizid Pyrethrum hergestellt. Es schützte Nutzpflanzen vor Insekten - und wurde später auch gegen Haarläuse eingesetzt.

Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte man in den großen Monokulturen in der Landwirtschaft auf Chemikalien, um Schädlinge von Obst, Getreide und Gemüse fernzuhalten. Sie enthielten Stoffe wie Arsen, Schwefel oder Kupfer.

Die chemischen Pestizide haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Ökosysteme und die menschliche Gesundheit. Deshalb sind sie in einigen Ländern verboten. In der EU wird beispielsweise seit langem über ein Verbot von Glyphosat gestritten. Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel bedroht die Artenvielfalt und steht im Verdacht krebserregend zu sein. Bisher ist es aber noch nicht in der EU verboten. Doch: Was ist die Alternative zu chemischen Pestiziden?

Böden im Burnout

Wie werden Biopestizide hergestellt?

Biopestizide werden derzeit weltweit immer beliebter. So schützen etwa bestimmte Pilzarten vor Krankheitserregern. Andere Biopestizide werden aus pflanzlichen Stoffen hergestellt, wie das Pyrethrum im alten Persien, oder aus ätherischen Ölen, etwa aus denen des Neem-Baums.

Dieser Baum ist in Indien weit verbreitet und enthält eine Reihe von Limonoiden. Diese Stoffe kommen häufig in Zitruspflanzen vor. Als ätherisches Öl angewendet, helfen sie Insekten abzuwehren. Sie wirken etwa bei der Bekämpfung von Heuschrecken und halten diese davon ab, große Schwärme zu bilden und über Pflanzen herzufallen.

Ätherisches Öl aus Rosmarin hat sich vor allem als gutes Abwehrmittel gegen Blattläuse erwiesen, die verschiedene Getreide- und Gemüsesorten befallen.

Ein Heuschreckenschwarm über einem Feld in Otuke, Uganda
Heuschreckenplagen wie hier in Uganda können die gesamte Ernte zerstören - können Biopestizide sie stoppen? null Sumy Sadurni/AFP/Getty Images

Wie wirken natürliche Pestizide?

Eine im Dezember 2023 veröffentlichte Studie aus Australien zeigt, wie blaugrüne Blattläuse gegen chemische Insektizide resistent werden - und das sei ein weltweiter Trend, so die Forschenden.

Um diese Resistenz zu brechen, empfehlen die Autorinnen und Autoren nicht-chemische Alternativen zur Schädlingsbekämpfung, darunter die Förderung "natürlicher Feinde" wie Marienkäfer und bestimmte Wespenarten. Eine weitere Option seien neuartige Bakterien, mit denen sich Krankheiten erfolgreich bekämpfen ließen, die von Mücken übertragen werden, heißt es weiter. Statt sich auf universell wirkende chemische Pestizide zu verlassen, sollten regional angepasste Lösungen zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden, raten die Forschenden.

In Brasilien, dem größten Exporteur von Sojabohnen, versucht man mit Hilfe organischer Pilze und Bakterien natürliche Pestizide zu entwickeln. Die Anwendung dieser natürlichen Mikroorganismen lassen die Sojapflanzen gut gedeihen und machen sie resistent gegen Schädlinge und Krankheiten.

Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ist Brasilien auch ein wichtiger Exporteur von Mais und Baumwolle - und der größte Verbraucher von chemischen Pestiziden.

Doch obwohl der Einsatz chemischer Insektizide in Brasilien weiter ansteigt, hat sich der Umsatz mit Biopestiziden in dem Land mehr als verdoppelt: von vier Prozent am Gesamtumsatz mit Pestiziden im Jahr 2020 auf neun Prozent in 2022.

Welche Vorteile haben Biopestizide?

Sogenannte mikrobielle Pestizide, die aus Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilzen bestehen, können nach Angaben der US-Umweltschutzbehörde (EPA) eine Vielzahl von Schädlingen bekämpfen. Die mikrobiellen Pestizide, die am häufigsten verwendet werden, kommen von Stämmen des Bakteriums Bacillus thuringiensis. Dieses Bakterium produziert eine Mischung von Proteinen, die mehrere verwandte Arten von Insektenlarven abtöten können.

Solche Biopestizide sind nicht nur weniger giftig als herkömmliche Pestizide, sie haben auch nur begrenzte Auswirkungen auf den "Zielschädling und eng verwandte Organismen", so die EPA. Im Gegensatz dazu können sich konventionelle Pestizide auf eine Vielzahl von ganz verschiedenen Organismen wie Vögel, Insekten und Säugetiere auswirken.

Biopestizide sind laut EPA auch in sehr kleinen Mengen wirksam. Außerdem zersetzen sie sich schnell. Das reduziert die Umweltbelastung.

Mit Biopestiziden lassen sich hohe Ernteerträge erwirtschaften. Allerdings könnte sich der menschengemachte Klimawandel auf den Erfolg der Ernte auswirken. Denn die Veränderungen des Klimas und der steigende Gehalt an Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre könnten die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Schädlingen verändern.

Redaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Können wir das Artensterben aufhalten?

Entsalzung: Die Lösung für Wassermangel weltweit?

Schon seit mehr als 2000 Jahren sind Methoden bekannt, um Trinkwasser aus Salzwasser zu gewinnen. Griechische Seefahrer in der Antike kochten dafür Meerwasser, und im alten Rom wurde es durch Tonröhren gefiltert, um es trinkbar zu machen.

Moderne Formen dieser antiken Technologien sind heute die "Gegenwart und Zukunft der Bewältigung von Wasserknappheit", so Manzoor Qadir, stellvertretender Direktor am Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU). 

Salzwasser überall, aber kein Trinkwasser

Rund 70 Prozent der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt, doch von diesen mehr als 1,4 Trilliarden Litern sind nicht mal drei Prozent Süßwasser, und weniger als ein Prozent ist als Trinkwasser nutzbar.

Diese Ressourcen werden immer knapper. Denn die Weltbevölkerung wächst, und an vielen Orten gibt es nicht genug Süsswasser. Immer mehr Dürren durch den Klimawandel führen zu Wassermangel in immer mehr Regionen.

Ein Viertel der Menschen lebt schon heute in Ländern mit "extremem Wasserstress". Das bedeutet, dass dort jedes Jahr mindestens 80 Prozent des gesamten verfügbaren Wassers verbraucht wird. Das erhöht die Gefahr von Wassermangel, und zwingt Regierungen zeitweise dazu, die Versorgung stark einzuschränken.

Bis 2050 könnte eine zusätzliche Milliarde Menschen unter extremem Wasserstress leiden, und das sogar, wenn die globale Erwärmung begrenzt werden kann. Das zeigen selbst optimistische Klimaszenarien.

Entsalzung ist eine wachsende Industrie

Trotz der Kritik an Kosten, dem hohen Energieverbrauch und den Umweltauswirkungen ist Entsalzung daher eine boomende Branche. In den letzten beiden Jahrzehnten ist sie stetig gewachsen.

"Die zunehmende Wasserknappheit treibt diese Entwicklung", sagt Qadir. "Es werden immer mehr Entsalzungsanlagen gebaut."

Moderne Entsalzungsanlagen entfernen Salz entweder durch thermische Destillation, bei der Meerwasser erhitzt und der Wasserdampf aufgefangen wird. Oder sie arbeiten mit der sogenannten Umkehrosmose, bei der das Wasser durch halbdurchlässige Filter-Membrane gepresst wird.

Zwar können auch alternative Methoden der Süßgewinnung eine wichtige Rolle spielen, so Qadir, darunter etwa die künstliche Erzeugung von Regen durch Wolkenimpfung, die Gewinnung von Wasser aus Nebel, der Transport von Eisbergen in Trockengebiete oder die Wiederaufbereitung von Wasser. Doch mit diesen Methoden könnte lange nicht genug Wasser gewonnen werden, um den weltweiten Bedarf zu decken.

Derzeit werden täglich 56 Milliarden Liter Trinkwasser durch Entsalzung produziert. Das entspricht umgerechnet etwa sieben Liter für jeden der rund acht Milliarden Menschen auf der Erde.

Von den schätzungsweise 16.000 Entsalzungs-Anlagen weltweit werden etwa 39 Prozent im Nahen Osten betrieben. Neben Nordafrika ist dies die wasserärmste Region der Welt.

Eine Zukunft ohne Entsalzungsanlagen wäre für viele der Länder "fast unmöglich", erläutert Qadir. Denn es gibt dort nur sehr geringe Niederschläge.

Weltweit wird insgesamt nur etwa ein halbes Prozent des gesamten Süßwasserverbrauchs aus Entsalzungsanalgen gedeckt. In Ländern wie Katar (76 Prozent) und Bahrain (56 Prozent) ist dieser Anteil jedoch sehr viel höher.

Zunehmend energieeffiziente Techniken

Entsalzungsanalgen verbrauchen viel Energie. Bisher werden sie meist mit fossilen Brennstoffen wie Öl oder Kohle betrieben und sind entsprechend klimaschädlich.

Auf der trockenen Mittelmeerinsel Zypern wird etwa 80 Prozent der Trinkwasser durch Entsalzung gewonnen. Eine Studie aus dem Jahr 2021 ergab, dass die vier Entsalzungsanlagen dafür insgesamt fünf Prozent des gesamten Stroms verbrauchen, und für etwa zwei Prozent der Treibhausgasemissionen der Insel verantwortlich sind. 

Die Steigerung der Energieeffizienz ist einer der Faktoren, die das Wachstum der Branche vorantreiben, erklärte Hugo Birch, Redakteur für Entsalzung und Wasserwiederverwendung bei Global Water Intelligence, einer Informationsplattform der Entsalzungsindustrie.

Die meisten neuen Entsalzungsanlagen arbeiten mit Umkehrosmose statt mit thermischen Verfahren, was wesentlich energieeffizienter ist, so Birch. Die Umstellung könne die Stromkosten halbieren.

Einer Schätzung zufolge ist der Energiebedarf für die Umkehrosmose-Entsalzung zwischen 1970 und 2020 um fast 90 Prozent gesunken. Einige Prognosen nehmen an, dass die Kosten für Entsalzung durch technologische Fortschritte in den nächsten 20 Jahren um weitere 60 Prozent sinken werden.

Ärmere Länder können sich teure Entsalzungsanlagen nicht leisten

Die Kosten für die Herstellung von entsalztem Wasser sind erheblich gesunken - auf heute etwa 0,50 Dollar pro Kubikmeter. Doch das "ist immer noch ein Geschäft der reichen Länder", so Qadir. "Das Hauptproblem bleibt: Für Länder mit niedrigem Einkommen ist es immer noch nicht bezahlbar."

Über 90 Prozent der Entsalzung findet bisher in Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen statt. Dabei werden bis 2050 laut Prognosen besonders ärmere Länder, wie etwa afrikanische Länder südlich der Sahara, zu "Hotspots" der Wasserknappheit.

Zwar werden auch kleinere solar- oder windbetriebene und vom Stromnetz unabhängige Entsalzungsanlagen entwickelt. Doch Qadir glaubt nicht, dass diese auch die marginalisierten Siedlungen und Gemeinden erreichen, die sie am dringendsten benötigen.

Sole-Abfälle bedrohen Ökosysteme im Meer

Eines der größten Umweltprobleme bei der Entsalzung ist die Einleitung der dabei enstehenden Salzlauge in die Umwelt. Das kann zu einer "Verschmutzung der Meere, des Grundwassers und der Versalzung des Bodens führen", erklärt Argyris Panagopoulos, Chemieingenieur an der Nationalen Technischen Universität Athen.

Etwa 70 Prozent der weltweiten Soleabfälle entstehen dabei im Nahen Osten. Laut Birch ist der Hauptgrund dafür, dass die Entsalzungsanlagen dort meist das sehr salzhaltige Meerwasser verwenden. In anderen Regionen, etwa in den USA wird dagegen oft weniger salzhaltiges Brackwasser verwendet.  

Birch ergänzt, dass die Anlagen in der Regel über einen eingebauten Mechanismus verfügen, der die Abfälle verteilt, damit die Sole nicht an einer Stelle konzentriert wird. 

Inzwischen werden auch neue Technologien zur Aufbereitung von Sole entwickelt. Panagopoulos erklärt, dass sie dazu beitragen können, die Verschmutzung durch Entsalzungsanlagen zu verringern und wertvolle Materialien wie Mineralien, Salze und Metalle zurückzugewinnen.

Eine nachhaltige Zukunft für die Entsalzung?

Aber es gibt noch Raum für Verbesserungen, etwa  beim Umgang mit der Salzlake und der Umstellung auf erneuerbare Energien, so der Ingenieur. "Die Entsalzung hat in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht, aber es gibt noch einige Herausforderungen zu bewältigen, bevor sie tatsächlich umweltverträglich ist", sagt der Chemieingenieur.

Bagladesch: Eine Frau holt an einer Trinkwasserstation Trinkwasser. Das Wasser fließt nach der Identifikation mit einer Chipkarte
Kostbares Gut: Trinkwasserstation in Bangladesch. Aus dem Hahn kommt das Wasser aus einer Entsalzungsanlage null Mahmud Hossain Opu/AP/picture alliance

Doch in jedem Fall wird die Entsalzung eine entscheidende Rolle dabei spielen, die künftige Wasserknappheit zu bewältigen, davon is Manzoor Qadir von der UNU überzeugt. "Unabhängig davon, ob es regnet oder ob es eine Dürre gibt, es gibt Meerwasser. Das ist das Beste an der Entsalzung".

Redaktion: Jennifer Collins. Adaption: Gero Rueter

Daten und Methodik hinter dieser Analyse finden Sie auf Github.

Mehr datenjournalistische Geschichte der DW finden Sie hier.

Quellen:

Environmental impacts of desalination and brine treatment - Challenges and mitigation measures, Marine Pollution Bulletin, Dezember 2020: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0025326X20308912 

Freshwater availability status across countries for human and ecosystem needs, Science of The Total Environment, Oktober 2021: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0048969721033015?via=ihub 

What Is Desalination? How is it Done?, Princeton, 2022: https://psci.princeton.edu/tips/2022/7/8/desalination-research 

Was ist eigentlich ein Passivhaus?

Wenn wir nicht in tropischen Regionen wohnen, müssen wir unsere Häuser, Werkstätten und Büros heizen. Und das passiert meistens immer noch mit fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl. In Deutschland etwa wird fast 80 Prozent der Wärme so erzeugt. Doch dabei entstehen viele Treibhausgase, die den Klimawandel antreiben. 40 Prozent aller CO2-Emissionen kamen 2023 aus dem Gebäudesektor. Wie wäre es also, wenn wir unsere Häuser fast gar nicht heizen müssten und es trotzdem warm hätten? Genau das ist in einem Passivhaus möglich.

Was ist die Idee hinter dem Passivhaus?

Ein Passivhaus heißt so, weil fast keine externe Energie zum Heizen benötigt. Das Haus erwärmt sich quasi selbst - also passiv - und behält diese Wärme. Dabei wird die Wärme genutzt, die sowieso anfällt. So entsteht etwa Wärme beim Kochen oder Duschen, auch elektrische Geräte und die Körper der Bewohner produzieren Wärme.

Viel Wärme kommt außerdem mit der Sonneneinstrahlung durch die Fenster. Passivhäuser sind so gebaut, dass all diese Wärme im Haus bleibt. Je weniger zusätzlich geheizt werden muss, desto weniger Treibhausgase entstehen. Und desto weniger Geld muss man für das Heizen ausgeben.

Wie viel Heizenergie spart ein Passivhaus ein?

Ein Passivhaus verbraucht etwa 90 Prozent weniger Heizwärme als ein durchschnittlicher Altbau und 75 Prozent weniger im Vergleich zu einem Neubau.

Das erste Passivhaus Deutschlands in Darmstadt im Winter
Das erste Passivhaus weltweit würde übrigens in Deutschland gebaut: in den Jahren 1990/91 in Darmstadt-Kranichstein - und funktioniert bis heutenull GFDL/Passivhaus Institut

In der Regel benötigt ein Passivhaus für die Heizung im Jahr nicht mehr als 1,5 Liter Öl oder 1,5 Kubikmeter Erdgas pro Quadratmeter Wohnfläche. Das entspricht 15 Kilowattstunden (kWh). Bei herkömmlichen Gebäuden ist es zehnmal so viel für die Heizung , im Schnitt etwa 150 kWh pro Quadratmeter.

Anders ausgedrückt: Um ein 30-Quadratmeter-Zimmer in einem Passivhaus auch bei richtig kalten Wintertemperaturen zu heizen, braucht man nur zehn Teelichter oder insgesamt vier Personen, die sich gleichzeitig in diesem Zimmer aufzuhalten.

Wie genau funktioniert ein Passivhaus?

Damit ein Passivhaus keine Wärme verliert, ist es von einer dicken Wärmedämmung umgeben. Sie schützt die Außenwände vor Kälte, aber auch vor Hitze im Sommer. Die Fenster sind dreifach verglast und dadurch besonders isolierend. 

Bei neugebauten Passivhäusern sind die großen Fensterflächen in der Regel nach Süden ausgerichtet. So kommt mehr Sonnenwärme ins Innere, als die Fenster an Wärme abgeben. Selbst im Winter sinkt die Temperatur auf der Innenseite der Fensterflächen in der Regel nicht unter 17 Grad. Im Sommer verhindert ein außen liegender Sonnenschutz an den Fenstern, dass die Sonneneinstrahlung das Gebäude zu stark aufwärmt.

Neben dieser wärmedämmenden Isolierschicht muss das gesamte Innenhaus von einer weiteren luftdichten Hülle umschlossen sein. Sie verhindert, dass kalte Luft durch Fugen oder Ritzen nach innen gelangt, und die warme Luft des Hauses nach außen entweicht. An den Türen oder Fenstern übernehmen wärmeisolierende Rahmen diese Funktion.

Ganz vereinfacht gesagt: Die besonders starke Dämmung und Luftdichtheit funktionieren wie eine Thermoskanne, die eine heiße Flüssigkeit warmhält.

Neben der Isolierung ist eine gute Lüftungsanlage für ein Passivhaus unverzichtbar. Zum einen muss frische Luft ins Haus gelangen, da es ja luftdicht gebaut ist. Doch wenn man Fenster öffnet, würde im Winter zu viel Wärme nach außen entweichen. Deswegen zieht eine Lüftungsanlage Frischluft von außen ins Innere. Dabei können Schadstoffe wie Rußpartikel oder Pollen direkt ausgefiltert werden. 

Diese Außenluft wird durch einen sogenannten Luft-Wärmeübertrager geschickt. Dorthin wird gleichzeitig die verbrauchte Luft aus dem Haus geleitet, vor allem aus Räumen wie Bad oder Küche, wo besonders viel Wärme entsteht. Die warme Hausluft erwärmt die kühle Außenluft und wird dann als Abluft nach außen geleitet. Die Frischluft von außen ist nun warm und wird ins Haus geleitet.

Im Sommer kann die Lüftungsanlage so eingestellt werden, dass warme Frischluft durch die Luft von innen abgekühlt wird. Zudem ist es dann sinnvoll - wie bei  anderen Häusern auch - nachts die Fenster zum Durchzug zu öffnen, um kühle Nachtluft ins Haus zu lassen.

Welche Passivhäuser gibt und wo stehen sie überall?

Sowohl Ein- als auch als Mehrfamilienhäuser können als Passivhäuser gebaut werden. Besonders nachhaltig sind Mehrfamilienhäuser, weil so weniger Fläche pro Wohneinheit verbraucht wird. Auch Bürogebäude, Schulen, Kirchen oder Verwaltungsgebäude werden weltweit immer öfter als Passivhäuser gebaut.

Gerade für Gebäude an vielbefahrenen Straßen ist dabei das "Lüften ohne Lüften" von Vorteil, weil die Schadstoffe gefiltert werden und kein Straßenlärm über geöffnete Fenster eindringt.

Luftaufnahme des Heidelberger Stadtteil "Bahnstadt" im März 2022
Der neue Stadtteil "Bahnstadt" im deutschen Heidelberg wurde komplett in Passivbauweise gebaut und soll bei der geplanten Fertigstellung 2027 die größte Passivhaussiedlung der Welt seinnull Daniel Kubirski/picture alliance

Wie andere Häuser können auch Passivhäuser eigene erneuerbare Energie erzeugen, vor allem durch Solaranlagen. Auch Geothermie-Anlagen lassen sich einbauen. Mit der Erdwärme kann der Restbedarf an Heizenwärme ebenso erzeugt werden wie warmes Wasser zum Duschen.

Passivhäuser, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen, werden in Deutschland als Passivhaus Plus bezeichnet. Bei besonders viel Energieüberschuss werden sie Passivhaus Premium genannt.

Im Prinzip lassen sich auch Altbauhäuser zum Passivhaus umwandeln. Allerdings sind Aufwand und Kosten für einen Komplettumbau sehr hoch. Doch für eine Wärme-Sanierung können viele Komponenten der Passivbauweise auch bei Altbauten verwendet werden.

Was ist eine Schwammstadt und wie funktioniert sie?

Sankt Kjelds Plads ist einer der meistbefahrenen Kreisverkehre im Osten Kopenhagens. Doch von Abgasen gibt es hier keine Spur und statt Motorenlärm hört man Meisen singen.

Der Kreisel voller Büsche und Bäume ist Teil eines großangelegten Experiments. Öffentliche Orte in der dänischen Hauptstadt werden neu gestaltet. Sie sollen zu neuen Treffpunkten für Bürgerinnen und Bürger werden, die Lebensqualität in Kopenhagen erhöhen und neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen. Gleichzeitig hilft das Konzept, Überflutungen in der Stadt zu verhindern. 

Ausschlaggebend für diesen Wandel war ein Starkregen vom 2. Juli 2011, der als "Jahrtausendregen" galt. Damals wurden viele Straßen und Häuser überflutet. Das Wasser stand tagelang in der Stadt, tote Ratten trieben durch die Straßen.

Spätere Untersuchungen zeigten, dass sich etwa ein Viertel der Hilfskräfte durch die Aufräumarbeiten mit Krankheiten wie etwa Leptospirose infiziert hatte. Ein Mensch starb sogar.

Blick auf die Hafenpromenade in Kopenhagen
Die Hafenstadt Kopenhagen will ihre Infrastruktur klimasicher machennull Steffen Trumpf/dpa/picture alliance

In den folgenden sieben Jahren trat vermehrt Starkregen auf. Es gab vier Fälle von Platzregen, der normalerweise nur alle 100 Jahre vorkommt. Der Schaden für die Stadt lag bei mindestens 800 Millionen Euro. Das veranlasste die dänischen Politikerinnen und Politiker dazu, die Hauptstadt an die veränderten Wettermuster anzupassen. 

Umgestaltung zur Schwammstadt 

Im vergangenen Jahrhundert lag der Fokus der Stadtentwicklung darauf, Orte wie Kopenhagen zu "Maschinen-Städten" zu machen. Diese Städte waren schnell zu errichten, konnten effizient Wohnraum zur Verfügung stellen und waren auf Industrie und Wirtschaft ausgelegt. Doch die Stadtarchitektur störte häufig den Wasserkreislauf, vor allem dann, wenn für die Stadtplanung Flüsse begradigt oder Überschwemmungsgebiete überbaut wurden.

Wenn Asphalt und Beton Orte bedecken, an denen vorher Erde und Gras waren, kann das Wasser dort nicht mehr versickern. Oft führt dies in der Folge zu Überflutungen. Städte aus aller Welt untersuchen nun, wie sich diese Stadtplanung umkehren lässt. Ein Ansatz, der bereits umgesetzt wird, ist die Umwandlung einer Stadt in eine sogenannte Schwammstadt.

Wie sich Kopenhagen vor Hochwasser schützt

Anders ausgedrückt: Infrastruktur und Plätze werden so umgebaut, dass sie wie eine Art Schwamm funktionieren: Sie sollen Wasser aufnehmen, halten und wieder abgeben können, damit es in den Wasserzyklus zurückkehrt.

Mit mehr als 60 Städten ist China Vorreiter bei der Umwandlung zu Schwammstädten. Dort gibt es unter anderem Städte mit grünen Felsenriffen oder Regengärten zu Speicherung von Wasser. Jan Rasmussen, Leiter des Kopenhagener "Cloudburst Master Plan" sah darin Potential für Dänemark.

"Unsere Politik hat entschieden, dass wir das Wasser sehr schnell aus der Stadt raus bekommen müssen", erzählt Rasmussen. "Man fragte uns, ob wir das auf eine clevere Art machen können, ob wir das Abwassersystem erweitern können und ob wir für Regen auf der Oberfläche vorbereitet sind."

Wie Städte Regenwasser sammeln können

Rasmussens und sein Team schauten sich Schwammstadt-Projekte auf der ganzen Welt an. Ihr Konzept sieht nun die Umwandlung von 250 öffentlichen Orten vor, um Überflutungswasser umzuleiten und zu speichern. Dazu gehören Parks, Spielplätze - und der Sankt Kjelds Plads Kreisverkehr.

Künstlerische Darstellung von Flutbecken System in Kopenhagen
Diese Orte sollen für alle nutzbar sein und wenn nötig Regenwasser abfangennull Tredje Natur

Ein Dutzend Teiche um den Kreisel soll überflüssiges Regenwasser auffangen. Öffnungen an den Seiten von tiefgelegenen Straßen dienen dazu, das Wasser in ein Tunnelnetzwerk zu leiten, das 20 Meter unter der Oberfläche liegt.

Wenn es "normal" regnet, fließt das Regenwasser durch das Abflusssystem bis zum Hafen. Bei Starkregen wird ein Pumpwerk aktiv und transportiert das Wasser aus den Tunneln schneller ins Meer. So wird mehr Platz für neues Regenwasser geschaffen, die Straßen werden nicht überflutet. Dieses neue System soll 2026 in Betrieb gehen.

Künstlerische Darstellung von Flutbecken System in Kopenhagen
So sieht es nach einem plötzlichen Starkregen ausnull Tredje Natur

"Es wird immer noch Wasser auf den Straßen geben, die werden nicht komplett trocken sein. Aber statt einem Meter [Flutwasser] haben wir dann maximal nur noch 20 Zentimeter", sagt Jes Clauson-Kaas, Ingenieur bei der Wasserwerkabteilung HOFOR, die das Tunnelnetz baut. 

Was kostet die Umwandlung zur Schwammstadt?

Doch es ist gar nicht so einfach, die Bevölkerung von dem Projekt zu überzeugen. Etwa weil die Umwandlung zur Schwammstadt mit einer Steuer auf die Wasserpreise finanziert wird. Auch die Verwandlung von Spielplätzen oder Stadtparks zu temporären Flutzonen begeistert nicht alle.

Laut Clauson-Kaas ist eine flutgewappnete Stadt allerdings auch in finanzieller Hinsicht sinnvoll. "Wir haben [2011] rund eine Milliarde Euro verloren und erwarten einige ähnliche Vorfälle in den kommenden 100 Jahren. Der potentielle Schaden dabei könnte bei vier oder fünf Milliarden Euro liegen. Wenn wir also zwei Milliarden investieren, ergibt es immer noch Sinn", rechnet Clauson-Kaas vor.

Statt in der Zukunft mit potenziellen Schäden umgehen zu müssen, ist Kopenhagen nun finanziell und politisch gut gerüstet für Investitionen in die Schwammstadt-Infrastruktur. Und für andere Städte kann die dänische Hauptstadt ein Beispiel sein, welche Vorteile eine Schwammstadt zu bieten hat. 

Redaktion: Jennifer Collins und Tamsin Walker
Adaption aus dem Englischen: Johan Brockschmidt und Jeannette Cwienk

Fukushima: Japans langer Kampf um die nukleare Reinigung

Vor dreizehn Jahren hat Japan das schwerste Erdbeben seiner Geschichte erlebt. Die daraus resultierende Flutwelle verwüstete ganze Landstriche und führte zur Atomkatastrophe von Fukushima. Zehntausende Einwohner mussten evakuiert werden.

Seitdem müssen die Reaktoren stabilisiert werden. Die Herausforderung besteht darin, die großen Mengen an entwichenem Kernbrennstoff aus den Reaktoren zu bergen, um die Freisetzung weiterer Strahlung zu stoppen. Diese schwierige Aufgabe muss in Gebäuden erledigt werden, in denen die radioaktive Verschmutzung immer noch gefährlich hoch ist. Und sie ist noch nicht erledigt.

Die Tokyo Electric Power Co (TEPCO) als Betreiber des Kraftwerks schätzt, dass die Arbeiten zur Sicherung des Standorts zwischen 30 und 40 Jahre dauern werden. Die jüngsten Berichte über die Fortschritte vor Ort waren jedoch größtenteils negativ.

TEPCO verzögert Tests

Im Januar gab TEPCO bekannt, dass Tests mit einem Roboterarm zur Entfernung von radioaktivem Material aus Reaktor Nr. 2 aufgrund technischer Probleme erneut verschoben werden müssten. Nun soll der ferngesteuerte Roboter im Oktober 2024 in Betrieb genommen werden - drei Jahre nach dem ursprünglichen Zeitplan.

Auch andere Bereiche des Projekts standen vor Herausforderungen: Die ersten Drohnen und ein Roboter, die Anfang des Monats in das Reaktorgebäude Nr. 1 geschickt wurden, wiesen Störungen auf und mussten abgezogen werden. Sie sollten aus dem Reaktor ausgetretene geschmolzene Brennstoffreste lokalisieren und andere Schäden kartieren.

TEPCO behauptet jedoch, es würden stetige Fortschritte erzielt und das 30- bis 40-Jahres-Ziel für die Stilllegung sei weiterhin realisierbar. "Wir kommen mit jeder Aufgabe, die zur Erreichung des Hauptziels erforderlich ist, sicher und stetig voran", erklärt das Unternehmen gegenüber der DW. "Basierend auf der Roadmap und der 'Risikokarte' der Nuklearregulierungsbehörde wurden die Schritte zur Stilllegung, die in den nächsten zehn Jahren unternommen werden sollen, im Aktionsplan für die mittel- und langfristige Stilllegung zusammengestellt. Dieser Plan wird in regelmäßigen Abständen im Hinblick auf den Fortschritt der Stilllegung und das Auftreten neuer Probleme überarbeitet."

Japan I Wissenschaftler testen Fische aus Fukushima nach der Freisetzung von AKW-Wasser
Wissenschaftler testen Fische aus Fukushima nach der Freisetzung von AKW-Wasser, Oktober 2023null Eugene Hoshiko/Pool/REUTERS

Das Unternehmen betont seine Erfolge, darunter die vollständige Entfernung verbrauchter Kernbrennstoffe aus den Einheiten drei und vier auf dem Gelände sowie eine deutliche Reduzierung der Wassermengen, die in die Kammern unterhalb der Reaktoren fließen und dort verstrahlt werden. Zudem erfolge die erfolgreiche Behandlung des radioaktiven Wassers gemäß den Standards der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), bevor es in den Pazifischen Ozean abgegeben werde.

Schwierige Umstände

Tatsächlich sei der bisherige Fortschritt trotz zahlreicher Herausforderungen überwiegend positiv zu bewerten, sagt Vincent Gorgues, der Stabschef des französischen Hochkommissars für Nuklearenergie und derzeit einer von drei internationalen Sonderberatern der Japanischen Gesellschaft für "Schadensausgleich und Stilllegungsförderung im Nuklearbereich". "Nukleare Projekte sind komplex", sagt er der DW. "Und Stilllegungsprojekte sind besonders speziell. Sie weisen einen höheren Schwierigkeitsgrad auf. Da spielen vor allem die Unsicherheiten über den ursprünglichen Zustand der Anlage eine Rolle, sowie der Schwierigkeiten bei der sicheren Verwaltung aller radioaktiven Abfallströme."

Diese Komplexität vervielfache sich am Standort Fukushima, erklärt Gorgues weiter: "Noch heute ist der Zugang zu den Reaktorgebäuden sehr schwierig und erfordert vollständig ferngesteuerte Eingriffsmöglichkeiten". Es sei eine große Herausforderung, Untersuchungen durchzuführen und eine genaue Vorstellung davon zu gewinnen, "was getan werden muss, noch bevor überlegt wird, wie es getan werden soll". Darüber hinaus habe jeder der drei beschädigten Reaktoren seine eigenen spezifischen Herausforderungen. Und es fehle ein Lagerort für den hochradioaktiven Nuklearabfall, der von der Baustelle entfernt werden müsse, betont der Sonderberater.

Die wichtigsten Schritte bestehen nun darin, den gesamten abgebrannten Kernbrennstoff, ob intakt oder ausgelaufen, aus den Reaktorgebäuden eins und zwei zu entfernen und die Brennstoffreste aus den teilweisen Kernschmelzen zu bergen und zu entsorgen. Gorgues plädiert zudem für eine schnellere Freisetzung des behandelten Wassers aus dem Werk, um die Hunderten von Lagertanks abzubauen, die derzeit einen Großteil des Geländes einnehmen. "Dieser Platz wird für neue Einrichtungen zur Abfallbehandlung und Abfalllagerung benötigt".

Fukushima: Wohin mit dem strahlenbelasteten Kühlwasser?

Der Experte relativiert auch Vermutungen, wonach TEPCO den deklarierten Zeitplan für den Stilllegungsprozess wahrscheinlich nicht einhalten könne. Der Zeitplan von drei oder vier Jahrzehnten sei "ein Ziel" und keine Frist: "Das ist kein Wettrennen, sondern ein strukturierter, sorgfältiger, schrittweiser Ansatz, der in jeder Phase Zeit erfordert, um die beste Strategie zu bestimmen und sowohl kurzfristige als auch langfristige Sicherheit zu gewährleisten." Gorgues fügt hinzu, dass die radiologischen Bedingungen "extrem feindlich" seien.

Dieser grobe Zeitrahmen von 30 bis 40 Jahren hab zwei kommunikative Ziele: zu zeigen, dass es lange dauern würde, aber auch zu zeigen, dass die Last nicht über mehrere Generationen weitergegeben werden würde. "In diesem Sinne müssen wir dieses Ziel betrachten."

Angesichts der einzigartigen Herausforderungen, die sich in Fukushima stellen, sei es unausweichlich gewesen, dass sich der Zeitplan für den Betrieb weiterentwickeln würde. "Ich möchte jedoch betonen, dass diese Verzögerungen gering geblieben sind und dass das meiste von dem, was angekündigt wurde, erreicht wurde", sagt Gorgues. "Unter diesen Bedingungen halte ich das, was bereits getan wurde, für eine bemerkenswerte Leistung."

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam vom Hein

Japan: Atomkraftgegner investieren in erneuerbare Energie

Zukunftsjobs: Was macht eigentlich ein Solarteur?

Warum braucht die Solarbranche immer mehr Fachkräfte?

Schon heute arbeiten rund neun Millionen Menschen weltweit in der Solarbranche, 2030 werden es voraussichtlich schon 20 Millionen sein und 2050 könnten es laut Studie 60 Millionen werden.

Denn der Ausbau von Solaranlagen geht immer schneller. 2023 wurden weltweit Solar-Module mit einer Gesamtleistung von 444 Gigawatt (GW) installiert, 2024 kommen dazu laut Prognosen weitere 574 GW. Dafür wird die Branche dieses Jahr schon über 12 Millionen Mitarbeiter beschäftigen.

Und der Bedarf wächst weiter. Experten rechnen damit, dass die Solarenergie bis 2050 die wichtigste Energiequelle weltweit wird.

Welche Jobs entstehen in der Solarbranche?

Neue Jobs gibt es zum einen in der PV-Produktion. Solarzellen und Module werden in modernen Fabriken hergestellt. Dort werden viele Fachkräfte für Entwicklung, Programmierung, Aufbau, Wartung, Logistik und Vertrieb gebraucht. Laut Schätzungen der internationaler Energieagentur für erneuerbaren Energien (IRENA) arbeiteten 2022 rund zwei Millionen Menschen in der Modulproduktion, rund 1,8 Millionen davon in China.

Die meisten Fachkräfte werden jedoch bei der Installation der Anlagen gebraucht. Ausbildungsgänge dafür gibt jedoch bisher wenige, darum sind die meisten Fachleute bisher Quereinsteiger aus anderen Berufen. Besonders gefragt sind Ingenieure, Elektriker, Energie- und Gebäudetechniker oder auch Dachdecker.

Was ist ein Solarteur?

Solarteure montieren die Solaranlagen auf den Dächern oder auf großen Flächen. Sie installieren die Unterkonstruktionen, schrauben die Module daran fest und verkabeln sie. Und dann können sie prüfen, ob der Strom ins Stromnetz und Gebäude fließt. 

Die Solarfachleute planen außerdem Anlagen, beraten Kunden, berechnen den voraussichtlichen Stromertrag und die Kosten für Bauteile und Montage je nach Gebäude. Und sie sollten sich auskennen mit der Installation von Speicher-Batterien für die Dachanlage und Wallboxen zum Laden von Elektroautos.

Solarteure montieren Solarmodule auf einem Hausdach. Im Hintergrund ein Montagegerüst mit Sicherung.
Montage auf dem Dach: Deutschland braucht auch Fachkräfte aus dem Ausland, um den schnellen Energieumbau zu stemmen null OHKW

Wer bildet Solarteure aus?

Viele Betriebe schulen ihre Mitarbeiter selbst. Sie zeigen den Kollegen etwa wie die Montage von Solarmodulen auf dem Dach sicher funktioniert. Zusätzlich gibt es immer mehr Fortbildungsseminare für einige Wochen oder Monate, in denen Solar-Know How vermittelt wird. Meist bezahlen Firmen oder Arbeitsagenturen diese Kurse. 

Gleichzeitig entstehen neue Ausbildungswege. Sehr umfassend ist etwa die neue dreijährige Berufsausbildung zum Solarinstallateur in der Schweiz, die diesen Sommer erstmals beginnt. Sie entspricht der Ausbildung in anderen Handwerksberufen.

Und immer mehr Hochschulen integrieren entsprechende Inhalte in die Ausbildung von Ingenieuren und technischen Studiengängen, um Studierende für die Energiewende fit zu machen.

Für Laien werden außerdem Basis-Kurse angeboten, in denen die einfache Montage von Solaranlagen vermittelt werden, etwa in Solarcamps.

Gefragt sind Solar-Fachkräfte weltweit und besonders dort, wo der Solarausbau besonders stark wächst . Dazu gehören China, Europa, USA, Indien, Brasilien und Südafrika sowie in Australien, Pakistan, der Türkei und auch Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emiraten, die besonders viele Großanlagen bauen.

In einigen Ländern wie beispielsweise Deutschland ist der Fachkräftebedarf schon so groß, dass auch Fachkräfte im Ausland gesucht werden.

Redaktion: Anke Rasper 

Streit um geologisches Zeitalter: Leben wir im Anthropozän?

Vor etwa 12.000 Jahren leitete das Ende der Eiszeit ein neues geologisches Zeitalter ein, das als Holozän bekannt ist. Das relativ warme und stabile Klima ließ die menschliche Kultur aufblühen. Das Holozän förderte die Entstehung der Landwirtschaft und den Aufstieg und Fall aller wichtigen Zivilisationen, Kulturen und technischen Entwicklungen.

Gleichzeitig veränderte der Mensch mit seinem Aufstieg durch Aktivitäten wie die Landwirtschaft seine Umwelt in einer Weise, wie es bisher keine andere Spezies getan hatte.

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich jedoch einig, dass die Jahrhundertwende die letzten Momente des Holozäns markiert. Sie sagen, der Mensch habe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Geologie, die Landschaft, die Ozeane und die Ökosysteme der Erde so tiefgreifend und schnell verändert hat, dass damit eine neue geologische Epoche angebrochen ist: das Anthropozän.

Anthropozän oder nicht?

Andere Experten stellen diese Behauptung in Frage. Forschende, die sich in der Anthropozän-Arbeitsgruppe (AWG) zusammengeschlossen haben, versuchten mehr als ein Jahrzehnt lang, die neue Epoche durch ein unabhängiges Expertengremium der International Union of Geological Sciences formalisieren zu lassen.

Der Frankfurter Osthafen voller Container vor der Skyline der Stadt
Der Container Terminal in Frankfurt ist ein Teil des technologischen und logistischen Fortschritts.null Michael Probst/AP Photo/picture alliance

Doch eine "große Mehrheit" des etwa 24-köpfigen Gremiums lehnte einen Vorschlag ab, der den Beginn des Anthropozäns um 1950 bestätigte, wie die New York Times am 5. März dieses Jahres berichtete. Der Vorschlag kann erst in einem Jahrzehnt wieder verhandelt werden. Einige Befürworter der Ausrufung einer neuen Epoche gehen davon aus, dass die Industrielle Revolution den Beginn des Anthropozäns markierte. Damals begann der Mensch, fossile Brennstoffe zu verbrennen und Treibhausgase wie Kohlendioxid auszustoßen.

Andere argumentieren, das Anthropozän haben in den 1950er Jahren begonnen, als der Einfluss der Menschheit auf den Planeten immer größer wurde. Atmosphärische Kernwaffentests in den 1950er und 1960er Jahren zum Beispiel verbreiteten eine Schicht von Plutonium-Isotopen, die eine Spitze in den Sedimenten verursachte - eine einzigartige radiologische Markierung, die die Menschheit hinterlassen hat.

Zweiter Weltkrieg, Atombombenpilze über Hiroshima und Nagasaki
Die Atombomben von Hiroshima (links) und Nagasaki (rechts), Atombomben hinterlassen radiologische Spurennull WHA/United Archives International/imago

Was ist eine geologische Epoche?

Die Erdgeschichte ist in Abschnitte unterteilt, die als geologische Zeitskala bezeichnet werden und in der Erdkruste aufgezeichnet sind. Geologische Epochen wie die späte Kreidezeit, der mittlere Jura und das Holozän dauern in der Regel mehrere Millionen Jahre. Jede dieser Epochen hinterlässt deutliche Spuren in den Gesteinsschichten, einschließlich der mineralischen Zusammensetzung und der Fossilien, die die großen klimatischen Veränderungen widerspiegeln.

Befürworter der Ausrufung der neuen Epoche des Anthropozäns sind der Ansicht, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel, die Umweltverschmutzung, Atomtests und die industrielle Landwirtschaft jeweils geologische Spuren hinterlassen, die Millionen von Jahren andauern werden.

Klimagefährlicher Mensch

Der Begriff Anthropozän setzt sich aus den griechischen Begriffen für Mensch (anthropo) und jüngste Zeit (cene) zusammen und wurde im Jahr 2000 von dem niederländischen Atmosphärenchemiker Paul J. Crutzen und dem US-Biologen Eugene Stoermer in einem kurzen Artikel populär gemacht.

Welche Spuren hat der Mensch auf der Erde hinterlassen?

Das letzte Mal, dass sich so viel Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre befand, war vor drei Millionen Jahren. Die hohen CO2-Konzentrationen unserer Zeit führen zu einer Erwärmung des Planeten und zur Versauerung der Ozeane - so sauer wie heute waren die Meere seit Millionen von Jahren nicht mehr. Die industrielle Landwirtschaft und die Verstädterung haben die Landschaften verändert, und Düngemittel haben den Stickstoffgehalt in Böden und Gewässern in die Höhe getrieben.

Frühere Epochen wurden durch Ereignisse wie Meteoriteneinschläge, Verschiebungen der Kontinente und vulkanische Aktivitäten ausgelöst, die gewaltige Mengen CO2 in die Atmosphäre schleuderten. Sie hinterließen jeweils einzigartige Spuren und veränderten den Lauf des Lebens auf dem Planeten. Das Anthropozän wäre jedoch das erste Ereignis, das von einer einzelnen Art - dem Menschen - ausgelöst worden wäre.

Asteroideneinschlag
Früher wurden Epochen durch natürliche Ereignisse wie Meteoriteneinschläge geprägtnull Igor Zhuravlov/Pond5/IMAGO

Obwohl der Vorschlag, das Anthropozän zu formalisieren, abgelehnt wurde, wird der Begriff bereits von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verwendet. Sie halten ihn für ein hilfreiches Konzept, um die von der Menschheit verursachten Umweltbedrohungen zu erklären.

Das Anthropozän ist mehr als ein geologischer Begriff - es ist ein Etikett, das den tiefgreifenden Einfluss des Menschen auf die Erde, ihre Ökosysteme und andere auf dem Planeten lebende Arten zum Ausdruck bringt. Der Begriff zeigt aber auch, dass die Menschheit die Macht hat, diesen Einfluss positiv zu gestalten.

Seit dem 16. Jahrhundert nimmt die Wissenschaft Abstand davon, den Menschen in den Mittelpunkt des Universums zu stellen. 1534 entdeckte Nikolaus Kopernikus, dass die Erde die Sonne umkreist, und Charles Darwins Evolutionstheorien zeigten, dass der Mensch keine einzigartige Stellung unter den Spezies hat.

Philosophen sagen, die neue Definition des Anthropozän versetze die Menschheit wieder in eine Position der Selbstbestimmung. Aber sie übertrage der menschlichen Spezies auch eine neue Verantwortung.

Redaktion: Jennifer Collins

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Wie Kreislaufwirtschaft Umwelt und Ressourcen schont

Wie funktioniert Kreislaufwirtschaft?

Derzeit dominiert weltweit die sogenannte lineare Wirtschaft: Dabei werden aus Rohstoffen Dinge hergestellt, die nur kurze Zeit benutzt werden und dann im Müll landen. Dann müssen neue Rohstoffe gewonnen und für neue Produkte verwendet werden. Das schadet der Umwelt und kostet viel Geld und Energie.

Die Kreislaufwirtschaft funktioniert anders: Produkte werden dabei so hergestellt, dass sie lange halten und sich gut reparieren lassen. Wenn sie ihr Lebensende erreicht haben, werden sie so weit wie möglich recycelt. Das heißt: Die Rohstoffe werden zurückgewonnen und für neue Produkte wiederverwendet. 

Dabei entstehen viel weniger Abfälle und Emissionen. Aus dem kaputten Glas einer Flasche wird zum Beispiel wieder eine neue Glasflasche hergestellt. Das spart Geld und Ressourcen.

Das Prinzip kann für alle Rohstoffe und Produktionen angewendet werden, um alles möglichst lange weiter zu verwenden und im Kreislauf zu behalten. 

Und auch in der Produktion selber können weniger Ressourcen verbraucht werden, wenn erneuerbare Energien verwendet werden und möglichst keine schädlichen Emissionen oder giftigen Abfälle entstehen.

Was bringt Recycling?

Die Kreislaufwirtschaft war überall auf der Welt jahrhundertelang selbstverständlich: Alles wurde möglichst lange genutzt und nichts verschwendet. Erst seit rund 150 Jahren, seit immer mehr industriell produziert wird, hat sich das geändert. 

Heute wird Kreislaufwirtschaft vor allem in traditionellen Gemeinschaften praktiziert, doch nicht nur dort. So sind etwa Exkremente natürliche Dünger für den Anbau von Nahrungsmitteln in der biologischen Landwirtschaft.

Auch setzen in vielen Ländern Architekten zunehmend auf nachhaltige Baustoffe, die in der Nähe gewonnen werden können. Sie bauen beispielsweise wieder mehr mit Holz statt mit klimaschädlichem Zement. Auch Gebäude können länger genutzt und saniert werden, statt sie schnell abzureißen. Und werden Baumaterialien wieder verwendet, werden weniger neue Rohstoffe verbraucht und Abfälle vermieden.

Viele Materialien lassen sich fast ohne Qualitätsverlust wiederaufbereiten. Bei Glas und Metallen geht das besonders gut, Papier kann zehn bis 25-mal wiederverwendet werden. Plastik dagegen lässt sich meist weniger gut recyclen, weil es oft mit anderen Materialien gemischt und mit schädlichen Chemikalien versetzt wird. 

Auch bei Metallen spart die Rohstoffgewinnung aus Recyclingmaterial viel Energie im Vergleich zur Neugewinnung aus Erzgesteinen. Recycling von Aluminium zum Beispiel spart rund 95 Prozent der Energie die für die Neugewinnung aus Erz benötigt wird.

Bagger auf einem Schrottplatz für Metallabfälle
Metalle aus Schrott zurückzugewinnen spart viel Energie null Peter Hofstetter/Zoonar/picture alliance

Was bedeutet Kreislaufwirtschaft für Verbraucher und Industrie? 

Damit eine Kreislaufwirtschaft funktionieren kann, sind alle gefragt: Konsumenten, Industrie und Politik.

Wenn Konsumenten den Müll gleich trennen, wird das Recyclen einfacher. Und wer bei Einkaufen darauf achtet, kann Produkte wählen, die länger halten und weniger Müll erzeugen.

Eine hochwertige Jacke aus Wolle oder Baumwolle kann teurer sein als eine aus Kunststoff. Doch dafür hält sie oft länger und lässt sich besser flicken. Und anders als Plastikmüll können Naturfasern kompostiert werden ohne die Umwelt zu belasten. 

Die Industrie kann Produkte ressourcenschonend herstellen - möglichst ohne giftige Chemikalien, die die Wiederverwendung beeinträchtigen. 

Beispielsweise können Handys so produziert werden, dass sich Akkus und andere Teile leicht austauschen lassen. Wird bei der Produktion das Recycling gleich mitgedacht, lassen sich Gold, seltene Erden und andere Rohstoffe aus den Geräten einfacher wieder gewinnen und weiter verwenden. 

Dabei können Regierungen den gesetzlichen Rahmen für die Kreislaufwirtschaft schaffen. Immer mehr Länder und Unternehmen fördern inzwischen Recycling, Abfallvermeidung und durchdachtes Design von Systemen und Produkten. Das nützt auch der Wirtschaft und schafft neue Arbeitsplätze. 

Weltweit könnten durch Kreislaufwirtschaft laut dem World Ressource Institute (WRI) bis 2030 rund sechs Millionen neue Jobs entstehen.

Redaktion: Anke Rasper