Manuskript

Urlaubsfreiheit als Camper

Früher galt es als Urlaub für Menschen mit wenig Geld, mit Wohnwagen oder Wohnmobil unterwegs zu sein. Heutzutage tummeln sich auf den Campingplätzen Menschen aus allen sozialen Schichten. Camping ist „in“.

Nicht nur auf deutschen Straßen und Autobahnen fallen sie besonders zur Sommerzeit auf: Caravans oder Wohnmobile. Viele Jahre galt es als spießig, zu campen. Und nur Menschen ‚mit kleinem Geldbeutel‘, die nicht viel Geld zur Verfügung hatten,  machten auf diese Art und Weise Urlaub. Oder diejenigen, die auf den Geschmack gekommen waren und immer wieder mit Wohnwagen oder Wohnmobil auf Reisen gingen, selbst wenn ferne Reiseziele lockten. 

Als eingefleischte Camper können sicher Bernd und Gaby aus Nürnberg bezeichnet werden. Wenn sie Urlaub machen, reisen sie meistens mit dem Wohnmobil. Alle Versuche, irgendwohin zu fliegen und im Hotel Urlaub zu machen, haben den Eltern, ihren drei Kindern und Schäferhund Benno bei Weitem nicht so gut gefallen. Bernd erzählt, warum ihnen das Campen so viel Spaß macht: 

„Für mich beginnt der Urlaub da ja bereits, wenn wir uns ins Auto reinsetzen und losfahren, egal ob man jetzt früh um fünf losfährt oder ob man nachmittags um drei losfährt, das ist egal. Die Anschaffung ist erst mal der große Brocken, aber die Freiheit ist mir das eigentlich schon wert. Also, man kann ’nen Kaffee kochen auf die Schnelle oder mal ’n Stückerl Kuchen essen oder sich mal ’ne Suppe warm machen oder was in die Pfanne hauen, ja. Man kann sich also frei bewegen, man kann also hier locker in der kurzen Hose sitzen, ja, man kann mit nacktem Oberkörper frühstücken, was man in ’nem Hotel nicht tun kann. Das ist schon was Schönes, ja.“

Kauf und Unterhalt des Wohnmobils sind zwar ein großer Brocken. Es ist eine hohe Summe, die dafür aufgebracht werden muss. Aber für Bernd steht die Freiheit, die das Wohnmobil ihm und der Familie verspricht, an allererster Stelle, besonders im Urlaub. Ihm gefällt es, unabhängig zu sein, für sich und seine Familie mal etwas in die Pfanne zu hauen, etwas zu kochen, wann immer er möchte. Oder wenn er gerade Lust darauf hat, sich mal eben, auf die Schnelle, einen Kaffee zuzubereiten. Ein weiterer Vorteil: Als Camper kann man sich kleiden, wie man will – anders als in einem Hotel. Das Leben ist zwanglos, locker. Die Familie ist nicht nur in Deutschland unterwegs. Sie bereist auch andere Länder mit ihrem Wohnmobil. Gaby erinnert sich an die letzte Spanienreise:

„Wir waren in der Nähe von Barcelona. Man ist ins Innere vom Land von Spanien gekommen, Lokale und Kneipen, wo man eigentlich als Tourist nicht hinkommt. Und das Essen ist ’ne Wucht.“

Die Familie hatte sich als Reiseziel die Gegend um die zweitgrößte Stadt Spaniens, Barcelona, in der nordöstlichen Region Katalonien ausgesucht. Besonders begeistert war Gaby von der dortigen Küche. Das Essen war eine Wucht, großartig.

Auch Herbert macht seit 30 Jahren Urlaub mit dem Reisemobil. Aus eigener Erfahrung weiß er jedoch, dass etwas sehr wichtig ist:

„Es ist natürlich sinnvoll gerade im Ausland, dass man sich in den Ferienzeiten Plätze reserviert. Sonst kann es einem passieren, dass man ankommt, keinen Platz bekommt.“

Herbert reserviert nach einer schlechten Erfahrung einen Campingstellplatz früh genug, denn er musste einmal zwei Tage auf einen Stellplatz für den Wohnwagen warten – und das bei 30 Grad im Schatten. Solche in der Regel kostenpflichtigen Plätze haben den Vorteil, dass es beispielsweise einen Stromanschluss und Frischwasser gibt. Und dass es ganz viele Gleichgesinnte gibt, mit denen man in Kontakt kommt, sagt Heinz:

„Man sieht die Leute, man grüßt sich, und im Laufe der Zeit kommt man sich auch näher, man spricht: ‚Ja, was machst du beruflich?‘ Und dann stellt man fest, da hat man plötzlich neben sich jemanden: Staatssekretär aus Österreich. Genauso ’nen Chefarzt von der Uniklinik in Neapel – Leute wirklich mitten aus dem Leben. Also, die sich gar nichts auf ihre Stellung einbilden, sondern mit denen man ganz normal umgehen konnte. Das ist eigentlich das Schöne am Campen. Aber es gibt auch Leute, die campen und sagen: ‚So, jetzt feiere ich die Nacht durch, mich juckt das gar nicht, was die anderen auf dem Campingplatz machen‘.“

Auch Menschen, die durch ihren Beruf eine hohe soziale Stellung haben, kann man auf einem Campingplatz antreffen. Sie sind mitten aus dem Leben, ganz normal geblieben. Allerdings, und das ist nach Ansicht von Heinz der Nachteil, gibt es auch Camper, die keine Rücksicht auf ihre Nachbarn nehmen. Ihnen ist es egal, es juckt sie nicht, wenn sie Lärm machen und die anderen stören. Den Vorteil einer „rollenden Wohnung“ schätzt auch Axel. In bestimmten Situationen kann so etwas sogar ganz hilfreich sein, meint er:
 
„Wenn man mal ein[en] oder zwei über den Durst getrunken hat, hat man natürlich meist den Effekt, dass man ja alles doppelt und dreifach sieht. Und das Risiko, dass man dann den Lappen verlieren könnte, ist natürlich wesentlich geringer, weil man ja sein Schneckenhäuschen quasi dabei hat.“

Hat man zu viel gefeiert und zu viel Alkohol konsumiert, einen (oder zwei oder drei) über den Durst getrunken, sollte man nicht mehr Auto fahren, um nach Hause zu kommen. Denn Alkohol beeinflusst auch das Sehvermögen. Man sieht nicht mehr klar und deutlich, sieht alles doppelt und dreifach. Wer trotzdem Auto fährt und in eine Polizeikontrolle gerät, muss seinen Lappen, umgangssprachlich für Führerschein, abgeben. Menschen wie Axel, die mit ihren Wohnmobil unterwegs sind, haben dann einen Vorteil. Um ihren Rausch erst einmal auszuschlafen, können sie es einer Schnecke gleichtun. Diese trägt ihr schützendes „Haus“, ein Gehäuse, nämlich auf dem Rücken. Axel ist so begeistert vom Leben im Wohnmobil, dass er nur noch „auf Rädern leben möchte“.
 

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird manchmal auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.