Viele Unternehmen finden keine Auszubildenden
Eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer macht deutlich: In fast der Hälfte aller Unternehmen bleiben weiterhin Lehrstellen unbesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Nicht nur der Fachkräftemangel ist für viele Unternehmen in Deutschland ein großes Problem: 49 Prozent der Betriebe in Industrie und Handel konnten im vergangenen Jahr nicht alle offenen Lehrstellen besetzen, so das Ergebnis einer Anfang August veröffentlichten Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Mehr als ein Drittel der Betriebe mit Besetzungsschwierigkeiten gab an, sie hätten keine einzige Bewerbung erhalten. Hochgerechnet sind das 30.000 Ausbildungsbetriebe. Besonders betroffen seien die Industriebranche, das Gastgewerbe, der Handel, die Verkehrsbranche und das Baugewerbe, erklärte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Am meisten hätten kleine Betriebe mit der Situation zu kämpfen, so Dercks.
Nur ein Grund von mehreren: fehlende schulische Berufsorientierung
Die Gründe für den Azubi-Mangel sind neben dem demografischen Wandel vielfältig: Den jungen Menschen fehlt laut DIHK unter anderem „eine effiziente und zielgerichtete Berufsorientierung“. Dafür müssten die Schulen ausreichend Zeit einplanen. Finanz- und die sogenannten MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sollten im Unterricht eine größere Rolle spielen, so die Einschätzung der DIHK.
Oftmals sei auch eine fehlende „solide Grundbildung“ ein Problem, wie auch die jüngsten Ergebnisse der Pisa-Studien zeigten. „Unser Bildungssystem muss an dieser Stelle besser werden“, forderte Dercks. „Aus der Not heraus nehmen Unternehmen immer mehr selbst in die Hand und unterstützen junge Menschen mit Startschwierigkeiten auf verschiedenste Weise.“ Das reiche von Nachhilfe in Deutsch und Mathematik über sozialpädagogische Dienste bis hin zu Coaching-Programmen zur Verbesserung von Selbstmanagement und Motivation.
Weiterhin wichtig: Schnuppertage und Praktika
Wie die Umfrage zeigt, setzt mittlerweile auch mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland auf Marketing über Social Media, um junge Menschen anzusprechen. Den persönlichen Kontakt können diese Kanäle offenbar aber nicht ersetzen: Über 70 Prozent der Betriebe werben neue Azubis über Schnuppertage oder Praktika an. Eine besonders wichtige Rolle spielt demnach auch weiterhin die eigene Webseite.
Immer mehr Unternehmen stellen zudem Menschen aus dem Ausland ein oder versuchen, sie für die Ausbildung zu gewinnen. 2019 lag der Anteil dieser Unternehmen noch bei 41 Prozent, 2023 bei 48 Prozent. Insbesondere in der Gastronomie und in der Transport- und Logistikbranche seien Azubis aus dem Ausland gefragt, erklärte Dercks.
„Es bestehen aber nach wie vor noch Hürden bei der Einstellung ausländischer Auszubildender. Das betrifft vor allem die Sprache.“ 81 Prozent der Betriebe sehen in unzureichenden Deutschkenntnissen die größte Herausforderung. Umständliche bürokratische Prozesse bei Visum- und Aufenthaltsverfahren erschwerten zudem die Einstellungen für 43 Prozent der Ausbildungsbetriebe.
Bessere Betreuung der Auszubildenden nötig
Der Deutsche Gewerkschaftsbund erklärte, er stimme zu, was die schulische Berufsorientierung betreffe: Zu vielen jungen Menschen helfe sie aktuell nicht ausreichend weiter. Berufsorientierung müsse in allen Schulstufen fest im Lehrplan verankert und ausgebaut werden, forderte DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker.
„Aber auch die Arbeitgeber sind in der Verantwortung. Sie müssen ihre Zugangshürden überdenken.“ Denn viele Ausbildungsplätze würden nicht besetzt, weil es angeblich keine geeigneten Bewerbungen gegeben habe. Gleichzeitig nutzten viel zu wenige Betriebe die ausbildungsbegleitenden Hilfen der Arbeitsagenturen. Vielerorts stimmten auch Ausbildungsqualität und -vergütung nicht.
Das sieht die Linken-Gruppe im Bundestag ebenso: „Zu viele Menschen werden während ihrer Ausbildung schlecht betreut, schlecht oder gar nicht bezahlt und haben keine verlässliche Perspektive“, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Nicole Gohlke.
Die Ausbildungsumfrage der DIHK beruht auf Angaben von mehr als 13.000 Unternehmen im Bereich der Industrie- und Handelskammern.
sts (AFP)/io