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Virtual Reality: In der zerstörten Kathedrale Notre-Dame

Seit dem Brand der Pariser Kathedrale Notre-Dame im April 2019 durften nur wenige Menschen die berühmte Kirche betreten. Die Filmemacher Chloé Rochereuil und Victor Agulhon hatten Glück: Sie haben noch vor dem Feuer Filmaufnahmen von Notre-Dame gemacht. Auch danach durften sie mithilfe moderner Technik dort drehen. In ihrem Film „Rebuilding Notre Dame“ können sich nun Menschen auf der ganzen Welt Notre-Dame anschauen – so wie es heute dort aussieht und wie es früher war.

SPRECHER:
Die Pariser Kathedrale Notre-Dame in Flammen – Bilder, die die Welt im April 2019 sehr bewegten. Die Filmemacher Chloé Rochereuil und Victor Agulhon hatten nur wenige Wochen vor dem Brand eine Dokumentation über die weltberühmte Kirche gedreht.

CHLOÉ ROCHEREUIL (Regisseurin „Rebuilding Notre Dame“):
Nach dem Brand war uns klar, dass unsere Aufnahmen jetzt einen besonders großen Wert haben. Wir haben einen Moment in der Geschichte von Notre-Dame eingefangen, den wir der Öffentlichkeit zurückgeben können. Ob Europäer, Amerikaner, Asiate oder Pariser – jeder hat eine Erinnerung an Notre-Dame.

SPRECHER:
Aus ihrem Filmmaterial vor dem Brand und den neuen Aufzeichnungen nach der Zerstörung produzierten sie eine zweite Dokumentation: „Rebuilding Notre Dame“. Diese begleitet den Wiederaufbau der berühmten Kirche. Die Aufnahmen der Filmemacher sind die einzigen ihrer Art aus dem Inneren der Kathedrale.

VICTOR AGULHON (Produzent „Rebuilding Notre Dame“):
Diese Aufnahmen sind in der Tat besonders, weil sie in virtueller Realität gefilmt sind, sprich in 360 Grad, in sehr hoher Auflösung und 3D. Dadurch entsteht ein Bild für das linke und eins für das rechte Auge. Man hat das Gefühl, wirklich vor Ort zu sein.

SPRECHER:
Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille kann man in den 16-minütigen Film komplett eintauchen. Sensoren sorgen dafür, dass man das Bauwerk durch die eigenen Körperbewegungen frei erkunden kann – ein Erlebnis, das in der Realität nicht mehr möglich ist: Notre-Dame ist für Besucher gesperrt.

VICTOR AGULHON :
Es ist eine touristische Sehenswürdigkeit, die jedes Jahr Millionen Menschen jeglichen Glaubens anzieht, und ein wichtiges Denkmal in der französischen Geschichte. Uns war es wichtig, dieser Bedeutung im Film gerecht zu werden.

SPRECHER:
Pascal Liévaux aus dem französischen Kultusministerium hat als einer der wenigen Zugang zur Baustelle. Seine Aufgabe: das Wissen über die Kathedrale zu bewahren.

PASCAL LIÉVAUX (Kultusministerium Frankreich):
Kein Gebäude verkörpert so sehr die Geschichte von Paris wie Notre-Dame. Sie wurde im Herzen der Stadt gebaut, direkt an der Seine. Und alle wichtigen Ereignisse in der Geschichte Frankreichs hatten ihre Auswirkungen auf Notre-Dame.

SPRECHER:
Parallel zum Wiederaufbau arbeiten jetzt Wissenschaftler auf der sogenannten Forschungs-Baustelle Notre-Dame. Sie untersuchen zum Beispiel freigelegte Baustoffe und können so ganz neue Erkenntnisse gewinnen.

PASCAL LIÉVAUX:
Die Forschung wird nicht nur zum Wiederaufbau beitragen, sondern auch prinzipiell zum Verständnis unseres Kulturerbes.

SPRECHER:
Das Filmteam von „Rebuilding Notre Dame“ bekam die seltene Genehmigung, in der zerstörten Kathedrale zu drehen. An manche Orte durfte jedoch nur ein Teammitglied: der Kameraroboter. Loses Gemäuer und eine hohe Bleibelastung machen den Zugang für Menschen zu gefährlich.

CHLOÉ ROCHEREUIL:
Wir haben diesen Roboter eingesetzt, um in die Mitte der Kathedrale zu gelangen, unter dieses riesige Loch. Ohne den Roboter wär das nicht möglich gewesen. Die Kamera hatte wirklich Glück: Selbst ich, die ja in der Ruine war, konnte mich nicht unter das Loch stellen, aber in der virtuellen Realität kann ich dorthin gehen.

SPRECHER:
Den Film können sich Zuschauer nun weltweit von zu Hause ansehen. Und bald soll er auch in einem Kino in Paris gezeigt werden. Regisseurin Chloé Rochereuil ist dankbar, mit der richtigen Technik zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.

CHLOÉ ROCHEREUIL:
Als das Feuer ausbrach, hat uns das daran erinnert, dass nichts unsterblich ist und dass selbst ein so altes und so tief in Paris verwurzeltes Gebäude verschwinden kann. Aber die Seele vonNotre-Dame ist immer noch da. Deshalb bin ich optimistisch, dass es gelingen wird, sie zu restaurieren und ihre frühere Schönheit wiederherzustellen.

SPRECHER:
Bis dahin werden wohl noch Jahre vergehen. Wer nicht so lange warten will, kann jetzt immerhin zum virtuellen Touristen werden.

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