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Warum Gendern einen Unterschied macht

Das generische Maskulinum wird immer noch häufig verwendet, auch wenn Frauen und nicht-binäre Menschen gemeint sind. Das Bild, das dabei im Kopf entsteht, ist jedoch vor allem eins: männlich.

Ein Schild, auf dem ein Aufkleber mit *innen angebracht ist, sodass auf dem Schild nun steht: Bewohner*innen mit Parkausweis Nr. 25 frei (Quelle: Udo Herrmann/CHROMORANGE/picture alliance)

Astronauten, Forscher, Bürger, Kunden, Polizisten, Richter ... Bei all diesen Ausdrücken seien Frauen und diverse Menschen doch mitgemeint! So argumentieren Befürworterinnen und Befürworter des generischen Maskulinums, also der Verwendung der maskulinen Form auch dann, wenn es nicht ausschließlich um Männer geht. Allerdings zeigen Studien, dass es für die Bilder, die dadurch im Kopf entstehen, einen Unterschied macht, ob beispielsweise die weibliche Form explizit dazugesagt wird.

Das generische Maskulinum war in Deutschland jahrzehntelang gebräuchlich. Doch sein Fundament wackelt. Mehr und mehr Menschen und Organisationen nutzen Alternativen, um Frauen und nicht-binäre Personen, also Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, sichtbarer zu machen. Sie verwenden dann zum Beispiel konsequent auch die weibliche Form – wie etwa Richterinnen und Richter – oder geschlechtsneutrale Ausdrücke wie Mensch, Person und Mitglied. Zum Teil werden auch Substantivierungen wie Lehrende und Studierende benutzt.

Besonders leidenschaftlich diskutiert werden Schreibweisen mit Genderstern (zum Beispiel Schüler*innen), Binnen-I (SchülerInnen) und sogenanntem Gender-Gap (Schüler_innen und Schüler:innen). Bayern hat Anfang April Gender-Sonderzeichen in Behörden, Schulen und Hochschulen untersagt, in Hessen sind sie in der Verwaltung verboten. In einigen weiteren Bundesländern werden sie in Schulen als Rechtschreibfehler bewertet.

Mitgemeint ist nicht unbedingt mitgedacht

Studien zeigen, dass die sogenannte geschlechtergerechte Sprache grundsätzlich einen Unterschied macht. Die Sozialpsychologen Fritz Strack und Patrick Rothermund von der Universität Würzburg veröffentlichten im Februar 2024 im „Journal of Language and Social Psychology“ eine Untersuchung, der zufolge das generische Maskulinum eher mit Männern assoziiert wird – selbst wenn extra dazu gesagt wird, dass Frauen mitgemeint sind. Die Studie liefert deutliche Hinweise darauf, dass es beim generischen Maskulinum tatsächlich eine Art automatische Assoziation gibt.

Experimente zum Sprachverständnis

Die Forscher ließen in ihren Experimenten jeweils knapp 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestimmte Satz-Kombinationen beurteilen. In einem ersten Satz wurde das generische Maskulinum für eine Gruppe von Menschen benutzt, etwa Kellner, Nachrichtensprecher, Autoren, Spaziergänger, Berufsschüler, Nachbarn und Zuschauer. In einem zweiten Satz wurde eine entweder nur männliche oder nur weibliche Untergruppe der Gruppe aus Satz eins erwähnt. Dann sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer möglichst schnell angeben, ob Satz zwei eine vernünftige Fortsetzung von Satz eins ist.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die zweiten Sätze häufiger als sinnvolle Weiterführungen der ersten Sätze einstuften, wenn eine männliche Untergruppe erwähnt wurde. Außerdem waren sie in ihrem Urteil dann schneller. Das heißt den Forschern zufolge, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das generische Maskulinum eher mit Männern assoziierten. Das war auch der Fall, wenn die Probandinnen und Probanden zu Beginn des Experiments explizit darauf aufmerksam gemacht wurden, dass mit dem generischen Maskulinum sowohl Männer als auch Frauen gemeint sein können.

So lassen sich im Kopf andere Bilder erzeugen

Wie deutlicher werden kann, dass Frauen mitgemeint sind, konnten die Forscher in einem weiteren Experiment zeigen. So bekamen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im ersten Satz eine zusätzliche Information, die andere Bilder im Kopf erzeugen sollte – etwa durch Erwähnen stereotyp weiblicher Kleidung, zum Beispiel „Die Kellner zogen sich helle Hemden und Blusen an“. Oder durch noch deutlichere Hinweise, dass die Gruppen nicht nur aus Männern bestehen, wie: „Die Berufsschüler wurden in geschlechtergemischte Klassen eingeteilt.“

Das Würzburger Team stellte fest, dass diese zusätzlichen Informationen dazu führten, dass Probandinnen und Probanden nicht mehr so häufig Männer assoziierten – trotz des generischen Maskulinums.

Grammatikunterricht genügt nicht

Dass es schwierig ist, das generische Maskulinum so zu verstehen, wie es gemeint ist, nämlich inklusive Frauen und diversen Menschen, zeigen auch frühere Studien. „Menschen mögen die Regel in der Schule gelernt haben und sie auch verstehen, aber können sie nicht leicht anwenden“, schrieben Forscherinnen und Forscher 2009 in einem Überblicksartikel im „European Journal of Psychology of Education“.

Auch in Bezug auf Personengruppen, die stereotyp eher mit Frauen assoziiert sind, weckt das generische Maskulinum häufig männliche Assoziationen, wie andere Untersuchungen nahelegen. So wurden in einer Studie mit dem Titel „Wenn alle Männer sind“ auch die Wörter Kosmetiker und Geburtshelfer eher mit Männern in Verbindung gebracht. 


sts (mit dpa)/ip