Zwischen Jodeln und Blues
Umgeben vom Eis der Schweizer Alpen lebt die Jodel-Künstlerin Erika Stucky. Dort ist
sie schon seit vielen Jahren bekannt. Ihre ersten neun Lebensjahre verbrachte sie aber
in den USA. Durch diese Erfahrung ist ein einzigartiger Sound entstanden: Stucky
verbindet in ihrer Musik den traditionellen Gesang der Bergdörfer mit Blues und Rock
’n’ Roll.
SPRECHER:
Der Sound der Alpen: Jauchzen und Jodeln haben hier Tradition. Für Erika Stucky ist der Jodler vor allem eins: ein Ausruf von Lebenslust.
ERIKA STUCKY (Jodlerin):
Ich bin konzentrierter, wacher, wenn ich jodle, als wenn ich rede. Man ist unmittelbarer beim ganzen Instrument, beim ganzen Organ. Das braucht ziemlich [viel] Kraft.
SPRECHER:
Erika Stucky ist seit vielen Jahren eine bekannte Jodel-Künstlerin in der Schweizer Musikszene. Das Echo der Alpen ist ihre Inspiration.
ERIKA STUCKY:
Ich meine, es ist wie ein Ping-Pong. Jetzt habe ich dieses Riesen-Eismeer hinter mir. Natürlich tönt’s ganz anders hier, als wenn ich in Texas im Staub hocke.
SPRECHER:
Das Eis des Aletschgebiets hat Erika Stucky unzählige Male bestiegen. Um den größten Gletscher der Schweiz ranken sich Mythen, es sind die Geistergeschichten ihrer Kindheit. Geboren wurde Erika Stucky in den USA in den 1960er-Jahren. Dass ihre Eltern später beschlossen, in ein kleines Schweizer Bergdorf zu ziehen, war ein Schock für sie.
ERIKA STUCKY:
Dann kam ich als Neuneinhalbjährige wieder zurück in diese Gegend, wieder zum Aletschgletscher aus der Flower-Power-Zeit und musste diese zwei Seelen in meiner Brust verbinden: Das Mädchen, das in San Francisco aufgewachsen ist, umgeben von Hippies, Bob Dylan und Janis Joplin – und auf einmal waren da Trachtenverein und Jodelchöre. Das musste ich mit Kopf und Herz zusammenbringen.
SPRECHER:
Zwei Wurzeln, doppelte Heimat: Aus diesem Kultur-Mix entsteht Erika Stuckys Musik. Auf der Bühne hat sie viele Rollen: moderne Heidi, freches Cowgirl. Jodeln mischt sie nicht nur mit Rock ’n’ Roll, [sondern] auch mit Blues.
ERIKA STUCKY:
Es ist erstaunlich, wie nahe die zwei Genres oder Gesangsarten sich sind. Es sind beides … beide sehr nahe beim Gebet, sehr nahe beim Weinen, beim Klagen: „Oh, die Kühe, jetzt kommen sie wieder, jetzt ist wieder eine krank, oh oh …“ Beim Blues auch: „Ich habe meine Frau verloren, ich habe mein Auto verloren, ich habe mein Schwein verloren.“ Das ist so ein wunderschönes Beten, Jammern.
SPRECHER:
Klagelied, Warnung oder Lockruf für das Vieh: Mit einem Jodler kommunizierten früher die Bergleute von einer Alm zur anderen. Erika Stucky interpretiert den traditionellen Volksbrauch ganz modern.
ERIKA STUCKY:
Das mit dem Jodeln ist eigentlich keine Hexerei. Wenn du das mit der Kopfstimme begriffen hast … und dann runter mit der Bruststimme … [Wenn du] das so kippen lassen kannst und dann noch die Zungentechnik übst … dann kannst du jodeln. Es ist gar nicht so schwer.
SPRECHER:
Schweizer und US-amerikanischer Heimatsound: die Jodlerin Erika Stucky.