Mode in Zeiten von Social Media
Die Modelwelt hat sich in den letzten drei Jahrzehnten fundamental gewandelt: Während früher bekannte Supermodels die neuen Kollektionen auf dem Laufsteg präsentierten, finden Modenschauen heute vermehrt online statt. Influencerinnen und Influencer gehören mittlerweile ganz selbstverständlich zur Modewelt dazu. Und noch etwas hat sich geändert: Mode ist heute beliebter denn je.
SPRECHER:
Die Prêt-à-Porter-Schauen in Paris im Februar diesen Jahres: ein Hype wie bei den Oscars. Unter dem Einfluss von Social Media und Influencern sind die Modenschauen zu einem Ereignis geworden, das die Massen anzieht. Viele der Marken übertragen ihre Schauen während der Modewochen mittlerweile live in den sozialen Medien – und vor Ort ziehen die Shows zahlreiche Schaulustige an.
GODFREY DEENY (Chefredakteur FashionNetwork.com):
Wir erleben derzeit eine Explosion im Modebusiness. Es geht um Geschäftsinteressen, viel Geld und eine große Faszination. In gewisser Weise ist Mode die größte Kunstform geworden. Und das sollte sie eigentlich nicht sein, denn Mode ist nicht wirklich eine Kunstform so wie Kino, Literatur oder Architektur. Das ist die eine Sache. Und die zweite Sache: Noch nie waren die Leute so von Schönheit besessen, wie sie es heute sind. Das Aussehen und der Look sind so wichtig wie nie zuvor.
ELLEN VON UNWERTH (Fotografin):
Alle interessieren sich heutzutage … Die Mode ist fast wie der Worldcup.
SPRECHER:
Die langjährige Chefredakteurin der US-amerikanischen Zeitschrift Vogue, Anna Wintour, ist zwar immer noch da, doch muss sie sich den großen Auftritt mittlerweile mit Influencern teilen. Auch die Deutschen Caro Daur und Leonie Hanne haben mit jeweils mehr als vier Millionen Followern auf Instagram längst internationalen Star-Status. Und bei den wichtigsten Modenschauen sitzen sie im Designer-Outfit in der ersten Reihe.
LEONIE HANNE (Influencerin):
Gott sei Dank interessieren sich meine Follower tatsächlich für das, was wir tun. Das heißt, jetzt, wenn Fashionweek ist, und wir zeigen viel von den Shows, viele Outfits, viele Videos, bringt das den Leuten richtig Spaß. Und dann fühlt man sich auch an ’nem anstrengenden Tag immer so voller Motivation. Man weiß, da sitzen Leute und die gucken zu und sagen so: Nächstes Outfit, nächster Look – das bringt Spaß und das ist richtig, richtig schön.
ALEXANDRE SAMSON (Kurator Modemuseum Galliera Paris):
Durch die sozialen Medien hat sich viel verändert: die Mode ist unheimlich populär und für alle zugänglich geworden. Jeder hat eine Meinung und kann sie im Netz zum Ausdruck bringen. Die Mode ist zu einem Phänomen der Popkultur geworden.
SPRECHER:
In den 1990er Jahren war das alles noch ganz anders. Da fand die Show ausschließlich auf dem Laufsteg statt. Es war die Zeit der Supermodels wie Claudia Schiffer oder Naomi Campbell. Schrille Make-ups, spektakuläre Kreationen, theatralische Auftritte von den Models und von den Designern prägten das Bild der Modenschauen der 90er-Jahre. Die wichtigsten Köpfe dieses Jahrzehnts: Die Franzosen Thierry Mugler und Jean Paul Gaultier und der Brite John Galliano. Heute kann man sogar als Popstar Modedesigner werden. Im Juni 2023 präsentiert der US-amerikanische Sänger und Rapper Pharrell Williams seine erste Kollektion für Louis Vuitton.
CARO DAUR (Influencerin):
Ich find’ die Entscheidung von LVMH oder von Louis Vuitton einfach total die richtige. Natürlich gibt es wahrscheinlich wieder Leute, die sagen, oh ja, natürlich nehmen sie jetzt einfach jemanden, der groß ist und schon bekannt ist. Aber ich glaube, das ist einfach ’ne Message, das ist, glaube ich, einfach der richtige Weg. Und ja, ich finde es total cool.
SPRECHER:
Den vergangenen Zeiten und vor allem dem Jahr 1997 widmet das Pariser Modemuseum Galliera jetzt eine eigene Ausstellung. 1997 steht für den sogenannten „Fashion Big Bang“ - und der läutete eine neue Ära ein.
ALEXANDRE SAMSON:
Jeder Designer und jede Designerin hatte einen ganz eigenen persönlichen Stil, der einer bestimmten Klientel entsprach. Und 1997 haben wir es ganz geballt mit diesen starken Persönlichkeiten zu tun, die sich auf eine sehr radikale Art und Weise ausdrückten. Und das macht 1997 zu einem besonderen Jahr und zu einem Wendepunkt in der Geschichte der Mode. Richtungsweisend dafür, wie sich die Mode im 21. Jahrhundert weiterentwickelte.
SPRECHER:
Auch die deutsche Modefotografin Ellen von Unwerth kann sich noch gut an diese besondere Zeit erinnern.
ELLEN VON UNWERTH:
Damals waren es die Supermodels, und die Designer haben auch wirklich die Sachen … die Kleider für die kreiert. Jeder Designer hat eine Person kreiert, und das Mädchen kam dann raus und hat ’ne Rolle gespielt. Und das war halt sehr, sehr aufregend und elektrisierend. Und dann hat man auch davon geträumt und es hat ihn inspiriert, Fotos zu machen. Heute sind halt die Mädchen sehr, sehr jung und sehr austauschbar. Man kann gar nicht mehr nach… mithalten, wer alles wieder neu ist, weil schon wieder ein neuer Schwung da ist.
SPRECHER:
Inzwischen findet die große Show nicht mehr auf dem Laufsteg statt: Star-Models sind nur noch selten zu sehen und die Kollektionen sind kommerzieller geworden. Dafür wird das Spektakel auf der Straße und im Netz gefeiert. Und dort ist die Begeisterung für das Thema Mode größer denn je.