Nachrichten für Lehrkräfte

Was tun gegen Falschinformationen über die DDR?

Informationen über die Zeit der DDR bekommen viele junge Leute nicht im Schulunterricht, sondern in der Familie oder im Netz. Das führt zum Teil in die Irre, warnen Fachleute. Sie haben Ideen, was sich ändern müsste.

Eine Gittertür vor einem langen Gang, von dem mehrere Türen abgehen. (Quelle: Jens Kalaene/dpa/picture alliance)

Schülerinnen und Schüler tragen Kappen mit der Aufschrift „ostdeutsch“, und manche Lehrkräfte behandeln die SED-Vergangenheit nach eigener Aussage nur „kurz und pflichtgemäß“ – aufgrund von Druck aus Elternkreisen. Diese beiden Beobachtungen, die Niko Lamprecht, Bundesvorsitzender des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer, schildert, lassen aufhorchen. Er sagt: „Bei so einer Mützenaufschrift denkt man sich zunächst nicht viel. Aber in manchen Fällen steckt dahinter eine identitätspolitische Umdeutung.“ Mit „Umdeutung“ meint Lamprecht, der auch Schulleiter eines Wiesbadener Gymnasiums ist, Aussagen wie: „SED-Diktatur und Stasi-Überwachung, das sei doch halb so schlimm gewesen.“

Solche Erzählungen halten sich mitunter in Familien, und vor allem finden sie neuen Nährboden in den Sozialen Netzwerken. „Mythen, Fake Facts und verharmlosende Deutungen nehmen zu“, warnten Fachleute zuletzt. Die jüngere Vergangenheit werde zu einem „Selbstbedienungsladen, aus dem Populisten und Extreme ihre Propaganda schöpfen“, heißt es in einer Resolution, die auf dem Bundeskongress zur Aufarbeitung der SED-Diktatur verabschiedet wurde. Unterzeichnet wurde sie auch von der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke sowie von der Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anna Kaminsky.

Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Jana Brahmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Bildung und Vermittlung der Stiftung Hohenschönhausen, sieht seit der Corona-Pandemie einen verstärkten Schwund an historischem Wissen. Eckdaten wie das Jahr des Mauerbaus seien meist bekannt, Zusammenhänge würden jedoch kaum hergestellt, sagt die Politikwissenschaftlerin und Historikerin.

In der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen wurden zwischen 1946 und 1989 über 11.000 Menschen gefangen gehalten und körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt. In Workshops der Gedenkstätte können junge Menschen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen begegnen. Sehr häufig melden sie Brahmann zurück, dass sie sich künftig mehr mit dem Thema befassen wollen. „Inwiefern das wirklich passiert, können wir nicht überprüfen.“ An dieser Stelle seien Lehrkräfte gefragt, das vorhandene Interesse an historischen Themen aufzugreifen, so Brahmann. Die Fachleute von der Stiftung stellen dafür Materialien zur Verfügung – sei es für die Abiturprüfungen oder um den Besuch einer Gedenkstätte vor- oder nachzubereiten. Ebenso werden Fortbildungen für Lehrkräfte angeboten.

Besuch einer Gedenkstätte als Pflichtprogramm?

Verpflichtende Besuche von Gedenkstätten, wie sie immer wieder gefordert werden, lehnen Brahmann und Lamprecht ab. „Ein grundlegendes Interesse muss vorhanden sein, sonst bleibt nichts hängen“, sagt Brahmann. Lamprecht sieht bei „angeordneten“ Ritualen zudem die Gefahr, dass sie eher auf Widerspruch stoßen. Als Beispiel führt er die ritualisierte und verpflichtende Gedenktagkultur der DDR an, die wenig nachhaltig wirkte. „Aber natürlich wollen wir die Besuche befördern. Hilfreich wären bürokratische Vereinfachungen, etwa über ein Budget- oder Gutscheinsystem.“ Bislang ist es für Lehrkräfte oft nicht leicht, Genehmigungen und finanzielle Zuschüsse zu erhalten.

Doch können einzelne Aktivitäten dem massiven Einfluss der Sozialen Medien etwas entgegensetzen? Dort würden „eigene Mythen“ gestrickt, warnt Lamprecht. Quellen zu prüfen, kritisch nachzufragen – solche Techniken würden in der Gedenkstätte durchaus thematisiert, sagt Brahmann. Der Blick in die Geschichte könne verdeutlichen, wie wichtig es sei, die eigene Meinungs- und Protestfreiheit zu nutzen. Bei der Präsenz von Gedenkstätten in den einschlägigen Kanälen gebe es aber Luft nach oben; dies scheitere an fehlendem Personal.

Die Bezüge zur heutigen Zeit böten jedoch weitere Chancen. „Wir sprechen viel über die Mechanismen von Diktaturen und über politische Verfolgung. Viele Schülerinnen und Schüler ziehen selbst Parallelen dazu, wo es heute Verfolgung oder Einschränkungen gibt“, berichtet Brahmann.

Wenn jemand eigene Erfahrungen teilt, sorgt das nach Beobachtung von Lamprecht oft für besondere Momente. Er nennt ein Beispiel: „Bei einer Zeitzeugen-Veranstaltung zur DDR reagierte die Schülerschaft zunächst ein bisschen lahm. Dann sagte ein geflüchteter Junge aus Afghanistan: ‘Ich komme aus einer Diktatur. Ich weiß, was es bedeutet, in Lebensgefahr zu sein, weil der eigene Vater das Falsche gesagt hat. Merkt euch das.'“

sts (mit KNA)/ip