Nachrichten für Lehrkräfte

Weltalphabetisierungstag 2023: Was bringt Lesen?

Vom Busfahrplan über Formulare bis hin zu Nachrichten auf dem Smartphone: 6,2 Millionen Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten in Deutschland stoßen bei alltäglichen Anforderungen immer wieder an ihre Grenzen.

Viele Metall-Buchstaben übereinander (Quelle: A. Rubtsov/ImageBroker/picture alliance)

Jedes Jahr am 8. September wird am Weltalphabetisierungstag daran erinnert, dass etwa 13 Prozent der Weltbevölkerung über 15 Jahren nicht richtig lesen und schreiben können. In Deutschland sind über sechs Millionen Erwachsene betroffen – und damit jeder Achte zwischen 18 und 64 Jahren.

In diesem Jahr informiert das Bundesbildungsministerium mit einer Kampagne über die Alltagsrelevanz des Lesens. Unter dem Motto „Was bringt mir Lesen?“ veranschaulichen Plakate, Online-Anzeigen und Radio-Spots die Bedeutung des Lesens im Alltag. In kurzen Videosspiegeln die Lesebotschafter und -botschafterinnen der „Stiftung Lesen“, Comedian Bülent Ceylan, Foodbloggerin Sally Özcan und Moderator Jochen Schropp, reale Situationen von Betroffenen wider und rufen Eltern dazu auf, ihren Kindern regelmäßig vorzulesen, damit sie leichter lesen lernen.

„Erwachsene, die nicht gut lesen können, lesen ihren Kindern auch nicht vor“, erläutert die Geschäftsführerin der Programme der „Stiftung Lesen“, Sabine Uehlein, die Idee für das Filmprojekt zum Weltalphabetisierungstag 2023. „Vorlesen ist als Prävention ganz wichtig.“ Denn: „Kinder lernen besser lesen, wenn ihnen vorgelesen wird. Das kann ihre Biografie von Anfang an beeinflussen.“ Eltern, die selbst Schwierigkeiten beim Lesen hätten, fühlten sich vom Vorlesen überfordert, so Uehlein. Daher seien auch das Umfeld und die Gesellschaft gefragt, wenn es darum ginge, Kindern mal etwas vorzulesen.

Laut den Ergebnissen der MOVE-Studie der „Stiftung Lesen“, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ (AlphaDekade) gefördert hat, glaubt etwa ein Drittel aller Erwachsenen mit geringer Bildung, dass Lesen eine Tätigkeit der Bildungselite sei. Diese Einstellung könnte ein Grund dafür sein, dass nur knapp ein Prozent der Menschen, die von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten betroffen sind, Hilfsangebote wahrnehmen – trotz täglicher Einschränkungen.

Seit 2016 setzen sich in Deutschland Bund, Länder und andere Partner im Rahmen der AlphaDekade verstärkt dafür ein, die Lese- und Schreibfähigkeiten sowie das Grundbildungsniveau Erwachsener in Deutschland zu verbessern. Mit der Informationskampagne „Lesen & Schreiben – mein Schlüssel zur Welt“ sensibilisiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Öffentlichkeit für Lese- und Schreibschwierigkeiten Erwachsener, informiert über Lern- und Beratungsangebote – und gibt Betroffenen eine Stimme. Anhand ihrer Lebensgeschichten wird deutlich, wie der Alltag von Menschen aussieht, die nicht richtig lesen und schreiben können – und wie man Hilfe finden kann. Ute H. zum Beispiel hat erst im Alter von 51 Jahren richtig lesen und schreiben gelernt. Zuvor hatte sie das Lesen und Schreiben immer vermieden und sich zum Beispiel den Arm verbunden, wenn sie wusste, dass sie auf der Bank ein Formular ausfüllen muss. Erst als ihr Enkel sie fragte, ob sie nicht lesen könne, entschied sie, sich beim Jobcenter Hilfe zu suchen.

Betroffene können Informationen über ein Lernangebot in ihrer Umgebung auch über die Website Alfa-Telefon erhalten. Die Suchfunktion ist in einfacher Sprache angelegt und man findet in nur wenigen Schritten Angebote in der eigenen Region: vom VHS-Kurs über niedrigschwellige Lerntreffs bis hin zur Selbsthilfegruppe sind alle relevanten Angebote übersichtlich abrufbar.


sts (mit Stiftung Lesen, dpa)/io