Wenn Russland kein Gas mehr liefert
In der Ukraine-Krise geht es nicht nur um Politik – es geht auch um Gas. Russland ist ein wichtiger Gasproduzent und liefert etwa ein Drittel des in Europa verbrauchten Gases. Fast 40 Prozent des deutschen Gasaufkommens kommen aus Russland. Besonders groß ist die Abhängigkeit der baltischen Staaten, denn sie importieren fast 100 Prozent ihres Gases aus Russland. Viele befürchten, dass Russland in Zukunft aus politischen Gründen vielleicht kein Gas mehr an die EU liefern wird.
Doch welche Folgen hätte es für Europa, wenn Russland die Gaslieferungen stoppt? Jonas Grätz von der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik in Zürich glaubt nicht, dass dies der EU schaden würde. Denn der Gasverbrauch ist wegen des milden Winters gering. Er sagt: „Allerdings würden manche Länder wie Ungarn oder Bulgarien wahrscheinlich mehr betroffen sein als Westeuropa, wo die Gasspeicher zu noch etwa 60 Prozent gefüllt sind.“
Russland würde sich außerdem selbst stark schaden, wenn es kein Gas mehr nach Europa liefert. Das russische Unternehmen Gazprom macht 60 Prozent seiner Gaseinnahmen in Europa. Ohne diese Einnahmen würde es der Firma schlecht gehen. Grätz erklärt: „Wenn es Gazprom schlecht geht, dann würde auch Putin Probleme bekommen, weil er dieses Unternehmen braucht, um in Russland zum Beispiel Projekte wie Sotschi zu implementieren.“
Anders als Europa ist die Ukraine vom russischen Gas abhängig. Gazprom nahm nun den 30-Prozent-Rabatt für die Ukraine zurück und forderte, dass das Land seine Schulden bezahlen soll. Das bereitet der Ukraine schwere Probleme, denn sie ist nah am Staatsbankrott. Die EU-Kommission überlegt deshalb, der Ukraine bei der Bezahlung der Gasrechnungen an Russland zu helfen. Außerdem liegen bereits Pläne vor, Gas durch die Slowakei in die Ukraine zu pumpen.
Glossar
etwas befürchten – Angst vor etwas haben
um etwas gehen; es geht um etwas – etwas ist das Thema, das besprochen wird; etwas ist wichtig
Aufkommen, - (n.) – hier: eine bestimmte Menge
die baltischen Staaten – Estland, Lettland und Litauen
Folge, -n (f.) – hier: die Konsequenz; die Auswirkung
jemandem schaden – hier: jemandem einen Nachteil bringen
mild – hier: warm; angenehm
gering – niedrig; wenig
von etwas betroffen sein – ein bestimmtes Problem auch haben; in einer bestimmten Situation sein
gefüllt – voll
Einnahme, -n (f., meist im Plural) – hier: das Geld, das man für etwas (z. B. bei Verkauf) bekommt
etwas implementieren – etwas einführen; hier: etwas durchführen
Rabatt, -e (m.) – die Preissenkung
jemandem Probleme bereiten – jemandem Probleme machen
Bankrott, -e (m.) – die Tatsache, dass eine Firma oder ein Staat kein Geld mehr hat
Kommission, -en (f.) – eine Gruppe von Fachpersonen, die für etwas zuständig ist und eine bestimmte Aufgabe hat
vor|liegen – da sein; existieren
pumpen – hier: Gase oder Flüssigkeiten befördern
Fragen zum Text
1. Welche Folgen hätte es laut Grätz für Europa, wenn Russland die Gaslieferung stoppt?
a) Westeuropa würde es gar nicht schaden, aber viele Länder in Osteuropa stünden dann vor dem Bankrott.
b) Europa hätte dann viel zu wenig Gas.
c) Europa würde es nicht sehr schaden.
2. Was steht im Text?
a) Deutschland importiert etwa 40 Prozent seines Gases aus Russland.
b) Gazprom erhält mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen aus der Ukraine.
c) Die Ukraine bezieht 100 Prozent ihres Gases aus Russland.
3. Wieso würde Russland sich laut Text selbst schaden, wenn es die Gaslieferung stoppt?
a) Andere Staaten würden durch Gaslieferungen mehr verdienen und mächtiger werden.
b) Russland würde wichtige Partner verlieren.
c) Das russische Unternehmen Gazprom würde große finanzielle Verluste machen.
4. Ergänzt die richtige Konjunktivform! „Ungarn oder Bulgarien … bei einem Stopp der Gaslieferung größere Probleme als Westeuropa.“
a) hätten
b) wären
c) würden
5. Ergänzt die richtige Konjunktivform! „Russland … sich selbst große Probleme bereiten.“
a) hätte
b) würde
c) wäre
Arbeitsauftrag
Welche Probleme könnten noch auftreten, wenn Russland seine Gaslieferungen stoppen würde? Tragt eure Ideen in der Gruppe zusammen und diskutiert sie.