Gesicht von Asa Awad-Bergström (DW/World Stories)
Manuskript

Wie leben schwarze Menschen in Deutschland?

Man schätzt, dass in Deutschland etwa eine Million schwarze Menschen leben. Genaue Zahlen gibt es aber nicht. Die Organisationen „Each One Teach One“ und „Citizens of Europe“ wollen dies mit dem Afrozensus ändern: Sie führen eine Umfrage über das Leben und den Alltag von schwarzen Menschen in Deutschland durch. Dabei geht es auch um ihre Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung.
 

SPRECHERIN:
Asa Awad-Bergström ist eine von etwa einer Million schwarzer Menschen in Deutschland. So ganz genau weiß das aber niemand. Es gibt keine offiziellen Zahlen. Awad-Bergström ist als Tochter sudanesischer Austauschstudenten nach der Wende in Leipzig aufgewachsen. Ostdeutschland in den Neunzigern: Das war schwierig für schwarze Menschen. Viele fühlten sich alleingelassen.

ASA AWAD-BERGSTRÖM (Architektin):
Wenn ein rechter Mob auf dem Jahrmarkt um einen [herum] steht, und da steht ein Polizist und lässt das über einen geschehen, wie – weiß ich nicht – 15 Personen auf einen einbrüllen: „Neger!“ Das ist … Das sind schon Erinnerungen, die … halt haben einen oftmals zweifeln lassen, ob man tatsächlich erwünscht ist in diesem Land.

SPRECHERIN:
„Each One Teach One“ und „Citizens of Europe“ führen daher eine Umfrage durch, den Afrozensus. Es ist die erste zur Lebensrealität schwarzer Menschen in Deutschland. Daniel Gyamerah hofft, die Umfrage kann Wissenslücken füllen. 

DANIEL GYAMERAH (Verein „Each One Teach One“):
Leider gab es aber in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel zu wenig Forschung über die Situation von schwarzen Menschen, zu Anti-Schwarzem-Rassismus. Das führt auch dazu, dass die Politik immer wieder zu uns kommt und sagt: „Ja, was ist denn das Problem? Gibt’s euch überhaupt?“ Sie tun sich schwer, von schwarzen Menschen überhaupt zu sprechen. Und deshalb haben wir gesagt: Wir nehmen das selber in die Hand

SPRECHERIN:
Muauka Nsenda stammt aus Frankreich und arbeitet als Lehrerin in Berlin. Sie ärgert sich über den Mangel an Sensibilität, auch bei manchen wohlmeinenden Weißen. 

MUAUKA NSENDA (Lehrerin):
Meine Klasse und ich haben ein Lied vorbereitet. Die Kinder waren sehr motiviert, aber dann bekamen sie Lampenfieber. Daraufhin dreht sich der Schuldirektor zur versammelten Schule und sagt: „Ich liebe einfach schwarze Musik, Sie nicht auch?“ Und ich denke nur: „Hm, interessant.“ Das Problem und die eigentliche Frage ist, woher sie es besser wissen sollen, wenn es keine Zahlen gibt, keine Aufzeichnungen und niemanden, der darüber spricht.

SPRECHERIN:
Der Afrozensus soll genau diese Diskussion ermöglichen und Alltagsrassismus in der deutschen Gesellschaft besser erfassen. Doch es hat auch noch einen anderen Effekt

ASA AWAD-BERGSTRÖM:
Das ist auch sehr empowernd letztendlich für diejenigen, die schwarz sind. Und deswegen finde ich das super.

SPRECHERIN:
Eine Umfrage wie den Afrozensus hat es bisher noch nie gegeben. Deutschland sträubt sich gegen die statistische Erfassung der Bürger nach ethnischen Kriterien – auch aus historischen Gründen.

DANIEL GYAMERAH:
Es gibt immer wieder die Angst, dass, wenn man Communitys befragt, was eigentlich ihre Situation ist, ob sie diskriminiert werden, dass man durch diese Forschung diese Communitys erst kreieren würde. Wir sind aber hier. Ich sitze hier auf dieser Bank. Wir sind Teil dieser Gesellschaft. Wir lassen uns nicht verleugnen und wir können ruhig über schwarze Menschen, afrikanische Menschen, afrodiasporische Menschen sprechen, ohne Angst davor zu haben.

SPRECHERIN:
Der Afrozensus könnte also einen echten Fortschritt für die afrodeutsche Community bringen. 

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