Wie Schulen heißen
Ob Politiker, Schriftsteller oder Heiliger – 40 Prozent aller Schulen sind nach einer berühmten Person benannt. So unterschiedlich die Namenspaten auch sind, auffällig ist: Sie sind in den meisten Fällen männlich.
Etwa 31.000 Schulen gibt es in Deutschland. 40 Prozent von ihnen tragen den Namen einer mehr oder weniger berühmten Persönlichkeit. Insgesamt gibt es mehr als 4300 Namenspaten für deutsche Schulen. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Wir geben Schulen den Namen“ der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Justus-Liebig-Universität Gießen und des Kinderkanals von ARD und ZDF, KiKA.
Weniger Frauen, viele Schriftsteller
Auffallend dabei: Auch wenn mit der Pädagogin Maria Montessori eine Frau die Rangliste der häufigsten Namensgebenden anführt – die Mehrzahl der Personen ist männlich. „Die Studie belegt, dass nur etwa ein Sechstel der Schulen in Deutschland, die den Namen einer historischen Persönlichkeit tragen, nach Frauen benannt sind“, teilten die Verfasser der Untersuchung mit. Hinter Montessori folgen auf Platz 2 der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi und auf Platz 3 die Geschwister Scholl – ein Geschwisterpaar, das wegen seines Widerstands gegen den Nationalsozialismus hingerichtet wurde.
Die größte Gruppe der Namensgebenden aber bilden Schriftstellerinnen und Schriftsteller; 26 Prozent der Schulen mit Namen sind nach ihnen benannt. Dazu gehören zum Beispiel Astrid Lindgren auf Platz 4, Erich Kästner auf Platz 7 oder die Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller auf Platz 8 und 9. Ebenfalls häufig vertreten sind christliche Geistliche oder Heilige wie Maria, die Mutter Jesu, auf Platz 6 und Martin von Tours, auch bekannt als Sankt Martin, auf Platz 10 sowie Politikerinnen und Politiker wie etwa der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Defizite in der Erinnerungskultur
Insgesamt stammen die meisten Namensgebenden aus Deutschland (oder aus den historischen deutschen Gebieten). Menschen mit Migrationshintergrund kommen so gut wie nicht vor. Und die Autoren der Studie heben ein weiteres Ergebnis hervor: Zwar trügen viele Schulen die Namen sowohl von Opfern des Nationalsozialismus als auch von (deutschen) Widerstandskämpferinnen und -kämpfern gegen das NS-Regime, aber der jüdische Widerstand sei kaum repräsentiert. „Die Benennung deutscher Schulen spiegelt damit ein zentrales Defizit der deutschen Erinnerungskultur“, sagte der Studienleiter und Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur, Sascha Feuchert.
Laut Feuchert handele es sich bei den Schulbenennungen um ein wichtiges Feld der Erinnerungskultur, das bislang kaum systematisch untersucht worden sei, obwohl die Namensgebung immer wieder für heftige Diskussionen sorge. „Namen sind eben mehr als Schall und Rauch – die erinnerten Personen geben uns schließlich auch ihre Werte mit“, erklärte Feuchert. „Deshalb darf es Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Eltern nicht egal sein, wie eine Schule heißt.“
Allein 70 Personen waren – auch das ein Ergebnis der Studie – Mitglieder der NSDAP, also der Partei Adolf Hitlers, darunter auch einige Mitglieder der Verbrecherorganisationen SA und SS. Sie sind Namensgeber von über 80 Schulen. Nur wenige Schulen würden aber die Mitgliedschaft der Namensgebenden auf ihrer Homepage thematisieren.
ip/ist (dpa, Uni Gießen)