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Rungholt: vor Jahrhunderten im Meer versunken

Mitten im nordfriesischen Wattenmeer finden Forschende die Reste eines alten Orts: Das sagenhafte Rungholt ist 1362 in der Nordsee versunken, heißt es. Was ist an dem alten Mythos dran?


„Atlantis der Nordsee“ wird er oft genannt: Der Ort Rungholt soll groß und sagenhaft reich gewesen sein. Dann versank er im Meer – eine Strafe Gottes für das lasterhafte Leben der Bevölkerung, hieß es jahrhundertelang. Aber was ist wirklich an dem Mythos dran? Wo heute die Nordsee ist, war früher Land. Menschen lebten dort und betrieben Landwirtschaft. Doch Sturmfluten machten ihnen das Leben schwer, wie die große Flut von 1362: Sie zerstörte große Teile der Küste – und auch Rungholt. Spuren des Orts fand man erst Anfang des 20. Jahrhunderts.

2023 wurde dann der Umriss der Kirche entdeckt, außerdem Wohnhügel, ein Deich, Entwässerungssysteme und ein Hafen. Ein Glück für die Forschenden: Anders als auf dem Land wurde der Boden im Wattenmeer über Jahrhunderte nicht verändert, die Funde sind daher besonders gut erhalten. „Im Watt haben wir sozusagen ein eingefrorenes Foto“, erklärt Bente Sven Majchczack von der Universität Kiel.

Aber war Rungholt wirklich so groß und reich, wie man lange dachte? „Die Vorstellung, dass das ein Ort mit 2000 Einwohnern oder mehr gewesen ist […], das ist einfach Quatsch“, so Majchczack. Er vermutet, dass in der damaligen Moorlandschaft etwa 1000 Menschen gelebt haben. Sie haben den Moorboden entfernt, um die Fläche landwirtschaftlich nutzen zu können, erklärt er. Die Geographin Hanna Hadler glaubt, dass der Boden dadurch tiefer wurde. Bei Sturmfluten wurde dies zu einem Problem. Wahrscheinlich haben die Rungholter so zu ihrem eigenen Untergang beigetragen.

Besonders wertvolle Gegenstände wurden bisher nicht gefunden. Einen gewissen Wohlstand zeigen die Funde allerdings: „Wir haben kleine Gewichte und Waagen gefunden. Das heißt, hier wurde Handel betrieben“, sagt die Archäologin Ruth Blankenfeldt. Und der Untergang von Rungholt? 1362 wurde zwar ein großer Teil des Orts zerstört. Die Menschen zogen sich jedoch schrittweise zurück, so Majchczack. Rungholt versank also nicht in einer Nacht, wie es der Mythos besagt.

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